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Der Kampf im Gebirge - Afghanistan 1979 und 2002

Gegner wie Gelände bestimmen den "anderen Krieg": 23 Jahre nach dem überraschenden Einmarsch der sowjetischen Truppen in Afghanistan, am 27. Dezember 1979, hat 2002 neuerlich eine Weltmacht mit ihren Verbündeten den Gegner in den zerklüfteten Bergen des Hindukusch gefunden. Doch was lernte die eine Weltmacht von der anderen? Bestimmen die schmerzlichen sowjetischen Erfahrungen des Krieges 1979 bis 1989 die Taktik der Amerikaner im Kampf gegen die Terrorzellen heute? Erlauben die unterschiedlichen Rahmenbedingungen überhaupt einen Vergleich, und lassen sich daraus generell Lehren für den Kampf im Gebirge ableiten?

Der Gegner von 1979 bis 1989

Die sowjetische Invasion 1979 war als klassischer Blitzkrieg angelegt. Innerhalb von acht Tagen gelang es den Sowjets, in einer konventionellen Bodenoffensive und mit dem Einsatz großer mechanisierter Verbände praktisch alle Zentren und Kommunikationslinien zu besetzen. Nach einer Woche der Erfolge begann in der zweiten Phase der Operation ein beinahe zehn Jahre dauernder Kampf gegen die Widerstandsbewegungen.

Die Widerstandskämpfer (Mujaheddin) waren alles andere als eine gut organisierte Armee. Die verschiedenen Gruppen waren teilweise untereinander zerstritten und bestanden zu einem großen Teil aus nur mangelhaft ausgerüsteten und ausgebildeten Guerillakämpfern. Der Widerstand beschränkte sich auf Einzelaktionen mit den Zielen, die eigenen Gebirgsstützpunkte zu verteidigen, Aktionen gegen Versorgungseinrichtungen zu führen, Stützpunkte der Sowjets zu belagern sowie Guerillaaktionen aller Art in den Städten durchzuführen. Bewaffnet waren sie dabei vorwiegend mit leichten Infanteriewaffen; ihre Kampfkraft verbesserte sich erst mit dem Zulauf amerikanischen Gerätes (beispielsweise mit der Fliegerabwehrlenkwaffe FMI-92 "Stinger"). Die 80 000 bis 100 000 Mann starken Mujaheddin widerstanden der sowjetischen Großmacht: Mit den gelieferten "Stinger" konnten sie die gegnerischen Kampfhubschrauber wirkungsvoll bekämpfen. Die Bevölkerung gab ihnen Rückhalt und stärkte ihre Kampfmoral. Ihre physische und psychische Härte und der an Brutalität grenzende Kampfwille ließ sie die Initiative bewahren.

Der Gegner heute

Der Gegner, der den Vereinigten Staaten und ihren Verbündeten heute in den afghanischen Bergen gegenübersteht, unterscheidet sich in seiner Kampfführung vorerst nicht wesentlich. Wieder sind es kleine Gruppierungen, verschanzt in den zerklüfteten Bergfestungen und ausgedehnten Höhlensystemen, schlecht ausgerüstet, mit zum Großteil bereits zerschlagener Organisation, jedoch mit hoher Kampfmoral, kaum zu greifen, immer ausweichend und wiederkehrend. Der wesentliche Unterschied besteht im fehlenden Rückhalt der Terrorzellen in der Bevölkerung, einer Grundvoraussetzung für Widerstandskämpfer. Daraus ergibt sich auch, dass die verbliebenen Gruppierungen, außer einzelner Bedrohungen gegen die Streitkräfte und gegen die anderen im Raum befindlichen Organisationen sowie die zentralen Machthaber in Kabul, noch nicht offensiv werden können.

Die Zielsetzung der internationalen Verbündeten liegt in der Vernichtung der Terrorzellen. Hiezu wurden in erster Phase die Taliban gestürzt und in zweiter Phase der eigentliche Kampf gegen die Terrorzellen selbst aufgenommen. Die Unterstützung der Bevölkerung für die Koalition wird durch humanitäre Operationen quasi "erkauft".

