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Das Elektronische Artilleriefeuerleitsystem (II)

Artillerierechner auf dem Gefechtsfeld

Die Artillerietruppe mit ihren mechanischen Rechengeräten zur Ermittlung des Feuerkommandos bot schon sehr früh ein lohnendes Automatisierungspotenzial. Beginnend mit den ersten technischen Taschenrechnern wurden Versuche unternommen, die Berechnung der Flugbahnen der Granaten elektronisch durchzuführen, um dadurch genauere Ergebnisse schneller und zuverlässiger zur Verfügung zu haben.

Der eigene Standpunkt, die Vermessung, die Beobachtung, Zielpunktkorrektur und Ermittlung sicherer Schießgrundlagen unter Berücksichtigung der aktuellen Wetterdaten sind nur einige Aufgaben, die ein Waffeneinsatzsystem automationsunterstützt zu erfüllen hat.

Das grundlegende Ziel dabei ist die Unterstützung der Feuerleitung und Feuerkommandoermittlung der Artillerie durch - die Verbesserung der Feuerkoordination, - die Rationalisierung des Munitionseinsatzes, - die Erhöhung der Präzision und Schnelligkeit des Feuers, - die Erhöhung der Geschützverfügbarkeit durch Nutzung eines Navigationssystems sowie - die Automation der Informationsübertragung.

Die österreichische Artillerie verfügt seit mehr als einem Jahrzehnt über ein funktionierendes Waffeneinsatzsystem - das Elektronische Artilleriefeuerleitsystem (EAFLS). Dieses System wurde in mehreren Teilschritten bis hin zum im März dieses Jahres freigegebenen EAFLS für das Artilleriebataillon (EAFLS/BAON) entwickelt.

Die Abwicklung des Projektes

Zunächst wurde das System für die Aufgaben auf Batterie-Ebene entsprechend den Verfahrensabläufen der Artillerie konzipiert und in einer ersten Projektphase als EAFLS für die Artilleriebatterie (EAFLS/BATT) entwickelt. Dieser gesamte Ablauf war von der engen Zusammenarbeit zwischen Anwender (Artillerieschule), Technik und Ballistik (Amt für Wehrtechnik, Heeresdatenverarbeitungsamt), Systemabteilung des Bundesministeriums für Landesverteidigung (BMLV/WGM) und den Softwareentwicklungsfirmen ELIN, ECS und ALCATEL geprägt. Die Einführung des EAFLS/BATT erfolgte nach erfolgreicher Fertigstellung im Jahre 1997.

Als nächster Schritt wurde das EAFLS mit der Navigations-, Orientierungs- und Richtanlage (NORA) der Panzerhaubitze M-109A5Ö gekoppelt. Dabei werden die aktuellen Koordinaten der Geschütze für die Feuerkommandoermittlung direkt an das EAFLS übermittelt. Die Einbindung der NORA wurde im Jahr 2000 abgeschlossen.

Die erfolgreiche Entwicklung und der Einsatz des Systems auf Batterie-Ebene stellte die Voraussetzung für eine Weiterentwicklung des EAFLS zum Bataillonssystem dar, welche im Jahr 2000 in einer zweiten Projektphase als "EAFLS/Bataillon - Basisausbau" in Angriff genommen wurde. Bereits zwei Jahre später konnte das EAFLS/BATT durch die erste Version des EAFLS/BAON abgelöst werden.

In weiter Folge erfolgte im Projekt EAFLS/BAON die Anpassung und Optimierung der Verfahrensabläufe an die artilleristischen Erfordernisse, wobei die Erkenntnisse von Truppenerprobungen (Validierungen) sowie von mehreren Scharfschießen einflossen. Zusätzlich wurde im Rahmen dieses Projektes eine "Offene Systemschnittstelle" entwickelt, über die das EAFLS zukünftig mit anderen Systemen kommunizieren kann.

Die Software unterlag in allen Entwicklungsstufen Überprüfungen (Verifikationen) auf Einhaltung der Projekt- und Qualitätsvorgaben. Allfällige Probleme in der Software konnten somit laufend behoben werden. Die gesamte Entwicklung fand in enger Zusammenarbeit zwischen Anwendern (Artillerieschule, Panzerartilleriebataillon 3 und 9), Technik und Ballistik (IKTD-KdoFüU, RD-ARWT), der Systemabteilung des BMLV (RD-ARWT/WSM) und der Softwareentwicklungsfirma ESL statt.

