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Putins Militärpolitik

von Hannes Adomeit

Kurzfassung

◄ Die Sitzung des Sicherheitsrats vom 11.8.2000 über die militärische Entwicklung Russlands bis zum Jahre 2015 markierte einen Wendepunkt, läutete eine neue Runde in den langwierigen Bemühungen um eine Militärreform ein und wies auf einen Wandel in der öffentlichen Haltung Putins zum Militär hin. Die wesentlichen Bestandteile der Reformpolitik sollten Personalkürzungen und Umschichtungen der Ausgaben zu Gunsten von Forschung, Entwicklung und Beschaffung neuer Waffen sein. Zivile Kontrolle über das Militär, Entmilitarisierung des öffentlichen Lebens, Garantie des Rechts auf Wehrdienstverweigerung, Abschaffung der Wehrpflicht und Schaffung einer Berufsarmee sollten dazu beitragen, den Streitkräften in der Gesellschaft einen neuen Stellenwert zu geben und den Dienst mit der Waffe attraktiver zu machen.

Allerdings erwies sich das Programm für die Kürzung der Streitkräfte und "anderen Truppen" als reines Lippenbekenntnis. Ursprünglich sollten die dem Verteidigungsministerium unterstellten Truppen um 30,4% beschnitten werden, während bei den "anderen Truppen" (bei einer Ausgangsgröße von 1 Mio. Mann) Kürzungen nur in Höhe von 6% vorgesehen waren. Diese Ziele und Vorgaben wurden im Juni 2002 verändert: Die Kürzungen sollten nun nicht mehr bis 2005 sondern bis 2010 erreicht werden und die absoluten Zahlen wurden nach oben korrigiert. Insgesamt beträgt die Zahl der Streitkräfte, Sondertruppen und Sicherheitskräfte sowie der in diesen militärischen, paramilitärischen und polizeilichen Formationen tätigen "Zivil"-Beschäftigten rund vier Millionen Dienstposten.

Allen anders lautenden Behauptungen zum Trotz kommt das russische Militär nicht ohne Beibehaltung der Wehrpflicht aus. Zwar beharrt der der Generalstab auf seinen Angaben von 12%, in Wirklichkeit werden aber mehr als 30% eines Jahrgangs einberufen. Putins Wunsch nach Übergang zu einer Berufsarmee bis 2010 wird nicht in Erfüllung gehen. Nicht zuletzt sind dafür Rekrutierungsprobleme verantwortlich, die aus der Streichung von Vergünstigungen und dem geringen Sold resultieren.

Die innere Verfassung der Streitkräfte muss auch nach vier Jahren Amtszeit Putin als kritisch angesehen werden. Die "Demilitarisierung des öffentlichen Lebens" erwies sich als Floskel, die ebenso wenig wie das Gesetz über den Zivildienst als ein Schritt zum Aufbau einer Zivilgesellschaft gewertet werden kann. Die in den Streitkräften tatsächlich Dienenden stellen eine negative Auslese der Gesellschaft dar. Die politische und militärische Führung müsste den Problemen der inneren Führung mehr Beachtung schenken. Regierungsunabhängige Medien, die über Missstände frei berichten können, ein Unteroffizierskorps, das fachlich gut ausgebildet ist, und eine Militärgerichtsbarkeit, die energisch gegen Rechtsbrüche vorgeht, wären Voraussetzungen für eine Verbesserung der Situation.

Seit dem 1. 1. 2004 gibt es ein zwar ein Zivildienstgesetz; seine wichtigsten Bestimmungen beweisen aber, dass das Militär in Russland weiterhin an der Wehrpflicht festzuhalten will, entschlossen ist, keine Aufweichung der Dienstpflicht mit der Waffe zuzulassen, und drittens weiterhin über großen Einfluss auf Entscheidungsprozesse in Sicherheitsfragen verfügt.

Nach vier Jahren Amtszeit Präsident Putins hat die nun als abgeschlossen bezeichnete Militärreform keine nennenswerten Strukturveränderungen gebracht. Der Charakter der Streitkräfte als einer Massenarmee, die auf einen großen konventionellen Krieg ausgerichtet ist, hat sich nicht gewandelt. Weder Ausbildung noch Ausrüstung entsprechen neuen Herausforderungen. Die innere Verfassung der Streitkräfte und "anderen Truppen" hat sich nicht gebessert. Eine Erklärung für die mangelnde Bereitschaft Putins, sich energisch gegen die Militärführung durchzusetzen, liegt aller Wahrscheinlichkeit nicht darin, dass er eine Militärrevolte befürchtet oder befürchten müsste. Putin braucht trotz alledem den guten Willen der Streitkräfte und Sondertruppen sowohl für die Fortsetzung des Krieges in Tschetschenien als auch für die Umsetzung einer Reform des Militärwesens. Vielleicht will er auch deswegen die Militärs nicht mit grundsätzlichen Neuorientierungen "überfordern". ►


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Putins Militärpolitik

Wladimir Putin stellte wenige Monate nach seiner Wahl zum Präsidenten lapidar auf einer Sitzung des nationalen Sicherheitsrates fest: "Wir reden und reden und halten Sitzungen ab, aber das Räderwerk der Reform befindet sich im Leerlauf." Zudem wies er auf eine ganze Reihe von Problemen im russischen Militärwesen hin. Zwar würden "ungeheure Mittel für die Zwecke der Verteidigung und der Sicherheit aufgewendet", aber ineffizient. Die Ausgabenstruktur in den Streitkräften und den anderen bewaffneten Kräften könne man "kaum als optimal" bezeichnen. In vielen Truppenteilen fänden keine Übungen statt, es gebe keine Gefechtsausbildung, Piloten flögen nicht und die Matrosen führen fast nie aufs Meer hinaus. Er deutete auch an, dass die Streitkräftestruktur nicht "den Bedrohungen entspricht, mit denen Russland in der nächsten historischen Perspektive konfrontiert" sein würde.(Fußnote 1/FN1) Putin bezog sich dabei vermutlich auf die Tatsache, dass die russischen Streitkräfte immer noch auf einen großen konventionellen Krieg mit der NATO angelegt waren. Das Ende der militärpolitischen Konfrontation zwischen Ost und West, der erste Golfkrieg, die NATO-Luftangriffe gegen Jugoslawien und der Krieg in Tschetschenien hatten jedoch die aus der Sowjetära übernommenen militärischen Strukturen und Bewaffnung in Frage gestellt. Im Sommer 2000 war es dabei zu scharfen Auseinandersetzungen innerhalb der Militärführung gekommen. So hatte Verteidigungsminister Marschall Igor Sergejew von Generalstabschef Anatolij Kwaschnin entwickelte Vorstellungen über die Notwendigkeit, der konventionellen Rüstung Vorrang einzuräumen, als "Schädigung der nationalen Sicherheit Russlands" und als "verbrecherische Dummheit" bezeichnet.(FN2) Was also war zu tun? Russland, so Putin, bräuchte eine "Strategie der militärischen Entwicklung für die lange Perspektive bis zum Jahre 2015" und eine "adäquate, ausgewogene Militärpolitik".

Nach vier Jahren der Präsidentschaft Putins stellt sich die Frage, ob in das Räderwerk der Reform ein Vorwärtsgang eingelegt worden ist, die militärische Maschinerie sich bewegt hat und der Präsident dem erklärten Ziel einer ausgewogenen Militärpolitik näher gekommen ist.(FN3) Der Zeitpunkt der Fragestellung ist nicht nur wegen der abgeschlossenen ersten Amtszeit Putins angebracht, sondern auch deswegen, weil Verteidigungsminister Sergej Iwanow zufolge das, was sich in Russland mit dem Begriff Militärreform verband, ein Ende haben soll. Im Januar 2004 stellte er apodiktisch fest: "Die Periode des tief greifenden Umbaus und fundamentaler Reformierung der Streitkräfte ist abgeschlossen; wir gehen [jetzt] zum normalen militärischen Aufbau über." (FN4)

Putins Reformpläne

In den ersten Monaten seiner Amtszeit als Präsident schien es so, als sei Putin nicht an grundlegendem Wandel im russischen Militärwesen interessiert. Es entstand der Eindruck, als wolle er dem Militär und den Sicherheitsdiensten lediglich wie in der Sowjetära eine privilegierte Rolle in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft einräumen. Schließlich war sein Aufstieg zum höchsten Amt eng mit seiner Entscheidung verbunden, in Tschetschenien militärisch einzugreifen, den Krieg dieses Mal "bis zum Ende" (do konza) zu führen und dem Militär dabei praktisch freie Hand zu lassen. Der Eindruck, er habe eine Schwäche für das Militär und wolle es schalten und walten lassen, wie es wolle, wurde durch mehrere demonstrative, symbolträchtige Schritte im Frühjahr und Sommer 2000 verstärkt. Im April stattete er der Nordmeerflotte in Murmansk und der Baltischen Flotte in Baltijsk einen Besuch ab, und im August nahm er an den Feierlichkeiten zum Jahrestag der Gründung der Luftlandetruppen sowie am Tag der Luftstreitkräfte teil. Er unterzeichnete auch verschiedene Dokumente zur Sicherheits- und Verteidigungspolitik: im Januar (als amtierender Präsident) ein neues Sicherheitskonzept, im März eine Marinedoktrin und im April eine neue Militärdoktrin. Alle diese Dokumente verkündeten im Wesentlichen nur hehre Grundsätze, enthielten jedoch keine nennenswerten Reformpläne zur Militärpolitik.(FN5) Die oben erwähnte Sitzung des Sicherheitsrates vom 11. August 2000 über die militärische Entwicklung Russlands bis zum Jahre 2015 markiert einen Wendepunkt. Sie läutete eine neue Runde in den mühsamen Bemühungen um eine Militärreform ein und wies auf einen Wandel in der öffentlichen Haltung Putins zum Militär hin. Er habe die Auseinandersetzungen im militärischen Establishment (woennoje wedomstwo) "ziemlich geduldig" verfolgt, meinte er mit deutlicher Spitze gegen die Militärführung. In der Gesellschaft insgesamt sei der Streit "natürlich richtig gewesen". Jetzt aber sei es an der Zeit, einen "Schlussstrich unter diese Diskussion zu ziehen ..., eine ausgewogene Entscheidung herbeizuführen und einen Plan für ihre Verwirklichung festzulegen". (FN6) Die Kernpunkte der von Putin im Sommer und Herbst 2000 vorgenommenen Richtungsweisungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:(FN7) - Im Einklang mit Putins kurz nach der Sitzung des Sicherheitsrates vom 11.8.2000 erhobenen Forderung, die Streitkräfte müssten "kompakt, modern und gut bezahlt" sein, wurden weitere drastische Personalkürzungen festgelegt. Diese sollten sowohl die Streitkräfte und die "anderen Truppen" als auch Zivilangestellte in allen bewaffneten Kräften betreffen.

- Die "anderen" Truppen sollten in ihren militärischen Aufgaben und ihrer Ausrüstung beschränkt werden. Die Truppen des Innenministeriums (MWD) sollten zwar weiter über militärische Formationen und eigene Verbände mit Schützenpanzern verfügen, aber numerisch begrenzt werden und nicht mehr über schwere Waffen verfügen. Das administrative System des MWD sollte aufgelöst, die Grenztruppen zu einem im Wesentlichen nichtmilitärisch strukturierten Bundesgrenzschutz umgewandelt werden.

- Die unter Präsident Jelzin begonnene Verringerung der Anzahl der Militärbezirke von acht auf sechs und ihre Zuordnung zu "strategischen Richtungen" sollte fortgesetzt werden. Den Kommandos sollten auch die vielfältigen "anderen Truppen" im jeweiligen Bezirk operativ unterstellt werden.

- Die Frage, ob der nuklearstrategischen oder der konventionellen Rüstung organisatorisch und finanziell Vorrang eingeräumt werden sollte, wurde zugunsten der konventionellen Kräfte entschieden. In der Militärführung bedeutete dies eine Schwächung der Machtposition Sergejews, der folgerichtig im März 2001 abgelöst wurde, und eine Stärkung des Einflusses Kwaschnins.

- Das chronische Ungleichgewicht bei den Verteidigungsausgaben sollte beseitigt werden: Statt bisher rund zwei Dritteln für den Unterhalt der Streitkräfte und einem Drittel für Forschung, Entwicklung und Beschaffung neuer Waffen sollte künftig das Verhältnis der Ausgaben aus zwei gleichen Teilen bestehen.

Im Laufe der Jahre 2001 und 2002 wurden dem Reformprojekt noch weitere Bestandteile hinzugefügt, die auch politische und gesellschaftspolitische Aspekte hatten: - Die Wehrpflicht sollte abgeschafft und eine Berufsarmee eingeführt werden. Der entsprechende Prozess sollte bis zum Jahre 2010 abgeschlossen werden.(FN8) - Im Zusammenhang mit der Ablösung Marschall Sergejews als Verteidigungsminister sowie der Ernennung Sergej Iwanows zu seinem Nachfolger und Ljubow Kudelinas zu einem der stellvertretenden Verteidigungsminister im März 2001 sprach Putin von einem Schritt in Richtung "Demilitarisierung des öffentlichen Lebens" in Russland.(FN9) - Obwohl das Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen in der Verfassung verankert war, verurteilten Gerichte in der Praxis Kriegsdienstverweigerer zu Haftstrafen. Im Jahre 2002 wurde ein Gesetz vorbereitet, nach dem Kriegsdienstverweigerer berechtigt waren, einen zivilen Ersatzdienst abzuleisten.

