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Der Tag danach: Wie man Israel ohne die besetzten Gebiete verteidigt

von Martin van Creveld

Kurzfassung

◄ Für Israel hat sich die Besetzung des Gazastreifens und der Westbank zu einem offenes Geschwür ausgewachsen, das nicht nur die Moral der Bevölkerung untergräbt, sondern auch wertvolle Ressourcen bindet. Israel ist heute vor allem durch den palästinensischen Terror bedroht, und der Bau einer Mauer ist aus militärischer und politischer Sicht die richtige Antwort auf diese Bedrohung, wenn sie von einem Rückzug Israels aus den besetzten Gebieten begleitet wird.

Längst schon gilt das Argument, Israel brauche die besetzten Gebiete, um strategische Tiefe zu besitzen, nicht mehr: Verglichen mit 1967 und 1973, als Israel zweieinhalb Mal stärkere arabische Kräfte gegenüber standen, hat sich heute das Kräfteverhältnis zu Israels Gunsten verändert. Syrien fehlt es an Unterstützung durch den Irak; außerdem ist sein Gegner Türkei mit Israel eine enge Verbindung eingegangen, der Irak fällt als Machtfaktor auf lange Zeit aus und die iranischen Streitkräfte sind zu weit entfernt, um eine gewichtige Rolle zu spielen. Die jordanischen und libanesischen Kräfte sind zu schwach, bleibt lediglich Ägypten, das aber auf Grund seiner Abhängigkeit von amerikanischer Wirtschafts- und Militärhilfe keinen Waffengang gegen Israel wagen wird.

Noch nie war der Zeitpunkt so günstig wie jetzt, die besetzten Gebiete aufzugeben; im Gegenzug sollte die israelische strategische Abschreckung auf See stationiert werden, wodurch die fehlende Tiefe des Raums kompensiert werden könnte. Moderne Frühwarnsysteme sollten ein Weiteres dazu beitragen, dass Israel durch keine Überraschungsangriffe gefährdet ist. Kampfdrohnen, Raketen und Marschflugkörper stellen für einen Aggressor keine leicht identifizierbaren Ziele dar und sind dementsprechend kompliziert zu bekämpfen.

Natürlich wird die Verteidigung Israels nicht billig sein, sondern innovative Lösungen verlangen, die sowohl die politische Führung als auch Streitkräfte und die Rüstungsindustrie herausfordern. Die Revolution in Military Affairs bringt einen höheren Stellenwert der Feuerkraft gegenüber der Beweglichkeit. Die israelischen Landstreitkräfte allein sollten in der Lage sein, es mit jeder Streitmacht aufzunehmen, die ein Palästinenserstaat aufzustellen in der Lage ist. Der Gazastreifen stellt auf Grund seiner isolierten Lage so gut wie keine Bedrohung dar, und jeder Aggressor, der auf der Westbank antreten sollte, sieht sich einer israelischen Zangenbewegung gegenüber.

Ein einseitiger israelischer Abzug aus den besetzten Gebieten löst aber nicht das Problem der Flüchtlinge und schafft sogar neue Probleme wie das der Kontrolle über das Wasser, Themen, die aber in dieser militärischen Beurteilung keinen Eingang finden. ►


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Der Tag danach: Wie man Israel ohne die besetzten Gebiete verteidigt

Für Israel steht das Menetekel an der Wand. Wie Napoleon einmal über Spanien sagte: Die Besetzung von Westbank und Gazastreifen ist zu einem eiternden Geschwür geworden. Die Moral des Landes wird unterminiert und seine Ressourcen werden in einem aussichtslosen Kampf verbraucht; seine Verluste steigen. Die Anzahl der Todesfälle übersteigt bereits jene des Krieges vom Juni 1967, der eigentlich zur Besetzung geführt hat. Wenn auch der Terrorismus seit Mitte 2003 nachgelassen hat, wird er doch wieder aufflackern, es sei denn, man findet eine politische Lösung. Das Schlimmste aber ist, dass eine tiefe Kluft zwischen Rechts und Links aufzureißen beginnt, welche die Gesellschaft selbst aufzulösen droht. Um mit den Worten eines ehemaligen Verteidigungsministers, Benjamin Ben Eliezer, zu sprechen: Es kann sein, dass Israels Demokratie keinen weiteren Schuss in den Rücken eines Premierministers überlebt.

Hat Israel Glück, dann wird die im Zuge von Verhandlungen erzielte Übereinstimmung ein Ende der Besetzung herbeiführen können, gefolgt von der Schaffung eines zusammenhängenden Palästinenserstaates, der gewillt ist, in Frieden zu leben, und fähig, innerhalb seiner Grenzen Ruhe und Ordnung aufrecht zu erhalten. Hat Israel kein Glück, dann wird der Rückzug einseitig erfolgen, und die Situation auf der anderen Seite verflucht werden müssen, wie es der ehemalige Premierminister Ehud Barak schon im Falle des Libanons tat, und wofür auch der Staatsbegründer David Ben Gurion unmittelbar nach dem Krieg von 1967 eingetreten war. Selbst wenn der Frieden zu Stande kommt, wird Israel dennoch darüber nachzudenken haben, wie es sich gegen das Schlimmste verteidigen kann, was den benachbarten arabischen Staaten (und den Feinden "jenseits des Horizonts" wie etwa dem Iran) in den Sinn kommen könnte. Dieser Aufsatz stellt zunächst die Frage, wie eine solche Verteidigung aussehen könnte, und schließlich, ob sie überhaupt möglich ist. Angenommen, die Antwort auf die zweite Frage ist positiv, dann könnte dies als ein Argument für die frühestmögliche Beendigung der Besetzung in Betracht gezogen werden.

Strategisch-historische Beurteilung zur Verteidigung des Kernlandes

Betrachten wir zunächst kurz jene geopolitischen Faktoren, welche die Verteidigung Israels vor dem Krieg von 1967 prägten. Damals war die Staatsgrenze so lang und das von ihr begrenzte Territorium so klein, dass kaum ein Punkt weiter als 30 Meilen von der nächsten Grenze zu feindlichem Staatsgebiet lag. Von der arabischen Stadt Kalkiliya waren es gerade einmal zehn Meilen bis zum Meer; wie man sich erzählt, wurde Touristen, die nach Haifa kamen und eine Wurst ihr Eigen nannten, geraten, diese auf der Reise in Nord-Süd-Richtung zu halten, damit die Araber keine Scheibe davon abschneiden konnten. Aber ernsthaft gesprochen: Eine bewaffnete Macht, die es darauf angelegt hätte, Israel in zwei Teile zu zerschneiden, hätte das in weniger als einer Stunde zu Stande gebracht.

Tel Aviv, die wirtschaftliche Kernzone, wurde nicht nur von jordanischen Truppen bedroht, die etwa 15 Meilen östlich standen, sondern auch von ägyptischen, die vielleicht 40 Meilen südlich den Gazastreifen besetzt hielten. Die Hauptstadt Jerusalem befand sich an der Spitze eines Dreiecks, das in jordanisches Staatsgebiet hineinragte, und war an drei Seiten von selbigem umgeben, wobei die in sie hineinführende Hauptstraße praktisch entlang der Staatsgrenze verlief. Sowohl im Norden des Landes, wo die Syrer die Golanhöhen besetzt hielten und als Basis dafür benutzten, die israelischen Siedlungen im Jordantal zu beunruhigen, als auch in der Mitte, von wo die Jordanier die Küstenebene überblickten, hielten überall die Feinde Israels die Höhen in ihrer Hand. Als der damalige Außenminister Israels Abba Eban von "Auschwitz-Grenzen" sprach, hatte er damit nicht Unrecht.

