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Voll einsatzbereit - Das Kommando Operative Führung Eingreifkräfte

Die Europäische Union verfügt seit Jahresbeginn über einen Gefechtsverband zur schnellen Krisenreaktion im gesamten Spektrum der Petersberg-Aufgaben sowie über ein für derartige Einsätze erforderliches Führungselement. In diesem arbeiten auch mehrere österreichische Kadersoldaten.

"Die deutsch-niederländisch-finnische EU Battlegroup I/2007 und das dazu gehörige Force Headquarters sind voll einsatzbereit!" meldete Generalleutnant Jan Oerding, der Befehlshaber im Kommando Operative Führung Eingreifkräfte (KdoOpFüEingrKr) in Ulm, am 15. Dezember 2006 an das Bundesministerium der Verteidigung. Als Verantwortlicher für die Durchführung der Übung "EUROPEAN ENDEAVOUR 2006" hatte er die EU Battlegroup I/2007 (EU BG I/2007) und das Force Headquarters (FHQ) zertifiziert und ihnen "Full Operational Capability (FOC)" bescheinigt. Der Europäischen Union steht damit seit Anfang dieses Jahres erstmals ein voll einsatzbereiter Gefechtsverband zur schnellen Krisenreaktion im gesamten Spektrum der so genannten Petersberg-Aufgaben zur Verfügung. Dieses Instrument erweitert die sicherheitspolitische Leistungsfähigkeit der EU erheblich. "Damit kann die EU ihrer Rolle als globaler Akteur im Sinne der Europäischen Sicherheitsstrategie glaubwürdig gerecht werden", sagte der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Wolfgang Schneiderhan. Das in Ulm stationierte KdoOpFüEingrKr, das im Oktober 2005 aus dem II. deutsch-amerikanischen Korps hervorgegangen war, hat dazu jedenfalls einen entscheidenden Beitrag geleistet.

"Full Operational Capability", also volle Einsatzbereitschaft, war das Ziel für das FHQ der EU BG I/2007, das in der Übung im November 2006 erreicht werden sollte. Das Verfahren, mit welchem dem FHQ und der EU BG I/2007 das Erreichen und Einhalten bestimmter Normenvorgaben und Qualitätskriterien bestätigt wird, heißt Zertifizierung. Die EU hat nur in begrenztem Maße eigene Vorgaben geschaffen, sie orientiert sich aber mit ihren Kriterien teilweise an denen der NATO. Der Befehlshaber des KdoOpFüEingrKr, Generalleutnant Jan Oerding, hatte auf Grundlage nationaler operativer Vorgaben Richtlinien für den Zertifizierungsprozess der EU BG I/2007 erstellt. Die Einheiten und Verbände der EU BG I/2007 meldeten den Stand ihrer Einsatzbereitschaft (Personal/Material/Ausbildung) zweimal im Jahr an das Kommando, und der Befehlshaber führte auf Einladung der Truppen stellenden Nationen und Verbände Informationsbesuche im Rahmen ausgewählter Übungs- und Ausbildungsvorhaben durch. Während der "EUROPEAN ENDEAVOUR 2006" zertifizierte er das FHQ sowie das "Tactical Command Element".

"Mit ‚EUROPEAN ENDEAVOUR 2006‘ ist das Ziel der vollen Einsatzbereitschaft der EU BG I/2007 und seines FHQ erreicht worden. Und dies, obwohl die Übung besonders anspruchsvoll und fordernd war", stellte Generalleutnant Oerding in diesem Zusamenhang fest und nannte als Besonderheiten: "Erstens mussten wir uns mit zwei anderen Partnernationen - Finnland und den Niederlanden - in der Stabsarbeit zusammenfinden. Dies hat uns vor bestimmte Herausforderungen gestellt, die wir aber meiner Ansicht nach ordentlich bewältigt haben. Zweitens haben wir erstmals in die Struktur ein Luftwaffenelement und ein Marineelement integriert. Das war etwas Neues und hat uns konzeptionell weitergebracht. Drittens haben wir in dieser Übung erstmals das neue Führungs- und Informationssystem der Streitkräfte im Einsatz getestet." Oerding nennt die Erfahrungen "grundsätzlich recht positiv - und dies vor dem Hintergrund all der Schwierigkeiten, die mit der Einführung eines Systems verbunden sind". Die Anforderungen seien überdurchschnittlich gewesen, weil in manchen Bereichen Neuland betreten werden musste. Doch der Befehlshaber ist voll des Lobes: "Alle Übungsteilnehmer haben sich sehr leistungs- und zielorientiert, absolut professionell und überaus engagiert gezeigt. Sie haben damit beigetragen, die Full Operational Capability für die EU BG I/2007 zu erreichen." Diese EU Battlegroup steht der politischen Führung im ersten Halbjahr 2007 ständig zur Verfügung, um - operativ geführt durch das FHQ - innerhalb von fünf bis zehn Tagen nach Alarmierung eine Mission anzutreten. Force Commander ist Generalmajor Rainer Fiegle, der Stellvertretende Befehlshaber und Chef des Stabes des KdoOpFüEingrKr in Ulm.

