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Militärpolizeiliche Aufgaben (II)

Die Sicherheitspolitik war in den letzten drei Jahrzehnten permanent mit terroristischen Bedrohungen konfrontiert. Schon deshalb muss auch die allgemeine militärische Ausbildung diesen Bedrohungen Rechnung tragen. Militärpolizeiliche Tätigkeiten wie das Beherrschen von Demonstrationen und Aufruhr, die Durchführung von Hausdurchsuchungen sowie der Schutz von Personen, Organisationen, zivilen Hilfskräften, Flüchtlingen oder ganzen Bevölkerungsgruppen werden in Zukunft vermehrt zum militärischen Einsatzprofil zählen.

Der Formationskommandant zählt laut ein, die Formation wiederholt laut und schlägt dabei bei jedem linken Schritt mit dem Rettungs­mehrzweckstab auf den Schutzschild. Der Schutzschild wird in der linken Hand senkrecht getragen, der Rettungsmehrzweckstab in der rechten Hand hinter dem Schutzschild, sodass er von der Menschenansammlung nicht sofort erkannt wird (siehe Abb. 5).

Formation Kette
Erreicht der erste Soldat der Formation den befohlenen Aufstellungsplatz, geht bzw. läuft die Formation eng auf und marschiert bzw. läuft so lange am Stand, bis der Formationskommandant "Halt!" befiehlt. Nach dem Kommando "Links um!" und "Schließen!" schließen die Soldaten die Lücken und stellen die Schutzschilde vor sich überlappend ab. Die Gruppenkommandanten nehmen hinter ihrer Gruppe Aufstellung, halten direkten Kontakt zu ihren Soldaten und stellen den Zusammenhalt der Kette sicher. Die Lösch-, Räum- und Sanitätstrupps nehmen selbstständig ihre befohlenen Aufstellungsplätze ein (siehe Abb. 6).

Auf das Kommando "Schließen!" durch den Formationskommandanten beziehen die Diensthundeführer selbstständig ihre befohlenen Aufstellungsplätze hinter den Fängertrupps.

Offene Flanken sind möglichst zu vermeiden. Die Anlehnung der Kettenfor­mation an Geländehindernisse oder eine Bebauung ist anzustreben. Ein Einsatz zwischen Hindernissen ist zu vermeiden, da die Kette dem dynamischen Druck der Masse nicht standhalten kann. Wenn es das Gelände erlaubt, wird die Kette bogen­förmig (siehe Abb. 7) in Richtung der Demonstration eingesetzt (tragendes Prinzip der statischen Eigenschaften eines Bogens). Eine Kette sollte immer am Anfang einer Engstelle eingerichtet werden, um dem Druck der Men­schenmassen leichter standhalten zu können; in einer Engstelle erhöht sich mit zunehmender Tiefe der Druck auf die Kette - sie kann daher leichter zurückgedrängt werden.

Abhängig vom Verlauf der Demon­stration kann der Formationskom­man­dant folgende Kommandos geben:

  • "Schild hoch!";
  • "Schild tief!";
  • "Brandsatz!";
  • "Schritt vor/rück!";
  • "Abbruch!".

"Schild hoch!" ist gegen anstürmende Personen oder Personen, die Schlagmittel mitführen, die beste Art des Schutzes; dabei ist zu beachten, dass der Schutzschild am Gesichtsschutz des Schutzhelmes anliegt und zwischen den Schilden keine Lücken bleiben (siehe Abb. 8). Wenn Personen die Schutzschilde an den Kanten fassen, ist dies durch Einsatz des Rettungsmehrzweckstabes zu verhindern.

"Schild tief!" (siehe Abb. 9) dient der Deeskalation der Situation, ist aber auch der beste Schutz gegen rollende Gegenstände (z. B. Steine, brennende Autoreifen).

"Brandsatz!" wird zum Schutz vor geworfenen oder geschleuderten Gegenständen, wie Steinen, Flaschen, Molotow-Cocktails, Farbbeuteln oder Stahlkugeln bzw. zum Schutz vor Leucht- und Signalmunition befohlen. Dabei geht die Kette in Linie zu zwei Gliedern über. Das erste Glied nimmt "Schild tief" ein, kniet nieder, und das zweite Glied überlappt seine Schutzschilder oberhalb schräg nach hinten (siehe Abb. 10).

