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Drogenbekämpfung in den polnischen Streitkräften

Drogen zählen zu den großen Problemen der Gegenwart. Sie haben sich auf allen Kontinenten, in allen sozialen Gruppen und über alle politischen, kulturellen oder geografischen Grenzen hinweg verbreitet. Drogen gefährden nicht nur Teenager, Studenten, Suchtkranke und Kriminelle. Längst haben sie auch Wege in die Organisationen gefunden, die für Sicherheit, Schutz und Verteidigung zuständig sind, somit auch in die polnischen Streitkräfte.

Der Drogenkonsum in den Streitkräften sowie bei Milizen und anderen Teilnehmern an bewaffneten Auseinandersetzungen wird seit über 40 Jahren gezielt dokumentiert. Er hat aber - trotz der Gefahren für das Militär - bereits eine 4 000 jährige Geschichte. Anscheinend erhielten schon zur Zeit der ägyptischen Pharaonen und der Hochblüte der Inka-Kultur Soldaten bestimmte Substanzen, die ihren Kampfwillen stärken und ihre Angst mindern sollten.

Während des Napoleonischen Feldzuges in Ägypten 1798/99 kamen die französischen Soldaten erstmals mit Marihuana, das von der dortigen Bevölkerung geraucht wurde, in Berührung und brachten es nach Europa. Opium und Morphium hingegen waren im amerikanischen Sezessionskrieg (1861 bis 1865) weit verbreitet und führten zur sogenannten "Soldatenkrankheit".

Um die Müdigkeit der Soldaten zu bekämpfen, wurden während des Spanischen Bürgerkrieges 1936 zum ersten Mal Amphetamine ausgegeben. Im Zweiten Weltkrieg fanden diese eine weite Verbreitung in allen Streitkräften.

Während der französischen und amerikanischen Feldzüge in Indochina (Laos, Annam/Vietnam) breitete sich der Drogenkonsum weiter aus. Das führte seit den siebziger Jahren zu seiner steigenden Popularität auch in den Herkunftsländern der Soldaten, vor allem in den USA. Amerikanische Wissenschafter schätzen, dass bis zur Hälfte der amerikanischen Soldaten, die in Vietnam Heroin nahmen, davon abhängig wurden.

In der jüngsten Vergangenheit waren Drogen während der bewaffneten Konflikte in Afrika, am Balkan und insbesondere in Afghanistan weit verbreitet, sowohl in den sowjetischen Streitkräften als auch bei den Mujaheddin. Sie galten als Stimulantien zur Steigerung der Kampfbereitschaft sowie der geistig-körperlichen Belastbarkeit der Soldaten und als Abwehrmittel gegen die brutale Realität der Kämpfe. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich Psychologen und Kommandanten oft fragten, warum Soldaten ihren Drogenkonsum nicht auf Kampfhandlungen und Einsätze beschränken, sondern auch im normalen Kasernenleben zu Drogen greifen.

Auch in Polen ein Problem

In den polnischen Streitkräften hat sich das Drogenproblem seit dem Jahr 2000 verschärft. Es gab deutlich mehr Fälle von illegalem Drogenbesitz sowohl bei den Rekruten (als Folge des Kontaktes mit Drogen im Zivilleben) als auch bei Soldaten in Friedenserhaltenden Operationen - und bei Offizieren. Stark zugenommen hat auch der Drogenhandel in den Militäreinheiten. Er wird dort vor allem von Soldaten mit Kontakten zur Unterwelt betrieben. Im Jahre 2001 deckte die polnische Militärpolizei erstmals einen groß angelegten Drogenschmuggel auf: Soldaten einer Friedenserhaltenden Operation am Balkan brachten Drogen nach Polen, wo sie illegal verkauft werden sollten. Eine Analyse amerikanischer, französischer, deutscher und russischer Veröffentlichungen zeigt deutlich, dass vergleichbare Probleme auch in vielen anderen Armeen Tagesrealität sind, insbesondere dort, wo Drogen leicht erhältlich und bei jungen Leuten gefragt sind.