Mit Ende 2005 konnte sodann das Projekt EAFLS/Bataillon-Basisausbau vollständig abgeschlossen werden.

Anfang 2006 fand, als vorerst letzter Schritt, die Koppelung des EAFLS mit dem Radiowettersondensystem (RWSS), statt. Damit können die Wetterdaten des Artilleriewettertrupps aus diesem System (im STANAG-Format) durch das EAFLS zur weiteren Verarbeitung automatisch übernommen werden.

Am 27. März 2006 wurde das System im Rahmen eines Festaktes an der Artillerieschule offiziell der Truppe übergeben.

Die Hardware-Komponenten des EAFLS

Bis dato kommen im EAFLS/BAON noch immer dieselben Hardware-Elemente wie beim ursprünglichen EAFLS/BATT zum Einsatz.

Die Einleitung der Beschaffung erfolgte bereits in den frühen neunziger Jahren. Die Hardware-Komponenten des EAFLS wurden international ausgeschrieben und die Wahl fiel dabei auf die Produkte der Firma Elbit.

Als Zusatzausstattung für die oben erwähnte Offene Systemschnittstelle wurden 2004 moderne militärtaugliche PCs von derselben Firma beschafft Diese Geräte beinhalten als zentralen Steuer- und Verarbeitungsrechner den "Enhanced Tactical Computer" (ETC), ein Gerät, das die neueste Generation von Systemen für die militärische Informationstechnologie repräsentiert.

Die Schnittstellen des EAFLS

Das EAFLS ist nicht als isoliertes System zu betrachten, sondern mit anderen Systemen koppelbar. Dies beweisen schon die Schnittstellen zur NORA und zum RWSS.

Weiters wurde auch die Offene Schnittstelle realisiert, die alle jene relevanten Daten zur Verfügung stellt, die zum Informationsaustausch mit anderen Systemen erforderlich sind. Auf Grundlage dieser Schnittstelle kann in Zukunft ein Datenaustausch mit anderen Systemen (z. B. Führungs- und Informationssystemen, Artillery Systems Cooperation Activities/ASCA oder Sensoren) aufgebaut werden.

Die Zukunft des EAFLS

Kein Waffensystem steht für sich alleine da - auch nicht die Artillerie. So muss das vorrangige Ziel aller weiteren Planungen sein, sich den organisatorischen Veränderungen (Transformation der Artillerieverbände zu Aufklärungs- und Artillerieverbänden) sowie den veränderten Aufgaben (z. B. Peace Support Operations) zu stellen.

Die österreichische Artillerie hat ein leistungsfähiges Feuerleitsystem, das kurzfristig in zwei Richtungen weiter zu entwickeln wäre. Erstens muss die zentrale Aussage "Going International" auch für die Artillerie gelten und zweitens ist die größte Schwachstelle im System, die Leistungsfähigkeit der "Feuerbeobachtung", mit Hilfe von Sensoren ("Forward Observer") zu verbessern.

Die mittelfristigen Zukunftsaspekte könnten sich auf die Vertiefung der internationalen Zusammenarbeit (technisch und operationell) sowie auf die Planung und Realisierung eines Nachfolgesystems beziehen.

Unter den Prämissen von Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sollten vor jeglichen Überlegungen die Rahmenbedingungen und die einzuschlagende grobe Richtung festgelegt werden. Bei der Unterstützung von Organisationselementen mit Informations- und Kommunikationstechnologie ist es aus systemischer Betrachtungsweise notwendig, vor jeglichen Einzelüberlegungen die übergeordneten Aufgaben und die zu erreichenden Fähigkeiten einzufordern und zu dokumentieren.

Im Falle der Artillerie, die mit der (Gefechts-)Aufklärung gemeinsam als Aufklärungsartilleriebataillon (AAB) organisiert wird, wäre daher die Unterstützung mit Informationssystemen (IS) folgendermaßen denkbar: - Beibehaltung des EAFLS für die Artillerie und Ausrüstung der Aufklärung mit einem getrennten neuen IKT-System, zusätzlich mit integrierten Aufklärungssensoren.