Die einzelnen Bestandteile der Reformpolitik schienen sich zu einem geschlossenen Ganzen zusammenzufügen: Umfangreiche Personalkürzungen bei den Streitkräften und "anderen Truppen" konnten die Grundvoraussetzung dafür bilden, "kompakte, moderne", gut ausgerüstete und gut ausgebildete Verbände aufzustellen. Die Neuordnung der Militärbezirke, ihre Zuordnung zu strategischen Richtungen und die operative Unterstellung der vielfältigen "anderen Truppen" unter den Kommandeur des jeweiligen Bezirks konnten als Teil der notwendigen Reaktion auf neue sicherheitspolitische Herausforderungen gewertet werden. Da die USA und die NATO politischen Vorgaben entsprechend nicht mehr als Bedrohung anzusehen waren, machte es Sinn, die Ausgaben für die Nuklearstreitkräfte zu kürzen und den konventionellen mehr Geld zugute kommen zu lassen. Die Modernisierung der Streitkräfte konnte wiederum mit Hilfe umfangreicher Personalkürzungen und der Umschichtung der Ausgaben zugunsten von Forschung, Entwicklung und Beschaffung neuer Waffen bewerkstelligt werden. Zivile Kontrolle über das Militär, Entmilitarisierung des öffentlichen Lebens, Garantie des Rechts auf Wehrdienstverweigerung, Abschaffung der Wehrpflicht und Schaffung einer Berufsarmee konnten dazu beitragen, den Streitkräften in der Gesellschaft einen neuen Stellenwert zu geben und den Dienst mit der Waffe attraktiver zu machen.

Allerdings trügt der Schein eines geschlossenen Ganzen. Die unterschiedlichen Aspekte wurden unterschiedlich bewertet und gewichtet; infolgedessen entstand keine "ausgewogene" Militärpolitik. Einige der beabsichtigten Maßnahmen wurden zwar verwirklicht, büßten aber mangels Ausführung anderer Vorhaben an Bedeutung ein. Andere wichtige Schritte, welche Putins Militärpolitik zum Erfolg hätten führen können, wurden gar nicht erst in Angriff genommen. Am schwerwiegendsten war das Scheitern des Programms für die Kürzung der Streitkräfte und "anderen Truppen".

Personalstärken

Die Beschlüsse vom Sommer und Herbst 2000 sahen vor, insgesamt 600.000 Dienstposten für Militärangehörige und Zivilbeschäftigte zu streichen. Dabei ist zu beachten, dass es sich um Soll-Stärken, um Dienstposten in den bewaffneten Kräften handelt, nicht um tatsächlich dienende Militärangehörige oder beschäftigte Zivilpersonen.(FN10) Die Personalstärke der Streitkräfte sollte im Zeitraum von 2001 bis 2003 um 350.000 beziehungsweise bis zum Jahre 2005 um 365.000 Mann verringert, 240.000 Offiziere sollten entlassen werden, davon 30% mit höheren Dienstgraden (Oberst, Oberstleutnant, Major), und 380 der ungefähr 1.400 (!) Generale.

Die Kürzungen bei den "anderen Truppen" sollten 105.000 Mann betragen. Die Anzahl der Zivilbeschäftigten in den bewaffneten Kräften sollte um 130.000 reduziert werden. Die vorgesehenen Kürzungen für die den Teilstreitkräften und Waffengattungen sowie dem Generalstab unterstellten Kräfte, Einrichtungen und Dienststellen sind in Tabelle 1 zusammengefasst.

Die bei den Streitkräften beabsichtigten Kürzungen werfen die Frage auf, welche Ausgangsgrößen eingesetzt wurden. Derartige Angaben wurden nicht gemacht. Da aber sowohl die Zielgrößen bis 2005 als auch die Kürzungen angegeben wurden, lassen sich auch die Ausgangswerte berechnen.

Bei den "anderen Truppen" waren im September 2000 Reduzierungen in Höhe von lediglich 60.000 Mann vorgesehen (Truppen des Innenministeriums 20.000, Eisenbahntruppen 10.000, Grenztruppen 5.000, weitere Truppen 25.000). Das krasse Missverhältnis der Einschnitte bei den Streitkräften im Vergleich zu den Sondertruppen sprang dabei sofort ins Auge: Während die dem Verteidigungsministerium unterstellten Truppen um 30,4% beschnitten werden sollten, waren Kürzungen bei den "anderen Truppen" (bei einer Ausgangsgröße von einer Mio. Mann) nur in Höhe von 6% vorgesehen. Das Missverhältnis zeigte, dass der Reduzierungsprozess eine wichtige innenpolitische Dimension hatte. Denn eine rationale Struktur verringerter bewaffneter Kräfte hätte eine mehr oder weniger ausgewogene Kürzung bei allen bewaffneten Kräften erfordert. Offensichtlich hatten die Sondertruppen aber im Geflecht oder Gewirr der Machtstrukturen eine so starke Stellung, dass sie nicht nur ihre zweifelhafte Existenz sichern, sondern auch drastische Einschnitte verhindern konnten. Im November 2000 wurde dann zwar vom Sicherheitsrat beschlossen, die "anderen Truppen" um 105.000 Mann zu verringern, der Kürzungsanteil bei diesen Truppen erhöhte sich dadurch allerdings lediglich auf 10,5%.

Das Missverhältnis der geplanten Kürzungen bei den Zivilbeschäftigten war sogar noch krasser. Im August 2000 war davon die Rede, die Anzahl der zivilen Dienstposten bei den Streitkräften um 120.000 zu reduzieren, und im November hieß es, 130.000 Zivilbeschäftigte sollten bei allen bewaffneten Kräften gestrichen werden. Die Sondertruppen hätten dadurch nur 10.000 zivile Dienstposten verloren.

Was ist nun aus diesen Kürzungsvorhaben geworden? Offiziellen Angaben zufolge sind Kürzungen vorgenommen worden. Bei genauerer Betrachtung der Daten kann man sich aber kaum des Eindrucks erwehren, dass sie im politischen Interesse "frisiert" worden sind, dass die Anzahl der Dienstposten nach oben "berichtigt" worden ist, um Kürzungserfolge präsentieren zu können. So teilte Verteidigungsminister Iwanow im Januar 2002 mit, im Vorjahr habe der Personalbestand der Streitkräfte 1,274 Mio. Mann betragen. Dieser Bestand sei im Laufe des Jahres 2001 um 91.000 Militärangehörige auf 1,183 Mio. Mann reduziert worden.(FN11) Bis zu Iwanows Angaben war der Bestand offiziell aber immer mit 1,2 Mio. Mann angegeben worden. Geht man von dieser Größe aus, betrugen die Kürzungen lediglich 17.000 Mann.

Wie groß auch immer die Kürzungen bis zum Januar 2002 gewesen sein mögen, im Juni 2002 wurden Vorgaben und Vorhaben verändert: Der Sicherheitsrat "bestätigte Dokumente", denen zufolge nicht nur der Abschluss der Streitkräftereduzierung von 2005 auf 2010 verschoben, sondern auch die Zielgröße für die Truppenstärke aufgestockt werden sollte. Statt auf 835.000 Mann im Jahre 2005 könnte sie "im Jahre 2010 zwischen 850.000 und eine Million" betragen, hieß es aus dem Sicherheitsrat.(FN12) Mit anderen Worten: Der Sicherheitsrat hob die Reduzierungspläne praktisch auf und segnete im Prinzip ein Millionenheer auch noch für das Jahr 2010 ab! Der Präsident begründete diese Wende wie folgt: Sie sei auf Grund einer "realistischen Einschätzung der militärpolitischen Situation und einer klaren Erkenntnis potenzieller Bedrohungen der nationalen Sicherheit" erforderlich gewesen.(FN13) Anfang 2004 betrug Putins Angaben zufolge die Stärke der Truppen des Verteidigungsministeriums insgesamt 1,16 Mio. Mann, die bis zum Jahre 2005 auf eine Mio. Mann reduziert werden soll.(FN14) Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich in Ausführung der Reduzierungspläne seit 2000 die Ist-Stärke der Streitkräfte und Sondertruppen seit 1998 praktisch nicht verändert hat. Auch bei den Soll-Stärken sind entweder überhaupt keine oder nur wenige Dienstposten gestrichen worden. Die Anzahl der Planstellen bei allen bewaffneten Kräften liegt wohl auch heute noch bei fast zwei Millionen und die der zivilen Dienstposten bei einer Million, wobei die meisten der letzteren beim Verteidigungsministerium angesiedelt sind und ihre Inhaber oft militärische Aufgaben wahrnehmen. Rechnet man zu diesen Zahlen die mehr als eine Million Mann der ebenfalls dem Innenministerium (MWD) unterstellten Polizeieinheiten und die paramilitärischen Sondereinheiten der Polizei (OMON) hinzu, beträgt das "Heer" der Streitkräfte, Sondertruppen und Sicherheitskräfte sowie der in diesen militärischen, paramilitärischen und polizeilichen Formationen tätigen "Zivil"-Beschäftigten rund vier Millionen Dienstposten. Die Belastung der russischen Wirtschaft mit militärischen und sicherheitsrelevanten Ausgaben ist also immer noch sehr hoch.

Abschaffung der Wehrpflicht?

Für den unvoreingenommenen Betrachter ist eine andere Schlussfolgerung aus dem Scheitern der Truppenreduzierungspläne unabweisbar: Da die russische Militärführung an einer Massenarmee festhalten und Millionen von Reservisten für den Mobilisierungsfall bereithalten will, braucht sie weiterhin die Wehrpflicht. Angaben des Generalstabschefs von Anfang 2004 zufolge beträgt der Anteil der Wehrpflichtigen bei den Streitkräften insgesamt - "einschließlich der Offiziere und Feldwebel" - 45%, bei den "Mannschaften und Unteroffizieren" dagegen 80%. Derzeit dienen rund 522.000 Wehrpflichtige in den Streitkräften, weitere 100.000 in den "anderen" Truppen.(FN15) Im zweiten Tschetschenien-Krieg, in der Phase umfangreicher militärischer Operationen, soll der Anteil der Wehrpflichtigen an der Gesamtstärke der föderalen Truppen sogar zwei Drittel betragen haben.(FN16) Vermutlich um die Anzahl der Wehrdienstverweiger zu senken, sollen künftig keine Wehrpflichtigen mehr in Tschetschenien eingesetzt werden.

Die Bedeutung der Wehrpflicht ist aber viel größer, als vom russischen Generalstab eingeräumt und im Westen angenommen wird. Das geht aus folgenden Überlegungen hervor: In seinen Berechnungen über den Prozentsatz der Einberufenen geht der Generalstab jedes Jahr von der Gesamtzahl aller zum Wehrdienst verpflichteten Männer im Alter von 18 bis 27 Jahren aus, bezieht darauf die Anzahl der Einberufenen, um so auf eine in der russischen Öffentlichkeit im Westen für bare Münze genommene Quote einberufener Wehrpflichtiger von lediglich 9,5% (im Jahre 2004) zu kommen - und dieser geringe Anteil sogar mit fallender Tendenz in den letzten Jahren.(FN17) Derartige Berechnungen sind irreführend. Addiert man beispielsweise retrospektiv die in den Jahren 1995 bis 2001 tatsächlich eingezogenen Wehrpflichtigen, kommt man auf eine Zahl von 2,74 Mio. Nach den Statistischen Jahrbüchern der Russischen Föderation standen in diesem Zeitraum insgesamt 7,9 Mio. junge Männer zur Einberufung an. Das ergibt einen Einberufungsprozentsatz von 34,6%. Ein ähnliches Ergebnis erhält man, wenn man die Anzahl der männlichen Achtzehnjährigen als Basis nimmt (1,26 Mio. im Jahre 2002) und diese Zahl auf 380.000 Einberufene bezieht, nämlich 30,2%.(FN18) Auf Grund ähnlicher Berechnungen kommt auch Generalmajor a. D. Wladimir Dudnik zum Ergebnis, "nicht weniger als 29%" der Wehrpflichtigen würden tatsächlich zum Wehrdienst einberufen.(FN19) Objektiv spricht dieser relativ hohe Prozentsatz Einberufener für die große Bedeutung der Wehrpflicht und deren Beibehaltung. Wenn der Generalstab auf seinen Angaben von 9,5% beharrt, tut er dies aller Wahrscheinlichkeit nach in der Absicht, auf das seiner Ansicht nach große ungenutzte Potenzial der Wehrpflicht hinzuweisen und den Gesetzgeber dazu zu überreden, Zurückstellungsgründe einzuschränken, um den Pool der dienenden Wehrpflichtigen sowohl auszuweiten als auch qualitativ zu verbessern.(FN20) Ganz unabhängig von der Frage "Wehrpflicht oder Berufsheer?" müssen politische und militärische Führung in ihren Berechnungen negative demografische Entwicklungen berücksichtigen. So wies Putin im Juli 2002 darauf hin, dass "die Bevölkerung des Landes seit mehreren Jahren um durchschnittlich 750.000 Menschen zurückgegangen ist". Falls sich der Trend fortsetzen würde, wäre das "eine Bedrohung für das Überleben der Nation". (FN21) Das demografische Problem mit seinen negativen Auswirkungen auf das Wehrwesen bereitet auch dem Generalstab Sorgen. So klagte der für Einberufungs- und Ausbildung zuständige Offizier im Generalstab schon zu Beginn des neuen Jahrtausends: "[Bereits] heute können wir nicht so viele Leute einberufen, wie sie von den Streitkräften benötigt werden. Bald wird niemand mehr da sein, den wir einberufen können." (FN22) Offensichtlich ist diese Voraussage nicht wörtlich zu nehmen, unabweisbar ist aber, dass sich ab 2006 der Pool der Wehrpflichtigen drastisch verringern wird, sodass russischen Berechnungen zufolge in den Jahren 2010-2012 nur 50-55% des gegenwärtigen Mannschafts- und Unteroffiziersbestands aufrechterhalten werden könnten.(FN23) Westliche Berechnungen stimmen damit überein. Laut einer NATO-Studie wird die Anzahl der jungen Männer im Alter von 17 bis 19 Jahren von 3,46 Mio. im Jahre 2000 auf 1,99 Mio. im Jahre 2016 zurückgehen. Statt 1,26 Mio. potenziellen Wehrpflichtigen im Alter von 18 Jahren wie im Jahre 2003 stünde den Kreiswehrersatzämtern dann nur noch annähernd die Hälfte dieser Zahl zur Verfügung.(FN24) Aufbau einer Berufsarmee - eine "historische Entscheidung"

