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Georg Reichsfreiherr von Derfflinger

Der Generalfeldmarschall des "Großen Kurfürsten"

In Österreichs Streitkräften machten viele, nicht im Habsburgerreich geborene Offiziere Karriere als Heerführer. Nur wenige Altösterreicher hingegen verließen die habsburgischen Lande und wurden im Ausland bedeutende Feldherren. Der bekannteste ist Georg Reichsfreiherr von Derfflinger.

Nicht auf dem habsburgischen Territorium geborene Offiziere, die in Österreichs Streitkräften Karriere machten, sind z. B. Prinz Eugen von Savoyen, der hochadelige Franzose italienischer Abstammung, oder dem aus Livland (Gebiet von Estland und Lettland; Anm.) stammenden Gideon Ernst von Laudon. Aufstieg in die höchsten Ränge des Militärs, ja sogar zum Berater und Freund des jeweiligen Herrschers, gehört zu ihrer Glorie sowie zu ihrem Mythos.

Aufstiege von im Habsburgerreich geborenen Nicht-Adeligen aus dem "Nichts" bis in maßgebliche Positionen der österreichischen Streitkräfte waren kaum möglich. Nahezu unmöglich war es für einen im Habsburgerreich geborenen Menschen nicht-adeliger Herkunft, in einer ausländischen Armee eine Spitzenposition in der militärischen Hierarchie zu erlangen. Hatte man nicht die weitverzweigten Verbindungen einer (hoch-)adeligen Verwandtschaft, schien eine Karriere als Feldherr gänzlich ausgeschlossen.

Dennoch gelang es Derfflinger, einem protestantischen Oberösterreicher bäuerlicher Herkunft, diese gesellschaftliche Norm zu durchbrechen und eine im wahrsten Sinne des Wortes legendäre Karriere zu machen - allerdings nicht in einer der Armeen der Großmächte des 17. Jahrhunderts wie Schweden oder Frankreich, sondern im Heer des Kurfürstentums Brandenburg-Preußen, einem Kleinstaat im Nordosten des Heiligen Römischen Reiches.

Herkunft

Georg Derfflinger stammte aus Neuhofen an der Krems (Oberösterreich, Bezirk Linz-Land), sein genaues Geburtsdatum ist unsicher - wahrscheinlich hat er aber am 10. März 1606 das Licht der Welt erblickt. Anders als die meisten seiner Altersgenossen erhielt der Bauernsohn Georg - in der Zeit der Gegenreformation - eine protestantische Schulbildung im Ort und eine Zusatzausbildung durch seinen Schwager und Theologen, dem späteren Nürnberger Universitätsprofessor Christophorus Crinesius (1584 - 1629). Über den Verlauf von Derfflingers Jugend gibt es nur Vermutungen. Nach Carl Friedrich Paulis (1723 -1778) Buch "Leben großer Helden" wuchs Derfflinger heran "in Gottesfurcht und Redlichkeit, und sein Vater, um niemanden zu beschweren, ließ ihn Schneider werden." Theodor Fontane tradierte Gerüchte wie diese weiter. Dass Derfflinger das Schneiderhandwerk erlernt habe, wie es in der Dichtung (Pauli, Fontane) und im Volksliedgut überliefert wird, ist übrigens falsch - ebenso die Legende, dass bei der Belagerung von Stettin im Herbst 1678 die Verteidiger eine Fahne mit einer Schneiderschere aufgehängt haben, um Derfflinger zu verspotten ("… die Stettiner hatten sich unterfangen, eine Schere ausgehangen, dem Feldmarschall nur zum Hohn …").

Aufgrund der immer schwierigeren Situation für die oberösterreichischen "Lutheraner" zog die streng protestantische Familie Derfflinger nach Böhmen. Schon zwei Jahre zuvor (um 1620) hatte der vierzehnjährige Georg Derfflinger Neuhofen verlassen, um in das Heer des (protestantischen) böhmischen Grafen Thurn einzutreten.

Bei Thurn und den Schweden

Ob der Vierzehnjährige beim Eintritt in die Dienste des Grafen Thurn bereits als Soldat verwendet wurde, ist zu bezweifeln - vermutlich begann er seine Militärlaufbahn als Trossknecht. Beim Reiterregiment des Grafen erlebte er 1620 die Schlacht am Weißen Berg bei Prag, in der die kaiserlichen Truppen die protestantischen vernichteten und die das Schicksal Böhmens über Jahrhunderte hinaus entschied. Bis ca. 1630 diente Georg Derfflinger vermutlich weiter unter Thurn und danach bei den Sachsen. 1632 angeworben, trat er in ein schwedisches Regiment als Hauptmann ein. 1635 wurde er - nunmehr bereits Oberstleutnant - mehrmals zu "Besorgungszügen" abkommandiert, was de facto nichts anderes bedeutete als Plündern.

