Bundesheer Bundesheer Hoheitszeichen

Bundesheer auf Twitter

Der Kampf im urbanen Umfeld - Gefechtstechniken der Gruppe

Die Umsetzung der militärischen Aufträge im Kampf erfordert auf der gefechtstechnischen Ebene zusätzliche Techniken und Ausrüstung. Die infanteristische Gruppe spielt dabei eine Schlüsselrolle. Die Konzepterstellung und die Charakteristik des urbanen Umfeldes bzw. der Blick über die Grenzen Österreichs hinaus wurden bereits dargestellt (TD 5/2011 und 6/2011).

Fallujah im Irak, 7. November 2004: Eine verstärkte Division des U. S. Marine Corps greift in der Operation al Fajr (Morgendämmerung) mit sechs Bataillonen die Stadt an, um sie von Insurgenten zu säubern. Die Stadt wird nach zehn Tagen intensiven Kampfes in Besitz genommen. Die Säuberung dauerte noch bis Anfang 2005. Der Erfolg der Operation hing maßgeblich davon ab, dass das Gefecht auf den untersten Ebenen funktionierte.

Allgemeines

Folgende Fragen stellen sich im Kampf im urbanen Umfeld für die Führungsebene Gruppe:

  • Warum erfordert der Kampf im urbanen Umfeld besondere Gefechtstechniken?
  • Welche Unterschiede der Gefechtstechniken gibt es bezogen auf die jeweilige Führungsebene?
  • Wie sollte die Ausbildung ablaufen und welche besonderen Techniken sind zusätzlich zu vermitteln?

Das sind nur einige Fragen, wenn man die Herausforderung des Kampfes im urbanen Umfeld in der Theorie systematisch abarbeitet.

Ziel dieses Beitrages ist es nicht nur, die oben angeführten Fragen zu beantworten, sondern auch die weite­ren Herausforderungen darzustellen und so die Leser zur Diskussion anzuregen. Der Inhalt wird auf die Einsatzart Angriff eingegrenzt.

Zuerst werden wichtige Begriffe definiert. Im Anschluss folgt nach einer Darstellung der Grundtechniken und der zur Verfügung stehen- den Ausrüstung die Aufschlüsselung der Gefechtstechniken auf Ebene der Gruppe. Hierbei werden nicht alle Gefechtstechniken im Detail dargestellt, sondern nur eine Auswahl. Die Ebenen Zug und Kompanie, eine Analyse von weiteren Herausforderungen sowie als Abschluss die Darstellung der Ausbildung am Institut Jäger der Heeres- truppenschule werden in der Folge dargestellt.

Begriffsbestimmungen

Gefechtstechnik ist ein standardisiertes, drillmäßig erlerntes Verfahren zur Einsatzoptimierung militärischer Mittel, die auf den Ebenen Trupp, Gruppe, Teileinheit und teilweise Einheit aufgrund einfacher Wahlkriterien reaktionsschnell zur Anwendung gelangen.

Angriff ist eine Einsatzart mit dem Zweck, den Gegner zu zerschlagen, zu vernichten und/oder Gelände in Besitz zu nehmen.

Urbanes Umfeld … bezeichnet einen geografischen Besiedlungsraum mit hoher Bevölkerungsdichte, dessen Hauptkennzeichen eine flächendeckende Bebauung mit infrastrukturellen Schwerpunkten ist. Die Art der Bebauung kann dabei erheblich variieren und wird im Einsatzgebiet häufig in der gesamten Variationsbreite anzutreffen sein.

Der Eindringpunkt bezeichnet genau jene Stelle, durch die das Eindringen in ein Angriffsziel erfolgt. Er wird durch den Zugskommandanten vorgegeben und liegt in der Verantwortung der Stoßgruppe. Je nach Lage und Bedrohungsstufe sind dies Fenster, Türen oder sonstige Maueröffnungen.

Mit Einbruchstelle wird das Angriffsziel des Stoßzuges bezeichnet. In der Regel ist dies ein Haus mit maximal zwei Ebenen.