Infolge der Probleme mit der Wehrpflicht gab Verteidigungsminister Iwanow im November 2001 bekannt, sein Ministerium werde einen konkreten Plan für den stufenweisen Übergang der Streitkräfte von Wehrpflichtigen auf Berufssoldaten ab 2004 vorlegen. Der Übergang zu einem Vertragssystem sei "eine historische Entscheidung, eine andere Möglichkeit haben wir nicht". (FN25) Allerdings wollte er damals noch keinen Zeitpunkt nennen, bis zu dem die Umstellung verwirklicht werden würde. Er meinte lediglich, die Einführung eines Freiwilligenheeres sei "ein recht langwieriger Prozess, der mehrere Jahre und beachtliche Mittel" erfordere, nach Schätzungen des Verteidigungsministeriums "hunderte Milliarden von Rubeln". Kurz darauf verfügte aber Putin, der Übergang zur Berufsarmee solle bis zum Jahre 2010 abgeschlossen werden.(FN26) Das Ziel des Aufbaus einer Berufsarmee ist nicht zum ersten Mal in Russland verkündet worden. Präsident Jelzin hatte im Mai 1996 in einem Erlass festgelegt, dies bis zum Jahr 2000 zu verwirklichen.(FN27) Dem damaligen russischen Präsidenten schien es dabei aber weniger auf die Umsetzung eines wichtigen Bestandteils der Militärreform anzukommen, als auf Wählerstimmen.(FN28) Darauf deutete ein zweiter Ukas hin, demzufolge künftig in bewaffneten Konflikten nur noch Zeit- und Berufssoldaten (kontraktniki), aber keine Rekruten mehr eingesetzt werden dürften.(FN29) Kurz vor dem Beginn des zweiten Tschetschenien-Kriegs im Jahre 1999 zog Jelzin aber den Erlass zurück.(FN30) Und was den Termin für die Einführung eines Berufsheeres anbetraf, hatte Verteidigungsminister Sergejew schon im August 1998 bei der Erläuterung der "Grundlagen für die Entwicklung des Militärwesens bis zum Jahr 2005" auf die Notwendigkeit einer Verschiebung hingewiesen.(FN31) Wie verhält es sich nun mit Putins erklärter Absicht, ein Berufsheer aufzubauen? Um die Probe aufs Exempel zu machen und die Möglichkeit des Aufbaus einer Berufsarmee zu testen, entschloss sich das Verteidigungsministerium, einen Modellversuch zu starten. Ende Juni 2002 wurde festgelegt, dass die 76. Garde-Luftlandedivision in Pskow im Zeitraum vom 1. September desselben Jahres bis zum 31. August 2003 in eine Modelldivision für die zukünftige Berufsarmee umgewandelt werden sollte.(FN32) Die gesamte Division sollte dann aus Vertragssoldaten bestehen. Zur Durchführung des Pilotprojekts stellte die Duma über einen Nachtragshaushalt 2,67 Mrd. Rubel (86 Mio. Euro) zur Verfügung. Die Bedeutung des Modellversuchs wurde von Verteidigungsminister Iwanow durch seine Ankündigung unterstrichen, dass ähnliche Versuche auch in den anderen bewaffneten Organen durchgeführt werden sollten.(FN33) Schnell wurde aber offenbar, dass sich das Pilotprojekt zu einem Kristallisationspunkt radikal unterschiedlicher Vorstellungen zur Wehrreform und der künftigen Struktur der Streitkräfte sowie zum Spielball unterschiedlicher Interessen zwischen dem Verteidigungsministerium und dem Generalstab sowie innerhalb der Streitkräfte entwickelte. Und während schon die ursprünglichen Parameter kaum erwarten ließen, dass der Versuch erfolgreich verlaufen würde, wurden sie kurz nach seinem Beginn so verändert, dass sowohl die Aussichten seiner Verwirklichung als auch seine Aussagekraft für Strukturveränderungen des Wehrwesens fraglich wurden.

Zum zentralen Problem der Durchführung des Modellversuchs gehörte die Rekrutierung. Von Anfang an herrschte Skepsis, ob die Rekrutierungsziele tatsächlich erreicht werden könnten.(FN34) Die Ziele wurden infolgedessen schon im Oktober 2002 revidiert: Statt die gesamte Division mit Berufssoldaten aufzufüllen, sollte nun nur noch ein Regiment mit Freiwilligen ausgestattet und bis Ende 2002 lediglich 1.100 (bis Ende 2003 insgesamt 3.100) Berufssoldaten neu verpflichtet werden.(FN35) Und wie stand es mit der entsprechenden Anwerbung? Wie auch in anderen Bereichen des Wehrwesens herrschte bei den diesbezüglichen Zahlenangaben ein heilloses Durcheinander. Das zeigte sich im Zusammenhang mit dem Besuch einer Duma-Delegation bei der "Modelldivision" Anfang Oktober 2002, an der auch Boris Nemzow (Vorsitzender der Union der Rechtskräfte, SPS, früher Gouverneur von Nischnij Nowgorod) und Eduard Worobjow (stellvertretender Vorsitzender des Verteidigungsausschusses der Duma und ein ehemaliger Erster Stellvertretender Kommandeur der Landstreitkräfte) teilnahmen. Der Militärfachmann der "Nesawissimaja gaseta" berichtete: Ursprünglich sei geplant gewesen, bis zu diesem Zeitpunkt 3.000 Vertragssoldaten neu zu verpflichten; diese Zahl sei auf 1.000 reduziert worden; den Abgeordneten der Duma wurde vom Kommandostab der Division gesagt, es seien 300 Mann angeworben worden; Soldaten meinten dagegen, die Zahl sei nicht richtig, nur 150 hätten sich neu verpflichtet.(FN36) Weiterhin stellte sich heraus, dass der Begriff "neu verpflichtet" missverständlich war. Bei den meisten der "neuen" Vertragssoldaten handelte es sich entweder um Soldaten, deren Vertrag dabei war abzulaufen und die ihn dann verlängerten, oder um Absolventen des Ausbildungszentrums der Luftlandetruppen in Omsk, die ihren ersten Vertrag abschlossen. Auch die Qualität der angeworbenen Berufssoldaten ließ zu wünschen übrig. Wie in der noch verbliebenen regierungsunabhängigen russischen Presse mit gewisser Schadenfreude berichtet wurde, schaffte der 42-jährige Nemzow bei einem körperlichen Leistungstest 20 Klimmzüge, die "künftigen russischen Rambos" dagegen nur sechs bis acht.(FN37) Die Gründe für die Rekrutierungsprobleme sind vielfältig, die wichtigsten wie folgt: Seit Juli 2002 wurde den Armeeangehörigen eine Reihe von Vergünstigungen gestrichen, worauf auch in den Luftlandetruppen die Zahl der Berufssoldaten stieg, die den Dienst quittieren wollten. Nach Angaben des Leiters des Organisations- und Mobilisierungskomitees der Luftlandetruppen, Oberst Viktor Sajzew, lösen bei seiner Truppe bis zu 2% der Berufssoldaten monatlich ihre Verträge auf. Wenn das so weiterginge, meinte er, würde es in den russischen Luftlandetruppen bald keine Berufssoldaten mehr geben. Woher solle man also neue Kader für die Division in Pskow nehmen?(FN38) Der geringe Sold, der den Berufssoldaten gezahlt wurde, war ein weiterer Faktor, der die Rekrutierung erschwerte. Der Löwenanteil (zwei Mrd. Rubel) der für den Modellversuch zugeteilten Summe war nämlich für Infrastrukturmaßnahmen bestimmt (Bau von 29 Häusern mit 2.214 Wohnungen, Truppenunterkünften, Ausbildungseinrichtungen, einer Schule und zwei Kindergärten), lediglich 67 Mio. für Sold. Dieser beträgt pro Berufssoldat durchschnittlich 2.000 Rubel (60 Euro) im Monat. Der Durchschnittslohn in Pskow beträgt aber 3.500 Rubel, das Existenzminimum liegt bei 1.400 bis 1.600 Rubel. Zieht man die durchschnittliche Miete für eine Einzimmerwohnung ab, so stehen einem Berufssoldaten in Pskow lediglich 1.500 Rubel pro Monat zur Verfügung.(FN39) Die finanziellen Anreize mussten also erheblich erhöht werden. Das Grundgehalt wurde angehoben und spezielle Zuschläge gewährt, sodass ab Januar 2004 ein Berufssoldat in Pskow im ersten Dienstjahr insgesamt 6.000 Rubel verdient.(FN40) Bestandteil der Anreize war die Zuteilung von Wohnungen. Aber auch dieser Anreiz war mit Problemen behaftet. Schon in der Anfangsphase des Versuchs wurden die insgesamt vorgesehenen Finanzmittel um 500 Mio. Rubel (18% der ursprünglich vorgesehenen Gesamtzuweisung) von der Regierung mit der Folge gekürzt, dass sich die Anzahl der zu bauenden Wohnungen verringerte.(FN41) Dann wurde bekannt, dass die Wohnungen für - oder auch für - ausscheidende Offiziere aus Moskau verwandt werden sollen. Und als der für den Modellversuch verantwortliche Generalstabschef Ende September 2002 die Division besuchte, erklärte er, dass die fertig gestellten Wohnungen nur den Familien von Offizieren und Feldwebeln zugeteilt würden; alle Armeeangehörigen ohne Familie würden in Wohnheimen leben, die Soldaten in den Kasernen. Als daraufhin neu angeworbene Berufssoldaten ihren Vertrag kündigten, wurde als Kompensation angeboten, den Sold derjenigen Kontraktniki zu erhöhen, die keine Wohnung erhielten.(FN42) Ende Dezember 2003 erklärte der russische Verteidigungsminister den Modellversuch offiziell für erfolgreich beendet. Das offizielle Sprachorgan des Ministeriums resümierte, es habe einen großen Andrang an Freiwilligen gegeben, sodass sich nun der Stab der Division und drei Regimenter vollständig aus Berufssoldaten rekrutierten.(FN43) Berichte in der regierungsunabhängigen Presse wiesen demgegenüber darauf hin, Vertreter desselben Ministeriums hätten zugegeben, dass es nicht gelungen sei, genügend Freiwillige für die Division zu rekrutieren, nur ein Regiment sei vollständig mit Kontraktniki aufgefüllt; im Grunde genommen sei das Pilotprojekt gescheitert.(FN44) Für kritische russische Militärfachleute sind auch der gesamte Prozess und die Zukunftsaussichten des Modellversuchs offensichtlich: Im ganzen Land wurden gutgläubige junge Männer mit großzügigen Versprechungen aus der Provinz gelockt, die, konfrontiert mit der rauen Wirklichkeit in den Kasernen, ihren Vertrag bald wieder kündigen würden.(FN45) Die russischen Streitkräfte insgesamt betreffend, gab Verteidigungsminister Iwanow bereits im Juli 2003 bekannt, dass das derzeitige Mischsystem nun doch beibehalten würde und lediglich der Anteil der Zeit- und Berufssoldaten bis zum Jahre 2008 von - seinen damaligen Angaben zufolge - 22% auf 49% angehoben werden sollte.(FN46) Dieser Anteil wurde in nachfolgenden Dokumenten verbindlich festgelegt.(FN47) Um dieses Ziel zu erreichen, will Russland auf ein bisher ungenutztes Potenzial zurückgreifen: die GUS-Staaten. Bürgern dieser Staaten, die sich in den russischen Streitkräften zum Dienst verpflichten, soll die Möglichkeit eingeräumt werden, nach drei Jahren Dienstzeit die russische Staatsbürgerschaft zu erwerben. Entsprechende Ausführungsbestimmungen fehlen noch. Dem Chef der Hauptverwaltung für Organisation und Mobilisierung beim russischen Generalstab zufolge soll es aber bis Ende März 2004 schon "mehrere Tausend" Interessenten gegeben haben.(FN48) Die Länge des Wehrdienstes soll ab 2008 um die Hälfte gekürzt werden, also von zwei Jahren auf eines. Wie das zu bewerkstelligen sei, sagte der Verteidigungsminister allerdings nicht. "Das Ende der Wehrpflicht wird eines Tages kommen", meinte er, "aber nicht in nächster Zukunft. Zu versuchen, dafür ein Datum zu setzen, wäre dumm." (FN49) Eine neue Streitkräftestruktur?