In den polnischen Streitkräften setzte der Drogenmissbrauch in größerem Umfang in den späten neunziger Jahren ein, und zwar als Folge des verstärkten Drogenkonsums in der polnischen Gesellschaft sowie des wachsenden Interesses der Organisierten Kriminalität, in den mittel- und osteuropäischen Drogenmarkt einzudringen. Durch Polen führen auch mehrere wichtige Drogenrouten, zum Beispiel von Südostasien nach Westeuropa sowie vom Balkan und von Südeuropa nach Skandinavien.

Erste größere Drogenprobleme tauchten in Polen Mitte der Siebzigerjahre auf und zeigten nach 1990 eine bedeutende Zunahme. Derzeit nehmen verschiedenen Schätzungen zufolge 300 000 bis 400 000 Jugendliche ab und zu Drogen. (Die Zahl der drogenbezogenen Unfälle wird auf 60 000 bis 70 000 geschätzt.) Die beliebtesten Drogen in Polen sind Marihuana, Amphetamine und Ecstasy. Abgesehen von holländischen, deutschen und belgischen Kreisen zählt die polnische Organisierte Kriminalität zu den größten Erzeugern von Amphetaminen in Europa.

Im Jahr 2001 hat die Militärpolizei in Kasernen und in deren unmittelbarer Umgebung über 55 000 Drogen-Einzelportionen (bzw. Portionsäquivalente) beschlagnahmt. Im Vergleich dazu lag die Anzahl der konfiszierten Drogen-Einzelportionen im Jahr zuvor noch bei 28 000 (nach dem Bericht über den Stand der Disziplin in den Polnischen Streitkräften 2001, Kommando der polnischen Militärpolizei, Warschau 2002).

Man schätzt, dass die ermittelnden Soldaten aber lediglich 20 bis 30 Prozent der Drogen, die in die Kasernen gelangen, aufspüren. Bedenkt man die potenzielle Gefahr, die von Drogen (etwa 200 000 Einzelportionen bzw. Portionsäquivalente pro Jahr) ausgeht und dass diese Drogen meistens vom militärischen Personal genommen werden, entfallen statistisch auf jeden Soldaten drei Portionen pro Jahr. (Zum Vergleich: Die fünfmalige Einnahme von Drogen innerhalb eines Halbjahres gilt nach Ansicht vieler Experten bereits als erste Phase der Abhängigkeit.) Soziologische Forschungen der polnischen Streitkräfte und Drogentests (chemische Tests) liefern ein noch klareres Bild über Art, Ort, Zeit und Gründe des Drogenkonsums von Soldaten: Die Zahl der Soldaten, die häufig Kontakt mit Drogen haben, steigt von Jahr zu Jahr an - ebenso die Zahl jener, die schon vor ihrem Militärdienst starke Drogen (Ecstasy, LSD, Kokain) einnehmen.

Der Hauptgrund für den Drogenmissbrauch in den polnischen Streitkräften liegt außerhalb der Kasernen vor allem im Anwachsen dieses gefährlichen Phänomens in Teenagergruppen. Dies bestätigten auch Experten, die den Drogenkonsum bei jungen Menschen im Schul- bzw. Wehrpflichtigenalter untersuchen. Allein in den letzen vier Jahren stieg die Zahl der Wehrpflichtigen, die zugaben, mindestens einmal eine psychotrope (bewusstseinsverändernde; Anm.) Substanz eingenommen zu haben, jährlich um 25 Prozent. Das bedeutet, dass sich alle drei bis vier Jahre die Anzahl der jungen Männer im wehrpflichtigen Alter (18 bis 24 Jahre), die bereits Drogen genommen haben, verdoppelt. Es gab zwar großräumige Polizeirazzien, Anti-Drogen-Erziehung in Schulen sowie Sozialinitiativen seitens vieler Non-Governmental-Organisations (NGOs) und der Kirche. Dennoch wurde der Drogenkonsum, abgesehen vom Anwachsen einer pathologischen (krankhaften) Jugendsubkultur (vor allem Jugendliche aus Wohnsilos sowie Hooligans) und der Erwachsenenkriminalität, zur größten erzieherischen Herausforderung in Polen.