Als Einbruchsraum wird das Angriffsziel der Stoßkompanie bezeichnet. Dieser umfasst in der Regel drei bis fünf Häuser oder eine größere Struktur.

Hauptaufgabe der Jägertruppe beim Kampf im urbanen Umfeld ist die Inbesitznahme von Räumen/Gebäudekomplexen in engem Zusammenwirken mit Panzergrenadieren, Kampfpanzern, Pionieren, Artillerie und Heeresfliegerkräften. Weitere maßgebliche Unterstützungsmöglichkeiten reichen von zusätzlichem Sanitätspersonal über Militärpolizei, Versorgungselemente bis hin zu ABC-Abwehrkräften.

Grundtechniken

"Dominate the room. Use controlled pairs. Slow is smooth, smooth is fast. Don’t be in a hurry. Recharge your ammunition at every point.” (Bellavia) Das allgemeine Verhalten der Soldaten beim Kampf im urbanen Umfeld muss den besonderen Geländegegebenheiten angepasst sein, vor allem in Bezug auf Tarnung, Stellungswahl, Bewegungen, Eindringmöglichkeiten in Gebäude, Einsatz von Kampfmitteln und Vorgehen in unterirdischen Räumen. Diese Grundtechniken müssen von Soldaten aller Waffengattungen beherrscht und angewendet werden können. Gefechtsbeispiele aus der jüngsten Vergangenheit zeigen, dass auch die rückwärtigen Dienste (Versorgungs- truppe, Fernmeldetruppe etc.) jederzeit in Gefechtssituationen im urbanen Umfeld geraten können.

Tarnung

Es ist nicht nur die Mannestarnung zu berücksichtigen, sondern auch andere Maßnahmen wie die Stellungswahl. Während Stellungen direkt am Fenster oder auf dem Dach relativ leicht aufgeklärt und niedergehalten werden können, sind Stellungen in der Tiefe eines Raumes nur schwer zu lokalisieren bzw. niederzuhalten.

Stellungswahl

Exponierte Punkte sollten gemieden und Stellungen in der Tiefe eines Raumes bezogen werden. Sie sollten aber auch speziell für Feuerunterstützungselemente nicht zu hoch liegen (Anhalt: nicht höher als im 3. Stock). Wanddurchbrüche (bestehende oder eigens geschaffene) bieten sich ebenfalls zur Stellungswahl an, sollten aber von außen nicht auffällig sein.

Bewegungen

Neben den allgemeinen gefechtstechnischen Grundsätzen wie
  • "kein Vorgehen ohne Feuerschutz",
  • "eine Deckung erst verlassen, wenn die nächste bekannt ist" und
  • "immer bereits die nächste Deckung im Auge behalten",

sollten auch folgende Besonderheiten beachtet werden:

  • Der Abstand zu Mauern sollte nicht weniger als 1 m (Herabsetzen der Splitterwirkung), aber auch nicht mehr als 1,5 m (Erhöhung der Gefahr der gegnerischen Waffenwirkung) betragen.
  • Gebäudeecken (innen und außen) stellen Gefahrenstellen dar, da sie keine Verbindung zulassen und dadurch trennen. Deshalb sollten sie abhängig von der Bedrohung rasch (Vorpreschen) oder langsam (Schneiden), immer unter Aufrechterhaltung der Sicherung überwunden werden.
  • Öffnungen in Gebäuden wie Fenster, Türen oder Maueröffnungen sind ebenfalls Gefahrenstellen, da durch sie in das Gebäude hinein aber auch aus dem Gebäude hinaus gewirkt werden kann. Diese müssen deshalb bei Querbewegungen möglichst rasch passiert bzw. übersprungen oder in gebückter Haltung unterquert werden.

Eindringen in Gebäude

Beim Angriff auf urbanes Umfeld ist dies einer der Schlüsselpunkte, wo sich zum ersten Mal der Erfolg oder Misserfolg abzeichnet. Schafft es die angreifende Truppe in ein Gebäude einzudringen, so hat sie einen "Fuß in der Türe". Durch Nähren des Einbruches muss diese allerdings noch ganz "aufgestoßen" werden. Wird der Eindringversuch abgewehrt, wurden durch den Angreifer vermutlich erste Verluste erlitten und der Gegner wurde vorgewarnt.

