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Terra Semper Invicta! Standortbestimmung Militärisches Geowesen 2007

von Reinhard Mang

Kurzfassung

◄ Das Basisregelwerk "Militärisches Geowesen" beschreibt wesensbestimmende Merkmale georaumbezogener, militärische Angelegenheiten betreffender Entscheidungsverfahren, leitet davon Gegenstand, Aufgabe, Ziel, Zweck und Begriff des "Militärischen Geowesens" ab und bildet damit die Grundlage eines umfassenden fachdienstlichen Regelwerksystems.

Die vollständige Bereitstellung sämtlicher für georaumorientierte, militärische Angelegenheiten betreffende Entscheidungsverfahren erforderlichen Daten ist grundsätzlich nie möglich. Immer sind geeignete Entscheidungsverfahrensmodelle zu bilden, die nur mehr die wesentlichen Faktoren und Funktionen aus der Realität extrahieren und daher zu einem wesentlich reduzierten Bedarf an entsprechenden Daten führen. Im hierfür erforderlichen Modellbildungsprozess liegt die Hauptaufgabe jeder fachdienstlichen Aktivität.

Entscheidungsverfahren beruhen auf entscheidungsorientierten, vereinfachenden Modellen komplexer Systeme. Diese Modelle bestehen aus Faktoren und Funktionen. Faktoren werden durch Attribute, deren Ausprägungen durch Daten beschrieben. Funktionen sind Verknüpfungsanweisungen für Attribute verschiedener Faktoren. Entscheidungsverfahren sind georaumbezogen, wenn sie auf Modellen beruhen, deren Faktoren über Attribute der räumlichen Verortung verfügen. Betreffen diese Modelle militärische Angelegenheiten und erfordert deren Entwicklung den Einsatz georaumwissenschaftlicher Methoden und Verfahren, dann handelt es sich um Milgeomodelle.

Die Entwicklung, Erprobung und Verbesserung von Milgeomodellen obliegt dem damit befassten Fachdienst. Das Ziel ist die Einbindung ebenen- und sachdifferenzierter Milgeomodelle in alle einschlägigen Entscheidungsverfahren, damit die daraus resultierenden Entscheidungen qualitativ besser werden.

Sämtliche zur Aufgabenbewältigung, Zielerreichung und Zweckerfüllung des Fachdienstes erforderlichen organisations-, produktions- und informationsbezogenen Einrichtungen und Maßnahmen werden unter der Bezeichnung "Militärisches Geowesen" zusammengefasst. Dieses ist nicht lediglich ein "fachdienstliches Auskunftssystem", sondern wirkt aktiv am Zustandekommen von Entscheidungen mit, weil es hierzu in Form der Milgeomodelle über kausaldeterministische Instrumentarien verfügt. Weil nur in der Führungszelle aktiv an Entscheidungen mitgewirkt werden kann, sollte - einem internationalen Trend folgend - das Milgeowesen im Bereich des Führungssgrundgebietes 2 verankert werden. ►


Volltextversion

Terra Semper Invicta!

Standortbestimmung Militärisches Geowesen 2007

Das Gedenkjahr 2005 gab in vielen Bereichen Anlass zu Selbstbesinnung und Selbstbestimmung. Dies gilt auch für das militärische Geowesen - den militärischen Fachdienst, der sich mit dem geografischen Raum beschäftigt.

Am 14. November 1990 wurde mit dem "Milgeokonzept 90" zum ersten Mal in der Geschichte des Bundesheeres der Zweiten Republik ein vollständiges Fachdienstkonzept für das Milgeowesen erlassen. Auf diesem Konzept konnte in den folgenden Jahren eine Reihe einschlägiger Planungen aufbauen und schließlich realisiert werden - so etwa auch die Anforderungen an die neu zu schaffende zentrale Organisationsform des Milgeowesens im Österreichischen Bundesheer - das "Institut für Militärisches Geowesen" (IMG), das mit Wirkung vom 15. Jänner 1997 eingerichtet wurde und somit in diesem Jahr 2007 seinen zehnjährigen Bestand begeht.

Das "Milgeokonzept 90" war das Ergebnis mehrjähriger Arbeiten, deren theoretische Grundlagen 1991 in dieser Zeitschrift vorgestellt wurden.(Fußnote 1/FN1) Zehn Jahre nach Einrichtung des IMG erscheint es gerechtfertigt, diese Standortbestimmung aus dem Jahre 1990 auf Basis einer Reihe geänderter endogener und exogener Faktoren vollständig zu überarbeiten. Welches sind nun die für eine derartige Überarbeitung, eine Standortneubestimmung, maßgeblichen Faktoren?

Endogene Faktoren einer Standortneubestimmung

Im Zuge der zahlreichen Reformen der letzten Jahre haben sich in der Eigendefinition von Fachdiensten mehrfach Schwachstellen gezeigt. Gegenstand und Aufgaben mussten präziser als bisher definiert werden, um die eigene Existenz und somit eine gewisse Reformresistenz zu sichern. Die solcherart entstandenen Papiere wurden dabei immer umfangreicher und unübersichtlicher, und die Möglichkeit sachlogisch motivierter Aufgabenbereinigungen sank mit der gesteigerten Fähigkeit der Konzeptautoren, immer brillantere semantische Formulierungen hervorzubringen und sich damit nahezu unangreifbar zu machen. Dieser erkannte Trend wurde für die Standortneubestimmung als "These" gesetzt und sollte nun - theoretisch abgesichert - in einer Art dialektischer "Antithese" durch inhaltlich radikale Reduktionen auf das "Wesen"tliche bewusst konterkariert werden. Es war klar, dass dies nur durch umfassende Abstrahierungsmaßnahmen erzielbar war. Die Allgemeingültigkeit solcherart gewonnener Aussagen ist daher nun viel leichter zu bestätigen bzw. zu falsifizieren als bisher! Es kam dabei darauf an, - zunächst die generellen, faktisch auch für alle anderen Fachbereiche zutreffenden Aussagen auf ihre Kerne zu reduzieren und danach - die "differentiae specificae" des eigenen Fachbereiches herauszuarbeiten.