Um nach starkem Druck der Men­schenansammlung wieder eine bestimmte Linie in Besitz zu nehmen, wird "Schritt vor!" befohlen. Die Formation wiederholt laut "Schritt!", und auf "vor!" geht jeder Soldat einen halben Schritt nach vor. Die Folgekommandos durch den Formationskommandanten lauten nur mehr "Schritt!", und die Formation wiederholt laut "vor!" und bewegt sich.

Auf das Kommando "Schritt rück!" ist sinngemäß in die Gegenrichtung zu handeln.

"Abbruch!" wird bei zu starkem Druck der Menschenmasse befohlen oder wenn die Demonstration be­endet ist (siehe Abb. 11). Das Abbrechen muss schmal und tief erfolgen ("Reißver­schluss­prin­zip"). Festgelegte Zeichen zum Abbrechen können befohlen werden (z. B. Pfiffe mit der Trillerpfeife).

Formation Keil
Beim Einsatz der Formationsart Keil ist zu beachten, dass hinter jedem Schutz­schildträger ein unterstützender Soldat ohne Schutzschild eingeteilt ist. Dieser ist verantwortlich, dass keine Lücken entstehen und die Formation des Keils beibehalten wird. Je breiter der Keil gebildet wird, umso mehr wirkt er schiebend und weniger trennend. Am Ende der Keilschenkel sind Reserven mitzuführen, um den Keil bei Bedarf verlängern zu können. Der Formationskommandant befindet sich in der Mitte unmittelbar hinter der Spitze (siehe Abb. 12).

Zur Schaffung einer Gasse durch eine Menschenansammlung teilt sich der Keil nach Öffnen der Gasse in zwei parallele Ketten (siehe Abb. 13).

Formation Igel
Beim Einsatz der Formationsart Igel ist zu beachten, dass hinter jedem Schutzschildträger ein unterstützender Soldat ohne Schutzschild eingeteilt ist. Dieser ist verantwortlich, dass keine Lücken entstehen und die Formation des Igels beibehalten wird (siehe Abb. 14).

Einsatz von gepanzerten Fahrzeugen

Der Einsatz von gepanzerten Fahrzeugen kann im Zusammenhang mit gewalttätigen Demonstrationen zweckmäßig sein. Dabei kommen die Formationsarten
  • "Elefantenreihe",
  • "Elefantenkette" oder
  • "Elefantenigel"

zum Einsatz (siehe Abb. 15).

Bei allen "Elefantenformationen" ist die Zusammenarbeit zwischen den Soldaten und den gepanzerten Fahrzeugen intensiv zu üben. Diese Formationen können sowohl aus nicht verbundenen als auch aus mit Stahlseilen und Sta­chel­bandrollen verbundenen gepanzerten Fahrzeugen bestehen. Werden mit­ein­ander verbundene Fahrzeuge eingesetzt, sind diese vor ihrem Einsatz dementsprechend in der Tiefe vorzubereiten.

Die Elefantenreihe dient zum schnellen Abriegeln. Mit ihr kann eine große Tiefe oder Breite erzielt werden. Ein Drücken gegen eine Menschenansammlung ist nicht möglich. Die Elefantenkette kann genutzt werden, um in Verbindung mit Soldaten eine breitere Kettenformation zu erreichen. Das Drücken gegen eine Men­schenansammlung ist möglich, auch bei alleinigem Einsatz der gepanzerten Fahrzeuge. Der Elefantenigel ist zur Verstärkung des Schutzes gefährdeter Personen einsetzbar.

Einsatz provisorischer Wasserwerfer

Bei angemeldeten Demonstrationen können die verantwortlichen Kommandanten oder der militärische Einsatzleiter Abwehrmaßnahmen vorbereiten. Dabei eignen sich Wasserwerfer als Hilfsmittel körperlicher Gewalt besonders zur Abwehr von Sitzblockaden oder Ansammlungen vor Objekten. Soldaten verfügen im Allgemeinen nicht über derartiges Gerät, jedoch eignen sich Tanklöschfahrzeuge und Löschausstattungen der ABC-Abwehrzüge und Feuerwehren dafür ganz ausgezeichnet.