Die Umstellung der 76. Luftlandedivision auf Freiwilligenbasis wäre eine gute Gelegenheit gewesen, einen Schritt zur Umstrukturierung der russischen Streitkräfte zu machen und der Putin‘schen Forderung zu entsprechen, moderne, mobile, gut ausgebildete und gut ausgerüstete, jederzeit einsatzfähige Truppen aufzubauen. Der frühere Oberkommandierende der Luftlandetruppen, Generaloberst Georgij Schpak, hat den Pskow-Modellversuch zum Anlass genommen, entsprechende Vorstellungen zu entwickeln. Er schlug vor, als Alternative zur gegenwärtigen, auf der Wehrpflicht beruhenden Massenarmee, auf Basis der Luftlandetruppen 200.000 Mann starke mobile Einsatzkräfte zu schaffen, die ausschließlich oder hauptsächlich aus Zeit- und Berufssoldaten bestehen sollten. Dieses Vorhaben sollte innerhalb von fünf Jahren verwirklicht werden. Zusätzlich zu den Luftlandetruppen sollten die mobilen Einsatzkräfte Teile der Landstreitkräfte, der Luftwaffe, der Marine und der Flugabwehr sowie logistische und medizinische Einheiten umfassen. Die Einsatzkräfte sollten fähig sein, innerhalb kurzer Frist auf Bedrohungen entlang den russischen Grenzen zu reagieren.(FN50) Derzeit bestehen die Luftlandetruppen als potenzielle Basis der mobilen Einsatzkräfte aus vier Divisionen mit ungefähr 36.000 Mann. Zu ihnen gehören neun Fallschirmjägerregimenter, eine Brigade, vier Artillerieregimenter und ein Ausbildungszentrum in Brigade-Stärke. In der Sowjetära verfügte die Luftlandetruppe über acht Divisionen mit 77.000 Mann.(FN51) In ihrer Begründung gingen Schpak und der Stab der Luftlandetruppen davon aus, dass Russland im Gegensatz zur Sowjetunion nicht mehr in der Lage sei, in jeder der vier möglichen Gefahrenrichtungen umfangreiche Kräftegruppierungen zu unterhalten. Die Zeit der großen Panzerschlachten wie der bei Kursk im Sommer 1943 sei unwiderruflich vorbei. Infolgedessen sei es unumgänglich, kompakte Kräfte aufzubauen, die in ständiger Bereitschaft stehen und die schnell verlegt werden könnten. Nur die Luftlandetruppen seien in der Lage, den Kern dieser Kräfte zu bilden. Wollte man beispielsweise heute eine Panzer- oder MotSchützendivision aus der Gegend um Moskau in den Fernen Osten transportieren, bräuchte man nach konservativen Schätzungen 500 Eisenbahnzüge und einen Zeitaufwand von zwei Monaten. Wollte man dagegen eine der vier Luftlandedivisionen verlegen, betrage der Zeitaufwand nur wenige Tage.(FN52) Für die Idee, die Fallschirmjägerdivisionen als Basis für schnelle Eingreiftruppen heranzuziehen, sprachen Erfahrungen mit ihrem Einsatz. Sie stellten bis 2002 die Kontingente für SFOR und KFOR. Während des militärischen Teils des Konflikts in Tschetschenien wurden sie fast immer an vorderster Front eingesetzt. Jeder dritte Fallschirmjäger soll direkt an den Kämpfen beteiligt gewesen sein. Einerseits hätten sie 42% des Territoriums befreit, auf Grund ihrer guten Ausbildung und Disziplin aber nur 8% der Verluste erlitten.(FN53) Auch heute noch sind einige Bataillone Fallschirmjäger in Tschetschenien im Einsatz.

Pläne für den Aufbau mobiler Einsatzkräfte auf Basis der Luftlandetruppen sind keineswegs neu in Russland. Bereits Mitte der 90er-Jahre waren derartige Kräfte beschlossene Sache. Festgelegt war ihre Schaffung in Form eines entsprechenden Dekrets Jelzins und dazugehörender Direktiven des Verteidigungsministeriums. Innerhalb der darin vorgeschriebenen Zeit wurden die vorgesehenen 200.000 Mann als einsatzbereit gemeldet. Wie sich schnell herausstellte, waren die mobilen Einsatzkräfte aber lediglich in potemkinschen Kasernen disloziert; es gab sie einfach nicht. Der zweite Tschetschenien-Krieg offenbarte diese Tatsache. Im Zuge des Krieges wurden zwar Einsatzgruppen verschiedener bewaffneter Kräfte ad hoc zusammengestellt, und diese erwiesen sich auch als wirksam. Die Einsatzkräfte wurden aber nicht Teil einer fest verankerten neuen Struktur.(FN54) Im Generalstab stieß Schpaks Initiative allerdings auf erbitterten Widerstand. Dort hatte man ganz andere Auffassungen darüber, wie die Armee zu reformieren sei. Erst einmal sollten die Ergebnisse des Pskow‘schen Modellversuchs abgewartet und dann, falls sie sich als positiv herausstellen sollten, die Umstellung der Streitkräfte insgesamt in Angriff genommen werden. Von der Idee, die Luftlandetruppen als Basis für mobile Einsatzkräfte heranzuziehen, hielt man im Generalstab nichts. Dort war sogar das Argument zu hören, die Transportkapazitäten der Luftwaffe reichten nur dazu aus, ein Regiment Fallschirmjäger zu transportieren. Da dies der Fall sei, könne man die Truppe ja ganz abschaffen.(FN55) So weit haben sich die Dinge zwar nicht entwickelt, aber die Luftlandedivisionen sollen zu unabhängigen Brigaden herabgestuft und um insgesamt 3.000 bis 4.000 Mann gekürzt werden.(FN56) Das Scheitern der Pläne zur Schaffung einsatzbereiter mobiler und flexibler Kräfte wurde von reformerischen Kräften als besonders peinlich empfunden, weil andere, wirtschaftlich weniger entwickelte Staaten wie die Ukraine und Rumänien es bewerkstelligen konnten, derartige Kräfte aufzustellen - von solchen entwickelten Staaten wie den USA oder verschiedenen NATO-Ländern ganz zu schweigen.(FN57) Auch die Aufstellung gemeinsamer schneller Einsatzkräfte (KSBR) im Rahmen des Vertrags über kollektive Sicherheit (Taschkenter Vertrag) in drei strategischen Richtungen erwies sich als Fehlschlag. Im Anschluss an das Gipfeltreffen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) Ende Mai 2001 in Jerewan wurde zwar ein gemeinsamer Stab für Zentralasien eingerichtet und die Bereitstellung schneller Eingreiftruppen in einer Kampfstärke von bis zu 1.600 Mann mit einem Brigadekommando in Bischkek verwirklicht. Dabei handelt es sich allerdings nicht um Kräfte in permanenter Bereitschaft, eine "standing force", sondern um Kräfte, die in den jeweiligen Teilnehmerstaaten bereitgehalten und im Krisenfall verfügbar gemacht werden sollen. Nach dem 11. September 2001 wurden jedoch Afghanistan und die gesamte "strategische Richtung" Zentralasien den USA und anderen NATO-Staaten als militärisches Operationsfeld überlassen. Von den mobilen Einsatzkräften der Taschkenter Vertragsstaaten war nichts zu sehen und zu hören.(FN58) Demgegenüber betrachtet der Stab der Luftlandetruppen die Verlegung und den Einsatz mobiler strategischer Luft- und Seestreitkräfte der USA sowohl in Afghanistan und wie auch vorher schon im Golfkrieg 1990/91 als schlagenden Beweis sowohl für die Machbarkeit als auch die Notwendigkeit des Aufbaus entsprechender Kräfte in Russland.(FN59) Einige organisatorische Veränderungen gab es aber doch unter der Ägide Putins und Sergej Iwanows. Die von Verteidigungsminister Sergejew herbeigeführte Eingliederung der Weltraum-Raketenabwehr und der Militärkosmischen Kräfte in die Strategischen Raketentruppen (RWSN) wurde rückgängig gemacht. Die beiden ersten Komponenten wurden in der Truppengattung (rod) "Militärkosmische Kräfte" zusammengefasst und werden nun zentral vom Generalstab geführt. Die Strategischen Raketentruppen sollen ihren Status als Teilstreitkraft (vid) verlieren und nur noch eine selbstständige, ebenfalls zentral geführte Truppengattung sein. Weiterhin sollen die RWSN bis 2006 in die Teilstreitkraft Luftstreitkräfte eingegliedert werden und im Zuge einer umfangreichen Beseitigung von Interkontinentalraketen zehn Divisionskommandos einbüßen.

Auch die 1997 vorgenommenen Veränderungen bei den Landstreitkräften wurden zurückgenommen. Das Oberkommando der Landstreitkräfte wurde wiederhergestellt. Im Rahmen der neuen Priorität zugunsten der konventionellen Streitkräfte und insbesondere der LSK erhielt der neue Kommandeur (Kormilzew) wieder größeren Einfluss sowohl im Generalstab als auch im Verteidigungsministerium, was sich u.a. in der Tatsache niederschlägt, dass er der einzige Chef einer Teilstreitkraft ist, der gleichzeitig stellvertretender Verteidigungsminister und in dieser Funktion für Ausbildungsfragen zuständig ist. Die Landstreitkräfte sowie die nichtnuklearen Komponenten der Luftwaffe und der Marine sollen mittels zusätzlicher Finanzmittel modernisiert werden.

Sieht man von der nunmehr erfolgten Kürzung der Anzahl der Teilstreitkräfte auf drei ab, stellte die Reform der Reform lediglich wieder den Status quo ante in Organisationsfragen her. Die Anzahl der Militärbezirke wurde zwar auf sechs verringert, aber was aus ihrer Zuordnung zu "strategischen Richtungen" geworden ist, bleibt unklar. Es sieht jedenfalls nicht so aus, als ob sich die Kompetenzen der Kommandeure der MB wesentlich geändert hätten.

Veränderungen hat es allerdings bei der Organisationsstruktur und den Kompetenzen der elf Machtministerien und Ämter gegeben, die über bewaffnete Kräfte verfügen. Großer Gewinner einer entsprechenden Reorganisation vom März 2003 war - vermutlich auf Grund der Affinität Putins mit dem Geheimdienst - der FSB: Dieser in ihren Machtbefugnissen stark angewachsenen Organisation wurden die Grenzschutztruppen unterstellt - eine Armee von 200.000 Mann samt Flugzeugen, Artillerie, Patrouillenbooten und Panzerfahrzeugen. Auch der für Kommunikationsüberwachung zuständige Geheimdienst FAPSI mit seinen knapp 30.000 militärischen und fast 15.000 zivilen Mitarbeitern ging im FSB auf.(FN60) Die 54.000 Mann umfassenden Eisenbahntruppen wurden in die Streitkräfte als eine weitere Truppengattung (rod) eingegliedert.(FN61) Unangetastet blieben allerdings die Truppen des Innenministeriums. Ob sich nun insgesamt an der kostspieligen Überlappung und Überschneidung von Kompetenzen der Truppen der verschiedenen Machtministerien und Ämter Wesentliches geändert hat, ist zweifelhaft. Entsprechend besteht weiterhin die Erkenntnis, dass noch mehr getan werden muss, um nachhaltige Verbesserungen zu erreichen: Einem Dekret des Präsidenten vom September 2003 zufolge soll der Generalstab "die Koordinierung aller Aktivitäten derjenigen Machtstrukturen übernehmen, die eine militärische Komponente haben".(FN62) Wie er das bewerkstelligen wird, bleibt abzuwarten.

Wie verhält es sich nun mit der inneren Verfassung der Streitkräfte? Diese muss auch nach vier Jahren Amtszeit Putin als kritisch angesehen werden.

Der "kritische Zustand" der russischen Streitkräfte

Zum Problem des Zustands der russischen Streitkräfte äußerte sich Generalstabschef Kwaschnin auf einer Konferenz von Militärs und Militärwissenschaftlern Ende Mai 2002 wie folgt: "Die russische Armee ist von Diebstahl und Plünderei durchsetzt", beklagte er sich; die Streitkräfte befänden sich in einem "mehr als kritischen" Zustand. Falls nicht "außerordentliche Maßnahmen" ergriffen würden, könnte die "negative Situation hinsichtlich der Kampfbereitschaft der russischen Armee irreversibel werden". (FN63) Außerordentliche Maßnahmen sind seitdem aber nicht ergriffen worden. Der Zustand der Streitkräfte hat sich im Wesentlichen nicht geändert. Dies wirft die Frage auf, warum dem so ist.

Ein erster Grund liegt darin, dass weder die politische noch die militärische Führung Inhalte dessen, was man bei der deutschen Bundeswehr als "innere Führung" bezeichnet, zu einer vorrangigen Aufgabe gemacht haben. Die "Demilitarisierung des öffentlichen Lebens" tauchte nur einmal im Vokabular Putins bei den Ernennungen Iwanows und Kudelinas auf. Auch das Gesetz über den Zivildienst (siehe nachfolgend) kann nicht als ein Schritt gewertet werden, Militärwesen, Demokratie und Zivilgesellschaft in Übereinstimmung zu bringen. Zu einer richtig verstandenen Militärreform gehören aber nicht nur getroffene oder geplante Maßnahmen im organisatorischen Bereich bei den Streitkräften und "anderen Truppen", sondern auch Veränderungen in der Gesellschaftspolitik.