Mit diesem Verfahren war es möglich, die Grundaussagen zur Fachdienstpositionierung in der Art eines "Basisregelwerkes" in nicht mehr als einer Präambel und vier Sätzen auf einer Seite A4 zusammenzufassen! Der erzielte Abstraktionsgrad ist dabei derart hoch, dass lediglich einige wenige Silben ausgetauscht werden müssen, um damit ein Basisregelwerk für einen beliebigen anderen Fachdienst gewinnen zu können! Auf diese wenigen Silben aber kommt es an, und sie alleine sind die "differentiae specificae", die das Milgeowesen von anderen "Wesen" unterscheiden. These und Antithese wurden aufgezeigt - wo bleibt nun die Synthese? Als diese ist letztlich die Endfassung des Basisregelwerkes zu betrachten, die nach wiederholter kritischer Durchsicht durch Mitarbeiter des IMG entstanden ist und bei welcher gewisse Kompromisse zugunsten Verständlichkeit und Akzeptanz eingegangen wurden.

Exogene Faktoren einer Standortneubestimmung

Konnten die endogenen Faktoren bis zu einem gewissen Grad noch durch eine interne Methodenevolution vorgegeben werden, so ist dies bei den exogenen Faktoren nicht mehr der Fall. Die permanente Überprüfung der relativen Positionierung des eigenen Fachbereiches gegenüber anderen Fachbereichen ist ein zwingendes externes Erfordernis. Bei diesem Prozess müssen gegebenenfalls auch - Bedeutungsverluste in bisherigen Kernbereichen, aber auch - Bedeutungsgewinne in bisherigen Marginalbereichen erkannt und akzeptiert werden.

Beispiel 1: Kann die Anordnung von Objekten und Sachverhalten im geografischen Raum an militärischer Bedeutung deshalb verlieren, weil die Bedrohungsanalysen sich von klassischen, in diesem Raum angesiedelten Szenarien zunehmend auch auf virtuelle Räume verlagern? Schmälert somit der "Cyberwar" im Cyberraum den Kernbereich "Georaum"? Vieles spricht dafür, vieles spricht dagegen - allein polemisch lässt sich diese Frage sicher nicht beantworten! Doch gibt es hier zum Glück noch Aussagen aus hie-rarchisch sehr hoch angesiedelten Vorschriften - etwa der Vorschrift "Führungssystem des Österreichischen Bundesheeres", wo es auf Seite 175 heißt: "Da ausnahmslos alle militärischen Handlungen im geografisch erfassten Raum stattfinden, sind entsprechende Milgeounterlagen für Planung, Vorbereitung und Durchführung von Einsätzen unerlässlich!" Beispiel 2: Ist es zulässig, bestimmte Teile des Georaumes von der Geoinformationsbevorratung für einen Einsatz militärischer Kräfte a priori deshalb auszuschließen, weil er ein geografischer "Marginalbereich" und aus nationaler Sicht "sicherheitspolitisch irrelevant" ist? Spätestens seit der Tsunami-Katastrophe Ende Dezember 2004 muss diese Frage wohl nachhaltig negativ beantwortet werden: Auch in unseren mental maps "weit entfernte" Räume können unerwartet zu Einsatzräumen werden (siehe Abb. 1)!

Welches sind nun konkret die wesentlichsten, in den letzten 10-15 Jahren entstandenen exogenen Faktoren für eine Standortneubestimmung?

1. Schwergewichtsverlagerung militärischer Aktivitäten vom Inland in das Ausland.

Fachdienstliche Konsequenzen: Beschaffung, Aufbereitung und Bereitstellung geografischer Informationen zunächst ohne jegliche georäumliche Einschränkung.

Beispiele: Kartenmaterial, Fernerkundungsdaten, militärische Landesbeschreibungen.

Probleme: Georäumliche, aber auch einsatzorientierte thematische Eingrenzungen, signifikant erhöhte Vorlaufzeiten der Geoinformationsgewinnung, -aufbereitung und -bereitstellung.

2. Schwergewichtsverlagerung der Aktivitäten im Inland in den nichtmilitärischen Bereich.

Fachdienstliche Konsequenzen: Beschaffung, Aufbereitung und Bereitstellung geografischer Informationen für nichtmilitärische Einsätze der Streitkräfte.

Beispiele: Einbindung der Streitkräfte in das staatliche Krisenmanagement zur Bewältigung von Kulturgeoraum- und Naturgeoraumkatastrophen.

Probleme: Tief greifende Strukturveränderungen zu beschaffender, aufzubereitender und bereitzustellender Geoinformationen zur Unterstützung militärischer Kräfte für nichtmilitärische Aufgaben.

3. Beitritt Österreichs zur EU und zur NATO-Partnerschaft für den Frieden.

Fachdienstliche Konsequenzen: Die bisher aus sicherheitspolitischen Gründen partiell bewusst verfolgte Inkompatibilität fachdienstlicher Leistungen und Produkte musste einer weit gehenden Kompatibilität und Interoperabilität weichen.

Beispiele: Transformierung des gesamten staatlichen Kartenwesens (geodätisches Datum, Koordinaten, Ortsangaben, Kartenwerke, Maßstäbe usw.) auf NATO-Standards.

Probleme: Betreiben dieser tief greifenden Strukturänderungen auch in jenen nichtmilitärischen Bereichen, die die für eine internationale Kooperation erforderlichen Geoinformationen des eigenen Landes bereitstellen.

4. Automationsgestützte Waffensysteme erfordern zunehmend digitale Geodaten.

Fachdienstliche Konsequenzen: Ohne diese (sehr detailliert spezifizierten) Geodaten funktionieren solche Systeme nicht bloß schlechter, sondern überhaupt nicht! Geodaten und operationalisierte kausale Zusammenhänge zwischen diesen Geodaten werden neben der verarbeitenden IT-Software immer öfters zum zwingenden Bestandteil von Waffensystemen. Ihre Schaffung und Bereitstellung muss deshalb bereits in den zugrunde liegenden Waffensystemkonzepten berücksichtigt werden - und genau hier zeigt sich die Bedeutung der Mitwirkung des Fachdienstes an der Erstellung solcher Konzepte!

Beispiele: Digitale Geländehöhenmodelle für selbststeuernde, oberflächennah operierende Aufklärungsdrohnen/UAVs.

Probleme: Erfüllung der sehr engen Quantitäts- und Qualitätsanforderungen. Vorhandene Geodaten sind meist nicht einsatzraumdeckend vorhanden und/oder erfüllen nicht die vorgegebenen Kriterien (z.B. Erweiterung des digitalen Geländehöhenmodells zu einem digitalen Oberflächenmodell unter Einbeziehung von natürlichen und künstlichen Objekten - Laserscanmodelle; siehe Abb. 2).