Um diesen Schwächemoment des Eindringens möglichst kurz zu halten, muss der Eindringpunkt rasch und geordnet überwunden werden.

Beim Eindringen in Untergeschoße oder Räume in Bodennähe sowie beim Eindringen in höher gelegene Stockwerke sind unter anderem folgende Techniken und Hilfsmittel möglich: Räuberleiter, Steigbrett, Hinaufziehen, Leiter, Fahrzeuge, Klettertechniken, Anlandung mittels Hubschrauber. Die beiden letztgenannten Techniken sind vor allem den Spezial(einsatz)kräften zuzuordnen. Das Thema der künstlichen Schaffung von Eindringpunkten (Stichwort "mouseholing") wird bei den Gruppengefechtstechniken beschrieben.

Vorgehen in Gebäuden

Hier muss zwischen dem "Eindringen in einen Raum" und dem "Vorgehen entlang eines Ganges/Stiegenhauses/Dachbodens" unterschieden werden.

Wie beim Eindringen in ein Gebäude stellt auch beim Eindringen in einen Raum das Passieren des Eindringpunktes (z. B. Tür) den Schlüsselmoment dar. Jeder eindringende Soldat muss diesen Punkt passieren, wodurch für den Gegner ein klar definierter Wirkungsraum entsteht, auf den er seine Waffen ausrichten kann und wird. Bis zu einem gewissen Maß schafft hier das Sprengen von künstlichen Mauerdurchbrüchen Abhilfe. Diese können die Gefährdung allerdings nur bedingt neutralisieren, da durch die Staubentwicklung das Eindringen nicht sofort beginnen kann. Zusätzlich muss beachtet werden, dass keine tragende Mauer beschädigt wird, da sonst die Eigengefährdung ansteigt und das gesamte Gebäude für die weitere Einsatzführung unbrauchbar sein kann.

Eingedrungen wird grundsätzlich durch einen Trupp bestehend aus drei Soldaten mit Unterstützung eines zusätzlichen Soldaten, der für das Öffnen der Türe zuständig ist. Vor dem Öffnen der Türe reiht sich der Eindringtrupp so auf, dass er möglichst rasch in den Raum vorstoßen kann. Im Anschluss wird die Türe je nach Lage auf eine der folgenden Arten geöffnet:

  • durch Benützen der Türschnalle (geringe Bedrohung);
  • durch behelfsmäßige Ferntüröffnung (Öffnung mittels Seilzug);
  • durch Aufschießen der Türscharniere oder des Schlosses mit dem Vorderschaftrepetiergewehr unter Verwendung von spezieller Munition;
  • durch Einsatz von Einbruchswerkzeug aus dem Ausrüstungssatz "Urbanes Umfeld" und
  • durch Aufsprengen.

Bei Bedrohung durch unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtungen muss die Erhöhung des Eigenschutzes z. B. durch eine Tiefenbildung der eingesetzten Soldaten beachtet werden. Beim Eindringen in einen Raum geht von der sichttoten Ecke erhöhte Gefahr aus. Es handelt sich dabei um die jeweilige Ecke des Raumes, die nicht sofort beim Eindringen durch eigene Waffenwirkung abgedeckt werden kann. Bevor der Kommandant das Eindringen befiehlt, müssen noch einmal die Waffen überprüft werden. Nach dem Befehl für das Eindringen geht der Trupp wie folgt vor:

Auf Zeichen des vordersten Soldaten wird

  • Die Türe so weit geöffnet, bis ein ungehindertes Eindringen möglich ist. (1, siehe Grafik S. 173)
  • Der vorderste Soldat geht in gerader Linie in den Raum und gewinnt mit der Waffe im Anschlag die nächstgelegene Ecke und sichert in Richtung der gegenüberliegenden Raumecke. (2/3)
  • Unmittelbar danach folgt der zweite Soldat und gewinnt ebenfalls mit der Waffe im Anschlag die Ecke hinter der Türe und sichert die ihm gegenüberliegende Raumecke. (3/4)
  • Der Kommandant des Eindringtrupps tritt in den Raum und überprüft mit der Waffe im Anschlag die Raumdecke rundum und geht dann von der Türe weg auf die Seite. (5/6)
  • Alle drei Soldaten achten dabei darauf, dass sie möglichst auf gleicher Höhe im Raum sind und nicht direkt an der Wand stehen. (7)
  • Die restlichen Soldaten der Gruppe halten sich zur Unterstützung bereit.

Das Nehmen von weiteren Räumen erfolgt entweder überschlagend oder raupenartig.

Stiegenhäuser sind wichtige Verbindungswege zwischen den einzelnen Stockwerken und werden deshalb mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch den Gegner überwacht. Je nach Bedrohungslage und Breite der Stiege wird raupenartig (hohe Gefährdung und enge Stiege), überschlagend (hohe Gefährdung und breite Stiege) oder geschlossen (geringe Gefährdung) vorgegangen.

Grundsätzlich sind Dachböden wie Räume zu behandeln. Je nach Höhe des Raumes kann es zielführend sein, eine Waffe mit kurzem Lauf (z. B. Pistole) zu verwenden.Das Vorgehen in unterirdischen Räumen ist vor allem gekennzeichnet durch Dunkelheit, enge Bewegungslinien (Kanalsystem) und weite Schallübertragung (vor allem in einem Tunnel).

Mannesausrüstung und Ausrüstungssatz "Urbanes Umfeld"

"Every step brings the danger of a fall among rubble. Broken glass coats each ruin like ice crumbles on a new fallen snow. Our boots crunch it underfoot, but when we slip, our hands break our fall and end up studded with shards of glass. We pick them out as best we can and keep on going.” (David Bellavia) Schwieriges Gelände, wie das urbane Umfeld, verlangt nach einer spezialisierten Ausrüstung für den einzelnen Soldaten und auch für Organisationselemente.

Eine unbedingt notwendige zusätzliche Mannesausrüstung besteht aus

  • Splitterschutzbrille (eventuell mit diversen Wechselgläsern),
  • Gelenksprotektoren (Knie und Ellenbogen) und
  • Handschuhen mit Knöchelschutz.

Keiner der oben angeführten Ausrüstungsgegenstände ist für diese Einsatzart im Österreichischen Bundesheer für jeden Soldaten vorhanden. Der Ausrüstungssatz "Urbanes Umfeld" ist in limitierter Stückzahl vorhanden (insbesondere bei Jagdkommando und Militärpolizei nicht eingerechnet). Um den Einsatz eines Infanteriebataillons im urbanen Umfeld zu ermöglichen, liegt der Bedarf bei drei Infanteriekompanien zu drei Infanteriezügen bei neun Stück dieser Sätze plus eine Umlaufreserve.

Ein Satz setzt sich wie folgt zusammen: Einbruchssatz, Teleskopleiter und Markierungssatz.

Der Einbruchssatz ermöglicht das Öffnen von Sperren, Türen und Fens- tern sowie das Durchtrennen von Seilen und Leitungen und besteht aus je einem Stück

  • Bolzen-, Seil- u. Kabelschneider (1),
  • Stahltür-Einbruchswerkzeug (2),
  • Brecheisen (3),
  • Vorschlaghammer (4),
  • Einbruchshacke (5),
  • Türramme (6)
  • Teleskopleiter (7) und
  • Markierungssatz (8).

Die Teleskopleiter (7) ist variabel einsetzbar, leicht zu transportieren und besteht aus vier Teilen. Durch unterschiedliches Zusammensetzen kann eine Höhe von bis zu 4,20 Meter erreicht werden. Der Markierungssatz (8) dient der Anbringung verschiedener Markierungen und besteht aus

  • Markierungssprays (blau, grün, gelb, rot und weiß) sowie
  • Knicklichtern (blau, gelb, grün, rot und infrarot).