Ab 1635 im Gefolge des Generalfeldmarschall Baner, wurde Derfflinger 1639 bereits zum Oberst und 1643 zum Generalmajor der protestantischen Schweden befördert. Der junge Offizier nahm an mehreren Gefechten sowie an diplomatischen Missionen (auch in Siebenbürgen) teil. Nach dem Frieden von Münster und Osnabrück ("Westfälischer Friede", 1648 - Ende des Dreißigjährigen Krieges; Anm.) verließ Georg Derfflinger die schwedischen Dienste.

In preußischen Diensten

Georg Derfflinger heiratete 1646. Er und seine Frau Margaretha, eine geborene von Schapelow, standen danach vor einer schwierigen Situation. Als Soldat abgedankt und nur mit einer geringen Pension aus Schweden versorgt, musste sich Derfflinger um ein anderes, dauerndes, ausreichendes Einkommen bemühen: 1649 baute er deshalb das von ihm erworbene Gut Gusow in Brandenburg (heute Gusow-Platkow, Landkreis Märkisch-Oberland in Brandenburg, Deutschland) zu einem landwirtschaftlichen Betrieb aus.

Trotz des Westfälischen Friedens blieb die Lage im zerstörten und verarmten Preußen prekär - vor allem aufgrund der Großmachtpolitik Schwedens. Der Landesherr Friedrich Wilhelm - bekannt als der "Große Kurfürst" - baute gegen diese Gefahr ein stehendes Heer auf und warb dafür kriegsgediente Offiziere an. 1655 trat der nunmehr 49-jährige Derfflinger als Generalwachtmeister in die Dienste des preußischen Kurfürsten.

Als der schwedisch-polnische Konflikt zu einem Krieg wurde (dem Zweiten Nordischen Krieg, 1655 - 1661; Anm.), befand sich Brandenburg-Preußen in unmittelbarer Gefahr, war doch das Herzogtum Preußen ein polnisches Lehen. Der Kurfürst entschloss sich daher zu einem Bündnis mit Schweden und das kurfürstliche Heer, an dessen Aufbau Derfflinger maßgeblich beteiligt war, kämpfte in der Schlacht bei Warschau 1656 gegen die Polen. Der "Große Kurfürst" war mit seinem aus Oberösterreich stammenden Befehlshaber so zufrieden, dass er ihn zum Generalleutnant der Kavallerie ernannte.

Während des schwedisch-polnischen Krieges wurde dem - über eine schlagkräftige Truppe verfügenden - Kurfürsten von beiden Seiten die Souveränität Preußens zugesichert - von Schweden für den Verbleib auf schwedischer Seite und von Polen für den Seitenwechsel. Friedrich Wilhelm wechselte (mit dem Vertrag von Wehlau vom 19. September 1657) von der schwedischen auf die polnische Seite und wurde 1660 (mit dem Frieden von Oliva) endgültig Souverän von Preußen. Derfflinger hatte seinen Landesherrn auf den Feldzügen begleitet und als Generalfeldzeugmeister eine schlagkräftige preußische Artillerie aufgebaut.

Nach dem Friedensschluss wurde die Armee auf 7 400 Mann reduziert. Derfflinger wurde Gouverneur von Elbing (heute Elblag, Polen) und später märkischer Statthalter. Doch der Friede währte nicht lange. Bereits 1665 warb der 59-jährige Generalleutnant wieder Truppen an, diesmal um einer englischen Bedrohung des Fürstentums Kleve am Niederrhein zu begegnen. Derfflinger selbst zog aber nicht ins Feld, sondern kommandierte die "Direktion über das Militärwesen", zu deren Aufgaben u. a. der Nachschub und die Personalanwerbung gehörten.

Nach 1668 kam es zu Differenzen zwischen dem Kurfürsten und Derfflinger, der sich durch die Ernennung des jüngeren Fürsten von Anhalt zum Generalfeldmarschall übergangen fühlte. 1670 erfolgte die Aussöhnung - verbunden mit der Ernennung Derfflingers zum Generalfeldmarschall. Zu dessen Aufgaben zählten jedoch nicht nur militärische, wie etwa die Teilnahme am (eher unglücklich verlaufenen) Rheinfeldzug gegen Frankreich, sondern auch heikle diplomatische Missionen. So reiste er 1674 nach Den Haag (Niederlande), um Hilfsgelder für preußische Einheiten zu erlangen. An seinem 68. Geburtstag wurde der Bauernsohn auf Betreiben des Kurfürsten Reichsfreiherr (Georg Reichsfreiherr von Derfflinger).