5. Erweiterte Potenziale des Fernerkundungswesens hinsichtlich Flächendeckung und Bodenauflösung.

Fachdienstliche Konsequenzen: Theoretisch globale Verfügbarkeit multispektraler topografischer Informationen in bislang nicht gekannter Qualität. Beeindruckend sind die Synchronizität der Geodaten für einen größeren Raum (die so genannte "Szene"), die Programmierbarkeit von Satelliten (Steuerung der Aufnahmerichtung zur Gewinnung nichtazimutaler Bilddaten und damit Verkürzung der Aufnahmeintervalle) sowie die erweiterten digitalen Verarbeitungsmöglichkeiten.

Beispiele: Herstellung von Stadtplänen aus hoch auflösenden Satellitenbilddaten.

Probleme: Fallweise überzogene Erwartungshaltungen seitens der Bedarfsträger, denn - der Zugriff auf kommerzielle weltraumgestützte Fernerkundungssysteme ist nicht garantierbar, - im sichtbaren Spektrum arbeitende Systeme können keine Wolkendecke durchdringen, - die Periodizität der Überflüge kann durch die Programmierbarkeit der Plattformen und ihrer Kamerasysteme nur zum Teil kompensiert werden, - die Interpretation und Nutzung der Produkte erfordert eine gründliche Schulung und Erfahrung (siehe Abb. 3).

6. Bedarf an Simulationen und entsprechenden Visualisierungsgrundlagen.

Fachdienstliche Konsequenz: Der Übergang von Georaum- zu Virtualraumübungen erfordert eine massive Bereitstellung digitaler Geodaten. Diese sind aber vielfach nicht vorhanden - so erfordert etwa die Simulation des Kampfes im verbauten Gebiet die Schaffung originalgetreuer rasterbasierter Gebäudefassadenabbildungen.

Probleme: Datenerfassungsaufwand, Anfall großer Datenmengen.

Absicht

Nach Vorliegen der Handlungsmotivationen auf Basis der Analyse endogener und exogener Faktoren kam es also primär darauf an, den Fachdienst "Militärisches Geowesen" - ähnlich wie einen Wissenschaftsbereich - hinsichtlich seines Gegenstandes, seiner Aufgabe, seines Zieles und seines Zwecks sowie seiner daraus resultierenden Definition präziser und v.a. wesentlich kompakter als bisher zu erfassen. Die Lösung dieser Aufgabe wurde seit Mitte der 1990er-Jahre als Fortsetzung der Arbeiten aus den 1980er-Jahren durch dieselben Autoren betrieben und etwa Mitte 2000 konzeptiv beendet.

Methodische Leitlinie zur Erzielung des angestrebten hohen Abstraktionsgrades war dabei ein bereits von W. Ockham (1285-1349) eingeführtes Rationalitätsprinzip, "das die Minimalisierung der zur Erklärung eines Umstandes aufgebotenen Kategorien verlangt" und als "Ockham’sches Rasiermesser" in die wissenschaftstheoretische Literatur Eingang gefunden hat.(FN2) Die Vorgehensweise ist einfach: Man entkleidet bekannte Aussagen nach und nach jeglichen schmückenden Beiwerkes, bis ein tragendes "Skelett" übrig bleibt. Dieser Status ist erreicht, wenn jegliche weitere Reduktion zum logischen Zusammenbruch des Skelettes führen würde. Mit dieser Methode werden naturgemäß, wie bereits angedeutet, die Aussagen vergleichbarer Werke aus anderen Fachbereichen einander immer ähnlicher, ihre Gültigkeit immer umfassender, ihr konkreter Aussagewert aber zugleich immer geringer! Es verbleiben schließlich nur mehr einige ganz wenige "differenzierende" Terme (Silben, Adjektiva), die nun - im konkreten Falle - das militärische Geowesen gegenüber anderen militärischen "Wesen", deren Gegenstand, Aufgaben usw. abgrenzen. Aber gerade in dieser Reduktion liegt der entscheidende Erkenntniswert, lässt diese doch erst das eigentlich "Wesen"-tliche des zu Definierenden erkennen!

Bei all diesen methodischen Überlegungen darf aber unter Zugrundelegung der Aussagen Immanuel Kants in seiner "Kritik der reinen Vernunft" nie vergessen werden, dass grundsätzlich alle Erkenntnisgegenstände immer nur durch die Formen der Anschauung "Raum und Zeit" und durch die Kategorien des Verstandes - z.B. Kausalität - vermittelt werden können. Wenn daher versucht wird, die "reale Welt" - in diesem Fall also einen Fachbereich - modellhaft vereinfacht abzubilden, so kann dies nur durch Einsatz eben dieser Kategorien bewerkstelligt werden. Unsere Begriffe, so Kant, gleichen sich im Erkenntnisakt nicht abbildend einer "realen Welt" an und können ihr nicht "abgelauscht" werden, vielmehr gilt, dass umgekehrt die Dinge sich nach unseren Begriffen richten. Man stülpt also der vermeintlich realen Welt ein Gedankengebäude aus dem menschlichen Erkenntnisvorrat über und vermeint, damit die reale Welt korrekt abgebildet zu haben! Dies kann also nie zu einem völlig einwandfreien Ergebnis führen, bietet aber zumindest für eine begrenzte Zeit eine gewisse Handlungsfreiheit - bis zum Zeitpunkt einer "erfolgreichen" Falsifizierung des Prozesses im Sinne Poppers: "Kühn vermuten, scharf prüfen" . Allein daraus ergibt sich bereits eine zeitliche Begrenzung der Lebensdauer derartiger neuer Konzepte: Entwickeln wir neue Kategorien des Verstandes, können neue Modelle, neue Erkenntnisgegenstände geschaffen werden, und ein bestehendes Konzept verliert damit seine Gültigkeit!

