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Das neue Militärbefugnisgesetz (MBG) II

Militärische Nachrichtendienste

In allen demokratischen Rechtsstaaten stellt die Schaffung ausdrücklicher gesetzlicher Grundlagen für die militärischen Nachrichtendienste eine Angelegenheit von besonderer Bedeutung dar. Die im Militärbefugnisgesetz diesbezüglich enthaltenen Bestimmungen lehnen sich materiell eng an ausländische Vorbilder an und stellen daher jedenfalls „europäischen Standard“ dar.

Diese bedeutende militärische Teilaufgabe gliedert sich in
* die nachrichtendienstliche Aufklärung und
* in die nachrichtendienstliche Abwehr.

Als Aufgaben der Aufklärung sind dabei im Wesentlichen genannt:
* die Beschaffung, Bearbeitung und Auswertung von Informationen über das Ausland betreffend militärrelevante Tatsachen, Vorgänge und Vorhaben.

Die Abwehr dient dagegen dem militärischen Eigenschutz durch die (präventive) Informationsgewinnung über potentielle Bedrohungen der militärischen Sicherheit durch strafrechtswidrige Angriffe.

Zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben sind den militärischen Nachrichtendiensten diverse Ermächtigungen zur Verwendung personenbezogener Daten eingeräumt. Diese Bestimmungen bewegen sich ausschließlich im Rahmen der verfassungsrechtlich verankerten Grundrechte auf Datenschutz sowie auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Eine zwangsweise Durchsetzung dieser Befugnisse ist – im Gegensatz zum militärischen Wachdienst – ausnahmslos nicht vorgesehen.

Im übrigen stehen den Nachrichtendiensten die im Justizbereich eingeführten besonderen Ermittlungsmethoden (sog. „Lauschangriff“ bzw. „Rasterfahndung“) in keiner Weise zur Verfügung.

Im Rahmen der nachrichtendienstlichen Abwehr ist auch eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für die Durchführung von Verlässlichkeitsprüfungen enthalten. Eine solche Überprüfung ist im Wesentlichen hinsichtlich jener Personen zulässig, die Zugang zu militärischen Liegenschaften erhalten sollen; dies betrifft sowohl Ressortbedienstete und Soldaten im Präsenz- bzw. Ausbildungsdienst als auch etwa Heereslieferanten, Reinigungspersonal oder Wartungs- und Servicepersonal.

Im Hinblick auf die besondere Sensibilität der militärischen Nachrichtendienste wird zusätzlich zu den zahlreichen bereits bestehenden Kontrolleinrichtungen (z.B. Datenschutzkommission, Ständiger Unterausschuss des Landesverteidigungsausschusses, Volksanwaltschaft, Bundesheer-Beschwerdekommission, Rechnungshof, Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof etc.) ein Rechtsschutzbeauftragter eingeführt.

Diesem unabhängigen und weisungsfreien Kontrollorgan steht eine umfassende rechtliche Kontrolle sämtlicher Maßnahmen der militärischen Nachrichtendienste zu. Hiezu sind ihm grundsätzlich Einsicht in alle Unterlagen zu gewähren und alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen.

Militärische Luftraumüberwachung

Im Interesse der Rechtssicherheit wird auch diese Teilaufgabe der militärischen Landesverteidigung einer ausdrücklichen gesetzlichen Verankerung zugeführt. Als Hauptaufgabe der Luftraumüberwachung ist dabei die ständige Wahrung der Lufthoheit der Republik Österreich genannt.

Zur Erfüllung dieser Aufgabe sind den zuständigen militärischen Organen das „Stellen“ von Luftfahrzeugen im österreichischen Luftraum unter bestimmten Voraussetzungen sowie die Feststellung der jeweils relevanten Umstände dieser Luftraumbenützung eingeräumt.

Stellen von Luftfahrzeugen
Als „Stellen“ ist dabei im wesentlichen eine direkte Kontaktaufnahme mit den betreffenden Luftfahrzeug – etwa durch Funk oder durch direkten Sichtkontakt im Wege eines Überwachungsflugzeuges - zu verstehen.

Die Feststellung der relevanten Umstände wird insbesondere umfassen:
* die Klärung der nationalen Zugehörigkeit des betreffenden Luftfahrzeuges,
* die Feststellung des Ausgangs- und geplanten Zielpunktes der Flugroute sowie
* die Erhebung von Zahl und Zusammensetzung der Besatzung und der Art der Ladung des Luftfahrzeuges.

Diese Befugnisse sollen bei Vorliegen sämtlicher gesetzlichen Voraussetzungen auch mit unmittelbarer Zwangsgewalt durchgesetzt werden dürfen. In der Praxis wird diesbezüglich insbesondere die Anordnung und Erzwingung einer Landung des betreffenden Luftfahrzeuges in Betracht kommen.

Leistungsrecht

In allen mittel- und westeuropäischen Rechtsstaaten bestehen gesetzlich Regelungen betreffend die Befugnis des Militärs zur Inanspruchnahme ziviler Leistungen im Wege eines Leistungsrechtes zur Deckung des unabdingbaren materiellen Bedarfes der Streitkräfte.

In keinem Staat kann nämlich das Heer, speziell auch aus wirtschaftlichen Erwägungen, so ausgerüstet werden, dass es jederzeit in allen Anlassfällen und zur Gänze auf die Inanspruchnahme zusätzlicher „ziviler“ Leistungen verzichten kann. In Österreich sind die entsprechenden Regelungen seit 1968 im Militärleistungsgesetz enthalten.