Gelingt es der Koalition und der internationalen Staatengemeinschaft jedoch nicht, die Erwartungshaltung der afghanischen Bevölkerung zu erfüllen, kann sich die Stimmung in der Bevölkerung sehr schnell verändern und wiederum zur Unterstützung von Widerstandsbewegungen führen. Kriegsherren, die nur darauf warten, gibt es im afghanischen Machtkampf genug. Noch liegt die Initiative bei den Verbündeten.

Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass zwar Krieg, Motive und Akteure diesmal ganz andere sind, die Kampfführung aber durchaus vergleichbar ist.

Lessons learned aus 1979 bis 1989

Worin liegen nun die wesentlichen Lehren und Erfahrungen des Krieges von 1979 bis 1989. Hier ist vorweg die Fehlbeurteilung der Führung hinsichtlich der Dauer und des Gegners zu erwähnen. Nur langsam reagierte die sowjetische Führung auf die besonderen Umstände, ersetzte die großen mechanisierten Verbände mit ihren schweren Waffen durch kleinere, selbstständig operierende Einheiten. Diese wurden direkt durch das damals prominent gewordene Arbeitstier, den Kampfhubschrauber Mi-24, unterstützt.

Das niedrige, kaum auf den Gegner und die Besonderheiten des Geländes abgestimmte Ausbildungsniveau der eingesetzten Kräfte, der Mangel an Vorbereitung für spezifische Gebirgsoperationen und die kaum vorhandene Gebirgstauglichkeit führten sehr bald zu empfindlichen Verlusten. Insgesamt standen viel zu wenig gebirgstaugliche Infanteriekräfte zur Verfügung. Eine dreimonatige Vorbereitungszeit hatte sich als viel zu kurz erwiesen. Später wurde die vorbereitende Ausbildung auf sechs Monate verlängert, und es entstanden zahlreiche Gebirgskampftrainingszentren. Aufgrund des trotz sowjetischer Ausbildungsunterstützung nur geringen Gefechtswertes der auf Seiten der Sowjets kämpfenden afghanischen Truppen hatten die Sowjets praktisch während der gesamten Kriegsdauer selbst die Hauptlast des Kampfes zu tragen.

Die Kampfführung der Mujaheddin zwang die Sowjets, nach ihren Anfangserfolgen auch die Taktik zu ändern. Zu Beginn versuchte man nach vorgestaffelter Luftlandung in der Tiefe und Inbesitznahme der begleitenden Höhen das klassische Panzergefecht im Tal zu führen.

Beim Kampf gegen irreguläre Kräfte nutzte man nun die Erfahrungen der Amerikaner aus Vietnam und Indochina. Vermehrt wurden Truppen der Mujaheddin vertikal umfasst und in Hammer- und Ambossoperationen zerschlagen. Eine der Kompanien eines Bataillons wurde zumeist luftbeweglich gegen Flanke und Rücken eingesetzt. Ausbildungsschwergewicht war das Absitzen im Schwebeflug, weil die wenigen Landezonen oft gesperrt waren. Der Rest des Bataillons führte gleichzeitig einen frontalen Angriff. Lagebedingt wurde der Gegner auch fallweise umstellt und dann unter Einsatz der Kampfhubschrauber zerschlagen. Hiezu wurden auch Luftlandekräfte infiltriert. In jedem Fall war man bemüht, die Luftlanderäume so nahe als möglich an die Angriffsziele zu legen, um aufwändige und gefährliche Bewegungen am Boden zu vermeiden.

Die Bataillone wurden mit Pionieren, Artillerie und manchmal auch mit Panzern zum Vorschießen der Infanterie dort, wo die Artillerie nicht flexibel genug war, verstärkt. Es kam auch vor, dass auf Vorbereitungsfeuer gänzlich verzichtet wurde. Auf Aufklärung und Überhöhung wurde besonderer Wert gelegt. Dem "Kampf der verbundenen Waffen" auch auf unterer Ebene kam ebenso Bedeutung zu wie der Harmonisierung der Gesamtoperationen.

