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Abzug vom Golan - was wirklich geschah

Vor einem Jahr zog Österreich für viele überraschend sein Vereinte Nationen (VN)-Kontingent aus Syrien ab. Der damalige stellvertretende Force Commander (DFC) der United Nations Disengagement Observer Force (UNDOF), Brigadier Mag. Stefan Thaller, schildert seine Eindrücke von den Ereignissen zwischen dem 15. April und 31. Juli 2013. Allfällige differende Wahrnehmungen - zum Beispiel hinsichtlich der Versorgungslage - durch andere Personen zu anderen Zeiten sind nicht berücksichtigt.

Vorgeschichte

Gegenüber den Vereinten Nationen (VN) und der UNDOF äußerten österreichische Stellen immer wieder, der Abzug sei auch deshalb erfolgt, weil die VN zu wenig und zu langsam auf die sich verschlechternde Sicherheitssituation reagiert habe. Ohne jetzt auf Details eingehen zu wollen, muss doch festgehalten werden, dass die VN jedenfalls immer nur so stark, so schnell und so fähig sind, wie es die Mitgliedsstaaten wollen bzw. ermöglichen.

So hat es sich entwickelt, dass auch rund um den Abzug Österreichs vom Golan die VN durchaus spät und - sowohl in Bezug auf zusätzliche Ressourcen als auch auf z. B. Änderungen betreffend erlaubter Waffen - teilweise mit zu wenig Nachdruck auf die sich entwickelnde Lage reagiert haben.

Gleiches kann aber auch über das Engagement Österreichs in dieser Lage gesagt werden. Hier hat man sich von Seiten UNDOF durchaus mehr Flexibilität und einen größeren sowie schnelleren Einsatz von Kräften und Mitteln erhofft (z. B. Verstärkungskräfte etwa um Ostern 2013, schnelleres Einbringen der Mannschaftstransportpanzer "Pandur" und zwar über Beirut, mehr Flexibilität bei der Rotation der Kräfte).

Lageentwicklung

Aus Sicht des Hauptquartiers (HQ) UNDOF hat sich etwa ab Beginn Mai 2013 die Lage in Hinblick auf das mögliche Ausscheiden von Truppenstellern wie folgt dargestellt:

Spätestens nach der neuerlichen Entführung - nachdem Anfang März 2013 ca. 20 philippinische Soldaten entführt worden waren - von diesmal vier philippinischen Soldaten am 7. Mai 2013, erfolgten intensive Diskussionen auf den Philippinnen betreffend eines Abzuges des philippinischen Kontingentes von UNDOF aus. Zusätzlich fanden auch in Indien Diskussionen hinsichtlich eines Weiterverbleibes des Kontingentes statt. Dementsprechend hat eine der Eventualplanungen von UNDOF auch den gänzlichen Abzug eines Truppen-Kontingentes - Österreich oder Philippinen oder Indien - berücksichtigt. Österreich wurde nicht zuletzt aufgrund der Besuche des Herrn Außenministers (12. April 2013) und des Herrn Bundesministers für Landesverteidigung (9. Mai 2013) am Golan und deren Aussagen - auch gegenüber israelischen Politikern - sowie des langjährigen Einsatzes am Golan seit 1974 als grundsätzlich eher "stabil" im Sinne von "the Austrians will stay" beurteilt. Dementsprechend hat eine der Eventualplanungen von UNDOF auch den gänzlichen Abzug eines Truppen-Kontingentes - Österreich oder Philippinen - berücksichtigt. Umso überraschender, ja am Anfang sogar schockierender, war daher für alle bei UNDOF die am 6. Juni 2013 getroffene Abzugsentscheidung Österreichs.

Aus Sicht HQ UNDOF war nämlich die Lageentwicklung an diesem 6. Juni 2013 zwar neu in dem Sinne, dass bisher nie das B-Gate (VN-Grenzübergang zu Israel) direkt angegriffen worden war, aber im Vergleich mit z. B. Februar und März 2013 war dies bei Weitem nicht die gefährlichste Situation im Zeitraum der letzten Monate.