Es wird nun nicht behauptet, mit dem neuen "Basisregelwerk Militärisches Geowesen" den Schlussstein einer fachdienstlichen Theoriegeschichte gelegt zu haben - dies wäre töricht und nachfolgenden Denkern gegenüber, denen die Entwicklung neuer Kategorien im Sinne Kants nicht verboten werden kann, sehr überheblich! Es wäre aber schon befriedigend, zumindest für einen Zeitraum von etwa 10-15 Jahren ein tragfähiges theoretisches Fundament für die gedeihliche Entwicklung des Milgeowesens zu schaffen - ein Fundament, das dessen Positionierung gegenüber benachbarten Fachdiensten in erster Linie nach Gegenstand und Aufgabe widerspruchsfrei festschreibt. Gesucht wird in einer Zeit permanenter Transformationsprozesse von Streitkräften eine verlässliche Landmarke, an der man sich auch im Sturme und unabhängig von Transformationsresultaten nachhaltig orientieren kann.

Ergebnis

Das "Basisregelwerk Militärisches Geowesen" bildet nur die Grundlage einer neuen komplexen fachdienstlichen Regelwerkstruktur. Es steht in dieser Struktur jedoch hierarchisch an höchster Stelle und weist deshalb ein Maximum an Allgemeingültigkeit und somit Zeit- und Umfeldinvarianz, zugleich aber ein Minimum an konkreter Aussagekraft auf. Es stellt also metaphorisch eine Art "fachdienstlicher Verfassung" dar, die deshalb grundsätzlich, im Besonderen aber bei konkretem Bedarf durch eine Abfolge weiterer, gegeneinander hierarchisch eindeutig positionierter Sachbereichsregelwerke (metaphorisch "Gesetze") konkretisiert werden muss. Damit kann flexibel auf wechselnde Umfeldbedingungen (Rahmenbedingungen) und Erfordernisse reagiert werden, ohne zugleich jedes Mal die fachdienstlichen Konstanten, die von den Veränderungen nicht betroffen sind, neu bearbeiten zu müssen.

Es wurde bereits betont, dass Aussagen in einem derartigen Abstraktionsgrad zumindest in Teilen für alle Fachdienste Gültigkeit haben müssen. Es kommt daher in dieser Phase darauf an, die spezifischen Unterschiede des Fachdienstes Milgeowesen zu anderen Fachdiensten aufzuzeigen und festzuschreiben. Die Allgemeingültigkeit der Aussagen des Basisregelwerkes kann also etwa durch Ersatz der Silben "milgeo-" durch entsprechende andere Silben (z.B. "fm-", "san-" usw.) überprüft werden.

Im Folgenden werden Präambel und Sätze des "Basisregelwerkes Militärisches Geowesen" vorgestellt und erläutert.

Präambel

"Dieses Basisregelwerk beschreibt wesensbestimmende Merkmale georaumbezogener, militärische Angelegenheiten betreffender Entscheidungsverfahren, leitet davon Gegenstand, Aufgabe, Ziel, Zweck und Begriff des "Militärischen Geowesens" (Milgeowesen) ab und bildet damit die Grundlage eines umfassenden fachdienstlichen Regelwerksystems." Erläuterung: Die Präambel postuliert ausdrücklich eine Beschränkung des Basisregelwerkes auf die Beschreibung der betroffenen Entscheidungsverfahren und von Gegenstand, Aufgabe, Ziel, Zweck und Begriff des Fachdienstes. Es wird keinerlei Anspruch auf darüber hinausgehende Aussagen erhoben, sondern versucht, die fachdienstlich zeit- und umfeldinvariablen Konstanten herauszuarbeiten.

Das Basisregelwerk muss deshalb um entsprechende Sachbereichsregelwerke (Aufgabenbereichsregelwerke, Geschäftseinteilungen, Dienstanweisungen usw.) ergänzt werden, denn dies ist ein logischer, zwingend notwendiger Bestandteil der gesamten Regelwerkkonzeption!

Im Zuge der Bearbeitungen hat sich gezeigt, dass die gängige bisherige Bezeichnung "Raum" nicht notwendigerweise jenen Raum erfasst, der Gegenstand des militärischen Geowesens ist. So hat etwa der "virtuelle Raum" im Zusammenhang mit dem "Cyberwar" einen völlig anderen Begriffsinhalt als der vertraute geografische Raum. Auch im Bereich der Mathematik und Physik werden unterschiedliche "Räume" angesprochen wie z.B. der "Hilbert-Raum" oder n-dimensionale Räume usw. Es scheint deshalb gerechtfertigt, jenen Raum, den die Vorschrift "Führungssystem des Bundesheeres" als "geografischen Raum" bezeichnet, terminologisch zumindest rudimentär gegen andere "Räume" abzugrenzen. Semantisch erfolgt dies zunächst durch die Bezeichnung "Geo-raum". Terminologisch wird für die weiteren Darlegungen festgelegt, dass unter dem Georaum der dreidimensionale, anschauliche, physikalische Materie enthaltende Raum verstanden wird.

Die Formulierung "militärische Angelegenheiten betreffend" umfasst wesentlich mehr als nur die klassischen, stark formalisierten militärischen Entscheidungsverfahren. Das Milgeowesen unterstützt vielmehr alle Entscheidungsverfahren im Zusammenhang mit militärischen Angelegenheiten, also auch Konzeptplanungen, Rüstungsplanungen, Geräteentwicklungen usw. Damit werden vom Grundsatz her aber auch Entscheidungsverfahren außerhalb des Bereiches der Streitkräfte (z.B. im Bereich der Zentralstelle des BMLV, aber auch im Bereich anderer Ressorts - z.B. im Bereich des staatlichen Krisenmanagements) erfasst - soweit sie in irgendeiner Art militärische Angelegenheiten betreffen.

Satz 1

"Entscheidungsverfahren beruhen auf entscheidungsorientierten, vereinfachenden Modellen komplexer Systeme. Diese Modelle bestehen aus Faktoren und Funktionen. Faktoren werden durch Attribute, deren Ausprägungen durch Daten beschrieben. Funktionen sind Verknüpfungsanweisungen für Attribute verschiedener Faktoren." Erläuterung: Entscheidungsverfahren sind Wege zu rationalen, nachvollziehbaren, nach vorne gerichteten Entscheidungen; auf solchen Entscheidungen werden aber auch entscheidungsbegründende, nunmehr rückwärts gerichtete Erklärungen gefunden, angenommen oder verworfen. Diese sind ihrerseits wieder die Grundlagen für zukünftige Entscheidungen, woraus letztlich auch die Prognosefähigkeit von Vorgängen resultiert. Entscheidungsverfahren ermöglichen somit (retrospektive) Diagnosen und (prospektive) Prognosen.