Kampfhandlungen wurden in isolierten Kampfräumen geführt, zerfallen in kleine Elemente (hauptsächlich Kompanie bis Zug), und dies machte es für die, eine starre sowjetische Befehlstaktik gewohnten, Führer auf unterer Ebene besonders schwierig. Eigeninitiative und Verantwortung waren gefragt, aber selten vorhanden. Mannschaftstransportpanzer erwiesen sich zwar in Bezug auf Schutz als günstig, die äußerst eingeschränkte Beweglichkeit und damit wiederum ihre Verwundbarkeit sowie die aufgetretenen Logistikprobleme sprechen aber gegen ihren Einsatz. Der abgesessene Kampf war die Regel, der Konflikt gehörte der leichten Infanterie.

Auch im Bereich der Bewaffnung wurden sehr bald Konsequenzen gezogen. So wurde in den sowjetischen Streitkräften eine Reihe von Waffen- und Geräteentwicklungen mit z. T. bemerkenswerten Kampfwertsteigerungen vorgenommen. Diese Entwicklung zielte bei Flachfeuerwaffen insbesondere auf die mittlere Reichweite (Kaliber bis 30 mm) ab. An indirektem Feuer setzte man auf so genannte ICM (Improved Conventional Munition) und Minen.

Der Einfluss des Gebirgsgeländes sowie die irreguläre Kampfführung waren in allen Bereichen der Planung, Vorbereitung und Durchführung besonders zu berücksichtigen. Diese Erkenntnis scheint vorerst trivial, hat allerdings weitreichende Konsequenzen, die zum Teil langfristig zu berücksichtigen sind (Ausbildungsbedarf, Beschaffung von Waffen, Gerät und Ausrüstung, Doktrin, etc.) und fand zu spät seinen Niederschlag in der sowjetischen Doktrin.

Selbstständig manövrierende, kleinere, leichte Infanterieeinheiten, logistisch unabhängig, durch Artilleriebeobachter und Pionierelemente verstärkt, mit häufig offenen Flanken und Rücken, zumeist abgesessen kämpfend, wurden nun durch vorausschauende Auftragstaktik geführt. Luftbewegliche Kräfte sowie Hubschrauberunterstützung für Feuer und Transport sind unabdingbar.

Die Taktik der Amerikaner heute

Schon bei oberflächlicher Betrachtungsweise wird klar, dass die sowjetischen Erfahrungen des Krieges in Afghanistan in den Jahren 1979 bis 1989 den laufenden Einsatz der Amerikaner und ihrer Verbündeten auf allen Ebenen beeinflussen. Es darf aber nicht vergessen werden, dass auch die Erfahrungen und Aspekte anderer jüngerer Konflikte Berücksichtigung finden.

US-Politiker warnten schon vor Kriegsausbruch, auch medial, dass man sich auf einen lange dauernden Krieg werde einstellen müssen. Die angewandte Taktik folgt bekannten Mustern: Special Forces klären auf, unterstützen durch Zielmarkierung und führen besonders sensible Zugriffe durch. Dauerbombardements mit Präzisionswaffen aus großen Höhen zerschlagen die Strukturen. Örtlichen Verbündeten (in diesem Fall der Nordallianz) wird bei entsprechender Feuerunterstützung und Beratung der erste Erfolg am Boden gestattet. Insbesondere in der zweiten Phase, im Kampf gegen die Terrorzellen, zeigte sich wie schon 1979, dass auf die afghanischen Streitkräfte wenig Verlass ist und die Kräfte der Koalition im Wesentlichen unabhängig operieren. Die mangelnde Verlässlichkeit wirkt sich besonders im Bereich der Human Intelligence (HUMINT) aus, bei der die Allianz auf lokale Ressourcen angewiesen ist.