Insgesamt hat sich die Lage, nach Vorliegen aller Information, am "D-Day" - wie wir den 6. Juni 2013 bereits am gleichen Tag genannt haben - wie nachfolgend entwickelt.

Abend des 5. Juni, bis ca. 0430 Uhr des 6. Juni

1) Um 1930 Uhr erfolgt im Raum Bir Ajam eine Befehlsausgabe von ca. 30 Rebellen, die sich dann, unter anderem mit zumindest drei Fahrzeugen, Richtung Norden bewegt haben.

2) Um ca. 2350 Uhr liegt syrisches Artilleriefeuer auf dem gesamten Raum Braika - Bir Ajam, wahrscheinlich deswegen, weil Rebellen in unbekannter Stärke (Reserve oder Unterstützungselemente) erkannt wurden.

3) Um ca. 0420 Uhr des 6. Juni befinden sich die Rebellen an einer Ablauflinie ostwärts von Al Qahtaniya und machen sich für den Angriff auf eine stark befestigte und bewaffnete Stellung im sogenannten "Police-Village" bereit.

4) Um ca. 0430 Uhr wird diese Stellung genommen und es werden damit die Voraussetzungen für den weiteren Ansatz Richtung Al Qunaytirah geschaffen.

Morgen des 6. Juni, ca. 0430 bis ca. 0500 Uhr

6) Ab ca. 0430 Uhr wirkt die syrische Artillerie in den Raum ostwärts Al Qunaytirah bzw. Al Qahtaniya gegen möglicherweise erkannte Rebellenbewegungen.

7) Ab ca. 0445 Uhr erfolgt dann der Ansatz der Rebellen über zwei Stoßrichtungen - eine Richtung Al Qunaytirah mit dem vermutlichen Ziel des Abriegelns von Gegenangriffen und eine Richtung B-Gate zum Nehmen dieses Raumes.

8) Etwa zeitgleich beginnt syrisches Gegenfeuer mit Maschinengewehren und Sturmgewehren aus Stellungen im Raum Al Qunaytirah und B-Gate.

Morgen des 6. Juni, ca. 0500 bis ca. 0640 Uhr

9) Ab ca. 0500 Uhr liegt schweres Artilleriefeuer auf dem Raum Al Qunaytirah und der Feuerkampf mit Flachfeuerwaffen setzt sich fort.

10) Um ca. 0530 Uhr haben die sogenannten Rebellen das B-Gate erobert. Weiterhin Steil- und Flachfeuer im gesamten Raum Al Qunaytirah.

11) Um ca. 0640 Uhr beginnt der Gegenangriff von gepanzerten Kräften im Umfang einer verstärkt-gemischten Panzer-/Panzergrenadier-Kompanie, die im Bereich des VN-Stützpunktes 25 in die Area of Separation (AOS) Richtung Al Qunaytirah einfahren.

Morgen des 6. Juni, ca. 0640 Uhr bis Mittag, ca. 1250 Uhr

Rebellen im Raum B-Gate halten die Stellung und versorgen ihre Verwundeten.

12) Um ca. 0900 Uhr gewinnen die Gegenangriffskräfte, unter anderem durch die Explosion einer Sprengfalle verzögert, endlich den Raum der "Spider Junction" und greifen mit fortgesetzter Steilfeuerunterstützung weiter Richtung Al Qunaytirah an.

13) Das ist für die Rebellen am B-Gate der Startpunkt für den Rückzug, da sie das Gelände gegen einen mechanisierten Feind aufgrund der mit Masse leichten Bewaffnung nicht halten können.

14) In der Folge nehmen die syrischen Kräfte bis ca. 1250 Uhr den gesamten Raum des B-Gate wieder in Besitz, während sich alle Rebellengruppierungen in den Raum Bir Ajam zurückziehen.