Drogen: Wie oft und woher?

Eine Umfrage von 2002, die 400 Personen erfasste, ergab über den (zugegebenen) damaligen Drogenkonsum von Männern im wehrpflichtigen Alter folgendes Bild: Im vorangegangenen Jahr hatten demnach - 21 Prozent einmal, - 17 Prozent bis zu fünfmal und - 16 Prozent mehr als fünfmal Drogen genommen. Nur 29 Prozent gaben an, noch nie Drogen genommen zu haben, und 17 Prozent machten keine Angaben.

Von den jungen Männern, die die Basis der Wehrpflichtigen bilden, hatten demnach - hochgerechnet - mehr als die Hälfte direkten Kontakt mit irgendwelchen Drogen. Etwa jeder sechste hat (nach eigenen Angaben) Drogen sogar mehr als fünfmal im Jahr genommen.

Das Drogenproblem in den polnischen Streitkräften wurde ab den späten Neunzigerjahren deutlich, obwohl einzelne Disziplinar- und Gerichtsverfahren belegen, dass es schon vorher existierte - allerdings auf einem weitaus niedrigeren Niveau und beschränkt auf ein paar hundert Drogenportionen pro Jahr. Im Jahr 1999 wurden acht Personen wegen Verstößen gegen das Drogenbekämpfungsgesetz (Act on Counteracting Drug Use) gefasst. Im darauffolgenden Jahr waren es bereits 39 und 2001 stieg die Zahl sprunghaft auf 259. Im Jahre 2002 erfolgten 283 einschlägige Festnahmen und bis (inklusive) November 2003 weitere 298. Allein diese Zahlen belegen den gewaltigen Anstieg dieses Phänomens.

Obwohl das Einschmuggeln von Drogen in Kasernen seit 2002 der Menge nach rückläufig ist und die Festnahmen krimineller Straftäter abgenommen haben, hat sich das Risiko nicht verringert. Der Rückgang ist lediglich auf die Eindämmung des Drogenhandels in den Kasernen zurückzuführen. Dies ging aber mit einer Intensivierung des Drogenhandels in kasernnahen Einrichtungen - wie Nachtclubs, Restaurants und Bordellen - einher.

Erkennbare Trends

Das Problem des Drogenkonsums in der Armee hat viele Aspekte. Betrachtet man es lediglich als kriminelle Handlung, lässt man viele damit verbundene Risiken außer Acht. Diese werden aber klar, zieht man - die Art der von den Soldaten eingenommenen Drogen und - die Folgen der Einnahme psychotroper Substanzen im realen militärischen Umfeld in Betracht. In den Jahren 2000 bis 2003 bevorzugten die Soldaten Marihuana (in Form von Rauchtabak) und Amphetamine. Zugleich mehrten sich in den letzten Monaten Fälle von Besitz bzw. Konsum starker Drogen, wie Kokain, Ecstasy und Halluzinogenen.

Bis 2001 war in den militärischen Einrichtungen Marihuana der "klare Favorit", also eine Droge mit geringerem Suchtpotenzial, besonders beliebt bei Jugendlichen und Studenten. Davor wurden vor allem halluzinogene Substanzen eingenommen, insbesondere inhaliert. In den frühen Siebzigerjahren wurden auch starke Teesorten konsumiert (zwei bis drei Dekagramm Tee für eine kleine Tasse, der Tee musste zehn Minuten ziehen) und nicht rezeptpflichtige Stimulations- und Schlafmittel eingenommen.