Systeme sind definitionsgemäß eine "Menge von Elementen und die zwischen diesen bestehenden Beziehungen". Komplexe Systeme sind zumeist "transintelligible", also mit den Mitteln des Verstandes nicht erfassbare Mengen von Objekten und Relationen im Georaum-Zeit-Kontinuum. Modellbildungen extrahieren im Idealfall alle und nur jene Objekte und Relationen, die für einen bestimmten Zweck - hier: das Treffen von Entscheidungen - erforderlich sind (Hauptkomponentenanalyse). Im Hinblick auf die Art der Abbildung dieser Modelle in den derzeit dominierenden relationalen Datenbanken bestehen Modelle aus Objekten, die ihrerseits im Wege von Attributen und deren Ausprägungen (Daten) beschrieben werden. Da jedoch nur entscheidungsrelevante Objekte interessieren, kann man diese Objekte auch als "Faktoren" (eines Entscheidungsprozesses) bezeichnen. Die dazugehörigen Verarbeitungsroutinen erfassen und beschreiben dabei die zwischen den Faktoren bestehenden funktionalen Beziehungen - die Funktionen.

Entscheidungen stützen sich nun aber nicht nur auf Modelle ab, sie betreffen auch wiederum nur diese Modelle! Somit zielen sie also wiederum nur auf Attribute von Modellfaktoren und deren Ausprägungen sowie auf Modellfunktionen ab. Beide - Attribut-ausprägungen und Funktionen - sollen durch die Entscheidungen letztlich entweder erhalten oder verändert werden.

Alle denkbaren Objekte stehen untereinander in mannigfachen Beziehungen ("Relationen"). Auch Ortsrelationen zählen hierzu!

Abbildung 4 zeigt - 5 Objekte A, B, C, D und E, - zwischen diesen bestehende Relationen rij mit weißen Strecken sowie in Andeutung, - die nach außen - zu anderen Objekten - gerichteten Relationen in grauen Strecken.

Alle Relationen können einfache oder mehrfache Beziehungen darstellen, was jedoch im Weiteren aus Gründen der Übersichtlichkeit vernachlässigt wird.

Die derart extrahierten Objekte werden in den Modellen zu Faktoren, die Relationen zu Funktionen eines Modells zur Entscheidungsfindung.

Abbildung 5 zeigt die Ausblendung der Objekte C und E sowie die damit verbundene bemerkenswerte Reduktion an Relationen von ursprünglich 9 auf 3! Daran ist der Vereinfachungseffekt der Modellbildung hinsichtlich der Reduktion von Objekten, v.a. aber hinsichtlich der betroffenen Relationen, klar erkennbar. Die nunmehr übrig bleibenden Objekte werden dann zu Faktoren, die Relationen zu Funktionen eines (vereinfachenden) Entscheidungsmodells.

Objekte und natürlich auch Faktoren entstehen begrifflich durch ein (geistig) geordnetes Zusammentreten von Attributen. So entsteht etwa - aus den allgemeinen Attributen Gewicht, Länge, Breite, Höhe, Bewaffnung usw. der generelle Faktor "Gepanzertes Kampf- und Gefechtsfahrzeug" (GKGF) eines Entscheidungsmodells, - aus den konkreten Attributausprägungen (Daten) in weiterer Folge der individuelle Faktor (Fahrzeugklasse bzw. Einzelfahrzeug, z.B. "40 t", "2,4 m", Fahrgestellnummer usw.).

Funktionen lassen sich konkret durch Verknüpfungen zwischen den Attributen von Faktoren erfassen. Diese Verknüpfungen können logisch, mathematisch, kausal oder ähnlich beschaffen sein. Sie werden durch Verknüpfungsanweisungen konkretisiert (z.B. Attribut "angeschriebene Tragfähigkeit einer Brücke" x 3 = Attribut "Gewicht Kettenfahrzeug (max)"). Man kann also in diesem angenommenen Fall mit einem Kettenfahrzeug die angeschriebene Tragfähigkeit der Brücke um das Dreifache überschreiten (siehe Abb. 6).

Die Abbildung zeigt zunächst, wie Objekte bzw. Faktoren begrifflich allein durch ihre Attribute "entstehen" können. So würde die Erweiterung der Attributliste des Objektes "A" etwa um die Attribute "Bewaffnung", "Panzerungsstärke" etc. schon sehr bald zum generellen Objekt (Objektklasse) "Kettenfahrzeug" führen. Erst die Ausprägung der Attribute in Form von Daten jedoch führt zum individuellen Objekt, z.B. "Leopard A1".

Weiters wird gezeigt, wie sich eine Funktion zwischen den nun als Faktoren betrachteten Objekten "A" und "B" als Verknüpfungsanweisung zwischen zwei Attributen darstellen lässt - und zwar zwischen den Attributen "Gewicht" bzw. "Tragfähigkeit". Hierzu wird aus Anschaulichkeitsgründen der einfache Fall einer linearen Verknüpfung gewählt: Die im Gelände durch eine Tafel angeschriebene Tragfähigkeit einer Brücke kann z.B. generell um den Faktor "3" ohne bleibende Verformung der Brücke überschritten werden. Die Multiplikation mit der Konstante "3" ist dabei die eigentliche Verknüpfungsanweisung. In der Realität liegen selbstverständlich komplexere Verhältnisse vor, denn es müssen zusätzlich Attribute wie Fahrzeugtyp, Brückenbauart, -zustand usw. berücksichtigt werden.

Satz 2

"Entscheidungsverfahren sind georaumbezogen, wenn sie auf Modellen beruhen, deren Faktoren über Attribute der georäumlichen Verortung verfügen. Betreffen diese Modelle militärische Angelegenheiten und erfordert deren Entwicklung den Einsatz georaumwissenschaftlicher Methoden und Verfahren, dann handelt es sich um Milgeomodelle." Erläuterung: Wenn das Modell "A, B, D" in Abbildung 5 nicht "frei im Raum" schwebt, sondern auf ein räumlich geometrisches Bezugssystem relativiert werden muss, um die internen Funktionen darstellen zu können, so kann - unter diesem Aspekt - das Modell als "Geomodell" bezeichnet werden. Abbildung 7 zeigt die Relativierung auf ein klassisches dreiachsiges Koordinatensystem mit den Achsenbezeichnungen x, y, z. In den Attributtabellen muss nun zusätzlich ein Attribut "Ort" aufscheinen, dessen Ausprägungen (Orts-)Daten die betreffenden Zahlenwerte der drei Achsen darstellen.