- Systemerhaltung des EAFLS, die Integration von Komponenten und Schnittstellen im Hinblick auf eine weitere Internationalisierung sowie der stufenweise Aufbau bzw. der Umbau in ein Informationssystem für das AAB.

- Ablöse des EAFLS durch ein kombiniertes Aufklärungs- und Feuerleitsystem zur gemeinsamen Abdeckung der Aufgaben.

Internationale Schnittstelle ASCA

Das Ziel von ASCA (Artillery Systems Cooperation Activities) lautet im Originaltext: "To develop and maintain an Operational Interface embedded in the Field Artillery/Fire Support Command and Control Systems of a Nation, in order to provide Fire Control Interoperability which can be deployed in a dynamic, tactical and multinational environment." Vollmitglieder von ASCA sind Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und die USA, folgende Nationen haben Beobachterstatus: Dänemark, die Niederlande, Norwegen, Spanien und die Türkei.

Das ASCA-Konsortium erarbeitet die operationellen und technischen Spezifikationen für die internationale Zusammenarbeit von Artillerieverbänden.

Das ASCA Interface basiert auf dem Kommunikations-Protokoll nach Standardization Agreement (STANAG) 4202 und den Message Formats gemäß dem CTIDP.

Der Einstieg eines kleinen Teams bei ASCA (verantwortlich für Planung/Anwendung/Technik) wäre nach dem bewährten Muster bisher erfolgter internationaler Zusammenarbeit in anderen Bereichen (z. B. MIP) durchzuführen. Es beginnt mit dem Antrag um Aufnahme durch einen Sponsor, geht über den Beobachterstatus zur Gewinnung der notwendigen aktuellen Informationen über die eigenständige Realisierung einer Lösung im EAFLS bis hin zur bilateralen Testung und betrieblichen Erprobung mit praktischen Tests und gemeinsamen Schießprogrammen der beteiligten Nationen.

Auch dieser Prozess ist längerfristig auf Basis von MOUs (Memorandums Of Understanding) zu planen und zu betreiben, durch einen österreichischen Beitrag im Budget finanziell abzusichern und konsequent zu verfolgen.

Die systemtechnischen Voraussetzungen wurden in den letzten Jahren durch die verantwortlichen Stellen im BMLV in Form der Offenen Schnittstelle des EAFLS geschaffen.

Kopplung mit PHÖNIX

Das in Entwicklung befindliche Projekt "Führungsinformationssystem (FüIS) PHÖNIX" und das Planungsvorhaben "Gefechtsstandausrüstung Brigade und Bataillon" wird auch die Artillerie in das Zeitalter der durch Informationstechnik unterstützen Führung bringen. Kernpunkte werden ein gemeinsames Lagebild (Common Operational Picture) mit nahezu zeitverzugsloser Aktualisierung, das Informationsmanagment und der automatisierte Informationsaustausch am Gefechtsfeld sein. Eng damit verbunden ist das durch das Truppenfunksystem CONRAD (Combat Net Radio) einzuführende "Blue Force Tracking". Es ermöglicht GPS-gesteuert die automatische Darstellung der eigenen Truppe auf der Lagekarte.

Die zum jetzigen Zeitpunkt absehbaren Anforderungen an den Informationsaustausch zwischen EAFLS und FüIS (z. B. Zielpunktpläne, Gefechtsfeldgeometrie) wurden bereits im Ansatz der Offenen Systemschnittstelle realisiert, das heißt, alle Vorarbeiten der Schnittstelle, der Datenformate und der dynamischen Abläufe sind in modernster Technologie (XML) implementiert. Die praktische Umsetzung, die Einführung und die Verwendung bei der Truppe können aufgrund verschiedener Prioritätssetzungen jedoch erst mittelfristig erfolgen.