15) Zwischen 0730 und 0830 Uhr und um ca. 1200 Uhr beschießen die Rebellen mit leichten Granatwerfern das VN-Camp "Ziouani", wobei ein indischer und ein philippinischer Soldat leicht verwundet werden. An den Gebäuden entstanden diverse Sachschäden.

6. Juni, ca. 1250 Uhr bis ca. 1740 Uhr

Während des Nachmittages wird der Raum Al Qunaytirah - B-Gate durch die syrischen Gegenangriffskräfte gesäubert, diese besetzen wiederum das B-Gate und beginnen mit Unterstützung von UNDOF mit der Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit. (Anmerkung: Das B-Gate war nach den Kämpfen nicht mehr funktionsfähig und die Infrastruktur offensichtlich gezielt zerstört worden. Zumindest zwei Verbindungsoffiziere wurden an Ort und Stelle exekutiert, ein dritter wurde von den Rebellen entführt. Durch UNDOF wurden in der Folge die dringendsten Bereiche (Strom, Wasser, EDV) in Stand gesetzt, um die Voraussetzungen zur Wiederaufnahme der "Crossings" im üblichen Umfang zu schaffen.

Durch eine Kommandanten-Patrouille des AUSBATT wurden bereits am 7. Juni drei neue syrische Verbindungsoffiziere mit gehärteten Kraftfahrzeugen an das B-Gate verbracht. Das C-Gate wurde im Zuge dieser Patrouille gesichert, durch die Kampfmittelbeseitigung von AUSBATT überprüft und wieder für den Bezug freigegeben. Ab 7. Juni 2013 befand sich somit wieder Militärpolizei und eine Infanteriegruppe des Logistikbataillons zur Sicherung im Bereich C-Gate. Das A-Gate wurde per 8. Juni 2013 wieder geöffnet und hat ab diesem Zeitpunkt den normalen Betrieb aufgenommen.

16) Um ca. 1600 Uhr verstärken ca. 30 syrischen Soldaten das B-Gate.

17) Die syrischen Gegenangriffskräfte ziehen sich zurück und verlassen um ca. 1740 Uhr im Bereich des VN-Stützpunktes 25 wieder die AOS.

Bewertung

Insgesamt waren nach Schätzungen HQ UNDOF an diesem Überfall ca. 100 Rebellen in den verschiedenen Rollen - Führungs-, Aufklärungs-, Stoß-, Abriegelungs-, Feuerunterstützungs-, Einsatzunterstützungselement, auch unter Verwendung zielgenauer, weitreichender Steilfeuerwaffen (Granatwerfer) und technisch durchaus anspruchsvoller Sprengvorrichtungen - beteiligt, wobei deren Verluste zumindest ca. 25 Verwundete und fünf bis zehn Tote betrugen.

Die Rebellen demonstrierten damit am Golan erstmals erfolgreich die Fähigkeit zu koordinierten Angriffshandlungen in etwa Kompaniestärke.Dabei waren sie jedoch aufgrund mangelhafter Ausstattung mit weitreichenden panzerbrechenden Waffen, fehlendem Panzerschutz und fehlendem weitreichendem Steilfeuer noch nicht fähig, einen Raum über längere Zeit gegen mechanisierte Kräfte zu halten. Es kam - wie auch schon bei vorherigen Aktionen - nach wie vor zu keinem koordinierten Zusammenwirken mit den Rebellen nördlich von Al Qunaytirah (Zentrum dieser Rebellen ist der Raum Jabata).

Der Angriff war aber nicht nur "am Boden" koordiniert, sondern offensichtlich auch medial, da z. B. Al Jazeera am Morgen des 6. Juni auf der israelischen Seite vor Ort war und quasi "live" die Weltöffentlichkeit informierte.