Weitere nützliche Hilfsmittel, die zwar nicht im Satz enthalten sind, aber leicht beschaffbar wären, sind Seile, Keile, PVC-Rohre, Kabelbinder, Gewebeklebebänder, Flaggensatz gelb, blau, grün und rot aus Stofftüchern, Kreide in gelb, blau, grün, rot und weiß sowie Blockbatterien zum Kurzschließen (als Wärmequelle).

Markierungen Grundsätzlich sind alle Objekte, in die eingedrungen und die in weiterer Folge genommen wurden, außen (und bei Bedarf innen) gemäß dem NATO-Markierungssystem zu markieren. Die Markierungen dienen der Orientierung und Information aller Soldaten über die Lage im Haus bzw. die Bedeutung von Räumen. An der Außenseite wird die Bedeutung der Markierungen aufgrund der Farbe unterschieden:

  • Rot: Eindringpunkt; vorderste eigene Teile
  • Grün: Gebäude gesäubert
  • Gelb: Verwundete im Gebäude; Anforderung eines Abtransportes von Verwundeten
  • Blau: Sprengfallen und/oder Sperren im Gebäude; Pioniere, EOD, IEDD werden benötigt.

Zusätzlich zu der Markierung an der Gebäudeaußenseite können (und sollten) auch im Gebäudeinneren spezielle Räume/Orte markiert werden. Gemäß NATO-Markierungssystem sind folgende Räume/Orte mit den jeweiligen Zeichen zu versehen (diese müssen nicht mit den bereits angeführten Farben dargestellt werden):

Grundsätzlich sind nur die vordersten Eigenen zu markieren. Bei Bedarf (Verwundetenversorgung, Sprengfallen etc.) können diese Markierungen verbleiben. Deren Bedeutung und Aktualität ist dann den nachfolgenden Truppen näherzubringen. Bei Wegfall des Grundes der Markierung bzw. bei einer Änderung der Lage sind die Markierungen zu entfernen oder unkenntlich zu machen.

Gefechtstechniken auf der Gruppenebene

Die Gruppe greift grundsätzlich innerhalb des Zuges an und wird entweder zur Feuerunterstützung oder als Stoßteil eingesetzt.

Als Feuerunterstützung hat die Gruppe den Auftrag, jene Räume durch Feuerschutz und Feuerunterstützung abzudecken, die durch die Einbruchsgruppe nicht abgedeckt werden können. Zur Erleichterung der Feuerleitung innerhalb der Gruppe wird ihr im urbanen Umfeld in der Regel nur eine Hausseite zur Feuerunterstützung zugewiesen. Dabei ist durch den Zugskommandanten darauf zu achten, dass die "Sicherheitsbestimmungen für das Schießen mit allen Waffen" so weit wie möglich eingehalten werden.

Eindringen in ein Gebäude Die einbrechende Gruppe bekommt den Eindringpunkt durch den Zugskommandanten zugewiesen. Der Gruppenkommandant hat sicherzustellen, dass ab Beginn des Einbruches durch seine Gruppe der Eindringpunkt in hauptsächlicher bzw. später alleiniger Verantwortung durch Feuer niedergehalten wird. Grundsätzlich bricht die Jägergruppe abgesessen ein. Nach Verfügbarkeit und Notwendigkeit kann dies im Schutz eines gepanzerten Kampf- und Gefechtsfahrzeuges (GKGF) erfolgen, das als mobile Deckung genutzt wird.

Hierbei ist aber darauf zu achten, dass die Verbindung zwischen den Kommandanten der Jägergruppe und des GKGF nicht abreißt. Diese kann über Funk oder über Handzeichen erfolgen, bzw. auch einseitig (nur durch den Panzer) über Hupzeichen (1 x Hupen: Achtung, Einsatz der Bordkanone; 2 x Hupen: Achtung, GKGF bewegt sich). Andere Armeen haben dazu auf der Außenseite ihrer Kampfpanzer teilweise ein Hecktelefon montiert, um genau diese Kommunikation zu erleichtern.