Ab 2002 zeigte sich ein Trend zu stärkeren Drogen, insbesondere zu Amphetaminen. Waren 2001 noch 537 Portionen dieser Drogen konfisziert worden, stieg die Anzahl im Jahr 2002 bereits auf 1 800 und der Anstieg der Mengen der beschlagnahmten Amphetamine setzte sich auch 2003 fort. Die Kenntnis dieses Trends ist für Kommandanten und Pädagogen besonders wichtig, denn Amphetamine haben starke Auswirkungen auf den menschlichen Körper und können zu gefährlichen Reaktionen führen.

Ein anderes interessantes Phänomen, das sich auch in den Kasernen bemerkbar macht (wenngleich noch nicht in großem Ausmaß), ist die gemeinsame Einnahme von muskelbildenden Drogen und Substanzen durch sogenannte "aggressive Bodybuilder".3) (Nach Information des polnischen Polizeipräsidiums verwenden 30 bis 40 Prozent der in Bodybuilding-Studios trainierenden Männer Steroide und andere Substanzen zur Beschleunigung des Muskelwachstums. Auch das kann abhängig machen.) Diese Art des Drogenmissbrauches ist besonders bei jungen Menschen aus "Subkulturen" (Hooligans und 14- bis 20-jährige aus heruntergekommenen Wohnsilos) und bei Soldaten der Sondertruppen (Fallschirmspringer, Ranger) beliebt. Andererseits wurden nur wenige Fälle des Gebrauchs von Heroin, Morphium, Meskalin, Crack und "Polnischem Heroin" (ein regional erzeugtes Destillat aus der heimischen Mohnpflanze) bekannt.

Gefährliche Folgen

Die drogenbezogenen Risiken für das Militär lassen sich nicht lediglich anhand der Statistik beurteilen, denn zwei- bis dreihundert Festnahmen nach Drogendelikten fallen in einer Armee von 150 000 Soldaten de facto personell kaum ins Gewicht. Es geht vielmehr um die Gefahren, die sich aus dem Verhalten von Soldaten unter Drogeneinfluss ergeben. Anders als im zivilen Bereich (obwohl auch dort die potenzielle Gefährdung unbeteiligter Dritter möglich ist) kann es aufgrund spezifisch militärischer Tätigkeiten zu zahlreichen Gefahrensituationen kommen - vom Wachdienst (Schusswaffengebrauch) über die Bedienung von schwerem militärischen Gerät und das Üben mit scharfer Munition bis zum Lenken von Militärfahrzeugen. Das gegenwärtige Drogenbekämpfungsprogramm der polnischen Streitkräfte befasst sich u. a. mit folgenden Risiken:

- Verkehrsunfälle und Unfälle anderer Art als Folge des Lenkens von Militärfahrzeugen (inklusive gepanzerter Fahrzeuge und Luftfahrzeuge) unter Drogeneinfluss; - Schießereien und Zündung von Sprengmitteln als Folge des Tragens von Schusswaffen und des Hantierens mit Sprengmitteln unter Drogeneinfluss; - Fehlentscheidungen, falsche Weitergabe von Meldungen und Informationen als Folge der Nachrichtenübermittlung durch Soldaten unter Drogeneinfluss; - Rowdytum, Raufereien und Diebstähle unter Drogeneinfluss (bzw. zur Drogenbeschaffung).

Eine Methode zum Nachweis drogenbezogener Risiken waren die von der Militärpolizei im Jahre 2002 durchgeführten Drogentests an Wachsoldaten. (Chemische Tests, meist um das Vorhandensein von Drogen im Harn nachzuweisen. Die Militärpolizei führt jährlich rund tausend solcher Tests unter den Wehrpflichtigen durch.) Ziel dieser Untersuchungen war es auch, festzustellen, ob für Spezialaufgaben vorgesehene Soldaten diese Aufgaben auch unter Drogeneinfluss wahrnehmen würden bzw. könnten.