Die syrische Armee wurde offensichtlich sowohl vom gewählten Angriffsziel als auch der Wucht/Durchschlagsfähigkeit der Angriffshandlungen überrascht, schlug dann aber mit aller Kraft zurück und ließ sich auch nicht durch die Nähe zu israelischen Stellungen abhalten, den immens wichtigen Raum des B-Gate wieder in Besitz zu nehmen.

Mit Ausnahme VN-Camp "Ziouani" erfolgte nach wie vor kein direkter Angriff auf VN-Einrichtungen oder VN-Personal, wiewohl natürlich die im Raum dislozierten VN-Stützpunkte teilweise durch "zufällige" Steil- und Flachfeuertreffer gefährdet waren und die VN-Soldaten im betreffenden Raum während eines Gutteils dieses 6. Juni zumindest mit Masse in ihren Sheltern waren (betraf insbesondere die VN-Stützpunkte 22, 25, 27 und 60, aber auch das C-Gate bis zur Evakuierung und das VN-Camp "Ziouani").

Jedenfalls waren die Kämpfe bei Weitem nicht so intensiv, wie sie in verschiedenen Medien - zum Teil "live" - dargestellt wurden und auch so um die Welt gegangen sind. Der Grund des dichten Rauches und Feuers war ein simpler Grasbrand aufgrund der Munitionswirkung, der - neben der zweifellos gegebenen potenziellen Gefährdung durch Steil- und Flachfeuer - mit ein Grund war, weshalb das Personal des C-Gate in den Morgenstunden des 6. Juni zeitlich befristet in das VN-Camp "Ziouani" evakuiert worden ist.

Natürlich hat sich auch für UNDOF die Frage nach dem Grund des Rebellenangriffes gerade zu diesem Zeitpunkt und gerade gegen das B-Gate gestellt.

Nach UNDOF-Beurteilung waren für diesen Angriff mehrere Gründe ausschlaggebend.

Das B-Gate war jedenfalls ein sogar strategisches Ziel mit höchster Auswirkung, da es für VN-Truppen die einzige Übergangsmöglichkeit von Syrien zum, durch Israel besetzten Golan, darstellt und dieser Raum, gemeinsam mit der Verbindungslinie Al Qunaytirah - Khan Arnabah - VN-Camp "Faouar", wesentlich für das Zusammenwirken und die Logistik von UNDOF war.

Am 4. Juni 2013 hatten die syrischen Streitkräfte die Rebellenhochburg Al Qusayr (Mittel-Syrien an der Grenze zum Libanon gelegen) nach langer Belagerung/Kämpfen erobert. Der 5. Juni 2013 war auch der sogenannte "Naksa-Day" ( "Tag des Rückschlages" - Ausbruch "6-Tage-Krieg 1967"). Mit dem Angriff gegen ein Ziel mit höchster Auswirkung konnte/sollte daher ein Zeichen des nach wie vor vorhandenen Widerstandes gesetzt werden.

Zusätzlich war der Rebellenangriff ein Signal an die Weltöffentlichkeit über die Unzufriedenheit in Hinblick auf die mangelnde internationale Unterstützung der Rebellen. Daher war z. B. auch Al Jazeera am Morgen des 6. Juni vor Ort und hat "live" gesendet.

Wie schon oben gesagt, gab es mit Ausnahme des VN-Camps "Ziouani" auch an diesem Tag keine direkte Gefährdung von VN-Einrichtungen und VN-Personal. Der Beschuss des VN-Camps erfolgte dabei zumindest um ca. 1200 Uhr absichtlich und unserer Meinung nach klar durch die Rebellen. Zu diesem Zeitpunkt war der Rebellenangriff im Wesentlichen schon lange abgeschlossen und unterstützendes Steilfeuer in den Raum B-Gate bzw. VN-Camp "Ziouani" hätte keinen militärischen Sinn mehr gehabt - wobei als Gründe hiefür beurteilt wurden:

- Zusätzliche Publicity.