Rathenow und Fehrbellin

Als im Holländischen Krieg (einem "gesamteuropäischen" militärischen Konflikt von 1672 - 1679; Anm.) der französische König Ludwig XIV. in die mit Brandenburg-Preußen verbündeten "Vereinigten Niederlande" einmarschierte, ließ sich Schweden, der östliche Nachbar des Kurfürsten, 1675 von Frankreich durch massive Zahlungen ebenfalls zum Kriegseintritt bewegen. Weil aber Preußens Armee im Kampf mit den Franzosen am Rhein stand, konnte den Schweden unter Carl Gustav Wrangel in Preußen nur wenig entgegengesetzt werden.

In Eilmärschen über ca. 500 km zog Derfflinger deshalb innerhalb von 14 Tagen mit den kurfürstlichen Truppen vom Rhein nach Magdeburg. Am 15. Juni 1675 vertrieb er die Schweden aus der Stadt Rathenow und am 29. Juli kam es zum Gefecht bei Fehrbellin, das mit einer Niederlage der Schweden endete. Damit endete auch die unmittelbare schwedische Bedrohung Preußens. Das Gefecht bei Fehrbellin festigte endgültig den Ruf von Generalfeldmarschall Georg Reichsfreiherr von Derfflinger, hatten doch seine Reiter - mit ihm an der Spitze - die Entscheidung herbeigeführt.

Der Kampf gegen Schweden ging jedoch weiter. Stralsund und Stettin (dessen Belagerung durch Derfflinger sogar Eingang in ein Volkslied fand; siehe Kasten) fielen in preußische Hand und Rügen wurde den Schweden wieder entrissen. Georg von Derfflinger nahm an den meisten Operationen selbst teil, jedoch machten sich bei dem 69-Jährigen gesundheitliche Probleme bemerkbar. Sein Abschiedsgesuch lehnte der "Große Kurfürst" aber entschieden ab.

1678 rückten schwedische Truppen wieder in Ostpreußen ein, gegen die der Kurfürst einen (damals unüblichen) Winterfeldzug führte: Eine kleine preußisch-brandenburgische Armee überquerte mit Schlitten das zugefrorene Kurische Haff und vertrieb die Schweden aus dem Herzogtum. Trotz der Siege Friedrich Wilhelms und seines Feldmarschalls blieb der erhoffte Gebietsgewinn aus. Im Frieden von Saint-Germain (1679) mussten Vorpommern und Stettin an Schweden zurückgegeben werden.

Zu alt für den Dienst im Felde

Derfflinger zog sich danach immer öfter auf sein Gut in Gusow zurück. Zu alt für den Dienst im Felde übernahm er nun Verwaltungsaufgaben. 1686 war er maßgeblich daran beteiligt, dass ein preußisches Hilfskorps die Österreicher im Kampf gegen die Türken unterstützte. Ein Sohn Derfflingers fiel bei der Belagerung von Budapest.

Am 4. März 1695 starb Generalfeldmarschall Reichsfreiherr von Derfflinger im Alter von 89 Jahren in Gusow.

Bedeutung

Derfflingers Leistung bestand nicht nur in seinen siegreichen Feldzügen, sondern vor allem in organisatorischen Maßnahmen zum Aufbau eines stehenden Heeres in Brandenburg-Preußen. Damit und durch das Zurückdrängen der regionalen Großmacht Schweden im Ostseeraum konnte sich Brandenburg-Preußen als regionaler Machtfaktor etablieren. Die Nachfolger des "Großen Kurfürsten" gingen diesen Weg weiter und machten das kleine Land im 18. und 19. Jahrhundert zur Großmacht. Der oberösterreichische Bauernsohn Derfflinger hatte am Aufstieg Preußens einen maßgeblichen Anteil.


Autor: Mag. Martin Prieschl, Jahrgang 1976. 2004 Wehrdienst im Panzergrenadierbataillon 13, Angehöriger des Milizbataillons Oberösterreich. Studium der Rechtswissenschaft und Geschichte an der Universität Salzburg. Abschluss in Geschichte 2003 mit Auszeichnung; Auszeichnung des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst für die besten Studierenden 2003/2004; Ausbildung zum Archivar am Institut für Österreichische Geschichtsforschung und der Fachhochschule Potsdam (Archiv, Bibliothekswesen, Dokumentation); Dissertation an der Universität Wien. Neben zahlreichen Publikationen u. a. Tätigkeiten im Verlagswesen; Hospitant im Kriegsarchiv; im Haus-, Hof- und Staatsarchiv und im Parlamentsarchiv sowie als Koordinator und Mitgestalter der Ausstellung "Liberale Politik in Österreich" (Parlament 2006). Seit März 2007 Archivbeauftragter der Evangelischen Kirche A und HB sowie Archivar der Diözesen Niederösterreich und Salzburg-Tirol. Seit 2009 Geschäftsführer der Firma Archivtechnik & Systeme.

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