Ein zweiter Grund für den auch heute noch bestehenden "überaus kritischen Zustand der Streitkräfte" findet sich in der Tatsache, dass die tatsächlich Dienenden eine negative Auslese der Gesellschaft darstellen. Nach Angaben des Generalstabs entziehen sich bis zu 65% aller jungen Männer auf legalem Weg der Einberufung und können dabei 23 verschiedene Rückstellungsgründe geltend machen.(FN64) Studenten stellen den größten Anteil der vom Wehrdienst Zurückgestellten: Im Jahre 2003 waren 1,3 Mio. Männer im wehrpflichtigen Alter an Hochschulen immatrikuliert, die 31% der potenziellen Rekruten ausmachten.(FN65) Auf "legalem Weg" bedeutet aber nicht, dass die Rückstellungsgründe tatsächlich zurecht bestanden, denn nach Schätzungen des Generalstabs entziehen sich ca. 60% aller Wehrpflichtigen in Moskau und Sankt Petersburg dem Wehrdienst, indem sie sich Zurückstellungen oder Untauglichkeitszeugnisse erkaufen oder ihre Akten auf den Kreiswehrersatzämtern gegen Bezahlung verschwinden lassen. Nach anderen - unabhängigen - Schätzungen halten sich auf diese Weise in Russland insgesamt bis zu 30% der Wehrpflichtigen vom Wehrdienst fern.(FN66) "Gegen Bezahlung" heißt: Die Mehrzahl (bis zu 70%) der Klienten der Kreiswehrersatzämter in Moskau und Sankt Petersburg müssen für die begehrten Zurückstellungs- und Untauglichkeitszeugnisse oder das Verschwinden persönlicher Akten mehr als Tausend US-Dollar aufbringen. In der Provinz ist dieser Service teurer. Gängige Preise liegen dort zwischen zwei- und fünftausend USD.(FN67) Es genügt auch nicht unbedingt, einmal zu zahlen; um die Zurückstellung zu verlängern, wird man oft mehrere Male zur Kasse gebeten. Der Markt für die begehrten Zeugnisse ist infolgedessen enorm und soll zwischen 600 und 800 Mio. USD pro Jahr betragen.(FN68) Der Pool derjenigen jungen Männer, der tatsächlich dient, besteht als Folge davon im Wesentlichen aus jungen Männern, die erstens aus Provinzstädten und ländlichen Gebieten kommen, zweitens kein Geld haben, um sich freizukaufen, und drittens über keine hinreichende Bildung oder Ausbildung verfügen bzw. viertens keinen Beruf haben.(FN69) Es ist auch keineswegs so, dass der Pool der tatsächlich Dienenden aus gesunden jungen Männern besteht, denn um die ihnen auferlegten Einberufungsquoten zu erfüllen, kommt es immer wieder vor, dass die Kreiswehrersatzämter der Truppe untaugliche oder nur bedingt taugliche Wehrpflichtige überstellen. Infolgedessen scheiden während der ersten Dienstmonate bereits wieder 15-20% der Rekruten aus gesundheitlichen, psychischen oder anderen Gründen aus dem Wehrdienst aus. Der Generalstab gibt jährlich Zahlen heraus, die die traurige Wirklichkeit widerspiegeln.(FN70) Auch diejenigen Teilstreitkräfte und Waffengattungen wie die Luftwaffe, Marine oder Raketentruppen, die auf Grund ihrer höheren Technisierung auch höhere Anforderungen an ihr Personal stellen, leiden unter dem Qualitätsrückgang der Wehrpflichtigen. So hatten offiziellen Angaben zufolge "in der Marine im Jahre 1990 noch 87% der Wehrdienstleistenden höhere und mittlere Berufsbildung, und es gab unter ihnen keine Analphabeten. Heute haben nur 37% einer Kohorte höhere und mittlere Berufsbildung, und manche Rekruten müssen erst lesen und schreiben lernen." (FN71) Diese und in der Tabelle aufgeführten Zahlenangaben stellen Momentaufnahmen bei den Frühjahrseinberufungen vom Herbst 2001 und Frühjahr 2002 dar. In der Folgezeit hat sich aber nichts zum Positiven gewandelt. So wurden bei der Frühjahrseinberufung im Jahre 2004 50% der einberufenen Wehrpflichtigen aus gesundheitlichen Gründen als nur bedingt tauglich gemeldet, 20% hatten nur Grundschulabschluss oder eine nicht abgeschlossene mittlere Schulbildung und 33% waren vor der Einberufung länger arbeitslos.(FN72) Ein dritter Grund für die Misere der Streitkräfte und ihre angeschlagene Moral ist die Djedowschtschina, die Drangsalierung der neu eingezogenen Wehrpflichtigen durch die dienstälteren Ränge.(FN73) Die Rekruten werden dem Zivilleben entrissen und zwangsweise an die Verhältnisse beim Militär gewöhnt. Rekruten werden von dienstälteren Kameraden und Vorgesetzten geschlagen, gefoltert, erpresst, bedroht und erniedrigt. Das Militär erweist sich dabei als das, was es ist: nicht als Teil einer zivilen, demokratischen Gesellschaft, sondern als ein von ihr abgekapselter Bereich mit eigenen Gesetzen und Gesetzmäßigkeiten. Zu diesen gehört die Tatsache, dass Beschwerden über Missstände und Misshandlungen meist nicht nur zwecklos sind, sondern das Risiko weiterer Drangsalierung in sich bergen. Aber nicht nur die Kameradenschinderei gehört zum militärischen Alltag, Soldaten werden auch von Offizieren - nicht selten dabei im angetrunkenen Zustand - misshandelt. Zu den Konsequenzen dieser Verhältnisse gehört, dass es immer wieder vorkommt, dass Soldaten nicht mehr weiter können, psychologisch und nervlich zusammenbrechen und Amok laufen, Kameraden und Vorgesetzte erschießen und/oder Selbstmord begehen.

Zu diesen Generalisierungen gibt es Zahlenangaben, die sich je nach ihren Urhebern erheblich voneinander unterscheiden. So wurden laut einem vom russischen Generalstaatsanwalt, General Wladimir Ustinow, vorgelegten Bericht über Verbrechen und Verbrechensbekämpfung im Jahre 2001 der Staatsanwaltschaft (trotz der oben erwähnten Risiken für den Beschwerdeführer) mehr als 3.000 Fälle "ungesetzlicher Beziehungen" in den Streitkräften gemeldet - ein Euphemismus für Kameradenschinderei und Misshandlung von Untergebenen.(FN74) Unter den insgesamt 23.000 verfolgten Straftaten befanden sich der offiziellen Statistik zufolge aber nur 337 Fälle "vorsätzlicher Tötung" und tödliche "Unfälle"; die Anzahl der Selbstmorde wurde nicht angegeben. Zivile Militärexperten vermuten allerdings, dass die Dedowschtschina-Dunkelziffer zehnmal so hoch wie die offizielle Zahl ist.(FN75) Ein wirklichkeitsgetreueres Bild als die offizielle Darstellung ist vermutlich in einer zusammenfassenden Untersuchung einer regierungsunabhängigen Zeitung enthalten ("Moskowskie nowosti"), die ein Resümee der Entwicklungen im Wehrwesen in den ersten drei Jahren der Amtszeit des Verteidigungsministers (März 2001 bis März 2004) zieht. Danach kamen in diesem Zeitraum insgesamt 9.000 Soldaten auf Grund von "ungesetzlichen" Verhältnissen und Vorkommnissen in den Streitkräften um.(FN76) Die Verbindung steigender Zuwachsraten für Alkoholismus und Waffengebrauch führt immer wieder zu kritischen Situationen - zu Totschlag und Mord. So wurde von den oben erwähnten 23.000 Straftaten in den Streitkräften im Jahre 2001 jede zweite als schwer oder sehr schwer eingestuft. Straftaten, die unter dem Einfluss von Alkohol begangen wurden, seien um 26% gegenüber dem Vorjahr gestiegen, die mit Waffen begangenen um 25%.(FN77) Der Anstieg stand wohl in direktem Zusammenhang mit dem Zuwachs bei Diebstahl von Waffen und Munition: 3.000 derartige Fälle wurden im Jahre 2001 registriert. Darüber hinaus wurde in den Statistiken Veruntreuung von Waffen und Munition angeführt (2.500 Strafverfahren wurden diesbezüglich eingeleitet und 20.000 Disziplinarstrafen ausgesprochen). Zu Beginn des Jahres 2002 fehlten insgesamt 54.000 Waffen.(FN78) Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass sich die Verhältnisse seitdem zum Besseren gewandelt hätten. Angaben der Staatsanwaltschaft zufolge ist die Anzahl der Straftaten in den Streitkräften im Jahre 2003 um 30% gestiegen.(FN79) Auch das Problem der Fahnenflucht besteht unverändert weiter: Zum ersten Mal überhaupt legte das Verteidigungsministerium im Jahre 2002 entsprechende Zahlen vor. Danach verließen in der ersten Hälfte dieses Jahres 2.265 Wehrpflichtige unerlaubt ihre Einheiten, hochgerechnet auf das ganze Jahr also 4.530. Dem Komitee der Soldatenmütter zufolge sind es aber erheblich mehr, nämlich jedes Jahr 40.000 Armeeangehörige.(FN80) Ähnlich kommt die auf unterschiedlichen Quellen beruhende Zusammenstellung der "Moskowskie nowosti" zum Ergebnis, in den drei Jahren Amtszeit Sergej Iwanows hätten 120.000 Soldaten ihre Einheit verlassen.(FN81) Das Komitee bemüht sich zwar, den Deserteuren die Rückkehr zum Wehrdienst zu ermöglichen, wenn auch meist in anderen Einheiten als denen, die sie verlassen haben. Aber nicht alle Deserteure melden sich beim Komitee, und ihr überwiegender Teil kehrt überhaupt nicht mehr zum Militär zurück.(FN82) Eine Verbesserung der Zustände könnte unter vier Voraussetzungen stattfinden. Die politische und militärische Führung müsste den Problemen der inneren Führung mehr Beachtung schenken. Dies ist, wie oben ausgeführt, nicht der Fall. Eine zweite Voraussetzung wären regierungsunabhängige Medien, die über Missstände frei berichten können. V.a. bei dem für die Meinungsbildung wichtigen Fernsehen ist diese Freiheit aber erheblich eingeschränkt. Drittens bräuchte man ein Unteroffizierskorps, das fachlich gut ausgebildet ist, tagtäglich in engem Kontakt zu den Soldaten steht und verantwortungsbewusst handelt. Eine der zentralen Schwächen des russischen Militärwesens ist aber gerade das Fehlen eines Unteroffizierskorps sowohl in der Sowjetarmee als auch in den russischen Streitkräften - eine Tatsache, die einer Expertise des Rates für Außen- und Verteidigungspolitik zufolge "bei vielen ausländischen Spezialisten Unglauben hervorruft".(FN83) Laut einer Aufstellung des Rates stellt sich das Verhältnis von Mannschaften, Offizieren und Unteroffizieren in den USA und in Russland wie folgt dar: Offensichtlich fühlen sich die jüngeren Offiziere, die anstelle von Unteroffizieren Disziplinaraufgaben wahrnehmen sollen, überfordert. Das ist vermutlich ein Grund dafür, warum jedes Jahr 37% aller Offiziere, die jünger als 40 Jahre alt sind, Armee und Flotte vorzeitig verlassen; 80% von ihnen sind unter 30 Jahre alt.(FN84) Viertens würde zu einer Verbesserung der Zustände eine Militärgerichtsbarkeit gehören, die energisch gegen Rechtsbrüche vorgeht. Von einem konsequenten Durchgreifen der Militärstaatsanwaltschaft und der Gerichte gegen Rechtsverletzungen kann jedoch keine Rede sein: Die Aufklärung von Tatbeständen wird von den Militärs behindert. Sie wollen keine Flecken auf die reine Weste der Armee kommen lassen. Für sie ist es bequemer, Missstände und Rechtsbrüche zu leugnen oder zu vertuschen, als sich der eigenen Verantwortung zu stellen. Für diese Haltung typisch ist die Anprangerung und sogar Strafverfolgung von Beschwerdeführern, sei es wegen Falschaussage, Meuterei bei mehreren Beteiligten oder Geheimnisverrats. Ein Beispiel für das Bemühen der Militärführung und der Militärstaatsanwaltschaft, Vergehen und Verbrechen von Offizieren entweder zu vertuschen oder, wo dies nicht möglich ist, zu verharmlosen, ist der von Oberst Jurij Budanow begangene Mord an einer jungen Tschetschenin. Erst nach fast zweieinhalb Jahren Prozessdauer, breiter nationaler und internationaler Aufmerksamkeit, verschiedenen psychiatrischen Gutachten und einem Freispruch wurde Budanow zu zehn Jahren Haft verurteilt. Allerdings ist dies bis heute die einzige Verurteilung eines hochrangigen Offiziers wegen Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien.(FN85) Dabei sind die Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien sowohl Auswirkung des beklagenswerten Zustands der Armee als auch ein Grund für ihre sich vertiefende Misere. Notorisch und umfassend dokumentiert sind nicht nur Verbrechen einzelner Militärangehöriger, sondern gewissermaßen "Serienverbrechen", die im Rahmen von "Säuberungen" (satschistki) und "Sonderoperationen" (spezoperazija) begangen worden sind. Dabei durchkämmen russische Truppen oder die von der Bevölkerung ebenso gefürchteten bewaffneten Kräfte Ramsan Kadyrows, des Sohnes des ehemaligen Präsidenten der nordkaukasischen Republik, Dörfer auf der Suche nach vermeintlich dort untergetauchten Terroristen. Personen v.a. männlichen Geschlechts und Jugendliche werden festgenommen, manche erschossen, andere zusammengeschlagen und gefoltert, in irgendein Gefängnis oder in Erdlöcher gesteckt. Männliche Jugendliche werden aber auch willkürlich an Kontrollposten auf offener Straße festgenommen und verschleppt. Wenn derzeit auch die Anzahl der Säuberungsaktionen zurückgegangen zu sein scheint, werden Todesschwadronen v.a. des FSB, MWD und von Sonderabteilungen der Polizei gezielt eingesetzt.

Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass jeden Monat zwischen 50 und 80 Männer von russischen Soldaten ermordet werden.(FN86) Insgesamt 18.000 Menschen gelten nach ihrer Festnahme als vermisst.(FN87) Der neueste Tschetschenien-Bericht des Europarates stellt lapidar fest: "Die Menschenrechtssituation hat sich seit Jahresanfang 2003 erheblich verschlechtert. Die Zahl der Verschwundenen steigt." (FN88) Und wie wirkt sich der Krieg auf die Streitkräfte und "anderen" dort eingesetzten Truppen sowie auf die immer noch überwiegende Anzahl von Wehrpflichtigen aus, die dort Dienst tun? "Die Männer," um eine besorgte russische Stimme zu zitieren, "die sich Offiziere nennen und diesen Sumpf aus allgegenwärtiger Lüge und moralischer Verkommenheit etabliert haben, nehmen die Erfahrung völliger Straflosigkeit ihres verwerflichen Tuns mit zurück in alle Regionen des Landes. ‚Tschetschenien‘ als Denk-, Empfindungs- und Handlungsmuster breitet sich aus wie ein Krebsgeschwür, infiziert alle Schichten der Gesellschaft und verursacht eine Tragödie von gesamtnationalem Ausmaß." (FN89) Außerordentliche Maßnahmen wurden zwar nicht ergriffen. Von einem weiter bestehenden Problembewusstsein zeugte aber die Direktive des Generalstabs vom September 2002 über die Wiedereinführung des "Stellvertretenden Kommandeurs der Armee und Flotte für Erziehungsarbeit". Die Direktive verleiht dem Status der Offiziere für Erziehungsarbeit (ofizjery-wospitatel‘) eine neue Qualität: Sie werden mit Dienstvollmachten ausgestattet und "regieren" in der Truppe gemeinsam mit dem Kommandeur. Das Prinzip der Ein-Mann-Führung wird somit wieder durch das Prinzip der Doppelführung ersetzt, die russische Armee sowjetischen Vorbildern angepasst.(FN90) Allerdings sind die Inhalte heute anders: Der Marxismus-Leninismus wurde gestrichen, aber die nationale, militärpatriotische Komponente bleibt.