Das Eindringen in ein Gebäude erfolgt entweder tief (Erdgeschoß oder Keller) oder hoch (1. Stock und höher) und mit mechanischer (Einbruchswerkzeug) oder detonativer (Sprengladung oder -granate) Zutrittsmethode bzw. durch Aufschießen.

Unabhängig davon, ob tief oder hoch eingedrungen wird, muss zuerst beurteilt werden, ob der Eindringpunkt frei ist oder ob die Zugangsmöglichkeit mittels oben angeführter Methoden geöffnet/geschaffen werden muss.

Um einen Stau vor dem Eindringpunkt zu vermeiden, geht die Gruppe im Regelfall geteilt vor, wobei den Trupps innerhalb der Gruppe unterschiedliche Aufgaben zukommen können.

Ist der Eindringpunkt frei (offene Türe, Fenster, Mauerloch), so wird der Stoß durch den Eindringpunkt vom ersten Trupp (Stoßtrupp) unter Bildung eines Stoßelementes analog dem offensiven Reaktionsdrill "Stoß" durchgeführt. Während des Einbruches der Gruppe muss der Rest des Gebäudes durch den Zug gesichert werden.

Ist der Zugang am geplante Eindringpunkt versperrt, muss dieser entweder geöffnet oder ein künstlicher Eindringpunkt geschaffen werden.

Erfolgt dies nach der detonativen Methode, so wird zuerst ein Sprengtrupp unter Feuerschutz/Feuerunterstützung des Zuges an den Eindringpunkt herangeführt und die Sprengladung angebracht. Nach erfolgreicher Sprengung stößt der bereitgehaltene Stoßtrupp in den Eindringpunkt vor und nimmt den ersten Raum. Es ist von den Soldaten dabei zu beachten, dass durch die Detonation eine starke Staub- und Kleinstsplitterwolke entsteht, die nicht nur die Sicht erschwert, sondern auch eine ernsthafte Gefährdung für die Augen sein kann. Daher muss im Kampf im urbanen Umfeld immer eine Splitterschutzbrille getragen werden. Durch die Staub- und Splitterentwicklung kann es sogar notwendig sein, den Stoß etwas hinauszuzögern. Geht dabei das Überraschungsmoment verloren, muss er durch zusätzliche Maßnahmen (Angriffsrichtung, Feuerregelung etc.) wieder errungen werden.

Bei der mechanischen Eindringmethode wird durch ein bis zwei Soldaten der Stoßgruppe das notwendige Gerät aus dem Ausrüstungssatz "Urbanes Umfeld" mitgeführt. Je nach Entfernung des Gebäudes von den vordersten Eigenen wird er dabei entweder unmittelbar durch einen Sicherungstrupp (große Entfernung) oder durch den Zug mittels Feuerschutz/Feuerunterstützung (geringe Entfernung) in seiner Auftragserfüllung unterstützt.

Wenn der Eindringpunkt mechanisch geöffnet wurde, dringt wiederum der bereitgehaltene Stoßtrupp analog dem offensiven Reaktionsdrill ein.

Für das Aufschießen von Türen und Fenstern stehen der Jägergruppe das Panzerabwehrrohr 66/79 sowie bei Verfügbarkeit die Panzerkanone des Kampfpanzers zur Verfügung. Dabei ist durch die Panzerbesatzung die geeignete Munition zu verwenden (Sprenggranatpatrone bzw. Leuchtspur-Mehrzweckhohlladungsgranatpatrone, besser Sprenggranaten).

Bei Anwendung der hohen Eindringmethode ist analog der tiefen Eindringmethode vorzugehen. Um hohe Eindringpunkte zu erreichen, können als Hilfsmittel die Leiter aus dem Ausrüstungssatz, aber auch Fahrzeuge (GKGF, bei Bedarf in Verbindung mit der Leiter) dienen.