"Georaumbezogen" bedeutet, dass die betreffenden Entscheidungsverfahren ohne Berücksichtigung von georäumlichen Verortungsattributen zu keiner Entscheidung führen können. Durch die georäumliche Verortung jedes Modellfaktors im Wege einer eigenen Attributgruppe "Ort im Georaum" werden natürlich zugleich auch "automatisch" alle anderen Attribute der Faktoren sowie damit natürlich die Faktoren selbst verortet.

Die Verortung erfolgt mit Hilfe der bekannten Variablen der Ortsbestimmung. Diese können anthropozentrisch (auf eine Person bezogen), geozentrisch (auf den Himmelskörper Erde bezogen), heliozentrisch (auf das Zentralgestirn unseres Planetensystems bezogen) oder noch weiträumiger orientiert sein. Auch topologische Attribute - also Attribute der gegenseitigen relativen Anordnung von Faktoren - sind zur Verortung geeignet (z.B. "am orografisch rechten Ufer des Flusses"). In jedem Falle sind es letztlich geo-metrische Attribute, weshalb die Silbe "geo-" in weiterer Folge synonym für "verortet", in einer semantischen Steigerungsstufe aber - insbesondere beim "Geomodell" - zugleich für "geowissenschaftlich" (dann, wenn es sich um ein Ergebnis geowissenschaftlicher Arbeit handelt) zum Einsatz gelangt. "Geo" zielt also primär auf "Verortung" und nicht auf den Himmelskörper "Erde" ab!

Milgeomodelle bestehen nun in Analogie zu Satz 1 aus den Elementen Milgeofaktoren, Milgeoattribute, Milgeodaten und Milgeofunktionen. Diese alle sind im Wege geometrischer Attribute verortet und werden in ihrer Gesamtheit in Absatz 1 des Satzes 3 explizit als Gegenstand des Milgeowesens angesprochen.

Mit dem Verweis auf "geowissenschaftliche Methoden und Verfahren" wird die Abgrenzungs- und Definitionsproblematik des Milgeowesens zumindest teilweise in den Bereich der Geowissenschaften "ausgelagert". Da diese sich selbst sehr unterschiedlich definieren, deren Methoden, Verfahren und Erkenntnisse aber ganz generell in allen georaumorientierten Entscheidungsverfahren zum Einsatz gelangen, erscheint eine solche terminologische Auslagerung sachlich gerechtfertigt. Stützt man also die Definition des Milgeowesens in diesem Bereich auf eine externe Variable ab, so fließen damit automatisch immer die letzten geowissenschaftstheoretischen Erkenntnisse in die konkrete Abgrenzung zwischen (nur) "geo" und "geowissenschaftlich" ein. Zugleich wird aber auch ersichtlich, dass triviale, ohne besondere Vorkenntnisse verfügbare Aussagen nicht Gegenstand des Milgeowesens sind. Daraus kann andererseits aber nicht abgeleitet werden, dass es nicht auch einfache, eben nicht auf geowissenschaftlichen Methoden und Verfahren beruhende Aussagen gibt, die das Milgeowesen bereitstellt.

An dieser Stelle soll darauf verwiesen werden, dass natürlich bei weitem nicht alle auf georäumlicher Verortung beruhenden Entscheidungen Angelegenheiten des Milgeowesens sein können. So sind etwa drillmäßig erlernte Handgriffe bei der Waffenhandhabung eine Kette von Handlungen, die auf Grund der gegebenen georäum-lichen Anordnung von Bedienungselementen erfolgen. Diese eher triviale Ebene georäumlicher Entscheidungen ist mithin sicher nicht Gegenstand des Milgeowesens, da es sich hierbei lediglich um lokale Bezugssysteme handelt - die Handgriffe funktionieren unabhängig von ihrem Ort überall gleichartig.

Das Adjektiv "georaumbezogen" schränkt die Gesamtanzahl der militärische Angelegenheiten betreffenden Entscheidungsverfahren in einem ersten Schritt ein. In einem zweiten Schritt wird die verbleibende Menge auf jene Entscheidungsverfahren reduziert, denen Modelle auf Basis (mil-) georaumwissenschaftlicher Methoden und Verfahren zugrunde liegen.

Satz 3

"Dem hiermit befassten Fachdienst obliegen hierzu: 1. Gegenstand: Gesamtheit von Milgeofaktoren, Milgeoattributen, Milgeodaten und Milgeofunktionen.

2. Aufgabe: Entwicklung, Erpro­bung und Verbesserung von Milgeomodellen.

3. Ziel: Einbindung ebenen- und sachdifferenzierter Milgeomodelle in alle einschlägigen Entscheidungsverfahren.

4. Zweck: Qualitätssteigerung aller einschlägigen Entscheidungsverfahren und der daraus resultierenden Entscheidungen." Erläuterung (Abb. 8, 9): Zunächst wird in Übereinstimmung mit dem Konzept "Führungssystem des Österreichischen Bundesheeres" festgelegt, dass die in der Folge aufgelisteten Parameter durch einen "Fachdienst" wahrgenommen werden müssen.

Grundsätzlich können Aufgabe und Gegenstand des Milgeowesens nicht scharf getrennt werden, weil ja erst die Modellbildung zur Festlegung der beteiligten Faktoren und Funktionen führt. Diese Faktoren und Funktionen sind aber ihrerseits Bausteine der Milgeomodelle, für die die entsprechenden Daten bzw. Funktionen (Letztere in Form von Verknüpfungsanweisungen) bereitgestellt werden müssen.

"Entwicklung" und "Erprobung" setzen implizit voraus, dass ein Milgeomodell die komplexe, transintelligible Realität so intelligibel abbildet, dass damit ein bestimmter Zweck erreicht werden kann. Wird dieser Zweck nur mehr in einem tendenziell sinkenden Ausmaß erreicht, muss davon ausgegangen werden, dass sich in der Realität modellrelevante Veränderungen ergeben haben, die somit eine neuerliche Modellbildung bzw. eine Modellmodifikation nahe legen.