Wie sieht es aber nun mit der Möglichkeit für Wehrpflichtige aus, sich dem Kriegsdienst aus Gewissensgründen zu entziehen?

Das Gesetz über den zivilen Ersatzdienst

Wie oben erwähnt, war ein Recht auf Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen zwar in der russischen Verfassung verbrieft, es gab aber kein Gesetz, das es Wehrpflichtigen ermöglicht hätte, dieses Recht auch in Anspruch zu nehmen. Seit dem 1.1.2004 ist ein entsprechendes Gesetz in Kraft.(FN91) Seine wichtigsten Bestimmungen sind wie folgt: - Wer aus Gewissens- oder anderen Gründen den Wehrdienst verweigern will, muss dies vor der Einberufungskommission seines Kreiswehrersatzamts (woenkomat) beantragen und begründen.

- Wird der Antrag positiv entschieden, müssen die Wehrdienstverweigerer 42 Monate Ersatzdienst leisten, das heißt, anderthalb Jahre länger dienen als die anderen Wehrpflichtigen.

- Sie können zum Zivildienst bei Organisationen und Unternehmen der Streitkräfte und Sondertruppen einberufen werden; in diesem Fall beträgt der Dienst 36 Monate. Über die Zuweisung entscheiden wiederum die Einberufungskommissionen.

- Für Hochschulabsolventen (Wehrdienstzeit: zwölf Monate) beträgt der "normale" Ersatzdienst 21 Monate, bei den Streitkräften und Sondertruppen 18 Monate.

- Zur Ableistung ihres Dienstes sollen Zivildienstleistende in der Regel außerhalb ihres Wohngebiets einberufen werden.

- Nach Abschluss ihres Dienstes erhalten Zivildienstleistende den Status von Reservisten. Sie können zwar nicht zu Wehrübungen eingezogen werden, unklar ist aber ihr Status im Falle einer Mobilisierung.

Angesichts dieser Bestimmungen wäre es verfehlt, das Gesetz als einen Schritt zum Aufbau einer Zivilgesellschaft zu feiern. Entsprechend fällt das Urteil sowohl ziviler als auch einiger militärischer Militärsachverständiger in Russland aus. General Eduard Worobjow, einer der stellvertretenden Vorsitzenden des Verteidigungskomitees der Duma, meinte, "das Gesetz wird nicht funktionieren". (FN92) Als besonders problematisch und als nahezu zynisches "Angebot" wird dabei die mögliche Zwangszuweisung von Wehrdienstverweigerern zum Zivildienst in Kasernen gesehen. So klagte Alexej Arbatow in seiner Eigenschaft als einer der stellvertretenden Vorsitzenden des Verteidigungskomitees der Duma, das Gesetz rufe anstelle des Wehrersatzdienstes eine "Gratis-Arbeitsarmee" ins Leben.(FN93) Andere Beobachter sind davon überzeugt, das Gesetz werde die Zahl derjenigen steigern, die sich einer Einberufung widersetzen und die Korruption bei der Einberufungspraxis vergrößern. Das neue Gesetz werde auch "die Bemühungen um die seit langem angekündigte Militärreform deutlich schwächen, da es das am Boden liegende und völlig in Misskredit geratene System der Zwangsergänzung der Streitkräfte und anderer Truppen nach der Einberufung beibehält". (FN94) Derartige Bewertungen werden insofern von der Wirklichkeit bestätigt, als bei der Frühjahrseinberufung 2004 lediglich 214 junge Männer einen Antrag auf Anerkennung als Wehrdienstverweigerer stellten.(FN95) Insgesamt beweist das Gesetz dreierlei: Das Militär in Russland will weiterhin an der Wehrpflicht festhalten, ist zweitens entschlossen, keine Aufweichung der Dienstpflicht mit der Waffe zuzulassen, und verfügt drittens weiterhin über großen Einfluss auf Entscheidungsprozesse in Sicherheitsfragen.

Fazit

Nach vier Jahren Amtszeit Präsident Putins hat sein Verteidigungsminister zwar das, was sich in Russland mit dem Begriff der Militärreform verband, offiziell abgeschlossen. Nennenswerte Strukturveränderungen hat es aber nicht gegeben. Der Charakter der Streitkräfte als einer Massenarmee, die auf einen großen konventionellen Krieg ausgerichtet ist, hat sich nicht gewandelt. Weder Ausbildung noch Ausrüstung entsprechen neuen Herausforderungen. Die innere Verfassung der Streitkräfte und "anderen Truppen" hat sich nicht gebessert. Das wirft die geschichtsträchtige russische Frage auf: Kto winowat? - Wer ist daran schuld?

Wie in anderen Situationen, in denen Akteure zwar die Notwendigkeit grundlegender Veränderungen erkennen, diese aber nicht vollziehen können oder wollen ("Reformstau"), ist dafür meist nicht ein einziger Faktor, sondern eine Kombination von Faktoren verantwortlich. Dazu gehören in diesem Fall Politik und Persönlichkeit des Präsidenten.

Im Gegensatz zu Jelzin hat sich Putin intensiv mit militärischen Fragen befasst. Ihm blieb auch keine andere Wahl. Seinen Aufstieg verdankt er, wie erwähnt, dem Krieg in Tschetschenien, der wie alle Kriege Moral, Führungsqualitäten, Ausbildung, Ausrüstung und Organisationsstruktur von Streitkräften und Sondertruppen auf den Prüfstand gestellt hat. Auch der Untergang der Kursk rückte Militärfragen grell ins Rampenlicht der Öffentlichkeit. Putin musste auf die amerikanischen Herausforderungen NMD/BMD sowie die im Kosovo und Afghanistan deutlich gewordenen eklatanten Unterschiede in Modernisierungsgrad, Einsatzfähigkeit und Moral der amerikanischen Streitkräfte im Vergleich zur russischen Armee, auf die sich abzeichnende zweite Runde der NATO-Osterweiterung unter Einschluss der Baltischen Staaten und auf den 11. September mit Anpassungen in der russischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik reagieren. Und schließlich konnte es nicht so weitergehen, dass Generale und Admirale in aller Öffentlichkeit Jahr für Jahr den Zustand der Streitkräfte als "katastrophal" beklagten und sich untereinander und die politische Führung "verbrecherischer" Absichten und "verräterischer" Umtriebe bezichtigten, ohne dass der Präsident je ein Machtwort gesprochen und politische Lösungen aufgezeigt hätte.(FN96) Putin hat in der Tat starke Worte gefunden. Mittels strafferer Kontrollen über die Informationspolitik hat er die Kakophonie à la russe im Militärwesen eingedämmt. Aber im Gegensatz zu internationalen militärischen und sicherheitspolitischen Fragen wie NMD/BMD, NATO, NATO-Osterweiterung, Schließung einiger russischer Militärbasen im Ausland sowie Zustimmung zu amerikanischer Militärpräsenz in Zentralasien und im Kaukasus hat er sich bei den internen russischen Militärfragen nicht durchsetzen können, es auch letzten Endes nicht energisch genug versucht. Zumindest ist seine Haltung ambivalent.

So kommt es zwar einerseits immer wieder vor, dass er Generale und Admirale ablöst, die sich entweder auf ihrem Posten als unfähig erwiesen haben (die Führungsriege der Nordmeerflotte nach der Kursk-Katastrophe), die politisch nicht mehr in die Landschaft passen (General Leonid Iwaschow)(FN97) oder sich Befehlen widersetzen (General Genadij Troschew).(FN98) Im Allgemeinen fällt die Strafe aber milde aus. Zwar war die unter dem Eindruck der NATO-Luftangriffe und gespannter Beziehungen Russlands zum Westen entstandene neue Militärdoktrin schon zum Zeitpunkt ihrer Inkraftsetzung im April 2000 überholt, aber auch ihr Ersatz, das Weißbuch des Verteidigungsministeriums vom Oktober 2003, löst sich nicht von traditionellen Vorstellungen.(FN99) Auch den Krieg in Tschetschenien lässt Putin von seinen Truppen ungestraft führen. Er leistet dem Widerstand des Militärs gegen einen Bruch mit der sowjetischen Vergangenheit Vorschub, indem er Sowjetsymbole wieder einführt, denn wenn heute die russischen Streitkräfte und Sondertruppen wieder nach den Klängen der sowjetischen Nationalhymne stramm stehen und bald wieder der rote Stern der Roten Armee auf ihren Uniformen prangt, so geschieht das mit seiner Zustimmung.

Eine Erklärung für die mangelnde Bereitschaft Putins, sich energisch gegen die Militärführung durchzusetzen, liegt aller Wahrscheinlichkeit nicht darin, dass er eine Militärrevolte, einen Umsturz befürchtet oder befürchten müsste. Für "Bonapartismus" gibt es in der zaristischen, sowjetischen und neurussischen Geschichte keine Tradition; seine verfassungsmäßigen Kompetenzen sind ebenso groß wie seine Popularität im Lande, und die Generale sind untereinander zerstritten. Putin braucht trotz alledem den guten Willen der Streitkräfte und Sondertruppen sowohl für die Fortsetzung des Krieges in Tschetschenien als auch für die Umsetzung einer Reform des Militärwesens. Vielleicht will er auch deswegen die Militärs nicht mit grundsätzlichen Neuorientierungen "überfordern".

Ein letzter Grund für Putins mangelnde Bereitschaft, sich durchsetzen zu wollen, ist seine Haltung zu Politik, Gesellschaft und Militär. Er ist und versteht sich nicht als radikaler Reformer. Er führt nicht die Ansätze von Anfang der 90er-Jahre fort, welche darauf abzielten, Anlehnung an den Westen in der Außenpolitik mit Liberalismus, Pluralismus und Demokratie in der Innenpolitik sowie mit Transparenz und ziviler Kontrolle in der Militärpolitik zu verbinden. Putin will im wahrsten Sinne des Wortes - wie in Tschetschenien - Recht und Ordnung seiner eigenen Lesart mit Druck von oben, wenn nötig mit Gewalt durchsetzen, und dazu braucht er die Machtministerien und Ämter, insbesondere die Ministerien für Verteidigung und Inneres sowie den FSB. Sie vor den Kopf zu stoßen, scheint er infolgedessen für ein zu großes Risiko zu halten.

ANMERKUNGEN:

(Fußnote 1/FN1) Putin auf einer Sitzung des nationalen Sicherheitsrats am 11. August 2000; Strategija voennogo stroitel’stva - ob¹cenacional’naja problema. Vystuplenie na otkrytii zasedanija Soveta bezopasnosti RF, in: Krasnaja zvezda (Internet-Ausgabe), 18.8.2000.

(FN2) Russische Berichte zur Kontroverse: Petrov, Nikolaij, Koncepcija voennogo perevorota. Nacal’nik Gen¹taba predlozil reformirovat’ ministra oborony, in: Kommersant, 15.7.2000; Berichte im russischen Fernsehen, NTV, 11.7. und 14.7.2000 sowie Itogi, 14.7.2000.

(FN3) Der vorliegende Artikel beruht auf einer Studie des Autors, Putins Militärpolitik, Stiftung Wissenschaft und Politik (Berlin), SWP - S 16 (April 2003). Bei der Überarbeitung sind Daten bis April 2004 berücksichtigt worden.

(FN4) Solov’ëv, Vadim und Vladimir Muchin, Sergej Ivanov zakryl voennuju reformu, in: Nezavisimaja gazeta (Internet-Ausgabe), 26.1.2004. Iwanow hatte die Feststellung, die Militärreform sei in ihren Grundzügen abgeschlossen, bereits Anfang Oktober 2003 bei der Vorstellung der "Aktuellen Aufgaben für die Entwicklung der Streitkräfte der Russischen Föderation", praktisch einer Revision der geltenden Militärdoktrin vom April 2000, getroffen; 26.1.2004. Verteidigungsministerium der Russischen Föderation, Aktual’nye zadaci razvitija Vooruzennych Sil Rossiiskoj Federacii, Oktober 2003. Im Widerspruch dazu sagte Putin am 18.12.2003 in der Sendung "Prjamaja linija" des Ersten Fernsehkanals und des Kanals Rossija: "Die Reform der Streitkräfte, die Modernisierung der Streitkräfte ist nicht abgeschlossen. Sie hat erst begonnen." Laut Mitschrift der Sendung auf der Homepage des Präsidenten .

(FN5) Einzelheiten bei Adomeit, Hannes, Sicherheits- und Verteidigungspolitik unter Putin: Neue Akzente oder gewohnte Großmachtnostalgie?, Stiftung Wissenschaft und Politik (Berlin), SWP - S 434 (April 2003).

(FN6) Putin, Eröffnungsrede auf der Sitzung des nationalen Sicherheitsrats am 11.8.2000 (wie Anm. 1).