Die 2002 durchgeführten Tests erfolgten meist an Montagen. Dies deshalb, weil sich einige Drogen nur 24 Stunden lang im Harn nachweisen lassen. Von den 500 chemischen Tests waren 142 positiv - also fast jeder dritte! Das zeugt jedenfalls von einem enormen realen Risikopotenzial, das man in den Griff bekommen muss! Obwohl es sich dabei um gezielte Tests handelte, die nach verdeckter Erkundung in bestimmten Einheiten durchgeführt wurden, ist die Zahl der Positivtestungen alarmierend.

Aufgrund umfangreicherer Forschungen zwischen 2001 und 2003 wird geschätzt, dass 10 bis 14 Prozent der Rekruten und 3 bis 5 Prozent der Offiziere (abhängig von der Waffengattung) zumindest einmal pro Jahr mit Drogen in Kontakt kommen. Dies geschieht meist bei "Wochenendkontakten", d. h. in Nachtklubs, auf Partys oder bei gesellschaftlichen Veranstaltungen - und zwar, um die eigene Reaktion auf psychoaktive Substanzen herauszufinden.

Nicht nur Einzeltäter

In aktuellen polnischen und ausländischen wissenschaftlichen Forschungen über die Ausbreitung des Drogenkonsums finden sich kaum Folgerungen hinsichtlich der Verbindung von Drogen und Militärdienst. Allerdings wird in vielen Ausarbeitungen hervorgehoben, dass Soldaten in Kampfeinsätzen Drogen nehmen, besonders in Gebieten, wo diese leicht erhältlich sind (Vietnam, Afghanistan, Balkan).4) Aus der Analyse einschlägiger Vorfälle durch die Militärpolizei, Psychologen und Pädagogen in verschiedenen Ländern lassen sich generelle Feststellungen ableiten, die vor allem für die Planung von Vorbeugemaßnahmen unverzichtbar sind. Sie zeigen den Kommandanten und Soldaten aber auch militärische, soziale, legistische und gesellschaftliche Ursachen des wachsenden Drogenkonsums unter Soldaten. Die wichtigste Schlussfolgerung daraus: Soldaten in schwierigen Situationen (z. B. post-traumatisches Stresssyndrom) muss psychologische Unterstützung geboten werden. Das kann verhindern, dass sie zu so genannten "einfachen Lösungen" - Alkohol, Drogen, Prostitution - greifen.

Zwischen 1999 und 2002 wurden 350 Soldaten, darunter sechs Offiziere, von polnischen Militärgerichten aufgrund von Drogendelikten verurteilt. Die meisten dieser Delikte gab es zwischen 2001 und 2002. Dabei konnten aber Militärrichter und Militärstaatsanwälte feststellen, dass - in militärischen Einheiten keine organisierte Drogenkriminalität tätig war und - von den Tätern zumeist nur kleine Mengen von Drogen (zwei bis vier Portionen) in Kasernen geschmuggelt wurden.

Die Einsätze der Drogenfahnder haben aber auch Folgendes gezeigt: In Kasernen, in deren Nähe sich "Dealertreffpunkte" befinden, steigen die Drogendelikte konsequent an, sowohl bei Soldaten wie auch bei den Kindern von Offizieren, die in der militärischen Unterkunft leben. Die Dealer nutzen oft die Hilfe von in diesen Kasernen stationierten Soldaten, die vor ihrem Militärdienst bereits Kontakt mit Drogen hatten bzw. schon mit Kriminellen zusammengearbeitet haben. Diese ermuntern andere Soldaten zum Drogenkonsum und zeigen, wo man "gleich neben der Kaserne" Drogen erhält und wie diese zu konsumieren sind. Die Art der Verteilung ist mit dem Dealen vor Schulen, Studentenheimen, Nachtklubs und Sportstadien vergleichbar.