Die eingesetzten Bodentruppen sind zumeist keine Spezialkräfte im Sinne der Special Operation Forces, sie sind allerdings mit den Einflüssen des Gebirges grundsätzlich gut vertraut. Hier ergibt sich also eine Verschiebung des Einsatzspektrums dahingehend, dass Aufgaben, die den Special Operation Forces zugedacht sind, nun auch vermehrt durch herkömmliche Infanterie übernommen werden müssen. Daraus resultieren allerdings fallweise Probleme im Bereich der unzureichenden Ausrüstung. Tragbare Laserzielbeleuchtungsgeräte, Fernmeldemittel und das generelle Problem des Gewichtes der Ausrüstung seien hier exemplarisch erwähnt. Man verzichtet auf großräumige Bewegungen am Boden, ist sich der Gefahr von Hinterhalten sehr wohl bewusst und setzt auf den Hubschrauber CH-47 "Chinook" als unabdingbares Transportmittel. Als Kampfhubschrauber kommt der AH-64 "Apache" zum Einsatz, mit der Problematik, dass er im Begleitschutz mit dem CH-47 bei Tag eingesetzt werden muss und seine überlegene Nachtkampftauglichkeit nicht zur Geltung bringen kann. Auch das Zusammenwirken der beiden Typen ist nicht so eingespielt wie jenes zwischen AH-64 und UH-60. Die Absicht ist es dabei, ständigen Druck auf den Gegner auszuüben, um seine Handlungsfreiheit einzuschränken und ihn auf lange Sicht zu vernichten.

Während die Einsätze und Zugriffe der Special Operation Forces fortgesetzt werden, führen die Bodentruppen Säuberungsoperationen durch. Diese Truppen werden aus gut gesicherten Lagern, in denen auch die Hubschrauber im Nahbereich untergezogen sind, in kleinen Einheiten (zumeist Kompanien) möglichst nahe an die Objekte herangeflogen und, wenn möglich, überhöht angelandet. Umliegendes Gelände wird in Besitz genommen, die Höhlensysteme und Kommandozentralen auf der Suche nach versteckten Kämpfern oder sensiblem Material umstellt, durchkämmt und anschließend im Bedarfsfall zerstört bzw. werden die Munitions- und Waffenlager vernichtet. Das Durchkämmen der Höhlen erfolgt dabei durch Teams ähnlich wie im Häuserkampf. So werden die Nachteile des Geländes durch den Einsatz der Hubschrauber in Vorteile hinsichtlich Beweglichkeit und Überraschung umgewandelt. Dabei wird die besondere Erfahrung amerikanischer Einheiten, wie der 101. Airborne Division (Air Assault), genutzt. Die Einsätze dauern zumeist zwischen 24 und 36 Stunden, wobei die Kräfte der Koalition über eine überlegene Nachtkampffähigkeit verfügen (im Russisch-Afghanischen Krieg hieß es noch "Die Nacht gehört den Mujaheddin").

Auch auf die Nachbereitung wird Wert gelegt, und die Kommandanten besprechen die Einsätze mit den Soldaten, was nicht nur dem Gewinnen weiterer Erfahrungen dient, sondern insbesondere der psychologischen Betreuung und Motivation.

Hinsichtlich der Bewaffnung ist zu erwähnen, dass die tragbaren klassischen Infanteriewaffen benutzt werden. Schwere Waffen kommen seltener zum Einsatz, und die notwendige Feuerunterstützung wird zumeist durch weitreichende Systeme und aus der Luft bei indirekter Zielbeleuchtung sichergestellt. Artillerie wurde erst im September 2002 nachgeführt und kann nun zunehmend die Rolle teurerer Systeme übernehmen.

Lehren für den Kampfim Gebirge

Lehren für den Kampf im (Hoch)Gebirge gegen irreguläre Kräfte (Low intensity mountain conflict) können nun im Vergleich der Kampfhandlungen von 1979 bis 1989 mit jenen aus dem laufenden Konflikt gezogen werden. Unschwer lassen sich aus den bisherigen Ausführungen Parallelen in den Erfahrungen der Sowjets und der Kampfweise der Amerikaner und ihrer Verbündeten erkennen. Da ist zum Ersten die angesprochene lange Dauer solcher Einsätze und die dabei erforderliche Durchhaltefähigkeit, die auch entsprechende Strukturmaßnahmen voraussetzt. Sie erfordert, ebenso wie die Ausbildung zur Gebirgskampf-Befähigung, lange Vorbereitungszeiten. Maßnahmen zur Steigerung sind Jahre im Voraus einzuleiten und in einer Doktrin, in Programmen und Vorschriften zu verankern.

