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Draken im Luftkampftraining über der Nordsee

08. Oktober 2002 - 

Am 23. September landeten 9 Saab 35OE Draken des Überwachungsgeschwaders wohlbehalten auf dem Fliegerhorst Nittner in Graz-Thalerhof und setzten damit den Schlussstrich unter das vom 4. bis zum 23.September in Großbritannien abgehaltene Luftkampftraining. Am selben und nächsten Tag reiste auch das Hauptkontingent der 71 Mann starken "Austrian Delegation" (Delegationsleiter Obstlt Doblhammer, Luftabteilung/BMLV), die aus Angehörigen des Überwachungsgeschwaders, des Kommandos Luftraumüberwachung, des Fliegerregimentes 2 und des Kommandos Fliegerdivision bestand, mit Linienflügen nach Graz bzw. Salzburg zurück. Nur ein kleiner Teil des Personals blieb noch in England, um die 31 Container, die für den Betrieb des "Austrian Detachments" notwendig waren, zu beladen und den Abtransport per LKW, der von einer zivilen Spedition durchgeführt wurde, zu überwachen. Am 26. September waren Personal und Material in Österreich zurück.

Die Royal Air Force Station Waddington in der Grafschaft Lincolnshire, ca. 250 km nordöstlich von London, war damit nach 1995 und 1997 zum dritten Mal Gastgeber für die Luftstreitkräfte zu einem Luftkampftraining der besonderen Art, das in dieser Form in Österreich niemals stattfinden könnte.

"RAF Waddington", Heimatbasis der britischen AWACS-Flotte, ist Anziehungspunkt für Luftstreitkräfte aus ganz Europa (u.a. Belgien, Dänemark, Frankreich, Niederlande, Österreich, Schweiz, Spanien), da sich hier die Zentrale der "North Sea ACMI Range" der Firma British Aerospace Systems befindet. Diese ACMI (Aerial Combat Manoeuvering Instrumentation) - Anlage, 1988/89 von BAE Systems erbaut und von der Firma seither auf kommerzieller Basis betrieben, ermöglicht die präzise, dreidimensionale Erfassung, Visualisierung und Aufzeichnung von Luftkämpfen unter Bereitstellung aller relevanten Daten der Flugzeuge und der Waffeneinsatz-Simulation. Der Übungsraum selbst liegt rund 200 km von Waddington entfernt über der Nordsee.

Zur Nutzung der "Range" wird am Flugzeug ein AIS (Airborne Instrumentation Subsystem) - Behälter montiert, der ähnliche Charakteristika (Größe, Gewicht) und die Standard-NATO-Anschlüsse einer AIM-9 Sidewinder aufweist. Der Behälter, der durch einen digitalen Code eindeutig identifizierbar ist, überträgt mit dem eingebauten Transponder durch Senden (alle 20 Millisekunden) und Abfrage (alle 100 Millisekunden) Geschwindigkeit, Höhe und Fluglagedaten der Maschine an die 5 Tracking Instrumentation Subsystems Towers (TIS), kleine Ölbohrplattform-ähnliche Türme, die kreisförmig im 50 km Durchmesser um eine größere Plattform (TIS Master Tower) in der Nordsee verankert angeordnet sind. Durch den Vergleich der Daten zwischen den Türmen wird die Position der Maschinen mit maximal 4,5 m Abweichung errechnet. Die Daten laufen über diese Hauptinsel mittels submarinem Glasfaserkabel zum dazugehörigen Computerzentrum (CCS, Control and Computation Subsystem) auf der RAF-Station Coningsby, ca. auf halbem Weg zwischen Waddington und der Nordseeküste gelegen. Im Rechnersystem werden auch weitere Daten, die via AIS (G-kräfte, Anstellwinkel usw.) übertragen werden, verarbeitet. Das simulierte Abschießen einer Lenkwaffe ist beim Draken ein besonders wichtiger Übertragungswert (bei moderneren Maschinen sind weitere Daten wie das Auffassen eines Zieles, entsprechende Gegenmaßnahmen wie Chaff/Flare usw. übertragbar), der für die mittels einer umfangreichen Datenbank erfolgenden Simulation des Flugweges und Trefferergebnisses der Lenkwaffe im CCS Voraussetzung sind. Die ermittelten Daten und Flugwege von Maschinen und Lenkwaffen werden mit Hilfe eines Display and Debrief Subsystems (DDS, solche Systeme gibt es außer in Waddington auch in Coningsby, Lakenheath und Leeuwarden) praktisch in Echtzeit ( Verzögerung 11s) an entsprechenden Konsolen mit 3 Bildschirmen (auch 3-dimensional und aus Sicht des Piloten) und an 2 Grossbildschirmen (mit verschiedenen Darstellungs- und Vergrößerungsmöglichkeiten) dargestellt und für das Debriefing aufgezeichnet. Die Führung der eingesetzten Maschinen wird durch Radarleitoffiziere und Koordinatoren (meistens Piloten) mittels UHF- Verbindung durchgeführt.

Die Benützung der Anlage erfolgt in sogenannten "Slots", die 30 Minuten dauern. Bezahlt werden die Slots inklusive des Debriefings, die weitere Unterstützung durch BAE Systems ist kostenlos.