Aufgrund der militärpolizeilichen Ermittlungen ist die Zahl der Soldaten - etwa hundert pro Jahr - relativ hoch, bei denen man Drogenmengen findet, aus denen auf eine profitbringende Tätigkeit als Dealer geschlossen werden kann. Immer öfter versucht die Organisierte Kriminalität Wege zu finden, in den Kasernen mit Drogen zu handeln und sie dort direkt an die Soldaten zu bringen. Dabei bedient sie sich einer der folgenden Methoden:

- Die Drogen werden z. B. während des Gefechtsdienstes, nach Dienst, an Wochenenden und in der Kaserne selbst durch ein Netzwerk von Soldaten verteilt, die mit Kriminellen und Drogenhändlern in Kontakt stehen. Verkauft werden meist Einzelportionen, vorwiegend rauchbares Marihuana.

- Informanten unter den Soldaten haben Beziehungen zu kriminellen Kreisen. Ihre Aufgabe ist es, interessierten Soldaten den genauen Drogenhandelsplatz in der Nähe der Kaserne zur Kenntnis zu bringen.

Die drogenbezogene Kriminalität in den polnischen Streitkräften hat sich gewandelt. Sie ist nicht mehr ein Problem von Einzeltätern, das sich auf deren Drogenabhängigkeit im zivilen Leben zurückführen lässt. Vielmehr ist sie nun Teil eines sozialen Phänomens, das sich bei allen Gruppen von Jugendlichen im Alter von 14 bis 20 Jahren zeigt. Besonders gefährlich ist, dass der Erstkonsum von Drogen immer früher erfolgt - derzeit schon bei Zehn- bis Zwölfjährigen. Bei einer Umfrage unter Rekruten, durchgeführt im Frühjahr 2003, gaben 18 Prozent der befragten jungen Männer zu, schon mindestens einmal Drogen konsumiert zu haben, 9 Prozent sogar schon mehr als fünf Mal. Diese Ergebnisse sind zwar etwas besser als die von 2000 bis 2002, liegen aber dennoch sehr hoch.

Neue Risiken

Eine Umfrage unter allen Gruppen des Militärpersonals brachte neue Risikoaspekte des Drogenkonsums im Militär ans Licht. Diese lassen sich folgendermaßen charakterisieren:

- Immer mehr Rekruten haben vor ihrem Militärdienst Drogen konsumiert. Immer mehr geben auch den Mehrfachkonsum von psychoaktiven Substanzen zu.

- Auch die Zahl der aktiven Soldaten steigt, die bereits stärkere Drogen, wie Amphetamine, Ecstasy, LSD oder Kokain genommen haben.

- Offiziere und Militärakademiker (letztere konsumieren, wie Studenten im zivilen Bereich, im Einzelfall Drogen zur Stimulation und Gedächtnishilfe vor Prüfungen bzw. beim "Pauken") geben ebenfalls Drogenkonsum bzw. -abhängigkeit zu.

- Ebenso steigt die Zahl der Drogenhandelsplätze in der Nähe militärischer Einrichtungen.

Gründe für den Drogenkonsum

Einige der Hauptgründe, warum polnische Soldaten zu Drogen greifen, sind:

- Anpassungsprobleme an den Militärdienst; - mehrfacher Drogenkonsum vor dem Militärdienst; - aktuelle Jugendtrends; - Neugier hinsichtlich der Auswirkungen des Drogenkonsums; - persönliche Probleme (Trennung von der Freundin, familiäre Probleme zu Hause); - Lern- und Trainingsprobleme; - die Unfähigkeit, mit Stress umzugehen.

Neu ist auch, dass Soldaten in Friedenserhaltenden Einsätzen, insbesondere am Balkan, zu Drogen greifen, z. B. als Folge - von einsatzbedingtem Stress, - langer Abwesenheit von der Familie oder - der Unfähigkeit, schwierige Aufgaben in den Griff zu bekommen.

Immer häufiger wird auch die Meinung geäußert, dass Drogen Alkohol als Freizeitstimulation verdrängen bzw. "ergänzen".

