HIV-Prävention im Österreichischen Bundesheer
"Schutz und Hilfe" - auch im Kampf gegen AIDS
"Ich war Soldat, und ich kenne keinen gefährlicheren Feind im Krieg als AIDS" warnte der Golf-Kriegsveteran US-Außenminister Colin Powell. Eine der wirksamsten Waffen gegen AIDS ist die rechtzeitige und umfassende HIV/AIDS-Aufklärung, wie sie z. B. gemeinsam mit der Steirischen AIDS-Hilfe im Bereich des Militärkommandos Steiermark und an der Theresianischen Militärakademie durchgeführt wird.
"Schwule und Lesben - in die erste Reihe!" So und ähnlich witzelten Militärakademiker noch bei Beginn des ersten Workshops "HIV-Prävention im Österreichischen Bundesheer" an der Theresianischen Militärakademie im Sommersemester 2001. Es gab gute Gründe, das bereits im Bereich des Militärkommandos Steiermark erfolgreiche HIV-Präventionsprojekt auch an die Militärakademie zu holen:
- die Verbreitung und die Auswirkungen dieser immer noch unheilbaren Erkrankung eskalieren weltweit;
- die Kommandantenverantwortung und die Verpflichtung zur Fürsorglichkeit gegenüber den unterstellten Soldaten.
Künftige Führungskräfte müssen sich deshalb bereits in ihrer Basisausbildung mit diesem Gefahrenbereich auseinandersetzen. Ansonsten erkennen sie vielleicht zu spät, welche Maßnahmen zur Minimierung von HIV-Infektionsrisiken und damit zur Erhaltung der Gesundheit und Einsatzfähigkeit ihrer unterstellten Soldaten zu veranlassen sind - vor allem im Auslandseinsatz. Auch soll ein ausreichendes Verständnis für die Notwendigkeit der HIV-Präventionsarbeit im Bundesheer und darüber hinaus im außerdienstlichen Bereich geschaffen werden.
Der UN-Sicherheitsrat hat sich schon mehrmals mit AIDS befasst. Er beurteilte im Jänner 2001 AIDS als wachsende Bedrohung für Sicherheit und Frieden, denn "AIDS gehört mittlerweile indirekt zu den auslösenden Faktoren für bewaffnete Konflikte und trägt zur Verschärfung der allgemeinen Notlage bei. AIDS führt zu ernsthaften Gefährdungen der politischen Stabilität ganzer Regionen." (Peter Piot, Generaldirektor von UNAIDS, dem Anti-AIDS-Programm der Vereinten Nationen).
Es sei viel wahrscheinlicher, dass Blauhelmsoldaten sich "mit HIV infizieren, als dass sie bei militärischen Aktionen getötet werden", war bereits 1998 in UN-Dokumenten zu lesen (Quelle: Wiener Zeitung vom 19. Juli 2001). Außerdem trugen Soldaten in Friedenseinsätzen oftmals zur Verbreitung von HIV in der jeweiligen Krisenregion bei. Aus diesen Gründen reagierte das UN-Departement of Peacekeeping Operations mit zahlreichen Maßnahmen, wie z. B. der Herausgabe von Richtlinien (Policy Guidelines on HIV/AIDS Prevention and Control for UN Military Planners and Commanders).
"Ich war Soldat, und ich kenne keinen gefährlicheren Feind im Krieg als AIDS" warnte auch Colin Powell, US-Außenminister und General im Zweiten Golf-Krieg. Diese und ähnliche Warnungen sollten nicht ungehört verhallen. Denn es geht darum, österreichische Soldaten, vor allem aber die Kommandanten für diese Gefahr zu sensibilisieren - auch gegen mögliche anfängliche Ressentiments.
Ein erfolgreiches Projekt
Die Steirische AIDS-Hilfe startete im August 1998 auf Einladung durch einen Offizier ein Präventionsprojekt im Österreichischen Bundesheer. Die Pilotphase im ersten Halbjahr 1999 mit dem Kader des damaligen Versorgungsregimentes 2 und den SFOR-Truppen brachte äußerst positive Rückmeldungen. Deshalb beschlossen der (damalige) Kommandant des Militärkommandos Steiermark, Divisionär Manner, und die Verantwortlichen der Steirischen AIDS-Hilfe, Frau Dr. Fleck und Frau Mag. Schlemmer, das Projekt weiterzuführen und auszudehnen.
Im Dezember 1999 folgte als nächster Schritt die Schulung der Kasernenkommandanten. Diese erhielten neueste Informationen zu HIV/AIDS, aber auch psychosoziale Aspekte waren Teil der Schulung, bis hin zum richtigen Verhalten gegenüber HIV-positiven Menschen. Alle Kommandanten zeigten Interesse für Vorträge bei ihrem Kaderpersonal. Dieser Fortbildungsbedarf wird in den nächsten Jahren durch die Steirische AIDS-Hilfe sukzessive abgedeckt.
