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Im Mittelpunkt steht der Mensch: Bundesheer rauschfrei?

Das Bedürfnis nach Veränderung von Bewusstseinszuständen, zum Beispiel durch Alkohol oder Drogen, ist wahrscheinlich so alt wie die Menschheit selbst. Der Umgang mit diesem Umstand bietet die gesamte denkbare Palette an Sanktionen und Reglementierungsver­suchen: Während in Thailand der Besitz eines illegalen Suchtmittels mit der Todesstrafe bedroht ist, führt der Besitz der gleichen Menge dieser Substanz in Österreich vielleicht sogar zu einer Zu­rücklegung der Anzeige. In Holland ist der Erwerb von Cannabis legalisiert usw.

Soldaten aller Epochen und Kulturen waren immer schon besonderen Belastungen und Lebenssituationen ausgesetzt. In den Armeen der Welt dokumentiert sich der Umgang mit psychoaktiven Substanzen mannigfaltig: So tranken die Soldaten der römischen Legionen Unmengen von Wein, während die Krieger vieler Indianerstämme durch den Verzehr von psychedelisch wirkenden Kakteen versuchten, den Zugang zu ihrem Selbst zu finden. Die GIs im Vietnam der 60er-Jahre verwendeten Heroin und Cannabis, um mit den Belastungen des Krieges fertig zu werden. Drogen bei den Deutschen spielten ebenso eine Rolle wie der Wodka in der russischen Armee oder Am­phe­tamine und Tranquillizer in der israelischen Armee.

Die erste Erkenntnis in der Auseinandersetzung mit diesem Thema muss sein, dass die Präsenz von solchen Substanzen und Verhaltensweisen nicht völlig zu verhindern ist und es daher darum gehen muss, wie wir auch im Solda­tenalltag kompetent, differenziert und unterstützend damit umgehen können. Der Übergang vom Gebrauch einer Substanz bis zur Sucht ist gleitend und für den Konsumenten selbst nur wenig bis gar nicht wahrnehmbar. Solange ein Drogenkon­sument seinen Job verrichtet und niemand anderem schadet, wird er meist noch akzeptiert. Erst wenn sich seine Persönlichkeit und sein Verhalten so verändern, dass sich das soziale Umfeld beeinträchtigt fühlt bzw. er/sie als nicht mehr leistungsfähig genug betrachtet wird, tritt das Problem zu Tage.

Missbrauch ist im Wesentlichen jeder Konsum, der entweder nicht al­ters­gemäß ist (Alkohol bei Kindern), rechts­­widrig ist (der Verkauf von Spirituosen an Jugendliche unter 18 Jahren) oder wenn er zur Erzielung eines anderen Effektes als dem Vorgesehenen verwendet wird (Schmerzmittel zum Zwecke der Be­rauschung). Als Missbrauch kann auch alles, was über den Genuss hinausgeht, betrachtet werden (Alkohol mit dem Ziel der Be­rau­schung). In jedem Fall gilt die Verwendung von be­wusst­seinsver­än­dernden Mitteln als Missbrauch, wenn diese in unangemessenen oder risikoreichen Situationen wie beim Lenken eines Kraftfahrzeuges, im Einsatz oder beim Fällen von folgenschweren Entscheidungen geschieht.

Das aktuelle Suchtmittelgesetz (SMG) gibt dem Bundesheer die Möglichkeit, Drogen konsumierende Stellungs­pflich­tige und Soldaten nicht mehr anzuzeigen sondern sie der Bezirkshauptmannschaft als Gesundheitsbehörde zu melden. Der damit befasste Amtsarzt entscheidet schließlich über weitere Maßnahmen. Während des Grundwehrdienstes erfolgt bei Vorliegen eines Konsums von illegalen Substanzen zwar die Meldung an den Amtsarzt, aber keine Entlassung, wenn der Nachweis einer "Abstinenzfähigkeit" durch zwei weitere Harntests gelingt. Liegt keine Abhängigkeit - also Krankheit - vor, wäre theoretisch auch eine disziplinäre Verfolgung wegen des Verdachts auf "Vorsätzliche Herbeiführung der Dienst­unfähigkeit" möglich, wovon aber kaum Gebrauch gemacht wird. Es stellt sich nun die Frage, wie sinnvoll und notwendig eine vorzeitige Entlassung bei Cannabiskonsum überhaupt ist und ob nicht schon eine so genannte Ver­wen­dungsänderung ausreicht, um Gefährdungen durch einen Drogen konsumierenden Soldaten zu vermeiden.

Auch die Deutsche Bundeswehr hat ihre früher sehr eng gesteckten Kriterien für Eignungseinschränkungen oder Entlassungen gelockert und versucht nun wieder, die individuellen Rahmenbedin­gungen mit zu berücksichtigen.

Handlungsbedarf bezüglich einer klareren Haltung gegenüber Suchtmittelkonsumenten und ein professionellerer Umgang speziell im Prä­ven­tionsbereich ist im Österreichischen Bun­des­heer allemal angesagt.

Österreichweit gab es im Vorjahr 19 200 Anzeigen wegen eines Vergehens und 2 490 wegen eines Verbrechens nach dem Suchtmittelgesetz. 330 000 Österreicher ab dem 16. Lebensjahr sind chronische Alkoholiker und 870 000 werden als "Missbraucher" eingestuft. Das Verhältnis beträgt dabei zwischen Frauen und Männern etwa 1:5. Rund 85 Prozent aller Jugendlichen wissen, woher sie illegale Substanzen bekommen können bzw. kennen jemanden, der illegale Substanzen konsumiert.

Deshalb ist es kaum verwunderlich, dass die Zahl der erfassten Vorfälle auch im Bundesheer seit geraumer Zeit steigt. Drei Viertel aller Besonderen-Vorfallsmeldungen im Monat April und Mai 2005 stehen in Zusammenhang mit dem Missbrauch illegaler Substanzen.

Bei den Stellungsuntersuchungen wurden in den Jahren 2002 bis 2004 jeweils etwa 200 von ungefähr 45 000 Jugendlichen bei der ersten Stellung aufgrund einer Alkohol- oder Drogenproblematik für untauglich oder vorübergehend untauglich befunden. Das bedeutet, dass die Masse der Konsumenten einrückt und ein Teil davon weiterkonsumiert. Sie sind also "unter uns". Und auch im Kader und bei anderen Bediensteten wächst die Anzahl derer, die Erfahrungen auch mit illegalen Drogen aufweisen. Es ist also dringend nötig, eine ehrlichere und klarere Haltung gegenüber dem Konsum von illegalen Substanzen und Alkohol bei Rekruten und Kader zu finden. Es muss definiert sein, wo die Schmerzgrenze liegt. Sie darf weder zu hoch ("Wegschauen") noch zu tief (sofortiger "Rausschmiss") angesiedelt sein. Bestehende zivile Programme sollten adaptiert und von uns allen umgesetzt werden, ganz besonders von jenen Kommandanten, die mit jungen Rekruten, KIOP-Soldaten oder mit "problematischen" Mitarbeitern zu tun haben. Ihnen zur Seite sollen speziell geschulte, erfahrene Soldaten stehen, wie die vom Heerespsycho­logischen Dienst ausgebildeten "Peers". Damit könnte das Bundesheer einen wesentlichen Beitrag zur Bewältigung dieser Problematik leisten.

Mag. Hans-Jörg Steiner und Mag. Bernhard Penz

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