Dies ist gleich bedeutend mit der Durchführung eines permanenten "Milgeomonitoring", also der ständigen Beobachtung modellrelevanter Veränderungen in der komplexen Realität und dem Betreiben zweckentsprechender Modellverbesserungen (klassisches Beispiel: Kartennachführung). Allein der Modellzweck bestimmt also die für die Laufendhaltung erforderlichen Maßnahmen und Mittel! Sind diese nicht verfügbar, muss konsequenterweise der Modellzweck eingeschränkt werden; andernfalls wird das logische System gemäß Satz 1 durchbrochen. In jedem Fall ist Milgeomonitoring das Mittel für die "ständige Verbesserung" der Milgeomodelle.

Es gibt also mithin keine genormten Nachführungsintervalle! Nur der Modellzweck und das Modell selbst bestimmen allfällige Intervalle, also den Übergang von kontinuierlichem (Echtzeit-) Monitoring auf diskontinuierliches (Intervall-)Monitoring! Dies gilt nun de facto für Modelle in allen Fachbereichen!

Der Term "Gesamtheit" weist auf die Integrationscharakteristik dieser Gegenstände hin. Eine isolierte Behandlung dieser Elemente ist nicht zielführend - stets muss das Milgeomodell als Aufgabe im Mittelpunkt stehen.

Das Ziel des Fachdienstes ist die Bereitstellung von entscheidungsunterstützenden Modellen für unterschiedliche Entscheidungsebenen - also unterschiedliche Detaillierungsgrade und unterschiedliche Sachbereiche - also unterschiedliche Waffengattungen. Mit dem Term "einschlägig" wird auf die o.a. georaumbezogenen (und nur diese!) Entscheidungsverfahren abgezielt.

Die (aktive) Integration der Milgeomodelle in die militärische Angelegenheiten betreffenden, georaumbezogenen Entscheidungsverfahren steht als Ziel quasi gleich berechtigt neben der Aufgabe der Modellentwicklung, Modellerprobung und Modellverbesserung! Das Milgeowesen ist also nicht lediglich ein "fachdienstliches Auskunftssystem", sondern wirkt aktiv am Zustandekommen von Entscheidungen mit, weil es hierzu in Form der Milgeomodelle über kausaldeterministische Instrumentarien (die Funktionen zwischen den Faktoren) verfügt. Der erreichbare Grad an Entscheidungsdeterminismus variiert selbstverständlich in Abhängigkeit von der Qualität der Modellbildung, kann sich aber durchaus bis zur 100%igen Sicherheit erstrecken! Mit dieser "aktiven" Entscheidungsunterstützung wird nun aber auch ein Beitrag zur organisatorischen Positionierung des Fachdienstes geleistet. Denn wo kann etwa im System der militärischen Stabsgliederung derzeit am Zustandekommen von Entscheidungen aktiv mitgewirkt werden? Nur in der Führungszelle, und in dieser sind nur die Führungsgrundgebiete 2 und 3 vertreten. Der internationale Trend lässt deshalb folgerichtig eine Verankerung des Milgeowesens im Bereich des Führungsgrundgebietes 2 erkennen und müsste daher einer dementsprechenden Diskussion zugeführt werden.

Ausgangspunkt ist die aus Abb. 4 bekannte Situation - der Geo-raum. In ihm spielen sich alle Aktivitäten ab. Nun wird daraus jene Teilmenge isoliert, in der beispielsweise die Aktivitäten der Waffengattung "Pionierwesen" stattfinden, und innerhalb dieses Bereiches wiederum jene Teilmenge, in der die Aktivitäten der Führungsebene "Kompanie" stattfinden. Dies führt zum "Milgeomodell Pionierkompanie", mit Hilfe dessen die Aufgaben einer Pionierkompanie - wiederum im Georaum - gelöst werden. Ist dies erfolgreich, dann ist das Milgeomodell adäquat, wenn nicht, wird es im Sinne eines Regelkreises (in der Abbildung also im Uhrzeigersinn) optimiert. Dieser Vorgang ist repräsentativ für alle Arten von Lernvorgängen.

Als Zweck des Fachdienstes wird die Qualitätssteigerung von Verfahren und Ergebnissen beschrieben. Für die Qualität der letztlich angenommenen Entscheidung ist in jedem Falle der entscheidungsbefugte Kommandant selbst verantwortlich. Der Fachdienst wird durch seine Vor- und Zuarbeiten jedoch immer auch diese Qualität der letztlich getroffenen Entscheidung maßgeblich mitgestalten!

Satz 4

"Sämtliche zur Aufgabenbewältigung, Zielerreichung und Zweckerfüllung dieses Fachdienstes erforderlichen organisations-, produktions- und informationsbezogenen Einrichtungen und Maßnahmen werden unter der Bezeichnung ‚Militärisches Geowesen‛ zusammengefasst." Erläuterung: Nach Definition von Gegenstand, Aufgabe, Ziel und Zweck des Fachdienstes kann dieser nunmehr auch begrifflich "geschaffen" werden. Es wird hierbei zwischen mehr oder weniger konstanten Elementen (Maßnahmen wie z.B. Einrichtung von Infrastruktur) und variablen Elementen (Maßnahmen wie z.B. Arbeitsprozessen) unterschieden. Innerhalb dieser beiden Elementgruppen werden - fachdienstorientierte organisatorische, - ergebnisorientierte produktionsbezogene und - verbreitungsorientierte informationsbezogene Aktivitäten unterschieden, die sich in weiterer Folge auch in der gesamten Regelwerksystematik abbilden werden.

Der unbestimmte Ausdruck "Wesen" umfasst die Gesamtheit aus Einrichtungen und Maßnahmen, der Ausdruck "Geo-" steht in Übereinstimmung mit den in Satz 2 festgelegten Aussagen, der Ausdruck "Militärisches" ordnet den Fachdienst dem Militärwesen zu.

Das Milgeowesen ist also einerseits im Geowesen, andererseits im Militärwesen verankert und steht somit an der Schnittstelle der beiden Faktoren- und Funktionengruppen Milwesen und Geowesen.

Fachdienstliche Standardkenntnisse für alle Führungsebenen und Waffengattungen werden ausbildungsseitig im Rahmen der Ausbildungsressourcen des Bundesheeres vermittelt. Erhöhter quantitativer Bedarf kann ggf. durch Personalaufstockung aus dem Ressortbereich abgedeckt werden. Erhöhter qualitativer Bedarf hingegen erfordert Maßnahmen fachdienstlicher Spezialausbildung, die - teilweise durch das Bundesheer selbst (z.B. Fachdienstelemente, wie IMG), - teilweise jedoch nur durch Bildungsressourcen aus dem zivilen Bereich beigebracht werden können (akademische Ausbildung).