Eingesetzte Kräfte müssen auf Einheits- und Teileinheitsebene selbstständig Aufträge über ein bis zwei Tage erfüllen können. Dies erfordert neben der besonderen Ausbildung auch ausrüstungsmäßige und logistische Konsequenzen. Der Umstand, dass dem Zusammenwirken verschiedener Waffengattungen bereits auf Bataillonsebene hohe Bedeutung zukommt, muss seinen Niederschlag nicht nur in der Ausbildung der Kommandanten, sondern insbesondere in jener der Stäbe finden und sich auch in der Ausstattung widerspiegeln (z. B. Verbindungsmittel).

Wie schon der Sowjetisch-Afghanische Krieg haben auch die bisherigen Einsätze der Amerikaner und ihrer Verbündeten klar gezeigt, dass Gebirgstruppen zwingend mit Transport- und Kampfhubschraubern zusammenarbeiten müssen und aus stark gesicherten Verfügungsräumen (Lagern) heraus, in denen sie gemeinsam unterziehen, operieren. Dies muss laufend geübt werden. Die Beweglichkeit von Mannschaftstransportpanzern und anderen gepanzerten Gefechtsfahrzeugen im stark gegliederten Hochgebirge ist eingeschränkt. Hier geht es darum, jene Fahrzeuge zum Einsatz zu bringen, die neben der leichten Panzerung zum Splitterschutz auch über die notwendige Beweglichkeit und Luftverlastbarkeit verfügen. In jedem Fall sind aber Bewegungen am Boden immer gefährlichen Hinterhalten ausgesetzt.

In punkto Bewaffnung bleibt der allgemeine Trend zur mittels indirekter Zielbeleuchtung ferngelenkten Präzisionswaffe aufrecht. Solche Systeme können die Rolle der weniger beweglichen Artillerie übernehmen und zeigen eine besondere psychologische Wirkung. Treffsichere, wirkungsvolle leichte Infanteriebewaffnung bis zu einer Einsatzschussweite von 2 000 Metern ist nach wie vor das Hauptwerkzeug, Nahkampfmittel (z. B. auch Flammenwerfer) stellen eine unverzichtbare Ergänzung im Kampf um Befestigungsanlagen dar. Die volle Nachtkampffähigkeit wird vorausgesetzt.

Die angewandte Taktik zeigt wiederum, dass Operationen im (Hoch)Gebirge auch immer den Kampf um Überhöhung zum Zwecke besserer Wirkung und schonenderer Einsätze erfordern. Die Verfahren beim Kampf gegen einen eingegrabenen Gegner sind jenen im Ortskampf sehr ähnlich. Die Ausbildung im Häuserkampf muss daher weiterhin forciert werden, was die Gebirgstruppe auch für andere Einsatzspektren qualifiziert. Insgesamt muss die Infanterie immer mehr Aufgaben übernehmen, deren Erfüllung eine verbesserte Qualität ähnlich wie jene der Spezialkräfte erfordert. Aus der Sicht eines im Hochgebirge eingesetzten Verteidigers wird es darauf ankommen, beherrschende Höhen als Schlüsselgelände durch bewegliche Kampfführung in Besitz zu halten. Der Beweglichkeit kommt deswegen besondere Bedeutung zu, weil durch die Technik insbesondere im Bereich der Aufklärung (Sensoren), Zielbeleuchtung, Präzisionswaffen, Kampfdrohnen etc. die Schutzwirkung des stark gegliederten Gebirgsgeländes tendenziell reduziert wird. Neben dem Kampf um Führungsüberlegenheit muss zuerst die Wirkung des Vorbereitungsfeuers durch frühzeitiges Gegenfeuer und Auflockerung herabgesetzt werden. Das Ende des statischen Stellungskrieges ist längst erreicht.