Dennoch waren die Schwierigkeiten nicht unüberwindbar, wie der Krieg von 1967 bewies. Zum Teil deswegen, weil sie tatsächlich nicht so groß waren, wie es ursprünglich den Anschein hatte. An dieser Stelle sei ein weiser Ausspruch des verstorbenen Moshe Dayan zitiert, wonach der Weg von Tel Aviv nach Damaskus nicht weiter sei als jener von Damaskus nach Tel Aviv. Nehmen wir zum Beispiel die ägyptischen Stellungen bei Rafa. Waren die erst einmal genommen, wie es sowohl 1956 als auch 1967 geschah, konnte der Gazastreifen, an den meisten Stellen lediglich sechs Meilen breit, leicht vom Sinai abgeschnitten und in eine Falle für alle Kräfte verwandelt werden, die das Pech hatten, dort stationiert zu sein. Die Lage bezüglich der Westbank war ähnlich. Die Tatsache, dass die Jordanier jenen Teil des Landes kontrollierten, verhalf ihnen zu ausgezeichneten Ausgangspositionen, von denen aus sie Jerusalem abschneiden, aber auch vom Osten her nach Israel einmarschieren konnten. Andererseits stellte die Westbank jedoch selbst eine in israelisches Territorium vorgeschobene Stellung dar, die dieses an drei Seiten umgab. Wie die Ereignisse zeigen sollten, erleichterte diese Tatsache es den israelischen Streitkräften, aus Norden und Süden kommend sie abzuzwicken, genauso wie den jordanischen, Israel in zwei Hälften zu zerschneiden. Mehr noch: Solange Israels Streitkräfte unversehrt waren, bedeutete es für jeden Gegner, der seine Armee über den Jordan in die Westbank entsandte, dass er sie damit in eine Todeszone schickte.

Um seine Schwächen auszugleichen und seine Stärken zu nutzen, nahm Israel damals eine äußerst offensive Doktrin an, deren Säulen detaillierte Aufklärung, Frühwarnung, rasche Mobilmachung sowie ein zentrales, aber dennoch flexibles Führungssystem waren. Im Kriegsfall wäre ein Präventivschlag gegen den stärksten Feind geführt worden; um diesen vorzubereiten, stellte Israel eine starke Streitmacht auf, die hauptsächlich aus Jabostaffeln und Panzerdivisionen bestand. In Zahlen ausgedrückt, verhielt sich 1967 das Verhältnis der Streitkräfte Israels zu denen seiner Feinde wie eins zu zweieinhalb. Zum Teil aus finanziellen Gründen, zum Teil aber auch deswegen, weil sich viele Länder weigerten, Israel mit Waffen zu versorgen, war ein großer Teil von Israels Arsenal nach internationalen Standards veraltet. Im Gegensatz dazu erhielten die arabischen Länder ihre Waffen mit Masse von der UdSSR: Im Großen und Ganzen waren beide Seiten etwa technologisch gleichwertig. Bis zu einem gewissen Grad wurde die zahlenmäßige Unterlegenheit Israels durch die inneren Linien ausgeglichen, auf denen seine Streitkräfte operierten, was es ermöglichte, sie rasch von einer Front zur anderen zu verlegen. Eine bessere industrielle Infrastruktur (die es ermöglichte, eine Kampfwertsteigerung von Waffen durchzuführen), bessere Instandhaltung und Instandsetzung sowie eine überlegene Ausbildung, ermöglicht durch eine wesentlich besser gebildete Bevölkerung, gaben Israel eine qualitative Überlegenheit. Schließlich war Israel im Gegensatz zu seinen Feinden eine echte Demokratie. Da es weder seine Bürger niederhalten noch in Furcht vor einem Putsch leben musste, konnte es alles in die Waagschale werfen und tat das auch.

Die Ebene, auf der die Feinde Israels den gewichtigsten Vorteil hatten, war nicht die operative, sondern die strategische und die gesamtstrategische. Da Israels Bevölkerung klein war und das Land über keine strategische Tiefe verfügte, war das Risiko, in den Krieg zu ziehen, viel größer. Da es auf eine Mobilmachung angewiesen war, hätte ein Krieg jedenfalls seine Wirtschaft zerrüttet. Es konnte nur eine begrenzte Zeit lang kämpfen und war daher gezwungen, in die Offensive zu gehen, ob es wollte oder nicht. Aber dem Erfolg einer solchen Offensive waren Grenzen gesetzt. Zu einem Teil lag das darin begründet, dass die Araber über mehr Bevölkerung und größere Territorien verfügten zum anderen Teil, weil sie bis zu einem gewissen Grad vor einer totalen Niederlage durch ihre Schutzherren, die Supermächte, geschützt waren (die UdSSR im Falle von Ägypten und Syrien, die USA im Falle von Jordanien). Folglich konnten sie bereitwilliger in einen Krieg ziehen, den Kampf länger aufrechterhalten und dabei auch weniger riskieren. Im Gegensatz dazu wäre für Israel der erste verlorene Krieg auch sein letzter gewesen.

Dennoch wurden diese Vorteile der Araber zum Großteil durch andere Faktoren ausgeglichen. Zunächst war da die außergewöhnlich hohe Motivation, die sowohl die Gesellschaft als auch die Streitkräfte Israels durchdrang. Sie spiegelte die jüngste Geschichte der Juden in Form des Holocaust wider, war aber auch eine unmittelbare Folge der schwierigen strategischen Situation selbst; diese wurde mit den Worten en brera ("keine Wahl") ausgedrückt. Der zweite Faktor waren die Nuklearwaffen. Nachdem 1958 mit dem Bau eines Reaktors begonnen worden war, waren acht Jahre später die Waffen einsatzbereit; die arabischen Länder hatten dagegen absolut kein Mittel. Der erste der beiden Faktoren spielte eine wichtige Rolle dabei, Israel einen derart entscheidenden Sieg im Krieg von 1967 zu ermöglichen. Der zweite stellte sicher, dass Israel überlebt hätte, selbst wenn der erste nicht vorhanden gewesen wäre oder sich als unzureichend herausgestellt hätte. Vielleicht, wenn es zum Schlimmsten gekommen wäre, durch die Drohung, Nuklearwaffen einzusetzen, oder dadurch, sie wirklich abzuwerfen.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Verteidigung Israels innerhalb seiner Grenzen von 1967 zwar sehr schwer, aber bei weitem nicht unmöglich war, wie es auch die Ereignisse auf spektakulärste Weise veranschaulichten. Zum einen deswegen, weil es sich mit der Geografie wie mit der Zeit verhält: Beide wirken zu Gunsten dessen, der es am besten versteht, sie zu nützen. Zum anderen auch deswegen, weil Israel, obwohl seine Ressourcen knapper waren als jene seiner Feinde, in den Genuss gewisser Vorteile kam, die es befähigten, die Ressourcen, über die es verfügte, besser zu nutzen. Als die Zeit zum Handeln gekommen war, waren Israel und seine Streitkräfte wie eine gespannte Feder. Es war nur mehr nötig abzudrücken, damit sie zu einem vernichtenden Schlag ausholten.

Strategische Überlegungen zum Mauerbau

Angenommen, Israel würde sich auf seine Grenzen vor 1967 zurückziehen, oder zumindest so nahe daran, dass es keinen Unterschied ausmacht: Wie würde sich das auf die oben ausgeführten Überlegungen auswirken? Zur Beantwortung dieser Frage wollen wir zunächst die geostrategische Lage betrachten. Vor 1967 verblassten Israels geografische und demografische Ressourcen neben jenen seiner Nachbarn. Nach 1967 verdreifachte sich zwar das von ihm kontrollierte Territorium, blieb aber immer noch hinter jenem seiner Nachbarn zurück; dies traf auch auf seine demografischen Ressourcen zu. Es stimmt zwar, dass nun zumindest eine arabische Hauptstadt - Damaskus - innerhalb der Reichweite der israelischen Landstreitkräfte lag. Wie jedoch die Invasion des Libanon 1982 zeigen sollte, war es weder eine gute Idee, eine feindliche Hauptstadt zu besetzen, noch würde dies Israel unbedingt dazu befähigen, den Frieden zu diktieren. Mit anderen Worten, die Kontrolle der Territorien minderte kaum den geostrategischen Nachteil, unter dem Israel zu leiden hat. Umgekehrt wird die Aufgabe der Territorien diesen Nachteil kaum vergrößern.