Zusammenfassend lässt sich nunmehr das Basisregelwerk Militärisches Geowesen wie folgt darstellen: "Dieses Basisregelwerk beschreibt wesensbestimmende Merkmale georaumbezogener, militärische Angelegenheiten betreffender Entscheidungsverfahren, leitet davon Gegenstand, Aufgabe, Ziel, Zweck und Begriff des ‚Militärisches Geowesen‛ (Milgeowesen) ab und bildet damit die Grundlage eines umfassenden fachdienstlichen Regelwerksystems.

1. Entscheidungsverfahren beruhen auf entscheidungsorientierten, vereinfachenden Modellen komplexer Systeme. Diese Modelle bestehen aus Faktoren und Funktionen. Faktoren werden durch Attribute, deren Ausprägungen durch Daten beschrieben. Funktionen sind Verknüpfungsanweisungen für Attribute verschiedener Faktoren.

2. Entscheidungsverfahren sind georaumbezogen, wenn sie auf Modellen beruhen, deren Faktoren über Attribute der räumlichen Verortung verfügen. Betreffen diese Modelle militärische Angelegenheiten und erfordert deren Entwicklung den Einsatz georaumwissenschaftlicher Methoden und Verfahren, dann handelt es sich um Milgeomodelle.

3. Dem hiermit befassten Fachdienst obliegen hierzu: Gegenstand: Gesamtheit von Milgeofaktoren, Milgeoattributen, Milgeodaten und Milgeofunktionen.

- Aufgabe: Entwicklung, Erprobung und Verbesserung von Milgeomodellen.

- Ziel: Einbindung ebenen- und sachdifferenzierter Milgeomodelle in alle einschlägigen Entscheidungsverfahren.

- Zweck: Qualitätssteigerung aller einschlägigen Entscheidungsverfahren und der daraus resultierenden Entscheidungen.

4. Sämtliche zur Aufgabenbewältigung, Zielerreichung und Zweckerfüllung dieses Fachdienstes erforderlichen organisations-, produktions- und informationsbezogenen Einrichtungen und Maßnahmen werden unter der Bezeichnung "Militärisches Geowesen" zusammengefasst."

Schlussfolgerungen/Handlungsanweisungen

Die vollständige Bereitstellung sämtlicher für georaumorientierte, militärische Angelegenheiten betreffende Entscheidungsverfahren erforderlichen Daten ist grundsätzlich nie möglich. Immer sind geeignete Entscheidungsverfahrensmodelle zu bilden, die nur mehr die wesentlichen Faktoren und Funktionen aus der Realität extrahieren und daher zu einem wesentlich reduzierten Bedarf an entsprechenden Daten führen. Im hierfür erforderlichen Modellbildungsprozess liegt die Hauptaufgabe jeder fachdienstlichen Aktivität. In ihrem Zentrum steht die Erkenntnis von Art und Umfang wechselseitiger kausaldeterministischer Verknüpfungen der beteiligten Faktoren.

Milgeomodellentwicklungsprozesse erfordern den Einsatz militärgeowissenschaftlicher Methoden und Verfahren. Dies impliziert eine entsprechende fachdienstliche Organisation (als Basis des Fachdienstes bzw. eines weiteren, bereichsübergreifenden Führungsgrundgebietes) mit geowissenschaftlich orientierten personellen und entsprechend unterstützenden materiellen Ressourcen, die den im militärischen und zivilen Umfeld üblichen Standards anzugleichen sind.

Aufgabe des Milgeowesens ist schlussendlich das aktive Einbringen von Entscheidungsunterstützungen im weiteren Sinne in sämtliche georaumbezogene, militärische Angelegenheiten betreffende Entscheidungsverfahren zwecks Optimierung der erreichbaren Entscheidungsqualitäten und Sicherstellung einschlägiger Erklärungs- und Prognosefähigkeiten.

ANMERKUNGEN:

(Fußnote 1/FN1) Reinhard Mang, Hermann Häusler: "Das MilGeoWesen im Militärischen Entscheidungssystem" und "Das Militärische Geo-Wesen, eine Standortbestimmung".

(FN/2) "Pluralitas non est ponenda sine necessitate. Frustra fit per plura quod potest fieri per pauciora. Entia non sunt multiplicanda sine necessitate." - Sehr frei übersetzt: Weniger ist oft mehr! Dieses Zitat ist bei Ockham nicht nachweisbar, wird aber als "Ockhams Rasiermesser" bezeichnet.

Mag. Dr. Reinhard Mang

Geb. 1950; Brigadier; 1970 Matura; 1974 Leutnant der Reserve; 1971-1979 Studium Studienrichtung Geografie, Studienzweig Kartografie am Institut für Geografie der Universität Wien; 1977 Sponsion; 1979 Promotion; 1979 Eintritt in das Bundesheer als VB/Ia an der Landesverteidigungsakademie (LVAk) mit Dienstverwendung im BMLV (Milgeowesen); 1984 Übernahme in den aktiven militärischen Dienst; 1987 Stellvertretender Leiter des selbstständigen Referates a "Militärisches Geo-Wesen" der Führungsabteilung im BMLV; 1991-1993 Teilnahme am ersten Hochschulkurs "Geoinformationswesen" der Technischen Universität Wien, Abschluss mit der Berufsbezeichnung "Akademisch geprüfter Geoinformationstechniker"; 1993 Betrauung mit der Leitung Fü/Ref a "Militärisches Geo-Wesen"; 1997 Gründung des IMG, Übernahme der Leitungsfunktion; 2002 Ltr IKT-Dion/Milgeowesen.



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Satellitenbildkarte 1:100.000 Sri Lanka, Raum Galle.
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Digitales Oberflächenmodell als Ergebnis eines Laserscans.
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Stadtplan Khartum.
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Objekte und Relationen.
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Faktoren und Funktionen.
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Funktionen als Verknüpfungsanweisungen von Attributen.
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Geomodelle.
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Gegenstand des Milgeowesens.
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Aufgabe des Milgeowesens.
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Ziel des Milgeowesens.
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