Dieses Gesetz sieht im wesentlichen eine Inanspruchnahme von Kraftfahrzeugen und Anhängern, Luftfahrzeugen, Schiffen und Baumaschinen, jeweils samt Zubehör und Ersatzteilen, im Wege eines Verwaltungsverfahrens vor.

Derartige Leistungsanforderungen dürfen ausschließlich für Zwecke eines Einsatzes des Bundesheeres zur militärischen Landesverteidigung durchgeführt werden. Im Rahmen der militärischen Einsatzplanungen stellte sich regelmäßig heraus, dass die Möglichkeiten dieses Gesetzes den Bedürfnissen des Bundesheeres nicht in ausreichendem Umfang Rechnung tragen.

Neuregelung
Im Rahmen des Militärbefugnisgesetzes wird daher auch das gesamte militärische Leistungsrecht einer umfassenden Neuregelung zugeführt. Das geltende Militärleistungsgesetz kann daher vollständig aufgehoben werden.

Leistungsgegenstände
Die Neugestaltung des Leistungsrechtes ist inhaltlich auf der Basis der derzeitigen Regelungen konzipiert, denen die erforderlichen Erweiterungen und Ergänzungen hinzugefügt wurden. Dabei wird zunächst der derzeitige Katalog an möglichen Leistungsgegenständen umfassend auf alle „Sachen“ erweitert. Darunter sind sämtliche beweglichen und unbeweglichen Gegenstände zu verstehen. Damit wird in einem Einsatz zur militärischen Landesverteidigung bei entsprechendem unabdingbaren militärischen Bedarf eine optimale Deckung dieser Bedürfnisse ermöglicht; insbesondere wird dabei auch eine zwangsweise militärische Nutzung ziviler Liegenschaften eröffnet.

Werkleistungen
Über diese Sachleistungen hinaus ist künftig auch eine Inanspruchnahme von Werkleistungen zulässig. Dadurch können gewerbliche Unternehmer verpflichtet werden, die im Rahmen ihres allgemeinen Geschäftsbetriebes angebotenen Leistungen (jedenfalls auch) für das Bundesheer zu erbringen. In der Praxis werden die im Einsatz für das Militär zu erbringenden Werkleistungen insbesondere Instandsetzungs- und Reparaturleistungen an beschädigtem Heeresgut sowie Transportleistungen betreffend Truppen und militärisches Gerät umfassen.

Unmittelbar Inanspruchnahme
Schließlich wird dem Militär in besonders qualifizierten Notfällen während eines Einsatzes eingeräumt, unabhängig von einer bescheidmäßigen Inanspruchnahme ziviler Leistungen auch eine „unmittelbare Inanspruchnahme“ von Leistungsgegenständen durchzuführen. Dies bedeutet, dass Leistungsgegenstände zu militärischen Zwecken bei Vorliegen sämtlicher hiefür normierter Bedingungen auch ohne formelles Behördenverfahren herangezogen werden dürfen.

Im Hinblick auf die besondere Sensibilität einer solchen verfahrensfreien direkten Inanspruchnahme von Leistungen sind für diese Befugnis besonders strenge gesetzliche Voraussetzungen normiert; ein militärisches „Requirieren“ im Einsatz aus bloßen „Bequemlichkeits?“ bzw. „Günstigkeitsaspekten“ wird daher auch weiter unzulässig sein.

Finanzielle Entschädigung
Die Inanspruchnahme ziviler Sach- und Werkleistungen durch das Militär im Wege des Leistungsrechtes wird wie bisher nicht kostenlos erfolgen. Vielmehr kommt den betroffenen Personen ein umfassender Anspruch auf finanzielle Entschädigungen durch die Inanspruchnahme von Leistungen zu. Aus verwaltungsökonomischen Gründen sollen diese Entschädigungen primär im Wege schriftlicher Vereinbarungen des Militärs mit dem Anspruchsberechtigten festgesetzt werden. Sofern eine solche Vereinbarung aus welchem Grund immer allerdings nicht zustande kommt, wird die Entschädigung gerichtlich festzusetzen sein.

Ausblick

Nach der Kundmachung des Militärbefugnisgesetzes im Bundesgesetzblatt kann nunmehr bereits mit der Vorbereitung der erforderlichen Vollziehungsmaßnahmen begonnen werden. Der (vergleichsweise) lange Zeitraum bis zum tatsächlichen Inkrafttreten am 1. Juli 2001 wurde zur Vorbereitung und Umsetzung dieser unbedingt notwendigen Vollziehungsmaßnahmen festgesetzt. Dies betrifft zunächst die umfangreiche Überarbeitung bzw. völlige Neuerstellung zahlreicher interner Erlässe, Dienstvorschriften, Befehle, Dienstanweisungen uä., etwa betreffend den gesamten Wachdienst und das militärische Leistungsrecht.

Im übrigen werden auf Grund der umfassenden Neuerungen auch intensive Schulungs- und Ausbildungsmaßnahmen für Soldaten und ziviles Ressortpersonal aller Ebenen und Verwendungen unabdingbar sein. So dürfte es z.B. ab Juli 2001 keinen zum Wachdienstes eingeteilten Soldaten geben, der die nunmehrigen gesetzlichen Vorgaben nicht (zumindest in Grundzügen) kennt oder nicht anwenden kann.

In weiterer Folge wird die Praxis des militärischen Dienstbetriebes zeigen, ob und inwieweit die generelle Zielsetzung des Militärbefugnisgesetzes nach Schaffung klarer gesetzlicher Rahmenbedingungen für ein rechtsstaatliches Handeln des Bundesheeres erreicht werden konnte.

Mag. Thomas Grossbies, Leg C

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