Nun zur militärischen Ebene. Wie der amerikanische Verteidigungsexperte Elliot Cohen mit Bezug auf Israel schrieb, und wie ich selbst anderswo erklärt habe, kann man die Kriegführung des frühen 21. Jahrhunderts am besten verstehen, wenn man sie in drei Typen oder Teile gliedert. Der erste ist das Problem Guerillakrieg und Terrorismus. Der zweite sind konventionelle Operationen, nämlich jene Art von Operationen, die von regulären, uniformierten, konventionellen Streitkräften gegeneinander ausgetragen werden. Der dritte ist die Langstreckenbedrohung durch Flugzeuge und Flugkörper, die dazu in der Lage sind, die militärische und zivile Infrastruktur eines Landes zu treffen, sie vielleicht bleibend zu behindern oder gar zu zerstören; dies schließt auch die Möglichkeit mit ein, dass diese Flugkörper und Flugzeuge mit Massenvernichtungswaffen bestückt sind. Es liegt auf der Hand, dass diese drei Formen nicht vollkommen getrennt voneinander existieren, und offensichtlich verschmelzen sie bis zu einem gewissen Grad ineinander. Dennoch stellen sie den bestmöglichen verfügbaren Ausgangspunkt für eine Analyse dar und werden auf den folgenden Seiten als solcher verwendet.

Betrachten wir zunächst Guerillakrieg und Terrorismus. Aus israelischer Perspektive sind beide nicht ganz neu; man kann in der Tat geltend machen, dass es beide schon lange gegeben hatte, bevor der Staat in aller Form 1948 gegründet wurde, und dass man mit ihnen fertig werden musste. Bis zu diesem Zeitpunkt war das hauptsächlich die Aufgabe der Briten, bisweilen durch die Hagana unterstützt; danach übernahm das israelische Heer, gestärkt durch die eigens dafür geschaffene Grenzwache, diese Aufgabe. Alles in allem war diesen Organisationen bei der Bewältigung dieser Aufgabe nur mäßiger Erfolg beschieden. Sie verringerten zwar die Bedrohung, aber es gelang ihnen nicht, deren Wurzeln zu treffen, wodurch sie diese immer wieder aufleben ließen. Der von Terroristen in den Jahren vor 1956 verursachte Schaden war beträchtlich. Die Jahre zwischen 1956 und 1967 waren viel ruhiger, aber gegen Ende dieses Zeitraums trat Terrorismus wieder verstärkt auf und trug damit massiv dazu bei, die Region in einen regelrechten Krieg zu treiben. Andererseits, verglichen mit der von den arabischen Streitkräften ausgehenden konventionellen Bedrohung, war die von den Terroristen ausgehende Gefahr sowohl 1948 bis 1956 als auch - besonders - 1956 bis 1967 minimal. So minimal, dass die Unterscheidung zwischen "elementarer" und "laufender" Sicherheit des Landes, die das israelische Militär zu treffen pflegte, voll und ganz gerechtfertigt war.

Nach 1967 veränderte sich die Lage. Die Besetzung der Westbank und des Gazastreifens brachte eine große Anzahl von palästinensischen Arabern unter israelische Kontrolle, und je mehr Zeit verging, desto mehr neigte das demografische Gleichgewicht zu Israels Ungunsten. Beinahe sofort begann Widerstand gegen die Besetzung, ein Teil davon bewaffnet. Dennoch dauerte es 20 Jahre, bis die erste Intifada ausbrach. Die interessante Frage, warum das so lange dauerte, kann hier nicht beantwortet werden. Da es Israel nicht gelang, die erste Intifada niederzuschlagen, kam es 1993 zu den Verträgen von Oslo. Diese Verträge wiederum schafften es ihrerseits nicht, das ursprüngliche Ziel, nämlich einen Palästinenserstaat sowie vollständigen Frieden zu erreichen, und das führte direkt zur zweiten Intifada. Ob dieses Versagen vorherbestimmt war oder zu verhindern gewesen wäre ist eine interessante Frage, auf die hier aber nicht weiter eingegangen wird.

Die zweite Intifada zeitigte für Israel hinsichtlich Verluste, Zerstörungen, Kosten und verlorener Steuereinnahmen wesentlich schlimmere Folgen als die erste. So wie vor ihrem Ausbruch verringern auch jetzt die laufenden militärischen Operationen Israels die Anzahl der erfolgreichen Terroraktionen. Diese haben aber nicht aufgehört; genauso wenig konnte man den Widerstandswillen der Palästinenser brechen. Dieses Scheitern überrascht nicht. Seit der Vertreibung der Briten durch eine Handvoll jüdischer Terroristen bis zum Versagen der US-Armee bei der Befriedung des Irak zeigt die gesamte Geschichte der Kriegführung nach 1945, wie schwer es für reguläre Streitkräfte ist, mit einer solchen Bedrohung fertig zu werden. Israels eigene Erfahrungen im Libanon sind ähnlicher Natur; nachdem es mehr als 20 Jahre (1976-2000) gekämpft hatte, kam der Rückzug. Was noch schlimmer ist: Der Terrorismus wandelte sich immer mehr von einem Randproblem zu einer existenziellen Bedrohung. Der Grund dafür liegt nicht in den von ihm verursachten Schäden, sondern in der durch ihn verursachten Belastung für die Gesellschaft Israels, wie bereits einleitend ausgeführt wurde.

Der einzige Weg, mit dem Terrorismus fertig zu werden, ist der Bau einer Mauer, was letztendlich die meisten Israelis auch erkannt haben. Die Geschichte zeigt uns, dass Mauern ihren Zweck erfüllen, vielleicht eher aus psychologischen als aus militärischen Gründen - wie einer meiner Lehrer zu sagen pflegte, hat alles seine Grenzen, aber jede Grenze kann auch unterhöhlt werden. Die Chinesische Mauer hielt über Jahrhunderte hinweg Eindringlinge fern genauso wie die römische Grenze, auch Limes genannt. In unserer heutigen Zeit funktionierte die Berliner Mauer so gut, dass jenes Pulverfass, das den Dritten Weltkrieg entzünden hätte können, damit in einen der friedlichsten Orte der Erde verwandelt wurde. Jener Zaun, der die beiden Koreas voneinander trennt, funktioniert nun schon seit 50, und der zwischen den Griechisch- und Türkischzyprioten seit 30 Jahren. Der Zaun funktioniert sogar entlang Israels eigener nördlicher Grenze mit dem Libanon. In einem Gebiet, in dem sich beide Seiten jahrzehntelang mit Granaten, Bomben und Raketen bekämpft haben, arbeiten nun die Menschen fleißig an großen und neuen Wohnbauprojekten. Was immer auch ihre Regierungen dazu sagen mögen, sie erwarten offensichtlich, dass die herrschende Ruhe andauert.

Natürlich ist es nicht das Gleiche, einen Staat gegen einen Nachbarn wie im Fall Koreas oder gegen Terrororganisationen zu verteidigen. Und dennoch zeigt sich im Gazastreifen die Erfahrung Israels. Der Zaun, der Gaza umgibt, funktioniert in der Tat sehr gut. Den ganzen Aufstand hindurch hat er fast alle Terroristen fern gehalten und sie dazu gezwungen, ihre Operationen gegen israelische Ziele auf innerhalb des Streifens zu beschränken. Zahlreiche ähnliche Zäune wurden oder werden sogar gerade jetzt errichtet, um viele Orte in Israel, vom einzigen internationalen Flughafen bis zu ausgewählten Siedlungen innerhalb oder in der Nähe der besetzten Gebiete. Genau hier werden die Gesetze der Geometrie oder - mit anderen Worten - die der Vermeidung eines "Schweizer Käses" - relevant. Dadurch, dass die Gebiete mit über 100 israelischen Siedlungen übersät sind, und weil die Gebiete selbst in die Typen A, B und C eingeteilt werden, sind die "Grenzen" zwischen den Israelis und den Palästinensern so lange geworden, dass niemand mehr den Überblick über sie hat. Will man allerdings mit dem Terrorismus fertig werden, muss man jeden Zoll davon beobachten; man kann sich gut vorstellen, wie viel Mühe und Kosten gespart werden könnten, wenn man die verschiedenen Verteidigungsformen zu einem einzigen und umfassenden System verbinden könnte.