- Allenfalls gegen Indien gerichtet, das in den Vormonaten in VN-Gremien gegen eine Intervention internationaler Kräfte in Syrien gestimmt hatte.

- Warnung/Botschaft der Rebellen an den indischen Force Commander und auch an den Kommandanten der israelischen Golan-Division, die sich beide zeitweilig im VN-Camp aufhielten, -- Kontakt aufzunehmen!

-- dass nunmehr eine Steilfeuer-Fähigkeit vorhanden wäre, die erforderlichenfalls auch eingesetzt werden würde.

Probleme/Herausforderungen/Auswirkungen auf UNDOF

Die politische Entscheidung zum Abzug des österreichischen Kontingentes wurde nach einer kurzen Phase der "Neuorientierung" stets und von allen als eben politische Entscheidung verstanden sowie akzeptiert. Nicht zuletzt deshalb, weil alle anderen Truppen-Kontingente aufgrund der Diskussionen in ihren Heimatländern jederzeit vor der gleichen Situation stehen hätten können.

Nicht verstanden, und bis zuletzt auch nicht akzeptiert wurde jedoch die angeordnete Vorgangsweise bzw. der angeordnete Zeitdruck ("Ab 26. Juni 2013 kein österreichischer Soldat mehr auf der B-Side und Abzug des gesamten AUTCON bis spätestens Ende Juli 2013"), denn sowohl die Vereinten Nationen als auch UNDOF sind immer von der Einhaltung der drei Monate-Frist gem. Artikel 15 des Memorandum of Understanding zur Truppenbeistellung vom 27. Juni 2008 ausgegangen (Anmerkung: Japan und Kroatien haben bei ihren Abzügen diese Frist auch nicht eingehalten, allerdings geschah dies im Einvernehmen mit dem VN-Hauptquartier in New York).

Dementsprechend gingen die Bearbeitungen/Bemühungen von UNDOF von Beginn an in zwei Richtungen: Einerseits diplomatisch Richtung Department of Peacekeeping Operations (DPKO), um so lange und so viele österreichische Soldaten wie möglich einsatzbereit zu haben, und andererseits taktisch Richtung Einnahme einer Zwischenlösung bis zum Eintreffen eines oder mehrerer anderer Truppen-Kontingente als Ersatz.

Zusammenfassend hat sich dabei die "diplomatische Schiene" von 7. Juni bis 31. Juli 2013 wie folgt dargestellt:

- 7. Juni: Vorschlag DPKO auf Belassung des AUTCON bis 31. Juli als Kompromissvorschlag.

- 8. Juni: Rückholweisung BMLVS bzw. Rückholbefehl des Streitkräfteführungskommandos: "26 06 13 Abzug Masse bzw. Ende Juli Teile StbPers HQ und Ärzte aus UN-Camp ZIOUANI".

- 12. Juni: Offizielle Mitteilung an DPKO hinsichtlich Suspendierung der Truppenbeteiligung und Bekanntgabe des Abzuges innerhalb von zwei bis vier Wochen.

Neuerliche Aufforderung von DPKO, noch bis 31. Juli im Einsatzraum zu verbleiben.

- Ab ca. 12. Juni: Intensive Suche auf Ebene Vereinte Nationen New York (VN NY) nach einem Ersatz für das AUTCON.

- 14., 17. und 18. Juni: Ersuchen von UNDOF an UN HQ um Unterstützung durch Österreich.

- 18. Juni: VN NY ruft Aufforderung vom 12. Juni in Erinnerung, da bisher noch keine Antwort von Österreich eingelangt sei.

- 20. Juni: Neuerliches Gespräch "Permanent AUT Mission NY" mit Under-Secretary-General DPKO Mr. Ladsous. Dieser bietet einen Kompromiss in Form eines phasenweisen Abzuges an:

- Verbleib der 1. Kompanie bis 31. Juli.

- Verbleib der restlichen Kompanien bis ca. 10. Juli.