Der Einsatz der behelfsmäßigen Wasserwerfer ist jedoch mit erheblicher Ver­letzungsgefahr verbunden. Daher sind nachfolgende Sicherheitsbestimmungen zu beachten:

  • Ein Sicherheitsabstand vom Strahlrohr zu den Demonstranten von min­destens 10 Metern ist einzuhalten.
  • Der Wasserstrahl darf nicht auf den Kopf, sondern nur auf Beine und Unterleib gerichtet werden (Gefahr von Augen-, Gesichts- und Hals­wirbelsäulenverletzungen).
  • Bei festem Untergrund ist der Wasserstrahl zuerst vor den Personen auf den Boden zu richten. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass Schmutz und Steinchen mitgerissen werden können oder das Untergrundmaterial aufbricht.
  • Der behelfsmäßige Wasserwerfer darf nur von besonders ausgebildeten und eingewiesenen Soldaten eingesetzt werden. Der Einsatz von zivilen Feuerwehrangehörigen ist nicht vorzusehen (rechtlicher Status als Einsatzorgan fehlt).
  • Schutz der Bedienungsmannschaft des Strahlrohres gegen Angriffe, um zu verhindern, dass das Rohrende frei wird und zu schlagen beginnt (Posten mit Schutzschild).
  • Einteilung eines Bedieners am Hydranten oder an der Pumpe zur sofortigen Unterbrechung der Wasserzufuhr (Verbindung zur Strahlrohrbe­dienung erforderlich).

Behelfsmäßige Wasserwerfer kommen nur dann zum Einsatz, wenn andere Mittel keinen Erfolg versprechen.

Lautsprecheraufrufe

Die Gestaltung von Verlautbarungen oder Aufrufen hängt wesentlich von der konkreten Situation ab, für die der Aufruf gedacht ist. Bei allen Lautsprecherdurchsagen ist jedoch zu beachten, dass
  • die Nachricht möglichst kurz gehalten wird und
  • der Empfänger den Inhalt wahrnehmen (hören), verstehen und behalten kann.

In ausländischen Einsatzgebieten hat die Durchsage erforderlichenfalls durch einen Dolmetscher/Sprachmittler zu erfolgen.

Bei Lautsprecherdurchsagen kann der Absender (Sprecher) nicht feststellen, ob und wie seine Nachricht verstanden wurde. Um Verständnisfehler zu vermeiden, sollte der Lautsprecheraufruf enthalten:

  • Absender (wer spricht);
  • Adressat (an wen wendet sich das Gesagte);
  • Sachverhalt (was soll getan/unterlassen werden, worüber wird informiert);
  • Begründung (Notwendigkeit des Han­delns erklären);
  • Wiederholung der Durchsage.

Nach dem ersten Aufruf geben die ein­gesetzten Kräfte eine Rückmeldung über die Verständlichkeit, danach ist eine Wiederholung des Aufrufs durchzuführen.

Die Wirkung einer Durchsage hängt auch davon ab, wie empfänglich die Zielgruppe für Beeinflussung ist. Ist ihre emotionale Beteiligung an einer Aktion gering (Besucher, zufällig Anwesende, Neugierige), sind Personen grundsätzlich kooperationsbereiter. Bei manchen Einsätzen kann die Stim­mungs­lage jedoch so angeheizt sein, dass Vorurteile und Feindbilder bereits ausgeprägt sind.

Vor allem Feindbilder erschweren die Wirksamkeit von Durchsagen. Sie dienen der Menschenansammlung als gemeinsame Orientierungspunkte, Einigung, Emotionalisierung und zur Selbst­erhöhung. Ordnungsorgane werden häufig als Feindbilder genutzt, um Teilnehmer zur Solidarisierung mit Gesetzesübertretern zu bewegen. Ziel ist es dabei, die Ordnungsorgane zu Handlungen zu provozieren, die den Solidarisierungs­prozess beschleunigen.

In diesen Fällen muss der Lautspre­cher­aufruf unter zwei Gesichts­punkten gestaltet werden:

1. rechtlich: als notwendige Androhung von Maßnahmen gegen die Demonstranten; 2. psychologisch: zum Erreichen der Mitläufer, der Unentschlossenen und der Neutralen, um diese von einer Kooperation mit den gewaltbereiten Personen abzuhalten.