Wenn der Zaun oder die Mauer erst einmal fertig gestellt ist, wird eine Verteidigung offensichtlich dadurch viel leichter, weil die israelischen Kräfte, anstatt beide Seiten zu besetzen, auf einer Seite bleiben können. Klar ausgedrückt, wird ein Rückzug Israels beide Seiten kaum automatisch dazu veranlassen, sich gegenseitig zu umarmen, einen offiziellen Friedensvertrag zu unterzeichnen und forthin glücklich zusammen zu leben. Er wird aber den bedeutendsten Spannungsgrund zwischen ihnen beseitigen, und zwar die Besetzung selbst; Zäune machen gute Nachbarn, wie die Engländer zu sagen pflegen. Vermutlich werden auch sofort die alltäglichsten Formen des Terrors ein Ende finden wie Messer-, Schuss- und Bombenattentate (sowohl die, bei denen die Bomben zuerst versteckt und dann zur Detonation gebracht werden, als auch jene, bei denen Selbstmordattentäter aktiv werden).

Natürlich werden die Palästinenser auch weiterhin dazu in der Lage sein, Schüsse aus dem Hinterhalt auf israelische Ziele abzugeben und Granaten sowie Raketen über die Grenze zu schießen. Selbst wenn sie wesentlich mehr und schwerere Waffen importieren als heute, werden sie dennoch die Tatsache akzeptieren müssen, dass die israelische Feuerkraft die ihre um das Tausendfache übersteigt. Bei dieser beinahe unvorstellbar großen wirtschaftlichen und industriellen Kluft zwischen den beiden Seiten sollte Israel seine Überlegenheit für unbegrenzte Zeit behalten. Ein weiterer Grund dafür ist, dass die Palästinenser in der Westbank geografisch isoliert sein werden. Auf drei Seiten von Israel umgeben ist Jordanien das einzige andere Land, mit dem sie eine gemeinsame Grenze haben werden. Die momentanen Herrscher Jordaniens haben ebensoviel oder sogar mehr Gründe als Israel, die Palästinenser zu fürchten. Sie werden ihr Möglichstes tun, um den Fluss von Waffen zur Westbank einzudämmen; was den Gazastreifen betrifft, so habe ich bereits ausgeführt, dass es einem Selbstmord gleichkäme, dort eine Armee einzusetzen. Wenn die palästinensische Führung diese Fakten anerkennt und den Frieden will, wird sie eine Verbindung mit jener der Hisbollah eingehen, die selbst auch keine kleinen Fanatiker sind. Tut sie das nicht, wird Israel, nunmehr endlich von den sich aus seiner Verantwortung für die Bevölkerung in den besetzten Gebieten ergebenden Einschränkungen befreit, wissen, wie es bei dem, was getan werden muss, vorzugehen hat.

Vom wirtschaftlichen Gesichtspunkt aus betrachtet werden die Auswirkungen, die die Mauer auf beide Seiten haben wird, ganz anders aussehen. Israel wird daran gehindert, palästinensische Arbeiter zu importieren - wahrscheinlich ohnehin ein getarnter Segen -, und wenn die Trennung eine totale ist, wird es den Zugang zum palästinensischen Markt verlieren, den es derzeit beherrscht. Die Palästinenser ihrerseits werden von den Mittelmeerhäfen abgeschnitten, was Israel in die Lage versetzt, als Gegenleistung für die Gewährung von Zugang zu diesen Forderungen zu stellen. Eine Vereinbarung dieser Art, vielleicht unterstützt durch den Bau einer Eisenbahn von Haifa nach Jenin, könnte die Motivation eines eventuellen Palästinenserstaates vergrößern, an seinen Grenzen mit Israel Ruhe zu bewahren. Wenn nicht, dann werden Israel einige sehr einfache und sehr effektive Vergeltungsmaßnahmen zur Verfügung stehen.

Dies sind jedoch die geringsten Vorteile, die eine Mauer bieten wird. Derzeit ist eines der am schwersten zu lösenden Probleme, mit denen Israel konfrontiert ist, die Tatsache, dass seine eigenen arabischen Bürger, immerhin mehr als eine Million, langsam, aber sicher radikalisiert werden. Sie werden in den Konflikt hineingezogen, ob sie nun wollen oder nicht. Vom humanitären Standpunkt aus betrachtet wird eine Mauer, die die israelischen Araber von ihren Brüdern in der Westbank trennt, keineswegs das netteste Ding auf der Welt sein. Sie wird jedoch die arabische Bevölkerung, mit der Israel fertig werden muss, um drei Viertel reduzieren; verglichen mit seiner eigenen jüdischen Bevölkerung wird die Anzahl der unter seiner Kontrolle stehenden Araber von 80% auf rund 20% fallen. Zum Teil deswegen, weil sich demografische Trends gegen Israel auswirken, zum Teil aber auch deswegen, weil die Teilnahme der israelischen Araber am Konflikt die Demokratie des Landes zerstören und die Vorteile, die ihm aus ihr erwachsen, zunichte machen würde, ist absolut nichts wichtiger, als darauf zu achten, dass eine solche Teilnahme keine Massenerscheinung wird.

Vom militärischen Standpunkt aus betrachtet erscheint der Bau einer Mauer wie eine angemessene Reaktion auf die meisten Formen des palästinensischen Terrorismus. Vom militärischen und politischen Standpunkt aus betrachtet ist so eine Mauer, gefolgt von einem Rückzug, wahrscheinlich der einzige mögliche Weg zu verhindern, dass der Terrorismus weitergeht und sich ausbreitet, und um Israel vor sich selbst zu retten. So wie es führende israelische Politiker wie Premierminister Ariel Scharon und Verteidigungsminister General in Ruhe Shaul Mofaz schließlich verstanden haben: Wenn es nicht gelingt, sie zu bauen, bedeutet das, dass Israel mit ziemlicher Sicherheit zerstört werden wird; wenn nicht von außen, dann von innen.

Beurteilung der militärischen Kräfteverhältnisse im Raum

Nehmen wir nun einmal an, dass die Mauer bereits existiert und sich Israel aus den besetzten Gebieten zurückgezogen hat bis auf eine Linie so nahe an der von vor 1967, dass allfällige Unterschiede ohne strategische Bedeutung sind. Ebenso, dass der Terrorismus auf eine vernachlässigbare oder zumindest bewältigbare Größe wie zwischen 1956 und 1967 nachgelassen hat, einem Zeitraum, in dem - abgesehen von den Grenzschwierigkeiten - durchschnittlich pro Jahr weniger Israelis durch Feindeinwirkung getötet wurden als 2001 bis 2002 in einer Woche. Die nächste zu erörternde Frage ist, ob Israel dann immer noch dazu in der Lage ist, sich in einem ausgedehnten konventionellen Krieg zu verteidigen, wie es ihn selbst 1967 und 1973 geführt hat. Dabei werden nämlich die Veränderungen, die in der Zwischenzeit in der Militärtechnologie stattgefunden haben, ins Kalkül zu ziehen sein.

Betrachten wir zunächst das Kräfteverhältnis. 1967 und 1973 waren die arabischen Kräfte, die Israel angriffen, um das Zweieinhalbfache in der Überzahl. Dieses Verhältnis hat sich seither zu Gunsten Israels verändert. Ein großer Teil dieser Veränderung ist auf den enormen wirtschaftlichen Aufschwung zurückzuführen, den das Land von den späten 1980er-Jahren bis zum Ausbruch der zweiten Intifada im Herbst 2000 erlebte. Dieser Aufschwung sowie ausgedehnte amerikanische und ein wenig deutsche Finanzhilfe ermöglichten es Israel, seine Streitkräfte zu vergrößern und zu modernisieren. Diese sind nunmehr - verglichen mit denen der Feinde - wesentlich stärker als zum Zeitpunkt ihres größten Sieges. Die wichtigsten Waffen Israels sind Merkava-Panzer, F-15- und F-16-Kampfflugzeuge, AWACS-Flugzeuge, Apache-Kampfhubschrauber, Mehrfachraketenwerfersysteme (MLRS), hochmoderne Fregatten und Unterseeboote sowie Unmengen von Flugkörpern. Einige von diesen Waffen und viele ihrer Subsysteme sind aus eigener Produktion, und Israels Fähigkeit, sie zu bauen, umzubauen und nach seinen Bedürfnissen anzufertigen, ist in der Tat nicht sein unbedeutendster Vorteil. Alles das wird mit Hilfe des Besten, was eine der am weitesten entwickelten Elektronik-, Kommunikations-, Computer- und Softwareindustrien der Welt bieten kann, koordiniert.

