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Im Mittelpunkt steht der Mensch: Meine letzte Kolumne

Im Jahre 1993 erhielt ich vom Chefredakteur des "TRUPPENDIENST" das Angebot, regelmäßig Beiträge zu gestalten. Inzwischen habe ich 61 Mal die Kolumne "Im Mittelpunkt steht der Mensch" verfasst. Nun bereite ich mich bereits auf meinen Ruhestand vor, und so meine ich, dass auch bezüglich "meiner" Kolumne ein Abschied und eine Übergabe heranstehen.

Es war mir von Anfang an grundsätzlich bewusst, dass ich mich auf keine einfache Aufgabe eingelassen hatte. Ich stand oft vor dem Problem, meine persönlichen Sach­orien­tie­run­gen anderen, wie ich wusste, teil­weise kontroversen Meinungen der Truppe, gegenüberstellen zu müssen. Natürlich bin ich persönlich vom Sinn und der Notwendigkeit einer angewandten Psychologie im Militär zutiefst überzeugt. Ich vertrete in diesem Zusammenhang die Meinung, dass psychologische Erkenntnisse einen wesentlichen und eigentlich unverzichtbaren Beitrag zur Bildung, Erhaltung und erforderlichenfalls zur Wiederherstellung der psychischen militärischen Einsatzbereitschaft leisten können.

Aus dem letzten Jahrzehnt liegen viele internationale Erfahrungen vor, wonach Bürger unserer (Wohlstands-, Konsum- und Vergnügungs-)Gesellschaft als Soldaten unter hoher Bedrohung vielfach mit massiven Be­lastungs­­­stö­rungen reagiert haben. Und es ist bereits unumstritten, dass im harten Einsatz, ohne psychologische Vorbereitung, Betreuung und Nachbereitung, nicht nur die Einsatzfähigkeit der Truppe wesentliche Einschränkungen erfahren kann, sondern dass auch einzelne Soldaten schwer heilbare seelische Verletzungen erleiden können. In unserer demokratischen Gesellschaftsordnung sind wir daher wohl verpflichtet, unseren Soldaten eine den internationalen Standards entsprechende psychologische Ausbildung und Betreuung zu bieten - andernfalls würden wir uns einer Herabsetzung der Menschenwürde schuldig machen.

Soweit meine persönliche Einstellung. Dieser gegenüber musste ich jedoch erkennen, dass vielfach ernsthafte Vorbehalte zur Psychologie bei der Truppe anzutreffen waren. Zunächst scheint die Beziehung zwischen Militär und Wissenschaft noch immer belastet zu sein, meinen doch viele Kommandanten, dass durch die Berück­sich­­tigung wissenschaftlicher Erkennt­nisse die Einsatzfähigkeit der Truppe beeinträchtigt und auch das Verständnis für Befehl und Gehorsam verwässert werden kann. Weiters wird auch der spezielle Anspruch der Psycho­logie, Personen und deren Merk­mals­ausprägungen einiger­maßen objektiv erfassen zu können, von vielen Menschen als bedrohlich empfunden, vor allem von denjenigen, die sich mühsam falsche Fassaden einer heilen Welt aufgebaut haben und diese (meist zu ihrem Nachteil) nicht hinterfragen lassen wollen. Auch dass man selbst (als einmaliges und einzigartiges Wesen?!) messbar sein soll, wird allgemein eher mit großem Unbehagen zur Kenntnis genommen.

Schließlich wären die dargestellten Vorbehalte unvollständig, würde man die typische Verwechslung der Psychologie mit der Psychiatrie vernachlässigen. Nach meiner Erfahrung ist noch immer viel zu wenig bekannt, dass Psychologie vorwiegend dem gesunden und normalen Menschen dient und ihm Möglichkeiten bietet, mit seinen mentalen, sozialen und kognitiven An- und auch Überforderungen besser zurecht zu kommen.

Im Bewusstsein dieser Schere zwischen meinen persönlichen Überzeugungen und den vielen Vorurteilen hinsichtlich einer Anwendung der Psychologie stellte sich für mich von vorneherein die unbedingte Notwendigkeit, dass ich als Kolumnist ehrliche Überzeu­gungsarbeit an Hand von konkreten Beispielen zu leisten hatte. Die jeweiligen Inhalte leitete ich je­weils aus unterschiedlichsten Quellen ab. Manchmal waren es Aktualitäten, die das Bundesheer berührten. Häufig verwertete ich für meine Beiträge konkrete Erfahrungen und Aussagen, die dem Heerespsychologischen Dienst bei bestimmten Anlässen vorlagen - als Anregungen dienten oft Inhalte des Helpline-Service. Und umgekehrt - oft versuchte ich auch, mir besonders wichtig erscheinende Inhalte aus der Literatur mit bestimmten vorliegenden Meinungen zu vergleichen. Bei­spielsweise war es mir wirklich wichtig, Argumente einer international geführten Diskussion über den Kampfwert einer "Männergruppe mit Frauen" zur Diskussion zu stellen (diese folgte auch prompt). Nicht zuletzt benützte ich "meine" Kolumne auch, um neue Aufgaben und Schwergewichte der Heerespsychologie, wie z. B. die Notfallpsychologie, darzustellen und für diese zu werben.

Ich hoffe nun abschließend, dass es mir zumeist gelungen ist, meine Haltung und alle meine Argumente glaubwürdig zu vertreten - eigentlich habe ich kaum negative Rückmeldungen erhalten. Ich meine daher auch nach wie vor im Spiegel meiner vielen Beiträge, dass Psychologie im Heer kein unanschaulicher, bedrohlicher und gegen die Interessen der Truppe gerichteter Gegenstand ist, sondern dass sie - weil sie eben den Menschen mit all seinen Stärken und Schwächen in den Mittelpunkt stellt - für die Truppe und für jeden einzelnen Soldaten einen wesentlichen Beitrag leisten kann, den militärischen Auftrag effizienter zu erfüllen.

Von nun an wird die Kolumne "Im Mittelpunkt steht der Mensch" von jenen Kollegen geschrieben, die in weiterer Folge und nach meiner Dienstzeit für die heeres­psycho­logischen Belange (mit)ver­antwortlich sein werden. Ich bin überzeugt, dass sie meine Linie fortsetzen werden, und wünsche ihnen dabei alles Gute!

Brigadier Dr. Ernst Frise

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