Der Weg von der Sturmausgangsstellung bis zum Eindringpunkt ist mit einem Seil oder einem Kabel zu markieren, das während des Vorgehens abgespult und am Eindringpunkt fixiert wird. Folgeteile (weitere Jägergruppen, Sanitätskräfte, Versorgungsteil etc.) müssen sich nur am Seil orientieren und finden so auch bei Nacht und schlechter Sicht über den Eindringpunkt zu den Angriffsspitzen.

Kampf im Gebäude

Im Anschluss an das Eindringen in ein Gebäude kommt es meist zum Kampf innerhalb des Gebäudes. Der Jägerzug greift dabei gleichzeitig immer nur mit einer Gruppe an, um die Übersicht zu wahren. Dies erfolgt so lange, bis entweder der verteidigende Gegner zu stark ist oder die Verbindung zu den nachfolgenden Teilen nicht mehr gewährleistet werden kann. Als Anhalt kann die Gruppe gegen einen nachhaltig verteidigenden Feind ohne Einbeziehung von eigenen Verlusten drei bis vier Räume und/oder ein Stiegenhaus in Besitz nehmen.

Das Vorgehen in einem Raum erfolgt dabei gemäß der Grundtechnik und läuft rasch und geordnet ab. Der Gruppenkommandant setzt jeweils nur so viele Soldaten ein, wie für das Nehmen und Halten des Raumes notwendig sind. Je nach Lage und Beschaffenheit des Raumes kann überschlagend oder raupenförmig angegriffen werden.

Kampf entlang von Bewegungslinien

Bei einem Angriff zur vollständigen Inbesitznahme einer Ortschaft greift der Infanterist grundsätzlich durch die Gebäude an, da die Bewegungslinien dem Gegner als Wirkungsräume dienen.

Bei einem Angriff zur Inbesitznahme von wichtigen Geländeteilen in der Tiefe einer Ortschaft bzw. bei einer Patrouille wird aber in der Regel entlang der Bewegungslinie angegriffen bzw. vorgegangen.

Während Panzergrenadiere aufgesessen angreifen können, geht der Infanterist grundsätzlich abgesessen vor. Dabei wird zwischen dem infanteristischen Vorgehen mit oder ohne Kampffahrzeug unterschieden.

Bei beiden Varianten geht die Gruppe geschlossen auf einer Seite der Bewegungslinie vor und sichert mit Ausnahme des Nahsicherertrupps auf die jeweils gegenüberliegende Straßenseite. Ist die Bewegungslinie zu schmal, bewegt sich die Gruppe in Schützenreihe rechts und links der Mittellinie. Beim Vorgehen mit einem Kampffahrzeug kann dieses bei Bedarf den eigenen Vorstoß durch Feuerschutz sichern, wobei auch hier die Sicherheitsbestimmungen einzuhalten sind.

Trifft die Gruppe überraschend auf Feind, so wird lageabhängig der offensive oder defensive Reaktionsdrill durchgeführt bzw. nach Möglichkeit das Gelände gehalten. Als Deckungen sind in weiterer Folge Mauern, Hausecken, Mulden etc. zu nutzen. Entgegen der Darstellung in Spielfilmen ist ein Fahrzeug grundsätzlich keine Deckung, da Geschosse dieses leicht durchdringen können.

Das infanteristische Vorgehen mit einem Kampffahrzeug ist eine Ausnahme. Hier muss bei Bedarf das GKGF als mobile Deckung für das weitere Vorgehen oder Zurückgehen genutzt werden. Das GKGF unterstützt dabei die Gruppe nach Möglichkeit auch durch Waffenwirkung. Wenn der Gegner über Panzerabwehrwaffen verfügt, wird das GKGF hinter der Angriffspitze nachgezogen; verfügt er über keine Panzerabwehrwaffen, kann das GKGF auch vor der Infanterie vorrücken.

Geführt wird das GKGF durch den Gruppenkommandanten.

Überwinden von Kreuzungen

In der Regel ist das Überwinden von Kreuzungen eine Zugsaufgabe und wird im folgenden TRUPPENDIENST-Heft genauer beschrieben. Hier wird dargestellt, wie die Gruppe innerhalb des Zuges eine Kreuzung überwindet.