Auf der anderen Seite des Hügels ist die Lage ganz anders. Wie schon seit langem bleibt die ägyptische Streitmacht die mächtigste unter den arabischen. Unterstützt durch Gelder aus den USA - jedes Jahr bekommt sie etwa zwei Drittel der Militärhilfe, die an Israel geht - konnte sie die MiG-21 durch F-16 und die alten T-55 und T-62 durch Abrams-Kampfpanzer ersetzen. Andererseits wiederum ist jenes enorme, integrierte Luftverteidigungssystem beinahe verschwunden, das im Krieg von 1973 eine so bedeutende Rolle gespielt hat. Das Land ist auf das Erbarmen der wesentlich stärkeren israelischen Luftwaffe angewiesen. Sollte die ägyptische Armee versuchen, die offenen Teile des Sinai wieder zu besetzen, wird ihre Verwundbarkeit zunehmen, wie damals 1967, als die Pässe von Gidi und Mitla zu riesigen Friedhöfen wurden. Schlimmer noch: Ägyptens Abhängigkeit von amerikanischen Waffen bedeutet, dass der praktisch unbegrenzte Nachschub, der es 1973 vor einer Niederlage bewahrt hat, nun nicht mehr verfügbar sein wird. Sollte es daher versuchen, sich in einen offensiven Krieg gegen Israel zu stürzen, könnten derlei Überlegungen entscheidend sein.

Auf der anderen Seite Israels haben die Syrer viel von ihrer Schlagkraft verloren, die es ihnen 1973 beinahe ermöglichte, die Golanhöhen zu überlaufen. Dies ist zum Teil auf den Verlust der Unterstützung durch den Irak, zum Teil aber auch darauf zurückzuführen, dass die Türkei sich mit Israel verbündet hat und Bashir Assad im Nacken sitzt. Israelische Piloten üben seit Jahren in der Türkei. Es ist nicht unvorstellbar, dass sie unter bestimmten Umständen auch sogar einmal operative Missionen fliegen könnten und dadurch Syrien mit einem Zweifrontenkrieg konfrontieren, von der Tatsache ganz zu schweigen, dass Assad auf allen Seiten umzingelt ist, wenn die Amerikaner im Irak bleiben. Andererseits hat sich die Sowjetunion, die bis in die späten 1980er-Jahre Damaskus fast umsonst mit Waffen versorgt hat, aufgelöst. Ihr russischer Nachfolger wird Hardware nur gegen harte Währung verkaufen, und da Syrien in meister Hinsicht ein Dritte-Welt-Land mit einem dazupassenden Pro-Kopf-Einkommen ist, ist es auch unwahrscheinlich, dass es in vorhersehbarer Zukunft diese Geldmittel auftreiben kann. Tatsächlich feilschen beide Seiten immer noch um Material, das Syrien vor 20 Jahren erstanden und immer noch nicht bezahlt hat. Nach letzten Schätzungen hat Israel beinahe dreißig Mal mehr Waffen pro Jahr importiert als Syrien.

Wenn man den Irak dieser Gleichung hinzufügt oder ihn vielmehr daraus entfernt, dann erscheint die Veränderung zu Gunsten Israels noch größer. Bis 1991 nahm der Irak an allen arabisch-israelischen Kriegen außer an dem von 1956 teil. 1948 kamen irakische Truppen bis ungefähr zehn Meilen an das Mittelmeer heran, bevor sie zurückgeschlagen wurden; Hauptgrund dafür war, dass Israel damals keine Luftwaffe hatte, die dazu in der Lage war, sie anzugreifen, während sie sich noch östlich des Jordans befanden. 1973 wirkte der Vorstoß Israels nach Damaskus in die Flanke ihrer Nachfolger und trug damit dazu bei, ihn zum Stillstand zu bringen; strategisch gesehen wirkte der Irak als eine Art strategische Reserve, auf die sich besonders Syrien verlassen konnte. Unter der Führung von Saddam Hussein verwendete der Irak während der 1980er-Jahre seine Einkünfte aus dem Ölgeschäft, um die größten Streitkräfte des Mittleren Ostens aufzubauen, und schärfte sie im acht Jahre dauernden Konflikt, den er gegen den Iran begonnen hatte. Dann kam der Golfkrieg von 1991, der den Irak etwa zwei Drittel seiner Militärmacht kostete. Was davon übrig blieb, wurde 2003 zerschmettert; selbst wenn sich die USA morgen aus dem Land zurückzögen, würde es wahrscheinlich Jahrzehnte dauern, um die Streitkräfte wieder aufzubauen.

Die konventionellen Streitkräfte Jordaniens und des Libanon sind zu klein und die des Iran zu weit entfernt, um viel auszurichten. Deshalb ist, was das Kräfteverhältnis betrifft, der militärische Vorteil Israels zumindest auf dem Papier größer als 1973 oder 1967. Manche würden ihn sogar als überwältigend bezeichnen; als Ägyptens Präsident Mubarak, selbst ehemaliger Oberbefehlshaber der Luftwaffe, seine Landsleute warnend darauf hinwies, dass es keine gute Idee wäre, Krieg gegen Israel zu führen, wusste er, wovon er sprach.

Die Verteidigung Israels innerhalb der alten Grenzen

Wenn Israel zu seinen alten Grenzen zurückkehrt, wird noch einmal sein Mangel an strategischer Tiefe sein größtes Problem sein. Wieder würde ein in der Westbank stehender Feind die Höhen besetzen und damit das Zurückschlagen einer Offensive in die Küstenebene sowie die Überwältigung von westwärts über den Jordan bewegten Verstärkungen erschweren. Wieder wären Israels lebenswichtige Zentren nicht nur einem mechanisierten Vorstoß, sondern auch Raketen und Artilleriebeschuss ausgesetzt. Praktisch alle diese Schwierigkeiten würden aus der Aufgabe der Kontrolle über die Westbank resultieren. Im Gegensatz dazu würde sich, solange der Sinai entmilitarisiert bleibt, ein Rückzug Israels aus dem Gazastreifen nur sehr geringfügig auf das konventionelle Kräfteverhältnis auswirken. Mit anderen Worten, der Streifen hat für das vorliegende Problem keine Bedeutung. Deswegen wird er auch nicht weiter erörtert.

Angenommen, Israel zieht sich auf die Grenze von vor 1967 zurück, dann besteht die erste Schwierigkeit in der Beschaffung von Aufklärungsmaterial bezüglich eines möglichen Angriffs aus dem Osten. Derzeit kommt diese Aufklärung, aber auch Vorwarnung von Antennen, die großflächig auf den Bergen der von Norden nach Süden verlaufenden Wasserscheide und auf den Hügeln entlang des Jordantals disloziert sind. Da der vorgeschlagene Plan den Verlust dieser Vorzüge mit sich bringen würde, ist eine andere Lösung erforderlich. In diesem Fall bieten sich Ballons an. Die Israelis setzen schon jetzt Ballons ein, um über den Sinai zu blicken und jeden Versuch Ägyptens zu orten, diesen wieder zu militarisieren; etwas Ähnliches könnte bei der Westbank Verwendung finden. Freilich müssten diese Ballons anders beschaffen sein, wegen der unterschiedlichen Seehöhe - vergessen wir nicht, dass die Höhen von den Palästinensern gehalten würden. Da sie in viel größerer Höhe fliegen würden als jene fest angebundenen, die jetzt verwendet werden, müssten sie entlang der Grenze mit kleinen Turbo-Prop-Motoren präzisionsgesteuert werden. Da die Elektronik immer kleiner wird, sollte eine begrenzte Anzahl von Ballons es schaffen, alles von Israel benötigte nachrichtendienstliche Gerät emporzutragen. Wird einer von ihnen an- oder abgeschossen, wäre schon dieses selbst eine Frühwarnung. Der Verlust eines unbemannten Ballons wird kein großes Problem darstellen. Verglichen mit Flugzeugen bieten sie den zusätzlichen Vorteil, dass sie leicht in Stand zu halten sind.