(FN7) Die Bestandteile des Reformkonzepts wurden von Putins engem Vertrauten und Geheimdienstkollegen sowie späterem Verteidigungsminister Sergej Iwanow in seiner Eigenschaft als Sekretär des nationalen Sicherheitsrats und Vorsitzendem der Militärreform-Kommission ausgearbeitet. Die Beschlüsse des Sicherheitsrats wurden nicht publiziert, lediglich von den an den Sitzungen Beteiligten in Pressekonferenzen und Interviews erläutert. Konkretisierungen und Veränderungen der Zielgrößen bei der Reduzierung der Streitkräfte und der "anderen Truppen" wurden auf einer Arbeitssitzung des Sicherheitsrats am 27.9.2000 und auf einer regulären Sitzung am 9.11.2000 vorgenommen. Beschlüsse des Sicherheitsrats vom 11.8.2000: Strategija voennogo stroitel’stva, in: Krasnaja zvezda (Internet-Ausgabe), 16.8.2000; Korbut, Andrej, Sovbez soglasil’sja s predlozenijami gen¹taba, in: Nezavisimaja gazeta (Internet-Ausgabe), 15.08.2000. Meldung von Interfax am 7.9.2000: RFE/RL Newsline, 8.9.2000; Marschall Sergejew am 8.9.2000: Re¹enija prinjaty, in: Krasnaja zvezda (Internet-Ausgabe), 9.9.2000. - Putins Forderung, die Streitkräfte müssten "kompakt, modern und gut bezahlt" sein: Interv’ju prezidenta RF V.V. Putina, in: Monitoring SMI. RTR, CPRI (Integrum-Datenbank, online), 24.8.2002. - Sitzung des Sicherheitsrats vom 27.9.2000: Anscheinend gab es darüber, wie stark die "anderen Truppen" gekürzt werden sollten, erhebliche Meinungsverschiedenheiten. Da offensichtlich war, dass noch keine Entscheidung getroffen werden konnte, wurde die reguläre Sitzung des SR zu einer "Arbeitssitzung" herabgestuft: Gavrilov, Jurij, Mechaniceskogo sokra¹cenija voennych struktur ne budet, in: ebenda, 29.9.2000; K voennoj organizacii XXI veka, in Krasnaja zvezda (Internet-Ausgabe), 29.9.2000. - Beschlüsse des Sicherheitsrats vom 9.11.2000: Korbut, Andrej, Gen¹tab berjët upravlenie na sebja, in: Nezavisimaja gazeta (Internet-Ausgabe), 17.11.2000; Rumjancev, Andrej und Evgenij Polojko, in: Vesti; CRPI (Integrum-Datenbank, online), 9.11.2000. - Zur Umstrukturierung der strategischen Raketenstreitkräfte (RWSN): Chodarenok, Michail, Spasti cast‘ armii ili poterjat‘ eë polnost’ju?, in: Nezavisimoe voennoe obozrenie (Internet-Ausgabe), 22.9.2000; Ptikin, Sergej, Vperëd, kosmiceskie sily!, in: Rossijskaja gazeta (Internet-Ausgabe), 26.1.2001; V Rossii budjet sozdan novyj rod vojsk, in: Monitoring SMI. RTR, CRPI (Integrum-Datenbank, online), 25.1.2001. - Westliche Analysen: Walter, Franz, Putin und das Militär: Russlands Militärorganisation vor einer neuen Reformrunde, in: Osteuropa, Bd. 50, No. 12 (Dezember 2000), S. 1316-1328.

(FN8) "Raspisivat‘ sroki - ne rabota prezidenta", in: Pressezentrum der Regierung, Übersicht der Medienberichterstattung vom 8.12.2001 http://government.ru:8080/news (FN9) Sesselrücken an der russischen Militärspitze, in: Neue Zürcher Zeitung (Internet-Ausgabe), 29.3.2001.

(FN10) Russ.: ¹tatnaja cislennost‘ (Soll-Stärke) und spisocnaja cislennost‘ (Ist-Stärke).

(FN11) Pressekonferenz Sergej Iwanows, Interfax (russ.), 31.1.2002.

(FN12) Barancev, Viktor, Sovbez re¹il sokra¹cat‘ armiju. No ne tak bystro, in: Komsomol’skaja pravda (Integrum-Datenbank, online), 3.6.2002. Der Autor des Berichts über die Sicherheitsratssitzung stellte weiterhin fest: "Heute beträgt die Soll-Stärke der Streitkräfte Russlands 1,2 Mio. Militärangehörige." Unklar ist, ob das seine eigene Auffassung oder Angaben des Sicherheitsrats wiedergibt.

(FN13) Zit. bei Barancev, Sovbez re¹il sokra¹cat‘ armiju (wie Anm. 12).

(FN14) Putin, V. V., Vooruzennye Sili: ot vyzhivanija k effektivnomu stroitel’stvu, in: Na¹a vlast‘ - dela i litsa, 23.2.2004.

(FN15) Die Zahlenangaben sind auch hier problematisch. So gab Verteidigungsminister Iwanow im Juli 2003 den Anteil der Zeit- und Berufssoldaten mit 22% an; Russia Creeps Slowly Towards Professional Military, in: Defense News, 10.7.2003.

(FN16) Bulavinov, Il’ja, Sto let do prikaza, in: Kommersant vlast’, 28.3.2000, S.7. Nach einer anderen Quelle waren von den 1,2 Millionen Angehörigen der Streitkräfte im Jahre 2000 lediglich 150.000 Berufssoldaten. Für den Anteil der Kontraktsoldaten in Tschetschenien wurden auch höhere Zahlen genannt. Ein Prozentsatz von 42% findet sich beispielsweise bei Ermolin, Vladimir, Cërnaja metka. Rodnye i blizkie segodnja¹cego novobranca dumajut tol’ko ob odnom: Cecnja ili pronesët?, in: Izvestija, 12.4.2000, S.1.

(FN17) So der Leiter der Hauptabteilung für Organisation und Mobilisierung beim russischen Verteidigungsministerium, Wladimir Smirnow. Seine Vergleichsdaten für die Einberufung in früheren Jahren sind wie folgt: 1994: 27%; 2002: 11,2%; 2003: 10,3%; zit. bei Mochov, Vladimir, Prizyv 2004: start dan, in: Krasnaja zvezda (Internet-Ausgabe), 1.4.2004.

(FN18) Zolotaja zila, in: Kommersant"-den’gi (Internet-Ausgabe), 15.5.2002.

(FN19) Dudnik, Vladimir, Voennoj reforme nuzna glubokaja operacija, in: Ob¹caja gazeta (Internet-Ausgabe), 17.1.2002.

(FN20) Das trifft insbesondere für Zurückstellung wegen Studium und Ausbildung zu; siehe Georgiev, Vladimir, Studentov budut prizyvat‘ v Armiju uze etoj osen’ju. S takoj iniciativoj Gen¹tab v tretij raz nameren vyjti v pravitel’stvo (Studenten werden schon in diesem Herbst in die Armee einberufen: Mit einer entsprechenden Initiative beabsichtigt der Generalstab zum dritten Mal an die Regierung heranzutreten), in: Nezavisimaja gazeta (Internet-Ausgabe), 31.5.2002 sowie Bobrovskaja, S., Kakie ostrochki otmenyat, in: Argumentye i fakty (Integrum-Datenbank, online), 3.3.2004.

(FN21) Putin in einer Rede vor dem Föderationsrat im RTV (Moskau), 8.7.2002; Parlamentskaja gazeta (Internet-Ausgabe) 11.07.2000.

(FN22) Zit. bei Coker, Margaret, Military Luster Fades in Russia, in: The Atlanta-Journal Constitution (Internet-Ausgabe), 9.5.2001.

(FN23) Dokucaev, Anatolij, Obespecit‘ oboronosposobnosti Rossii, in: Krasnaja zvezda (Internet-Ausgabe), 6.10.2001.

(FN24) Russian Demography: Acopalypse Tomorrow, NATO Unclassified, DPA (2000), S.1505.

(FN25) Interfax (russ.), 21.11.2001.

(FN26) "Raspisivat‘ sroki - ne rabota prezidenta" (wie Anm. 8).

(FN27) Ukas Nr. 722 vom 16.5.1996, "O perechode k komplektovaniju dolznostej rjadovogo i serzantskogo sostava Vooruzënnych Sil i drugich vojsk Rossijskoj Federacii na professional’noj osnove", in: Sobranie zakonodatel’stva Rossijskoj Federacii, (20.5.1996) 21, S.5217.

(FN28) Präsidentschaftswahlen waren für Juni 1996 anberaumt. Es war damals keineswegs sicher, ob sich Jelzin gegen seinen Kontrahenten von der Kommunistischen Partei, Gennadij Sjuganow, durchsetzen würde.

(FN29) Ukas Nr. 723 vom 16.5.1996, "O porjadke napravlenija voennosluza¹cich srocnoj sluzby po prizyvu dlja vypolnenija zadac v uslovijach vooruzënnych konfliktach i dlja ucastija v boevych dejstvijach", in: Sobranie zakonodatel’stva Rossijskoj Federacii, (20.5.1996) 21, S.5218.

(FN30) Ukas Nr. 1366 vom 15.10.1999, "Voprosy prochozdenija voennoj sluzby po prizyvu", in: Sobranie zakonodatel’stva Rossijskoj Federacii, (18.10.1999) 42, S.9439-9440.

(FN31) More on Russian Defense Concept and Military Reform, in: Jamestown Foundation Monitor: A Daily Briefing on the Post-Soviet States, Vol. 4, No. 157, 14.8.1998.

(FN32) Rjavkin, Gennadij, V Pskove nacalsja perechod divisii VDV na kontrakty, in: Izvestija.ru: Novostnaja lenta (Integrum-Datenbank, online), 2.9.2002.

(FN33) Sergej Ivanov: eksperiment po perechodu na kontraktnuju osnovu proizojdët vo vsech silovych strukturach, in: Strana.Ru, 19.4.2002 http://strana.ru/print/130955.html (FN34) So lautet die Schlussfolgerung eines Berichts von Georgiev, Vladimir, Generaly ne znajut, gde nabrat‘ kontraktnikov, in: Nezavisimaja gazeta (Internet-Ausgabe) 30.8.2002.

(FN35) Laut Angaben Generalleutnants Wasilij Smirnows, der im Generalstab für Organisations- und Mobilisierungsfragen zuständig war, sollten in der Division insgesamt 1.600 Berufssoldaten bis Ende 2002 und 4.600 bis Ende 2003 dienen; Bolee 500 voennosluza¹cich zaklucili kontrakty v 76-j Pskovskoj vozdu¹no-desantnoj divizii, in: RIA "Nowosti" (russ.), 29.10.2002.

(FN36) Sulejmanov, Salavat, Zalozniki prozektorstva. V 76-ju vozdu¹no-desantnuju diviziju udalos‘ nabrat‘ tol’ko 150 kontraktnikov, in: in: Nezavisimoe voennoe obozrenie (Internet-Ausgabe), 4.10.2002. Nemzow war vorher Gouverneur von Nischnij Nowgorod und Erster Stellvertretender Ministerpräsident, Worobjow war Erster Stellvertretender Kommandeur der Landstreitkräfte.

(FN37) Ebenda; desgl. V elitnoj Pskovskoj divisii VDV skandal, in: Komsomol‘skaja pravda (Internet-Ausgabe), 5.10.2002.

(FN38) Georgiev, Generaly ne znajut (wie Anm. 34).

(FN39) Safronov, Ivan, in: Kommersant vlast‘ (Integrum-Datenbank, online), 17.7.2002.

(FN40) Falicev, Oleg, Sergej Ivanov odobril itogi pskovskogo eksperimenta, in: Voenno-promy¹ennyj kur’er, 31.12.2003.

(FN41) Gen¹tab izmenil parametry pskovskogo eksperimenta, in: Kommersant" (Integrum-Datenbank, online), 30.10.2002. Nach anderen Quellen waren es 305 Mio. Rubel oder 11% der Gesamtsumme; Pskovskim kontraktnikam yrezajut bjudzet, in: Izvestija (Internet-Ausgabe), 14.9.2002.

(FN42) Pskovskij eksperiment okazalsja neudacnym, in: Kommersant" (Integrum-Datenbank, online), 4.10.2002; siehe auch V elitnoj Pskovskoj divisii VDV skandal (wie Anm. 37).

(FN43) Miranovic, Gennadij, Pskovskij eksperiment: 76-ja stanovitsja v stroj, in: Krasnaja zvezda, 23.12.2003.

(FN44) Poroskov, Nikolaj, Potemkinskaja divizija, in: Vremja novostej, 25.12.2003.

(FN45) Ebenda.

(FN46) Russia Creeps Slowly Towards Professional Military (wie Anm. 15).

(FN47) Siehe Aktual’nye zadaci razvitija Vooruzennych Sil (wie Anm. 4); desgl. Anatolij Kvav¹nin: Sluzbu po prizvvu otmenjat‘ ne planiruetsja, in: Regions.Ru (Integrum Datenbank, online), 24.1.2004.

(FN48) Ivanov, Vladimir und Vladimir Muchin, Rossijskaja armija ozabotilas‘ svoim imidzem, in: Nezavisimoe voennoe obozrenie (Internet-Ausgabe), 30.4.2004.

(FN49) Russia Creeps Slowly Towards Professional Military (wie Anm. 15).

(FN50) Odnokolenko, Oleg, Desant generala ©paka. V Rossii mozet pojavitsja mobil’naja 200-tysjacnaja professional’naja armija, sposobnaja stat‘ al’ternativnoj nyne¹noj polutora-millionnoj, in: Itogi (Integrum-Datenbank, online), 2.7.2002. - Russische Militärs kritisieren oft den Begriff "professionelle Armee" statt "Berufsarmee". Er erwecke den Eindruck, die gegenwärtigen Streitkräfte seien nicht professionell. Das umstrittene Adjektiv ist aber wohl im Bericht über Schpaks Vorstellungen ganz bewusst gewählt worden. - Zur Gesamtstärke der Streitkräfte und Sondertruppen scheint sich Schpak in diesem Zusammenhang nicht geäußert zu haben.

(FN51) Angaben laut Military Balance (IISS, London) verschiedener Jahre.

(FN52) Odnokolenko, Desant generala ©paka (wie Anm. 50).

(FN53) Ebenda.

(FN54) Hierauf hat Andrej Kokoschin hingewiesen, der von März bis September 1998 in seiner Funktion als Sekretär des Sicherheitsrats eine zentrale Rolle bei der Ausarbeitung von Konzepten für die Militärreform spielte; Russian Security Council Must Discuss Concept of Military Reform Says Official, Military News Agency (Moscow), 25.7.2000.

(FN55) Ebenda.

(FN56) Muchin, Vladimir, Kreml’ sdelal Georgija ©paka liderom voennoj opposicii, in: Nezavisimaja gazeta (Internet-Ausgabe), 19.9.2003.