Die Gefahr geht bei Kreuzungen von den weiteren Bedrohungsrichtungen aus, die sich aus den zusätzlichen Häuserfronten entlang der Querstraßen ergeben. Dadurch lassen sich bei Kreuzungen nie alle Bedrohungen völlig ausschalten. Es gibt jedoch einige Maßnahmen, die die Gefährdung minimieren:

  • Einsatz von künstlichem Nebel zur Verschleierung des Vorgehens;
  • Koordiniertes Vorgehen (überschlagend, raupenförmig oder angriffsweise mit Feuer und Bewegung);
  • Einsatz von GKGF als mobile Deckung.

Beim Überwinden einer Kreuzung hat die Gruppe nicht nur zwei Richtungen abzudecken (vorne und eine Seite) sondern drei (vorne und zwei Seiten), da nicht nur die gegenüberliegende Seite gesichert werden muss, sondern auch entlang der einmündenden Querstraße.

Für die vorgehende Gruppe bedeutet dies, dass bei Erreichen einer Kreuzung der erste Soldat weiter in Marschrichtung sichert, der zweite aber mittels der Eckentechnik entlang der Querstraße auf seiner Seite (siehe Seite 178). Im Anschluss gehen der dritte und vierte Soldat mittels Schulterschluss vor und überqueren die Kreuzung. Schulterschluss bedeutet, dass ein Soldat in Marschrichtung sichert und der andere Soldat eng aufgeschlossen in die Querstraße sichert (Abb. (2)). Nach Gewinnen der gegenüberliegenden Kreuzungsseite, sichert ein Soldat weiter in Marschrichtung, der andere auf die rückwärtige Häuserfront der Querstraße. Im Anschluss übersetzt die restliche Gruppe rasch unter Feuerschutz die Kreuzung. Dieser Schulterschluss mit danach folgendem Übersetzen der Kreuzung kann als Standard angesehen werden. Bei Doppel- und Mehrfachkreuzungen, Kreisverkehren etc. erhöht sich die Schwierigkeit und kann so weit gehen, dass ein Überqueren nur nach detaillierter Planung erfolgen kann (z. B. mehrspurige Kreisverkehre mit mehr als vier Einfahrtsstraßen).

Weitere Aufträge an Gruppen können der Verwundetentransport, die allgemeine Versorgung und das Sichern wichtiger Objekte/Räume sein.

Ausblick

Dieser dritte Teil der Serie "Urbanes Umfeld" hat sich mit der Grundtechnik und der Gefechtstechnik auf Ebene der Gruppe als Basis für die übergeordneten Ebenen beschäftigt. Dem inter- essierten Leser wird folgende Literatur empfohlen: David Bellavia: House to House (London 2007) und Richard Kemp: Attack State Red (London 2008). Beide beschreiben die Gefechtstechnik auf eine sehr direkte Art wie sie nur selten gefunden wird.

Im nächsten Teil wird die Gefechtstechnik mit der Ebene des Zuges und der Kompanie fortgesetzt. Es werden die Herausforderungen mit möglichen Lösungen sowie die Ausbildungssystematik am Institut Jäger der Heerestruppenschule dargestellt.

(wird fortgesetzt)


Autor:

Hauptmann Mag. (FH) Johannes Url, Jahrgang 1980, 2001 bis 2005 Militärakademie, Jahrgang O´Donell, Waffengattung Jäger; 2005 bis 2010 Jägerbataillon 24 (HGeb), 2007 bis 2010 stellvertretender Kommandant 1. Jägerkompanie(KPE)/JgB24(HGeb). Auslandseinsätze: AUTCON2/ORF und AUTCON20/KFOR. Seit 2010 Lehroffizier Jäger&Ortskampf am Institut Jäger, Heerestruppenschule.

Eigentümer und Herausgeber: Bundesministerium für Landesverteidigung | Roßauer Lände 1, 1090 Wien
Impressum | Kontakt | Datenschutz | Barrierefreiheit

Hinweisgeberstelle