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Aktuelles Weltgeschehen: Nordkorea - mit anderem Maß gemessen?

Die Vereinigten Staaten von Amerika scheinen ihre Gegner mit unterschiedlichem Maß zu bewerten und extrem differenziert zu behandeln. Auf der einen Seite gehen sie mit einer unbeugsamen und kriegerischen Haltung gegen den Irak vor, auf der anderen Seite wollen sie bloß Druck gegenüber Nordkorea ausüben. Die Skala der Mittel reicht von diplomatischen Handlungen bis zur Androhung von Gewalt. Schließlich sollen politische und wirtschaftliche Maßnahmen Pjöngjang zum Einlenken bewegen. Beide Staaten verstoßen jedoch massiv gegen internationales Recht. Höhnische Stimmen meinen, der Grund für diese Ungleichbe­hand­lung liege in dem Umstand, dass Nordkorea eben kein Erdölvorkommen aufweise und deshalb für die USA weniger von Bedeutung sei. Doch dies dürfte ein gewaltiger Irrtum sein.

Kampf gegen Proliferation und Terror

Mit dem Ende der bipolaren Weltordnung, zu Beginn der neunziger Jahre, trat eines der Hauptanliegen der USA be­sonders in Erscheinung: die effektive Kontrolle der Nichtweiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen und des Transfers von Ra­ketentechnologien, verbunden mit Teststopp-Abkommen, um vor allem die Gefahr von atomaren regionalen Konflikten zu vermeiden. Mit dem 11. September des Jahres 2001 rückte der Kampf gegen den internationalen Terrorismus in den Vordergrund.

Irak wie auch Nordkorea verstoßen gegen diese US-Interessen. Saddam Hussein hatte bereits 1991 ein weit entwickeltes Nuklearprogramm und ist bis heute bestrebt, neuerlich Atomwaffen zu bauen. Sein Bestreben, weitreichende Raketen zu erlangen, hörte Ge­heim­dienst­in­for­ma­tionen nach nie auf. Nordkoreas Führer Kim Jong Il hat das Versprechen der Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen gebrochen, das er 1994 den USA, Japan und Südkorea gegeben hat. Er selbst bekannte öffentlich, dass er nach Abgabe dieses Versprechens ein geheimes Atom­waffenprogramm auflegte. Seine Techniker haben ballistische Raketensysteme konstruiert, die auch zum Großteil exportiert werden. Diese sind mittler­wei­le so weit entwickelt, dass mit "Taepo Dong" 2 sogar ein Inter­kon­ti­nentalsystem mit 5 000 Kilometern Reich­weite zur Verfügung steht. Damit geraten die USA selbst in Gefahr, von nordkoreanischen Raketen getroffen zu werden.

Waffeninspektoren, in Nordkorea jene der Internationalen Atomenergieor­ga­nisation (IAEO), im Irak jene der UNO, wurden von beiden Staaten an der Erfüllung ihres Auftrages gehindert und des Landes verwiesen. Aller­dings lässt Saddam Hussein seit kurzer Zeit eine neuerliche Inspektion, aber nur aufgrund des massiven militärischen Drucks seitens der USA zu. Schließlich wird über beide Länder gesagt, sie unterstützten Terroristen.

Diktaturen

Beide Staaten haben ein politisches System, das menschenverachtend, totalitär, unberechenbar und korrupt ist. Gewalt jeder Art - auch gegen andere Staaten - ist ihnen nicht fremd. Der Irak hat den Iran sowie Kuwait überfallen und würde nicht zögern, Israel zu vernichten. Auch die verachteten Dynastien am Golf und die dem Westen zugetanen arabischen Regime würde er liebend gerne stürzen.

Beide Staaten haben eine hungernde und notleidende Bevölkerung. Die Gründe dafür sind unterschiedlich: auf der einen Seite ein steinzeitlich kommunistisches Wirtschaftssystem, verbunden mit Umweltkatastrophen, auf der anderen Seite Missbrauch der Finanzmittel für Rüstung und Terrorunterstützung.

Die Staaten, sowohl in Ostasien wie auch im Nahen Osten, die den beiden Außenseitern der Völkergemeinschaft geografisch nahe sind, fühlen sich von ihnen bedroht. Dies gilt vor allem für den amerikanischen Partner Südkorea. Im Nahen Osten bangt vor allem Israel um seine Existenz. Dass beide Staaten, Nordkorea und der Irak, wie es die Amerikaner bezeichnen, der "Achse des Bösen" zuzurechnen sind, erscheint deswegen nicht unplausibel.

Doch es gibt eben auch wesentliche Unterschiede zwischen den beiden "Bösewichten": Nordkorea ist hochgerüstet, hält 1,2 Millionen Soldaten unter Waffen und hat Raketen aller Reichweiten. In Südkorea sind 37 000 US-Soldaten in unmittelbarer Reichweite der Nordko­reaner stationiert. Nach den ameri­ka­nischen Verlusten im Krieg der fünfziger Jahre ist Korea noch immer ein ameri­kanisches Trauma. Aus leidvoller Erfahrung wird die amerikanische Öffentlichkeit schwer davon zu überzeugen sein, wieder Tausende Soldaten in einem Krieg opfern zu müssen. Der Irak hingegen ist ungleich schwächer gerüstet und der ameri­kani­schen Waffentechnologie in keiner Weise gewachsen.

Die Atomwaffe

Doch der entscheidende Unterschied ist die Atomwaffe. Von Nordkorea wird befürchtet, dass es diese bereits besitzt. Deswegen sind auch die Mächte China, Russland und Japan unmittelbar berührt und eingebunden. Eine Lösung kann nur mit Rücksicht auf sie erfolgen. Und ein zweites gilt es zu überlegen: Gleichgültig ob Pjöngjang schon einen atomaren Sprengsatz hat oder nicht, der Weltpolizist USA kann und will nicht omnipräsent sein.

Von Saddam Hussein weiß man, dass er seit langem beabsichtigt, ein Atomarsenal zu erwerben: spaltbares Material und weitreichende Raketen. Angesichts der nicht oder kaum zu kontrollierenden Weitergabe dieser Mittel nehmen die USA an, dass dies auch in nicht all zu langer Zeit gelingen werde. Dann aber wäre Saddam faktisch unangreifbar. "Verschiedene Umstände verlangen unterschiedliche Strategien", sagt man in Washington. Bei ge­nauer Beurteilung der Situation ist dem nicht zu widersprechen.

Brigadier i. R. Prof. Dr. Horst Mäder

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