Zusammenfassung

In diesem Beitrag wurde nur ein grober Überblick über militärpolizeiliche Aufgaben gegeben. Sie zählen zu den maßgeblichen Gefechtstechniken im Raum­schutz. Aufgrund der Erfahrungen im Inland (z. B. Wirtschaftsgipfel in Salzburg) und im Ausland (z. B. Koso­vo, Afghanistan) stellt sich die Frage, wie in der Ausbildung künftig die Schwer­gewichte gesetzt werden müssen.

Eines muss den militärisch Verantwortlichen bewusst sein: Um die notwendige Professionalität in der Begegnung mit diesen neuen Bedrohungen zu erlangen, müssen für das Bundesheer neue Ausbildungsziele in diese Richtung definiert und die dafür notwendige Ausrüstung bereitgestellt werden sowie die erforderlichen Strukturanpassungen erfolgen.

Rechtliche Grundlagen für die Durchführung militärpolizeilicher Aufgaben (aus militärbefugnisrechtlicher Sicht)

Demonstrationen im Ausland bzw. im Inland

Ausland
Grundsätzlich keine Anwendung des Militärbefugnisgesetzes (MBG) (außer im Innenverhältnis gegenüber österreichischen - militärischen - Organen.) Die Vorgangsweise richtet sich nach den jeweils anzuwendenden internationalen Normen (Rules of Engagement etc.).

Inland
Volle Anwendbarkeit des Militärbefugnisgesetzes.

Subsidiarität (Hilfeleistung/Unterstützung) gegenüber der Sicherheitspolizei

Der militärische Eigenschutz ist nach § 2 MBG grundsätzlich gegenüber der Sicherheitspolizei subsidiär auszuüben. Dies bedeutet, dass ein militärisches Einschreiten nur zulässig ist, wenn und solange nicht Sicher­heits­behörden zur Ge­fahrenabwehr einschreiten. Hiebei besteht nach § 2 Abs. 2 MBG die Verpflichtung der einschreitenden militärischen Organe zur sofortigen "Kooperation" und "Kommunikation" mit den Si­cher­heitsbe­hörden. Sobald Sicherheitsbehör­den einschreiten, erlischt die Zuständigkeit militärischer Organe.

Sollten militärische Organe diesbezüglich im Rahmen eines Assistenzeinsatzes nach Art. 79 Abs. 2 Z 1 lit. a B-VG i. V. m. mit § 2 Abs. 1 lit. b WG 2001 einschreiten, so treten sie automatisch in jene Rechte ein, die den anfordernden Organen zustehen. Diese Rechte können durch die anfordernde Behörde im Einzelfall eingeschränkt werden (wie bei­spielsweise im derzeitigen Grenzein­satz auf Notwehr- und Nothilferechte).

Abgrenzung zwischen Wachdienst und nachrichtendienstlicher Abwehr

Nicht jede Demonstration, die gegen das Bundesheer gerichtet ist, erlaubt ein Einschreiten nach dem Mili­tärbefugnisgesetz, da die meisten einschlägigen Befugnisse im Wachdienst einen "Angriff gegen militärische Rechtsgüter" nach § 1 Abs. 8 MBG zur Voraussetzung haben. Ermittlungen im Vorfeldbereich fallen - bei Vorliegen der einzelnen Voraussetzungen - in die Zuständigkeit der nachrichtendienstlichen Abwehr nach den § 20 Abs. 2 und § 22 MBG.

-ThG-


Autor: Hauptmann Markus Neureiter, Jahrgang 1971. Nach der Ausmusterung 1994 (Fachgruppe Infanterie) Verwendung als Zugs- und Kompaniekommandant bei der Garde. 1999 Versetzung zur Jägerschule Saalfelden als Lehroffizier für Panzerabwehr. Oktober 2000 bis April 2001 ZgKdt bei AUCON/KFOR; anschließend Ausbilder für das Schlüsselpersonal AUCON/KFOR. März 2002 Leitungsdienst bei PfF-Übung "STRONG RESOLVE" 02 in Polen. Mitarbeit bei der Erstellung der DVBH "Schutz, Einsatz und Aufgaben".

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