Als nächstes zur eigentlichen Verteidigung. Der wichtigste Plan zur Verteidigung Israels ohne die Westbank wurde von General in Ruhe Israel Tal vorgeschlagen. Tal verdiente sich seine Sporen als Kommandant des Panzerkorps und 1967 als Divisionskommandant. Er diente als stellvertretender Stabschef während der schweren Monate unmittelbar nach dem Krieg von 1973, war der Urheber des Merkava-Panzers, und erhielt mehrere Male den Sicherheitspreis Israels und ist daher mindestens so qualifiziert wie jeder andere Experte in Israel und im Ausland. Der Hintergrund zu seinem Vorschlag bestand in der Tatsache, dass zu der Zeit, als Israel von Ehud Barak regiert wurde, Frieden und die Errichtung eines Palästinenserstaates in einem Großteil der besetzten Gebiete in Reichweite zu sein schienen; er spiegelt damit auch die Gedanken des ehemaligen Premierministers wider. Tals Überlegungen wurden vom damaligen Oberbefehlshaber der Marine, General Yedidya Ya’ari, unterstützt. Beide Offiziere schlugen vor, dass Israel durch den Ausbau seiner Marine künstliche strategische Tiefe schaffen sollte, um diesen Verlust auszugleichen. Der Problemkreis besteht aus zwei Komponenten, einer konventionellen und einer nuklearen. Mit der ersten beschäftigen wir uns jetzt, während wir uns die zweite für den letzten Teil dieser Arbeit aufheben wollen.

Wie allgemein bekannt, wurde das Jahrzehnt nach dem Golfkrieg von 1991 von den amerikanischen Vorstellungen über die "Revolution in Militärischen Angelegenheiten" (RMA) dominiert. Wie sowohl die amerikanischen Missgeschicke im Irak als auch Israels eigene Erfahrungen in den besetzten Gebieten veranschaulichen, bietet die RMA wenig Hilfe beim Kampf gegen den Terror; was jedoch den konventionellen Krieg betrifft, so weist sie fraglos den einzuschlagenden Weg. Im Zentrum des Systems werden Kampfdrohnen (Unmanned Combat Air Vehicles, UCAVs), kleinere ferngesteuerte Fahrzeuge (Remotely Piloted Vehicles, RPVs), Flugkörper und Marschflugkörper stehen. Sie alle werden mit einem wie üblich hoch entwickelten Netzwerk aus Sensoren, elektronischer Datenübertragung und Computern aus israelischer Produktion verbunden sein, die als Kräftemultiplikatoren wirken. Sie alle sind erheblich kleiner, billiger und leichter in Stand zu halten als konventionelle Flugzeuge. Einige werden zweifellos auf speziell dafür gebauten Kriegsschiffen zu stationieren sein. Das allerdings ist eine teure Lösung, weil Kriegsschiffe dazu neigen, nur zur Selbstverteidigung mit Besatzung, Maschinerie und allen Arten von Gerät voll gepackt zu sein. Daher ist auch üblicherweise der verbleibende Platz zur Nutzung für See-Land-Operationen begrenzt. So beträgt beispielsweise der Kampfflugzeuganteil eines typischen US-Flugzeugträgers nur etwa 35 Flugzeuge von 100 an Bord befindlichen Luftfahrzeugen; dieses Verhältnis ist bei kleineren Schiffen und Unterseebooten sogar noch geringer. Um Geld zu sparen, könnte es sich als praktisch herausstellen, wenn man die meisten der oben genannten Gerätschaften an Bord von modifizierten Containerschiffen installiert; diese bieten den zweifachen Vorteil großer Ladekapazität und ausreichenden Platzes an Deck, um Waffen in Stellung zu bringen. Die Verteidigung der Schiffe wird zum Teil durch Fliegerabwehrflugkörper, zum Teil durch so genannte "weiche" Verteidigungsanlagen wie Störfolien, elektronische Abwehrmaßnahmen und Täuschkörper und zum Teil durch Begleit-Kriegsschiffe sichergestellt. Sie könnten sich sogar verstecken, indem sie sich unter den gewöhnlichen Handelsverkehr mengen, von dem es im Mittelmeer ja genug gibt.

Verglichen mit konventionellen Flugzeugen sind UCAVs und insbesondere RPVs, Flugkörper und Marschflugkörper klein, beweglich, schwer zu orten und schwer zu treffen. Die drei Letzteren würden und werden bereits jetzt von vielen Arten von Bodenfahrzeugen aus abgefeuert, und zwar von modifizierten Lastwagen aufwärts. Erstere, weil unbemannt, können wesentlich höheren Beschleunigungsbelastungen ausgesetzt werden als bemannte Flugzeuge. Aus diesem Grunde müsste es möglich sein, sie mittels Einweg-Trägerraketen zu starten und Netze zu verwenden, um sie beim Landeanflug abzubremsen. Demzufolge wären die dafür erforderlichen Basen unvergleichlich kleiner und billiger als heutige Flugplätze, sodass es möglich wäre, einige nicht nur auf See, sondern auch an Land zu stationieren. Die vielleicht zweckdienlichste Munitionsart, die von solchen Fahrzeugen aus eingesetzt werden könnte, wäre eine, die Submunition verschießt, die dazu geeignet ist, weiche und relativ weit verstreute Ziele zu bekämpfen. In diesem Zusammenhang sollte keineswegs übersehen werden, dass bei jeder Bodenoffensive gegen Israel der Großteil der Ziele wahrscheinlich genau so beschaffen sein würde.

Ist das ganze System erst einmal einsatzbereit, wird jeder Versuch, konventionelle Kräfte gegen Israel aufzustellen und zu bewegen, mit Hilfe der - von den oben erwähnten Ballons getragenen - Technik geortet werden. AWACS-Flugzeuge - Israel hat bereits die modernsten, die es gibt - werden abheben, die Ballons ergänzen und, falls notwendig, deren Aufgabe übernehmen. Um die Bedrohung durch FlA-Raketen zu minimieren, werden sie über das Meer hinaus fliegen; bei Israels kleiner Fläche schaffen sie das ohne nennenswerte Verminderung ihrer Wirksamkeit. Dann sind die RPVs an der Reihe. Einige werden der jetzigen Generation angehören und vielleicht nur drei Meter Flügelspannweite haben. Die Größe anderer wird nur ein Zehntel dessen betragen und entsprechend schwerer zu orten und zu zerstören sein. Schwärme von ihnen werden aufsteigen, die Bewegungen des Feindes verfolgen und dessen Standort mittels Laserzielbeleuchtern markieren.

Jede reguläre Armee, zu deren Aufstellung der Palästinenserstaat fähig sein wird, wird vermutlich so klein sein, dass sie von präsenten Infanterieverbänden der israelischen Landstreitkräfte, die vielleicht durch seegestützte, weit reichende, präzisionsgesteuerte Artilleriegranaten unterstützt werden, ohne vorherige Mobilmachung in Schach gehalten werden kann. Andere arabische Kräfte, die versuchen, ihnen vom Osten her zu Hilfe zu kommen, werden bald feststellen, dass sie von einem Hagel aus Flugkörpern, Marschflugkörpern und UCAVs attackiert werden. Einige derzeit gerade in Entwicklung befindliche UCAVs haben eine zehnstündige Verweildauer in der Luft auf 250 Meilen Entfernung und eine maximale Reichweite von 750 Meilen, was bei der Größe des Nahen Ostens mehr als genug ist, jedwede Landstreitmacht zu erreichen, die einen Angriff auf Israel vorbereitet. Wenigstens eine, die amerikanische Predator-Drohne, ist einsatzfähig und wurde in Afghanistan getestet. Meldungen zufolge wurde diese auch dazu eingesetzt, um einzelne Al Qaida-Terroristen zu liquidieren, die irgendwo im Jemen am Steuer von Autos saßen. Wenn die Drohne und die von ihr getragenen Flugkörper dafür präzise genug sind, dann sind sie zweifellos auch präzise genug, um jedwede andere Einsätze erfolgreich zu bewerkstelligen.