Das Überwachungsgeschwader, unterstützt von 7 Radarleitoffizieren des Kommandos Luftraumüberwachung, verlegte, wie bereits erwähnt, zum dritten und sicherlich letzten Mal mit dem Draken (das große Interesse der britischen Flugzeugfans am Zaun der Basis war auch für den weniger Informierten ein deutlicher Hinweis darauf) nach Waddington. Das für englische Verhältnisse gute Wetter liess einen geordneten Ablauf und die Durchführung aller 40 gebuchten Slots zu. Wesentlich trug auch die unermüdliche Arbeit der Fliegertechnik (mehrheitlich Personal der 1.FlTeKp), die anders als bei den Verlegungen nach Schweden hier nicht auf Unterstützung durch die Hausherren zählen konnte, dazu bei.

Neu war die erstmalige Einbeziehung ausländischer Luftfahrzeuge in das Ausbildungsvorhaben. Nach einer kurzen Eingewöhnung "Draken gegen Draken" (max. 2 gegen 2) flogen ab 11. September erstmals Harrier der RAF gegen die Draken. Die jeweils hiezu eingesetzten 2 Harrier GR7 der 4. Squadron (Joint Force Harrier) flogen von ihrer Basis Cottesmore direkt in das Übungsgebiet, übten dort hintereinander gegen 2 Rotten S 35OE und landeten dann zum gemeinsamen Debriefing ebenfalls in Waddington. Der Harrier, teilweise von im Kosovo und Irak erprobten Einsatzpiloten geflogen und ein "Erdkämpfer", erwies sich als interessanter Gegner, der zwar langsamer, aber wendiger als der Draken war. Dieser, von den RAF-Piloten als "Bad Turner" bezeichnet, musste bei den geflogenen Übungen seinen Geschwindigkeitsvorteil positiv umsetzen. Beiden Typen gemeinsam war, dass der Draken nur über ein Bordradar geringer Funktionalität und der Harrier über kein Bordradar verfügt, während die Unterschiede zwischen den Lenkwaffen AIM-9P5 und AIM-9L nicht sehr gravierend waren. Wenngleich der Ehrgeiz auf beiden Seiten groß war, stand in den Slots nicht der "Sieg", sondern die Erkenntnisse aus den Übungen und die schnelle Umsetzung in neue taktische Ansätze für Piloten und Radarleitoffiziere im Vordergrund. Dabei war der Ausbildungsstand der Piloten - die Flugzeugführer des 6. Draken-Umschulungskurses waren erstmalig in Waddington und auch die britischen Harrier-Piloten fliegen aufgrund ihrer Einsatzrolle nur sehr selten auf der Range - zu beachten. Die österreichischen RLO´s, die auch die Harrier führten , bekamen dafür von den Briten ein besonderes Lob ausgesprochen.

Über die Wertigkeit dieses Trainings gibt es von Seiten der Flugzeugführer und der Radarleitoffiziere nur positive Stimmen. Einige wichtige Faktoren seien erwähnt:

Die Lage des Übungsraumes über der Nordsee mit einer entsprechenden lateralen und vor allem auch vertikalen Ausdehnung ermöglicht ein realitätsnahes, einsatzmäßiges Fliegen unter Ausnützung des vollen Leistungsspektrums des Draken (Überschall!) , wie es in Österreich aufgrund der Luftraumstruktur und der Lärmbelästigung nie möglich wäre.

Die praktisch verzugslose Echtzeitdarstellung an den Bildschirmen mit dreidimensionalen Ansichten und allen wichtigen Daten dient auch dem Radarleitdienst, durch die einem konventionellen Radarbild überlegene Darstellung und Datendichte zu einem sehr hohen Ausbildungsniveau zu kommen.

Die Zusammenarbeit mit anderen Luftstreitkräften bringt Wissen und Erfahrung, und manchmal die motivierende Erkenntnis, dass andere Luftwaffen auch nur mit Wasser kochen.

Der Informationsgehalt des Debriefings ist unerreicht hoch. Die lückenlose Darstellung und die gebotenen Möglichkeiten, den Luftkampf Sequenz für Sequenz zu analysieren, lässt neue Taktiken entstehen, bestätigt bewährte Verfahren und unterbindet aufgrund der exakten Nachvollziehbarkeit Diskussionen über Erfolg oder Misserfolg. Zudem ist durch die physische Anwesenheit der Piloten und ihrer Radarleitoffiziere - in Österreich erfolgen die Debriefings nur per Telefon - eine intensive Diskussion über den Einsatz möglich, Absprachen über Änderungen oder Verbesserungen des künftigen Ablaufs sind ohne Verzug umsetzbar.

Ob die Luftstreitkräfte in den nächsten Jahren wieder Gelegenheit zu einer derart hochklassigen Ausbildung haben werden, hängt von der weiteren Entwicklung in der Draken-Nachfolge ab. International gibt es einen Trend zu sogenannten "rangeless" Anlagen, das heißt, es werden nur mehr gleichartige Behälter und eine entsprechende bodengestützte Computeranlage benötigt. Ein Vorteil liegt in der Nutzbarkeit der eigenen Basen und damit beim unveränderten logistischen Aufwand. Nachteilig sind, zumindest in Mittel- und Westeuropa, die in dieser Form nie zu Verfügung stehenden Übungsräume (Überschall, Luftraumstruktur, politische Gründe) und die vermutlich mangelnde Kompatibilität der von verschiedenen Herstellern angebotenen Systeme.

AIS-Behälter. (Bild öffnet sich in einem neuen Fenster)

AIS-Behälter.

Datenübertragungsplattformen in der Nordsee. (Bild öffnet sich in einem neuen Fenster)

Datenübertragungsplattformen in der Nordsee.

Datalink-Netzwerk. (Bild öffnet sich in einem neuen Fenster)

Datalink-Netzwerk.

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