Gegenmaßnahmen

Eine Analyse des Risikos und des Ausmaßes des Drogenproblems hat zur Schaffung eines eigenen Drogenvorbeugungsprogramms geführt. Dieses wird von der Militärpolizei und der Abteilung für Sozialerziehung des polnischen Verteidigungsministeriums geleitet. Das Programm zielt auf Bewusstseinsbildung hinsichtlich der Schädlichkeit von Drogen ab - diesbezügliche Spezialseminare werden u. a. für Militärakademiker und Sozialerziehungsoffiziere abgehalten.

Zusätzlich wird erkundet und ermittelt, um Dealern auf die Spur zu kommen, die in der Nähe militärischer Einrichtungen tätig sind. Fallweise werden Soldaten bestimmter Einheiten auf Drogen getestet. Solche Tests sind in Zukunft für alle Soldaten, die an Auslandseinsätzen teilnehmen, verpflichtend und zwar sowohl vor als auch nach dem Einsatz. Jedes Jahr werden auch 400 bis 500 Offiziere geschult, Drogen zu erkennen bzw. zu unterscheiden und ihre Auswirkungen beurteilen zu können. Denn die Erforschung des Drogenkonsums innerhalb des Militärs hat gezeigt, dass die Einnahme psychoaktiver Substanzen dort bereits zu zahlreichen Delikten geführt hat, darunter Raufereien und Diebstähle, vor allem aber zu schweren Verkehrsunfällen. Stärkere Drogen kosten auch mehr - die Folge ist Beschaffungskriminalität wie Diebstähle von Privat- und Militäreigentum sowie Kleindealerei.

Ein düsterer Ausblick

Die oben angeführten Beispiele, Folgerungen und Lösungsansätze decken bei weitem nicht die ganze Bandbreite des Drogenproblems und der einschlägigen Delikte in den Streitkräften ab. Sie beziehen sich lediglich auf bereits erkannte Zwischenfälle und Trends. Vermutlich werden Risiken und Delikte in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Vor allem, weil immer mehr polnische Rekruten bereits vor ihrem Militärdienst mit Drogen in Kontakt kommen und das "Drogenmarketing" wesentlich aggressiver geworden ist.

Die mit dem Problem befassten Soziologen, Psychologen und Ermittler sagen - auf Basis der Trends, die sich in Westeuropa und den USA über die letzten Jahrzehnte abgezeichnet haben - in Polen für die nächsten drei bis fünf Jahre einen Zuwachs des Drogenkonsums unter Jugendlichen und Studenten voraus - und das wird auch das Risiko für das Militär weiter erhöhen.

___________________________________ ___________________________________ Die in diesem Beitrag dargestellten Lösungsansätze sind Schlussfolgerungen des Autors. Sie basieren auf den Resultaten jahrelanger Forschungen über das wachsende Drogenproblem in den polnischen Streitkräften sowie über die damit verbundenen Risiken im Zusammenhang mit dem Militärdienst. Das bedeutet aber nicht, dass das Drogenproblem in Polen bzw. in den polnischen Streitkräften signifikant anders bzw. größer ist als in vergleichbaren Ländern.

Die Redaktion Autor: Oberst Dr. Mariusz Jêdrzejko (Polen). Studium an den Universitäten Warschau und Poznañ sowie an der Militärakademie der Panzertruppe in Poznañ (Fachgebiet militärische Ausbildung); Spezialisierung als Soziologe und Pädagoge auf Narkotika und Jugendsubkulturen; von 1998 bis 2001 im Kommando der polnischen Landstreitkräfte verantwortlich für den Bereich Militärische Ausbildung; später im Kommando der Militärpolizei zuständig für den Bereich Militärische Subkulturen (einschl. Schikanen gegen andere Soldaten) und Drogenbekämpfung; derzeit stellvertretender Institutsvorstand der geisteswissenschaftlichen Fakultät in Pultusk, der größten nichtöffentlichen Universität Polens.

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