Inhalt und Ziele
Eines der wichtigsten Ziele dieser Projekte ist es, gerade jene Männer zu erreichen, die in der Schule noch gar nichts und später nur sehr wenig über HIV gehört haben. Zudem bewirken derartige Projekte über die erfassten Rekruten auch eine vermehrte Regionalisierung der HIV-Prävention. So wurden in der Steiermark allein in den ersten beiden Projektjahren in allen Kasernen zwei- bis dreistündige Workshops durchgeführt. Dabei wurden mehr als 500 steirische Kadersoldaten sowie zirka 500 KFOR-/SFOR-Soldaten informiert. Die Rückmeldungen waren ausgesprochen positiv und zeugen darüber hinaus vom großen Interesse an der Thematik.
Pro Jahr rücken in der Steiermark tausende Soldaten ein. Um diese möglichst umfangreich zu informieren, wurde ein Gesundheits- und Informationspaket zusammengestellt: eine bunte Hartkartonmappe, bestückt mit einem Kondom, Materialien zu HIV/AIDS sowie Informationsbroschüren zu Hepatitis, sexuell übertragbaren Erkrankungen, Alkohol und Sucht. Die Finanzierung und Beschaffung der Broschüren für 5 000 Mappen übernahm die Steirische AIDS-Hilfe. Das Militärkommando sorgte für deren Befüllung und Verteilung im Zuge der entsprechenden Informationen der Soldaten z. B. durch die Sanitätsunteroffiziere.
Die Ausgabe dieser Gesundheitsmappen ist mit einer einstündigen Information zu HIV/AIDS gekoppelt, und zwar als Ergänzung zur Erste-Hilfe-Ausbildung. Mehr als 40 Sanitätsunteroffiziere und freiwillige Kadersoldaten wurden bereits als "Multiplikatoren" ausgebildet. Sie halten als Ergänzung zur Erste-Hilfe-Ausbildung die einstündigen Informationen zu HIV/AIDS ab. Die Quantität der Vorträge und die Ausgaben der Mappen werden über einen Befehl zur Rückmeldung durch das Militärkommando Steiermark kontrolliert. Für die "Multiplikatoren" wird eine jährliche Fortbildung angeboten.
Auch an der Theresianischen Militärakademie wichen die eingangs gemachten Bemerkungen einiger Militärakademiker schnell dem Interesse an den gebotenen Inhalten, und die Evaluierung ergab auch dort ein äußerst positives Feedback aller Workshopteilnehmer. Denn Information bedeutet Reduktion der Angst, weniger Angst bedeutet weniger Vorurteile, weniger Vorurteile ermöglichen einen offeneren Zugang zu einem Thema, welches ansonsten tabuisiert wird. Gerade das Thema HIV/AIDS bedarf aber letztlich der Enttabuisierung, um das Infektionsrisiko zu senken - im Privatleben wie im Dienst. Denn die Krankheit wird keineswegs nur beim Geschlechtsverkehr übertragen - auch Soldaten, die z. B. im Auslandseinsatz HIV-infizierten Verletzten Hilfe leisten, sind in Gefahr.
Auf einen Blick
Zur HIV/AIDS-Vorbeugung ist im Bereich des Militärkommandos Steiermark und der Theresianischen Militärakademie also bereits viel geschehen. Darüber hinaus ist das Thema auch ständig in den Medien präsent.
Selbst wenn verantwortungsbewusste Offiziere und Kommandanten im Inland, vor allem aber im Auslandseinsatz dadurch auch nur einen einzigen Menschen vor der tödlichen Infektion bewahren, haben sich die Bemühungen bereits gelohnt. In diesem Zusammenhang sollte der "Schutz und Hilfe"-Leitsatz des Österreichischen Bundesheeres "Wir helfen dort, wo andere nicht mehr können" leicht abgewandelt Anwendung finden: "Wir schützen (uns) dort, wo (uns) andere nicht mehr helfen können!" Die Präventionsarbeit muss daher unermüdlich weitergehen. Nicht umsonst fordern die Vereinten Nationen von den Streitkräften nachdrücklich, Maßnahmen zur AIDS-Prävention zu setzen! Das Modell "Militärkommando Steiermark und AIDS-Hilfe" sollte zum Vorbild für alle Militärkommanden werden. Mit der unverzichtbaren Bewusstseinsbildung über das Infektionsrisiko wäre so ein bemerkenswertes Öffentlichkeitsecho verbunden, können doch jene Organisationen, die AIDS-Präventionsmaßnahmen durchführen, dabei mit hoher Zustimmung in der Bevölkerung rechnen. Diese Chance sollte das Österreichische Bundesheer nicht ungenützt lassen.
Autor: Oberst dhmfD Mag. Erwin Krall, Jahrgang 1957. Als Pionieroffizier 1980 zum Landwehrstammregiment 52 ausgemustert, danach bis 2002 in verschiedenen Kommandanten- und Stabsfunktionen, u. a. an der Pioniertruppenschule, im Versorgungsregiment 2 und im Militärkommando Steiermark sowie als Fachbereichsleiter Pädagogik & Fremdsprachen an der Theresianischen Militärakademie tätig. 1991 bis 1996 Studium der Erziehungswissenschaften in Graz. Zahlreiche Spezialausbildungen und Kurse im pädagogischen Bereich, Auslandsverwendung bei AUSCON/UNFICYP. 2002 Versetzung ins Führungsgrundgebiet 7/Ausbildung A, derzeit Kommandant des 14. Intendanzlehrganges an der Landesverteidigungsakademie.