- Verbleib Schlüsselpersonal, Militärpolizei, Ärzte auf der A-Seite und (-)BKdo sowie VN-Camp "Faouar"-Teile auf der B-Seite bis 31. Juli.

- Belassung bestimmter Ausrüstung und Gerät im Einsatzraum.

Ergebnis des Gesprächs vom 20. Juni: Kein Einvernehmen.

- 24. Juni 2013: Ausarbeitung eines Kompromissvorschlages durch DFC und Versuch der Akzeptanzfindung (in VN NY, "Permanent AUT Mission NY" und AUT) mit folgenden Kernpunkten:

- Abzug der Masse des AUTCON am 26./27. Juni, da deren Abzug aufgrund der bereits durchgeführten Vorbereitungen sowieso nicht mehr rückgängig zu machen gewesen wäre.

- Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit von VN-Camp Faouar und Sicherstellung der Einweisung des ersten Fiji-Kontingentes bis 4. Juli.

- Stabspersonal, Militärpolizei, Ärzte und diverses Personal verbleiben für die Einweisung des zweiten Fiji-Kontingentes bis 31. Juli auf der B-Seite bzw. besetzen weiterhin den VN-Stützpunkt 22 (auf der A-Seite gelegen).

- 24. Juni: Verhandlungen auf Ebene DPKO.

Das Ergebnis der Verhandlungen am Dienstag, 25. Juni, ca. 1500 Uhr: "We take note of the Austrian position, but we cannot sign up to it".

Parallel zur diplomatischen Schiene war relativ bald nach der Abzugsent- scheidung um den 15. Juni klar, dass ein Truppen-Kontingent von den Fiji-Inseln mit einem ersten Kontingent (ca. 190 Personen mit geplantem Eintreffen im Einsatzraum um den 28./29. Juni) und einem Hauptkontingent (ca. 320 Personen, geplantes Eintreffen im Einsatzraum um den 28. bis 30. Juli) das AUTCON ablösen würde und das Hauptproblem der Zeitfaktor - Eintreffen erster Teil/FIJICON erst ca. eine Woche nach Abzug der Masse des AUTCON bzw. Eintreffen des Hauptteiles/FIJICON in etwa gleichzeitig mit dem Abzug der restlichen Teile AUTCON Ende Juli 2013 - wäre.

Anmerkung: Der Einsatz eines zusätzlichen nepalesischen Truppen-Kontingentes, das aus dem bei UNIFIL eingesetzten NEPCON herausgelöst wurde, in der Stärke von ca. 130 Personen ab ca. 19. Juli hat sich erst Anfang Juli ergeben.

Als Zwischenlösung bis zum Eintreffen der ersten Teile FIJICON wurde daher letztendlich eingenommen:

- VN-Stützpunkt 22 bleibt weiterhin durch österreichische Soldaten besetzt; - Teile des philippinischen und indischen Kontingentes besetzen - unter bewusster Verringerung von deren Mannschaftsstärken in den jeweiligen Verantwortungsbereichen - alle sonstigen VN-Stützpunkte, die vorher vom AUSBATT besetzt waren.

In zwei weiteren Phasen wurde dann bis Ende Juli 2013 der Ersatz des AUTCON im Einsatzraum endgültig vollzogen. Die Neustrukturierung der FHQ-Coy konnte erst im September mit dem Eintreffen einer irischen Kompanie abgeschlossen werden.

Die wesentlichste negative Auswirkung des österreichischen Abzug-Zeitplanes auf UNDOF war zweifellos der immense Wissens-/Erfahrungsverlust durch die nicht mögliche zeitliche Abstimmung der Übergabe der österreichischen VN-Stützpunkte und Aufgaben im VN-Camp "Faouar" an die tatsächlichen Nachfolger. Dieser Wissens-/Erfahrungsverlust hätte vermieden werden können, wenn sich Österreich entweder an die "3-Monate-Frist" gehalten hätte oder zumindest den Kompromissvorschlägen von Vereinten Nationen in New York vom 20. Juni zugestimmt hätte.