In diesem Zusammenhang sind zwei Fakten von besonderer Bedeutung: Erstens, wie bereits hervorgehoben wurde, wird jede in die Westbank eindringende Streitmacht ungeschützt davor sein, durch eine israelische Zangenbewegung abgeschnitten zu werden. Verglichen mit 1967 wird diese dadurch wesentlich erleichtert, dass es nun eine befestigte Straße gibt, die das ganze Jordantal entlang verläuft; angenommen, die Marschkolonnen bewegen sich mit 15 Meilen pro Stunde vorwärts, dann würde die ganze Operation nur etwa drei Stunden dauern. Zweitens wird das zerklüftete Gelände die einmarschierenden Kolonnen auf drei bis vier Bewegungsachsen einschränken, die sie nicht verlassen können, und wird sie in eine geeignete Position für den Abschuss bringen. Und wieder werden damit die Ereignisse von 1967 in Erinnerung gerufen. Als eine jordanische Panzerbrigade am zweiten Tag des Krieges versuchte, die Straße von Jericho nach Jerusalem hinaufzufahren, wurde sie von den israelischen Luftstreitkräften abgefangen und vernichtet. Ihre verkohlten Überreste lagen noch jahrelang an beiden Seiten der Straße herum.

Im Gegensatz zu den dicht besiedelten Gebieten, die Israel westlich des Jordan besetzt hält, sind die Golanhöhen beinahe menschenleer und haben auch nie Terroristen beherbergt. Obwohl die militärische Belastung, der syrischen Armee gegenüberzustehen, nicht unbeträchtlich ist, ist der für Israel aus dem Festhalten an diesem Gebiet erwachsende Preis im sozialen Bereich trivial. Folglich beschäftigt sich dieser Beitrag auch nicht vorrangig mit der Verteidigung Israels für den Fall eines Friedensvertrages mit Syrien und einem Rückzug von diesen Höhen. Nichtsdestoweniger sind einige Gedanken zu diesem Problem angebracht.

Wenn sich Israel von den Höhen zurückzieht, dann wird keine Streitmacht, die Israel von Osten her angreift, dazu in der Lage sein, sich in die Breite zu entfalten und die Verteidigungsstellungen zu umfassen, wie es vor allem an den ersten beiden Tagen des Kriegs von 1973 geschah. Anstatt dessen werden die angreifenden Kolonnen wie im Fall der Westbank auf die wenigen Straßen kanalisiert, die von den Höhen in das darunter liegende Jordantal führen. Für Israel bedeutet das logischerweise, dass eine Landstreitkraft, die einem solchen Angriff bergwärts zu begegnen versucht, erheblich im Nachteil sein wird. Genauso offensichtlich wird konventionelle Artillerie, die auf indirektes Feuer aus dem Tal angewiesen ist, erheblich im Nachteil sein. Sollten die Israelis jedoch ihre Kräfte auf Kampfhubschrauber - sie haben bereits einige der modernsten zur Verfügung - und weit reichende, präzisionsgesteuerte Flugkörper mit steiler Flugbahn stützen, wäre die Lage ganz anders. Wenn man bedenkt, was eine mit solchen Waffen ausgestattete, ordentlich koordinierte und geführte Streitmacht bei den Eindringlingen anrichten kann, so kann man nur mit Dantes Worten sagen: "Lasst, die ihr hier eingeht, jede Hoffnung fahren."

Luftverteidigung und Einsatz von Nuklearwaffen

Wie der italienische Luftkriegstheoretiker Giulio Douhet (1869-1930) als einer der Ersten ausführte, war im Vergleich zu Bodenoperationen der große Vorteil von Luftoperationen schon immer darin gelegen, dass sie weit gehend von der Geografie und damit auch von Hindernissen aller Art unbeeinflusst bleiben. Armeen auf dem Boden werden immer das Vorhandensein von Bergen, Wäldern, Sümpfen, Flüssen, Seen und ähnlichen Geländeformen ins Kalkül ziehen müssen, die sie dazu zwingen, bestimmte Routen zu wählen und andere zu meiden. Im Gegensatz dazu fliegen Flugzeuge über sie hinweg; dasselbe gilt natürlich auch für die verschiedenen Arten von Flugkörpern.

Natürlich sind sowohl die Größe eines Landes als auch seine topografischen Gegebenheiten weder für eine Luftkriegführung noch für eine Kriegführung mit Flugkörpern vollkommen ohne Bedeutung. Ein großes Land - besonders, wenn es noch dazu eine Insel ist - kann dem Verteidiger längere Vorwarnzeiten vor einem Angriff geben, besonders dann, wenn seine wichtigsten Anlagen weit von seinen Grenzen entfernt liegen und verstreut sind. Ein Land, das durch tiefe Schluchten getrennte hohe Berge aufweist, wo man Anlagen verstecken kann, wird wohl schwerer aus der Luft anzugreifen sein, wenn auch das Aufkommen von Laser- und GPS-gesteuerten Waffen eine Verringerung dieses Vorzugs verursacht haben mag. Wie der Kosovo-Feldzug von 1999 gezeigt hat, kann eine Kombination von Bergen und Wäldern sogar eine ganze Armee vor Aufklärungsfahrzeugen verbergen, wenigstens so lange sie sich nicht aktiv an Operationen beteiligt.

In Israel jedoch trifft nichts davon zu. Das Land ist so klein, dass die israelische Luftwaffe sowohl mit als auch ohne besetzte Gebiete immer kurze Vorwarnzeiten haben wird; bereits jetzt wird ein großer Teil der Frühwarnaufgabe nicht bodengestütztem Radar, sondern AWACS-Flugzeugen übertragen. Die Berge von Samaria und Judäa sind nicht hoch, steil und bewachsen genug, um etwas Größerem als kleinen Terroristengruppen Deckung zu bieten. Die besetzten Gebiete mit ihren insgesamt etwa 2.200 Quadratmeilen (zum Vergleich: das "eigentliche" Israel misst 8.000 Quadratmeilen) sind auch viel zu klein und zu dicht besiedelt, um eine Verteilung von militärischen oder gar zivilen Einrichtungen zuzulassen. Darüber hinaus sind sie derzeit voll Terrorpotenzial. Bricht ein Krieg aus, könnte der Zugang zu Basen und Depots rasch erschwert werden und diese von Aktiva in Passiva umwandeln.

Der langen Rede kurzer Sinn: Was die Kriegführung in der Luft und mit Flugkörpern betrifft, spielt es beinahe keine Rolle, ob nun Israel die besetzten Gebiete behält oder nicht. Eine israelische Militärpräsenz im Jordantal wird feindliche Flugzeuge nicht daran hindern, über Tel Aviv zu fliegen und es mit chemischen und biologischen Waffen zu attackieren. Eine israelische Militärpräsenz auf der Wasserscheide wird keinen iranischen Shihab-Flugkörper daran hindern, im selben Ziel zu landen. Insofern, als man diesen Bedrohungen durch passive Verteidigungsmaßnahmen begegnen kann, haben die Gebiete keine Bedeutung. Insofern, als man ihnen mit aktiven Verteidigungsmaßnahmen begegnen kann, haben die Gebiete ebenso (beinahe) keine Bedeutung. Das beweist die Tatsache, dass Israels antiballistische Flugkörper Arrow ihrer Leistungskraft entsprechend innerhalb der Grenzen von vor 1967 und nicht in der Westbank stationiert sind.

Der Bereich, in dem ein eventueller Rückzug aus den Gebieten, und vor allem von der Westbank, tatsächlich angesichts einer solchen Bedrohung große Bedeutung haben wird, ist die Abschreckung. Zur Zeit beruht Israels strategische Abschreckung auf Flugzeugen und Boden-Boden-Flugkörpern, die durchaus dazu in der Lage sind, jene chemischen, biologischen und nuklearen Waffen abzufeuern, die Israel angeblich besitzt. Werden die besetzten Gebiete evakuiert, wie in diesem Beitrag vorgeschlagen, dann werden einige der Basen, wo diese Flugkörper und Flugzeuge stationiert sind, anfällig für Raketenbeschuss (Katjuscha) und vielleicht auch für Angriffe durch Terroristen, die sie selbst, die zu ihnen führenden Straßen oder die sie unterstützenden Einrichtungen angreifen könnten. Streng militärisch gesprochen wären solche Angriffe bestenfalls Nadelstiche. Andererseits sind die in Frage kommenden Einrichtungen so lebenswichtig und das Erfordernis, sie stets im Zustand sofortiger Einsatzbereitschaft zu halten, derart dringend, dass sogar Nadelstiche ausgeschlossen werden müssen. Dazu kommt, dass Israels landgestütztes Abschreckungsmittel, und das schließt insbesondere seine Flugkörperstellungen mit ein, nicht gegen Nuklearangriffe gehärtet ist. Theoretisch, und vielleicht auch praktisch, könnten sie durch einige Nuklearwaffen ausradiert werden, die mitten unter ihnen explodieren.