Schaffung eines Nachfolgesystems ("EAFLS II")

Die Ablöse der alten analogen Truppenfunkgeräte durch neue digitale, störsichere Geräte (Projekt CONRAD), das Ende der Nutzungsdauer der EAFLS-Hardware-Komponenten und die Forderungen der Artillerie nach Funktionalität, die über eine Basisversion hinausgehen (digitale Karte usw.), erfordern die Planung eines Ablöse-/Nachfolgesystems EAFLS II. Das bewährte Systemkonzept und die Kernfunktionalitäten Feuerleitung und Feuerkampf des EAFLS sind unter Verwendung neuer Informationstechnik-Hardware zusammen mit der neuen digitalen, störsicheren Kommunikationstechnik (Truppenfunksystem) nach dem Vorbild anderer Armeen auf die netzwerkorientierte Operationsführung zu transformieren. Die Zusammenführung mit dem Führungsinformationssystem PHÖNIX und mit der Gefechtsstandausrüstung für die Brigade und das Bataillon sind ebenso in die Ablöseplanung einzubeziehen, wie die neuen Einsatzszenarien (PSO etc.). Der zeitliche Rahmen ist durch internationale Zielvereinbarungen (z. B. PARP) weitestgehend vorgegeben.

Zur Bewältigung der zukünftigen Herausforderungen ist jedenfalls ein einvernehmliches, gemeinsames Vorgehen von Planung, Anwendung und Systemtechnik erforderlich. Nur dadurch kann ein Übertritt der Artillerie in das Informationszeitalter mit "Netzzentrierter Operationsführung" erfolgen.

___________________________________ ___________________________________ Autoren: Oberstleutnant Regierungsrat Amtsdirektor Gerald Veitsmeier, Jahrgang 1946. Einjährig Freiwilligenausbildung an der Tel-Truppenschule, Verwendung als Fähnrich auf Zeit bei einer PzTelKp und als Offizier auf Zeit beim Fernmeldeaufklärungsbataillon (SIGINT). Übernahme als Beamter der Heeresverwaltung in das Amt für Wehrtechnik; Beteiligung an Projektarbeiten und Abnahme von EDV-Leistungen. Anschließend Referatsleiter im Heeresdatenverarbeitungsamt, verantwortlich für Information Warfare und für Gefechtsfeld- und Feuerleitsysteme; IT-Projektkoordinator beim EAFLS für Schnittstellen und Kopplungen. Teilnahme an US-Workshops Combined Endeavor, mehreren NATO-PfP-Working Groups. Seit 2003 stellvertretender Abteilungsleiter für einsatzorientierte Applikationen im Kommando Führungsunterstützung (KdoFüU)/Bereich Applikationen.

Ingenieur Heinz Havlicek, Jahrgang 1953. Ausbildung HTL für Elektrotechnik und Elektronik, Projekttätigkeiten in Großunternehmen der Elektronikbranche; Vertragsbediensteter im Physikalischen Laboratorium des Amtes für Wehrtechnik, Entwicklung von Prozesssteuerungen und der Prototypen EAR (Elektronischer Artillerierechner) und EAFLS, Mitwirkung beim Aufbau der EDV-Dienste des Amtes für Wehrtechnik, Referent im Heeresdatenverarbeitungsamt als IT-Projektleiter EAFLS. Seit 2003 Referent für einsatzorientierte Applikationen im Kommando Führungsunterstützung (KdoFüU)/Bereich Applikationen mit den Aufgaben Entwicklung und Koordinierung von Gefechtsfeldsystemen.

Abkürzungen und Begriffe:

CTIDP (Common Tactical Interface Design Plan): Spezifiziert die formatierten Meldungen (Informationen), die von einem digitalen System zu einem anderen System automatisch übertragen und dort verarbeitet werden. (STANAG 2934 Artillery Procedures AArtyP-1[A]) MIP (Multilateral Interoperability Programme): Internationales Programm zur Zusammenarbeit von nationalen Führungsinformationssystemen und zur Spezifikation des NATO-Datenmodells für den Informationsaustausch.

Gefechtsfeldgeometrie (Battlefield Geometry): Digitale Informationen über Punkte, Polygone (Vielecke) etc., die in formatierten Meldungen für den automatisierten Austausch von Daten über Zielräume, die Koordination des Feuers usw. verwendet werden. (STANAG 2934 Artillery Procedures AArtyP-1[A]) PARP (Planning and Review Process): Planungs- und Überprüfungsprozess im Rahmen der Partnerschaft für den Frieden.

XML (Extensible Markup Language): "Metasprache" zur Erstellung von Dokumenten, die sowohl vom Menschen als auch durch Maschinen lesbar sind.

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