Der einseitige und nicht abgestimmte Abzug des AUTCON hat zweifellos die gesamte Mission als Ganzes (Möglichkeit/Gefahr des "spill over" auf andere Truppensteller, nunmehr aufgrund des Beispieles von Österreich auch abzuziehen) sowie die Sicherheit insgesamt in der ganzen Region (möglicherweise entstehendes "Machtvakuum" am Golan mit vielfältigen Entwicklungs- und Nutzungsmöglichkeiten) gefährdet. Die Sicherheit des philippinischen VN-Kontingentes stand ebenfalls auf dem Spiel, da ja dessen Stärken auf deren VN-Stützpunkten in einer sicherheitsmäßig doch brisanten Zeit durch die zusätzliche Wahrnehmung des Ersatzes des AUTCON doch sehr ausgedünnt werden mussten.

Zusammenfassung aus Sicht HQ UNDOF

Die sehr überraschende Entscheidung, das AUTCON in sehr kurzer Zeit abzuziehen, hat UNDOF in einer durchaus brisanten Situation getroffen und hatte das Potenzial zur Gefährdung der gesamten Mission.

Herausforderung für VN NY und auch UNDOF war in der Folge jedoch nicht der Abzug des AUTCON, sondern immer nur der Zeitfaktor zum Finden und zur Eingliederung des Ersatzes. Das zeigt sich auch am Beispiel der Änderungen bei UNDOF in den letzten Jahren:

Diese Herausforderung konnte - auch weil es in der Schwächephase Juni/Juli 2013 kaum sicherheitsrelevante Vorfälle gegeben hat - dank des Ent- gegenkommens und der Akzeptanz von der Norm abweichender, jedoch lagebedingt notwendiger, Maßnahmen von Seiten der Philippinen und Indiens provisorisch bewältigt werden.

Das Eintreffen des FIJICON ab Ende Juni 2013 und dann des NEPCON kurz nach Mitte Juli 2013 bzw. des IRECON ab September 2013 hat zwar durchaus den "Charakter" von UNDOF geändert, UNDOF ist aus dieser Krise aber stärker hervor gegangen, als es zuvor je gewesen ist. UNDOF wird daher die Aufgaben der Zukunft zwar vielleicht anders als bisher, aber im Ergebnis genauso gut wie bisher erfüllen.

Mit Wehmut ist abschließend festzustellen, dass die Ära österreichischer Soldaten auf den Golanhöhen nach mehr als 39 Jahren vorbei ist.

Der indische Force Commander von UNDOF, GenLt Iqubal Singh Singha, hat mehrmals öffentlich seinen Dank für die in diesen Jahren erbrachten Leistungen österreichischer Soldaten bekundet, und dies - quasi offiziell - auch schriftlich gegenüber dem österreichischen Botschafter in Israel getan.


Autor: Brigadier Mag. Stefan Thaller, Jahrgang 1961, 1980 bis 1983 Theresianische Militärakademie, 1983 bis 1988 Kommandant Lehrzug und Stabskompanie an der Heeresunteroffiziersschule, 1988 bis 1991 12. Generalstabskurs, 1991 bis 1992 Militärkommando (MilKdo) OÖ als Referent Führung&Organisation, 1993 bis 1997 G3 im MilKdoNÖ und von 1997 bis 2002 Chef des Stabes/ MilKdoNÖ. Seit 2002 Abteilungsleiter "Abteilung Einsatzvorbereitung" in der Gruppe Einsatzgrundlagen.

Auslandseinsätze: 1984 bis 1985 Zugskommandant UNDOF/Syrien, 1996 bis 1997 Chief Operations Officer bei UNDOF/Syrien, 2000 bis 2001 Bataillonskommandant UNDOF/Syrien, 2013 Deputy Force Commander UNDOF/Syrien.

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