In Anbetracht des bisher in diesem Beitrag Gesagten sollte die Lösung des Problems nun offensichtlich geworden sein. Ob Israel die Gebiete aufgibt oder nicht, es ist zwingend erforderlich, dass einige und vielleicht sogar die meisten der die strategische Abschreckung bildenden Kräfte aufs Meer hinaus verlegt werden. Das ist tatsächlich schon geschehen; es heißt, die drei brandneuen israelischen U-Boote der Dolphin-Klasse seien mit Marschflugkörpern bestückt worden. Unterstützt durch von israelischen Satelliten zur Verfügung gestellte Zielinformationen könnten alle Arten von Nuklearwaffen, getragen von diesen Flugkörpern, auf festgelegte demografische und industrielle Ziele in den Nachbarländern gerichtet werden, insbesondere auch im Iran und in Libyen. Es ist auch möglich, sich eine Lage vorzustellen, in der Israel taktische Nuklearwaffen oder vielleicht Neutronenbomben auf die Pässe des Sinai oder auf jene, über die die Straße von Bagdad nach Amman führt, richtet. Abhängig von der spezifischen Eigenart der verwendeten Waffen - Sprengkraft oder Strahlung, sesshafte oder flüchtige Strahlung - sollte eine solche Zielzuweisungstaktik die in Frage kommenden Pässe tagelang blockieren können, wenn nicht sogar wochen- oder monatelang. Und da die sie umgebenden Gebiete fast zur Gänze unbewohnt sind, würden dadurch auch kaum Kollateralschäden entstehen.

Hier ist nicht der richtige Ort, die relativen strategischen Fähigkeiten Israels und seiner Nachbarn oder ihre relative Verwundbarkeit gegenüber Angriffen mit Massenvernichtungswaffen zu analysieren. Was wir hier in den Vordergrund stellen wollen, ist lediglich das Faktum, dass Israels Fähigkeit, sollte es sich - wie hier vorgeschlagen - tatsächlich aus den besetzten Gebieten zurückziehen und der Schaffung eines Palästinenserstaates zustimmen, von einem strategischen Angriff abzuschrecken beziehungsweise angemessen auf ihn zu reagieren, so oder so nicht beeinflusst würde. Ein solcher Zug würde allenfalls die Notwendigkeit verstärken, alle oder Teile der strategischen Kräfte Israels auf See umzugruppieren. Diese Notwendigkeit liegt allerdings in ganz anderen Faktoren begründet und wird sicherlich auch weiterhin bestehen, egal ob jetzt die Gebiete besetzt bleiben oder nicht.

Zusammenfassung

Zu Beginn des Jahres 2005 steht die Verteidigung Israels - ja, sogar die Existenz des Staates - an einem Scheideweg. Seit Israel 1948 gegründet wurde, war die vielleicht elementarste Annahme, die seiner Verteidigung zu Grunde lag, der Glaube, dass der Terrorismus nur Nadelstiche darstelle, während seine "elementare" Sicherheit nur durch die benachbarten arabischen Länder ernstlich gefährdet werden könnte. Diese Annahme verliert allerdings rasch ihre Gültigkeit; weniger wegen des Schadens, den Terroristen verursachen können, als vielmehr wegen des Drucks, den sie auf die Gesellschaft Israels und hier vor allem auf seine millionenstarke arabische Minderheit ausüben. Selbst wenn dadurch die Zukunft wahrlich trübe aussieht, ist es zwingend erforderlich, der gegenwärtigen Situation ein Ende zu setzen, und das natürlich auf eine Weise, dass dadurch nicht die Sicherheit Israels auf eine andere Art aufs Spiel gesetzt wird.

Natürlich wird es weder einfach noch billig sein, ein Israel ohne die besetzten Gebiete zu verteidigen. Es wird einiger sehr innovativer Lösungen bedürfen, welche die Genialität seiner politischen Führer, seiner Streitkräfte und seiner Verteidigungsindustrie herausfordern werden. Andererseits ist Israel wegen der Unterstützung durch die USA besser als die meisten Länder gestellt, was die Entwicklung, Herstellung, Aufstellung und den Betrieb seiner Systeme betrifft. Viele ihrer Komponenten gibt es bereits, und sie brauchen nur mehr aneinander beziehungsweise an neue Abschussrampen angepasst zu werden. Mit etwas Glück sollte Israel auch dazu in der Lage sein, sie oder Teile von ihnen in andere Länder zu exportieren; das betrifft vor allem Flugkörper, RPVs, UCAVs und jede Art von elektronischer Ausrüstung.

Das Wichtigste jedoch ist, dass obige Analyse zum Schluss kommt, dass eine solche Verteidigung heute genauso möglich ist wie vor 1967. Zum Teil deswegen, weil die Veränderungen in der militärischen Technologie die Feuerkraft bevorzugen und die Bewegung benachteiligen, auf die ein jeder Angreifer angewiesen ist. Zum anderen Teil wegen der Veränderung im zu Grunde liegenden Kräfteverhältnis zu Israels Gunsten, das die wirtschaftlichen Trends widerspiegelt. Nun, da der Irak kein Faktor mehr ist, ist das Verhältnis noch einseitiger geworden. Das lässt Syrien in einer unmöglichen geostrategischen Lage zurück, die es eines Tages dazu veranlassen könnte, friedlich zu werden.

Ein einseitiger Rückzug Israels aus den besetzten Gebieten wird allerdings einige Probleme ungelöst lassen, wie etwa das der palästinensischen Flüchtlinge. Er wird auch einige neue mit sich bringen, wie die Kontrolle über das Wasser, die in dieser auf die Verteidigung fokussierten Studie nicht zur Sprache kommt. In Anbetracht der Komplexität der Sachverhalte und des Grades ihrer Verkettung ist es unmöglich, alle ihre Auswirkungen vorherzusehen; wie Churchill, der damals als Marineminister fungierte, einmal über eine Entscheidung schrieb, die er hinsichtlich einer neuen Generation von Kriegsschiffen zu treffen hatte: Die Gedanken verzweigen sich zu rasch. Diese Arbeit versucht nicht das Unmögliche zu tun, sondern endet vielmehr mit der Feststellung, dass Israel keine Wahl hat. Entweder wird es das los, was Moshe Dayan einst als "den Makel der Eroberung" bezeichnet hat, oder es hat keine weitere Zukunft, wie die Verschlechterung seiner Lage seit 2000 nur zu deutlich zeigt. Je länger es wartet, desto schlechter wird sie vermutlich werden. Und so treffen die Worte aus dem Deuteronomium (30/15-20) zu: "Hiermit lege ich dir heute das Leben und das Glück, den Tod und das Unglück vor … Wähle also das Leben, damit du lebst, du und deine Nachkommen … das du in dem Land verbringen darfst, von dem du weißt: Der Herr hat deinen Vätern Abraham, Isaak und Jakob geschworen, es ihnen zu geben." Martin van Creveld

Geb. 1946 in Rotterdam, Holland; seit 1950 in Jerusalem, Israel, Universitätsprofessor für Geschichte mit Spezialisierung in Militärgeschichte, Strategie und internationale Beziehungen an der Hebrew University Jerusalem; weitere Ausbildung an der London School of Economics; militärischer Berater und Autor von 15 Büchern, die in zehn verschiedene Sprachen übersetzt wurden; Die wichtigsten sind Supplying War (1978), The Transformation of War (1991) und The Rise and Fall of the State (1999).



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Verlauf der Sperranlage in Jerusalem.
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Verlauf der Sperranlage im Westjordanland.
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