Ausblick

Im zukünftigen Konfliktbild ist mit einer Zunahme der asymmetrischen Kriegführung zu rechnen, um konventionelle Überlegenheit zu unterlaufen. Dabei werden die eingesetzten (konventionell unterlegenen) Kräfte der Vernichtung entzogen. Der Kampf wird dort gesucht, wo sich zeitlich begrenzt ein günstiges Kräfteverhältnis erzielen lässt. Unter Umständen werden auch proportional höhere eigene Ausfälle und Verluste in der Zivilbevölkerung in Kauf genommen. Dem überlegenen Gegner wird die Nutzung des Raumes verwehrt, er wird immer wieder zum infanteristischen Nahkampf gezwungen, weiters kommt relativ günstig beschaffbare Technologie zum Einsatz. Wenn es darum geht, die gesellschaftliche Durchhaltefähigkeit westlicher Staaten zu überfordern, können Kampfhandlungen auch offensiv in das Gebiet des überlegenen Gegners getragen werden, um ihn an den verwundbaren Stellen seiner gesellschaftlichen Basis zu treffen. Dies kann in Zukunft den gleichzeitigen Kampfeinsatz gegen die ausländische Basis des subkonventionellen Gegners und den Schutz des eigenen Territoriums erfordern. Spezialkräfte reichen dazu vielfach nicht aus, und es muss daher vermehrt zum Zusammenwirken mit anderen, leicht verlegungsfähigen Teilen der Landstreitkräfte kommen.

Auch wenn der Ausgang der laufenden Operationen in Afghanistan bei weitem nicht klar zu erkennen und die Situation noch weit von jeglicher Stabilität entfernt ist, kann man auf taktischer Ebene doch von einem Erfolg der angewandten Verfahren sprechen. Diese sind gekennzeichnet durch eine hochbewegliche, flexible Kampfführung kleiner Einheiten, abgestützt auf massive Feuervorbereitung im Zusammenwirken der verbundenen Waffen unter Nutzung technischer Überlegenheit. Der Hauptträger des Kampfes im Hochgebirge bleibt die leichte Infanterie, deren Beweglichkeit durch Lufttransportmittel sichergestellt wird. Luftbeweglichkeit der Gebirgstruppe wird eine mitentscheidende Rolle am Gefechtsfeld spielen. Die Besonderheiten des (Hoch)Gebirges bringen es mit sich, dass trotz absehbarer technologischer Entwicklungen eine entsprechend ausgerüstete und ausgebildete Gebirgstruppe durch andere Kräfte nicht vollwertig ersetzt werden kann.

Es ist wesentlich, die gewonnenen Erfahrungen weiter auszuwerten, die Erkenntnisse in eine Doktrin und in Vorschriften einfließen zu lassen und sie in der Ausbildung umzusetzen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die österreichische Kompetenz beim Einsatz im (Hoch)Gebirge auch im Kampf gegen irreguläre Kräfte erhalten bleibt.

Autor: Oberst dG August Reiter, Jahrgang 1963. 1983 Absolvierung der Theresianischen Militärakademie; 1986 ausgemustert zum Landwehrstammregiment 62. Ausbildungsoffizier und Kompaniekommandant der 2. Kompanie in Absam, Ausbildung zum Heeresbergführergehilfen; 1991 bis 1994 Hörer des 13. Generalstabskurses an der Landesverteidigungsakademie. Bis 1998 G3 des Militärkommandos Tirol, danach Stabsoffizier im SHAPE, MONS (BE). 2000/2001 Kommandant der Jägerschule als Truppenverwendung für Generalstabsoffiziere, bis Februar 2002 Chef des Stabes und amtsführender Militärkommandant. Derzeit an der Landesverteidigungsakademie in Vorbereitung als Kommandant des 17. Generalstabslehrganges.

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