(FN57) Odnokolenko, Desant generala ©paka (wie Anm. 50).

(FN58) Interfax, zit. bei Newsline Izvestia.ru, 17.9.2001 KSBR: Kollektivnye sily bystrogo razvërtyvanija. Einzelheiten zu den geplanten gemeinsamen schnellen Einsatzkräften des Vertrags über kollektive Sicherheit finden sich bei Adomeit, Hannes und Heidi Reisinger, Militärische Macht und politischer Einfluss, in: Alexandrova, Olga, Roland Götz und Uwe Halbach (Hg), Russland und der postsowjetische Raum, Baden-Baden (Nomos) 2002.

(FN59) Odnokolenko, Desant generala ©paka (wie Anm. 50).

(FN60) Wehner, Markus, Putin stärkt den Geheimdienst, in: FAZ, 15.3.2003, S.6.

(FN61) Ukaz prezidenta RF 9 marta 2004 roda N 314, in: Ezenedel’nyj bjulleten‘ zakonodatel’nych i vedomstvennyh aktov, 29.3.2004.

(FN62) Ukas des Präsidenten Nr. 1.058 vom 10.9.2003, zit. bei: Solov’ëv und Muchin, Sergej Ivanov zakryl voennuju reformu (wie Anm. 4).

(FN63) Generalstabschef Kwaschnin am 30. Mai 2002, einen Tag vor einer Sitzung des nationalen Sicherheitsrats, die sich mit Fragen der militärischen Entwicklung bis zum Jahre 2010 befasste; Rossijskaja armija nachoditsja v kritieskom sostojanii (Integrum-Datenbank, online), 31.5.2002. Der von Kwaschnin gebrauchte russische Begriff war "zakriticeskij", hier übersetzt mit "mehr als kritisch"; er hätte auch mit "überaus kritisch" wiedergegeben werden können.

(FN64) Bobrovskaja, Kakie ostrochki otmenya (wie Anm. 20).

(FN65) Procenty po dolgu Rodine, in: Profil‘ (Integrum-Datenbank, online), 29.3.2004.

(FN66) Die statistischen Angaben laut Zolotaja zila (wie Anm. 18). Zur Kasse gebeten werden oft aber auch Wehrpflichtige, die rechtmäßige Gründe für eine Zurückstellung haben, seien es familiäre, gesundheitliche oder berufliche.

(FN67) Ebenda.

(FN68) Ebenda.

(FN69) Vermutlich kommen diejenigen jungen Männer, die sich entweder nicht freikaufen wollten oder konnten oder aus anderen Gründen nicht zurückgestellt oder vom Wehrdienst befreit wurden und die dann den Wehrdienst verweigerten, ebenfalls aus der urbanen Schicht der Gebildeten und Begüterten. In der Frühjahrseinberufung 2002 waren das 30.000 Wehrpflichtige, ein Prozentsatz von immerhin fast 16% bezogen auf die Gesamtzahl von 189.000 Einberufenen; Kamalov, Nikolaj, Komandiry otdelenij bezgramotnoj armii, in: Nezavisimoe voennoe obozrenie, 19.07.2002 http://nvo.ng.ru/printed/forces/2002-07-19/3_school.html (FN70) "Illegal Draftees” File Suit against Military Commissions, in: RFE/RL Newsline, Vol. 163, Nr. 2, Part I (23.8.1999).

(FN71) Titov, Pëtr, Skoree iskljucenie, cem pravilo, in:Nesavisimoe voennoe obozrenie, 29.11.2002.

(FN72) Zahlenangaben der Hauptverwaltung für Organisation und Mobilisierung des Generalstabs; Procenty po dolgu Rodine (wie Anm. 65). Die Angaben zum Drogen- und Alkoholkonsum (4,1% und 2,7%) und zu Vorstrafen und Untersuchungshaft (5% und 6%) liegen erheblich niedriger als die in Tabelle 2 aufgeführten Daten. Es ist im höchsten Grade unwahrscheinlich, dass sie reale Entwicklungen widerspiegeln. Andere, regierungsunabhängige Organisationen kommen zum Ergebnis, dass sich die Verhältnisse nicht zum Besseren gewandelt hätten; siehe die zusammenfassende Bewertung der Verhältnisse in Zaslugi pered otecestvom, in: Moskovsksie novosti, 23.1.2004.

(FN73) Der russische Begriff leitet sich von djed (Großvater) ab. Westliche Berichte zur Djedowschtschina u.a. Siegl, Elfie, "Ein Soldat, das ist Dreck unter den Stiefeln", in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.3.2000, S.13; Quiring, Manfred, Der ärgste Feind der russischen Armee: Die russische Armee, in: Die Welt, 21.4.1998, S.4.

(FN74) O sostojanii zakonnosti, pravoporjadka v Rossijskoj Federacii i rabote organov prokuratury za 2001 god. Die hier zitierten Angaben aus dem Bericht nach Solov’ëv, Vadim, Prestupnost‘ podtacivaet armejskie ustoi, in: Nezavisimoe voennoe obozrenie, 17.5.2002, S.1, 4. Die Zahlenangaben beziehen sich nur auf die Streitkräfte, nicht auf die "anderen" Truppen.

(FN75) Solov’ëv, Vadim, Crezvycajno zapu¹cennyj silovoj vopros. Legce sozdat‘ novuju armiju, cem reformirovat‘ su¹cestvuju¹cuju, in: Nezavisimaja gazeta (Internet-Ausgabe), 12.9.2002.

(FN76) Zaslugi pered otecestvom (wie Anm. 72). Wie im Text erwähnt, sind im Laufe der Jahre allerdings ganz unterschiedliche Zahlen von verschiedenen offiziellen und nichtoffiziellen Institutionen genannt worden. So gab das Komitee der Soldatenmütter im Jahre 2000 an, jährlich kämen mehr als 5.000 Soldaten an den Folgen unmenschlicher Bedingungen in den Streitkräften ums Leben und begingen etwa 1.000 Wehrpflichtige Selbstmord; Melnikova, Walentina, Walentian Wonti und Ida Kuklina, Aufgaben und politische Perspektiven der Soldatenmütter, Vortrag am 12.4.2000 in der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin. Ein anderes Komitee, das sich um die Belange der Wehrpflichtigen in den Streitkräften kümmert, die Rechte der Mütter, nennt 2.000-3.000 Todesfälle pro Jahr; Romanov, Maksim, Tema dnja, in: Izvestija.Ru (Integrum-Datenbank, online), 24.9.2002. Die Zahl des Komitees von jährlich 1.000 Selbstmorden von Wehrpflichtigen findet sich bei Gentleman, Amelia, Russian Draft Dodgers Prefer Suicide to Chechnya, in: The Guardian (Internet-Ausgabe), 21.5.2000.

(FN77) Die mit Waffen begangenen Straftaten in Russland generell seien dagegen um 3,4% gefallen; O sostojanii zakonnosti (wie Anm. 74).

(FN78) Ebenda. Auch in der russischen Presse nicht immer deutlich: Es handelt sich bei dieser Anzahl hauptsächlich um Handfeuerwaffen.

(FN79) Zit. vom Komitee der Soldatenmütter, Znaet li prezident, zacem gosudarstvu i ob¹cestvu voennaja reforma?

(FN80) In manchen Quellen ist von 40.000 fahnenflüchtigen Militärangehörigen pro Jahr die Rede; Bis zu 40.000 Militärangehörige begehen jährlich Fahnenflucht: Der Grund sind die sozialen Probleme der Streitkräfte, Interfax (russ.), 18.6.2002, in: Deutsche Welle, Monitor Dienst Osteuropa, (19.6.2002) 14; desgl. Weir, Fred, An Army of Deserters, in: Christian Science Monitor (Internet-Ausgabe), 30.9.2002. Ein westlicher Korrespondent zitiert Walentina Dmitriewnja vom Komitee der Soldatenmütter in Moskau sogar mit der Zahl von 50.000 fahnenflüchtigen Wehrpflichtigen pro Jahr. Im Jahre 2002 sollen ihr zufolge allein in Moskau 2.000 Wehrpflichtige die Armee verlassen haben; Jack, Andrew, Russia’s Conscript Army Still Frozen in Its Communist Past, in: Financial Times, 13.12.2002, S. 20. Richtig sind die Zahlen von 40.000 oder sogar 50.000 wohl jedoch als kumulierte Gesamtzahl der Fahnenflüchtigen jeweils in einem Jahr, so Romanov, Tema dnja (wie Anm. 76).

(FN81) Zaslugi pered otecestvom (wie Anm. 72).

(FN82) Ebenda.

(FN83) Sovet po vne¹nej i oboronnoj politike, Oboronnaja politika Rossii, unveröffentlichtes Arbeitspapier mit Vorschlägen des Rats zur Reform der russischen Verteidigungspolitik, Moskau, November 2003.

(FN84) Laut Angaben des Komitees der Soldatenmütter; Znaet li prezident, zacem? (wie Anm. 79).

(FN85) Budanow, Kommandeur des in Tschetschenien eingesetzten 160. Garderegiments, hatte im März 2000 ein tschetschenisches Mädchen erwürgt. Im Dezember 2002 wurde er von einem Militärgericht wegen Unzurechnungsfähigkeit während der Tatzeit freigesprochen. Dieses Urteil wurde im Juli 2003 revidiert. Der Oberst wurde degradiert und zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt.

(FN86) Internationale Helsinki Föderation für Menschenrechte (IHF) mit Angaben, die zum Teil wiederum auf Recherchen russischer Menschenrechtsorganisationen wie Memorial beruhen; siehe auch "Immer mehr Morde in Tschetschenien", in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.7.2002, S.5 und Mettke, Jörg R., Auszeit für die Justiz, in: Der Spiegel, 29.7.2002, S.107.

(FN87) Laut dem damaligen russischen Nationalitätenminister, Alexander Blochin, zit. im Jahresbericht 2002 der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM), Menschenrechte in Tschetschenien 2001 .

(FN88) Hassel, Florian, Der andere Krieg, in: Frankfurter Rundschau, 19.3.2002, S.1.

(FN89) Politkovskaja, Anna, Tschetschenien: Die Wahrheit über den Krieg, Köln 2003, S.185.

(FN90) Die Beseitigung der "Doppelführung" von Anfang der 90er-Jahre wurde dadurch wieder rückgängig gemacht.

(FN91) Federal’nyj zakon 25 ijulja 2002 g. N 113-F3, "Ob al’ternativnoj grazdanskoj sluzbe" .

(FN92) Zit. bei Sulejmanov, Salavat, Minoborony odolelo pacifistov. Zakon ob al’ternativnoj grazdanskoj sluzbe stal bolee zëstkim, in: Süddeutsche Zeitung (Internet-Ausgabe), 28.6.2002.

(FN93) "Gratisarmee statt Zivildienst", in: Monitor-Dienst Osteuropa, 115 (20.6.2002); Originalquelle: Interfax (russ.), 19.6.2002.

(FN94) Jewsejew, Wladimir und Pawel Romaschkin, Die lange Geschichte des Gesetzes über den Zivildienst in Russland, in: Wostok, Nr. 4 (2002).

(FN95) Pacifistam ne udalos‘ sorvat‘ voennyj prizyv, in: Kommersant (Internet-Ausgabe), 2.4.2004.

(FN96) Die erwähnten Vorwürfe an die politische Führung sind in Briefen pensionierter Generale und Admirale vom November 2001 und Februar 2002 enthalten; Obra¹cenie generalov i admiralov Sovetskich Vooruzënnych Sil i Rossijskoj armii k prezidentu Rossii, deputatam Gosudarstvennoj dumy, clenam pravitel’stva i gubernatoram (prezidentam) regionov Rossijskoj Federacii, in: Sovestkaja Rossija (Internet-Ausgabe), 10.11.2001; Tekst obra¹cenija, opublikovannyj v gazete "Sovetskaja Rossija", in: Lenta.ru (Integrum-Datenbank online), 22.2.2002.

(FN97) General Leonid Iwaschow war bis zum Juli 2001 Leiter der Hauptabteilung für internationale militärische Zusammenarbeit beim Verteidigungsministerium und vertrat in dieser Funktion (und danach) "harte" Positionen zu internationalen und russischen Militärfragen.

(FN98) General Gennadij Troschew war einer der Oberkommandierenden der Föderalen Truppen in Tschetschenien und danach Oberkommandierender des nordkaukasischen Militärbezirks. Im Dezember 2002 sollte er diesen Posten mit dem des MB Sibirien (Oberkommandierender General Wladimir Boldyrew) tauschen. Troschew weigerte sich, der Versetzung nachzukommen. Walsh, Nick Paton, Campaign Chief Sacked as Moscow Seeks Chechen Talks, in: The Guardian, 19.12..2002, S.1.

(FN99) Ministerstvo oborony Rossiiskoj Federacii, Aktual’nye zadaci razvitija Vooruzënnych Sil Rossijskoj Federacii (ohne Datumsangabe).

Dr. Hannes Adomeit

Geb. 1942 in Memel (Ostpreußen)/Klaipeda (Litauen); 1969 Diplom in Politologie, Freie Universität Berlin; 1972-77 Russian Institute Certificate, M.A. und Ph.D. "with distinction", Columbia University, New York; 1989-97 Professor für Internationale Beziehungen und Direktor des Forschungsprogramms für Russland und Ostmitteleuropa, Fletcher School of Law and Diplomacy der Tufts University und Fellow am Russian Research Center der Harvard Universität; seit 1997 Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Forschungsinstitut für Internationale Politik und Sicherheit der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Berlin. Publikationen u.a. Imperial Overstrech: Germany in Soviet Policy from Stalin to Gorbachev, Baden-Baden (Nomos), 1998.



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Geplante Kürzungen sowie Soll- und Ist-Stärken der Streitkräfte.
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Zusammensetzung des Pools der einberufenen Wehrpflichtigen.
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Mannschaften, Offiziere u. Unteroffiziere in den USA u. Russland im Vergl.
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