Das EU Battlegroup-Konzept

Die Europäische Union hatte im Jahr 1999 in Helsinki als "European Headline Goal" definiert, eigene Fähigkeiten zum militärischen Krisenmanagement - vom humanitären Hilfseinsatz bis hin zum robusten Kampfeinsatz - zu schaffen (Petersberg-Aufgaben). Darauf aufbauend wurde im Juni 2004 das Battlegroup-Konzept entwickelt. Mit EU Battlegroups soll auf aktuelle sicherheitspolitische Herausforderungen und Krisen schnell und angemessen reagiert werden können. Eine vorläufige Einsatzbereitschaft (Initial Operational Capability - IOC) wurde im ersten Halbjahr 2006 erreicht, die volle Einsatzbereitschaft (Full Operational Capability - FOC) Anfang 2007.

"Mit der Initial Operational Capability verfügte die damalige Battlegroup nur über begrenzte Fähigkeiten wie etwa Evakuierungsoperationen und Objektschutz. Darüber hinaus war sie anders strukturiert als die aktuelle. Sie konnte nicht auf Luftwaffen- oder Marineelemente zurückgreifen und war kaum multinational ausgelegt", erklärte Generalleutnant Oerding und fügte hinzu: "Mit dem Erreichen der Full Operational Capability müssen wir das gesamte Spektrum der so genannten Petersberg-Aufgaben abdecken können. Darüber hinaus spielen die Aspekte ‚Joint (teilstreitkräfteübergreifend) and Combined (multinational)‘ bei der EU BG I/2007 eine wesentlich prominentere Rolle." Bei der Definition von Standby-Zeiträumen und militärischen Standards orientierte sich die EU an den Festlegungen für die NATO Response Force. Die Kräfte für eine EU BG sind insgesamt 18 Monate durch den Auftrag gebunden. Dies beinhaltet jeweils sechs Monate Ausbildung auf nationaler und auf internationaler Ebene sowie die eigentliche Bereitschaftsphase. Diese erstreckt sich ebenfalls auf ein halbes Jahr und beginnt jeweils mit dem 1. Jänner oder dem 1. Juli.

Die Kommandostruktur bei EU BG-Operationen sieht grundsätzlich den Einsatz eines Operation Headquarters (OHQ) auf der strategischen Ebene und eines Force Headquarters (FHQ) auf der operativen Ebene zur Führung von Joint Operations vor. Darunter ist die taktische Ebene als Battlegroup-Headquarters, etwa in Form eines Brigadestabes angegliedert.

Generell besteht eine EU BG aus einem gemischten Infanteriebataillon, verstärkt durch Kampf- und Einsatzunterstützungskräfte. Weiters ist ihre Ergänzung durch Luft- und Seestreitkräfte möglich. Die EU BG kann eine Stärke von bis zu 2 000 Soldaten umfassen.

Der Beginn von EU BG-Operationen im Einsatzraum soll spätestens zehn Tage nach einem Beschluss des EU-Rates erfolgen. Dafür sind die Kräfte einer EU BG in einer Bereitschaft von fünf bis zehn Tagen "Notice to Move" zu halten. Die grundsätzliche Durchhaltefähigkeit dieser Kräfte beträgt 30 Tage, nach Anschlussversorgung bis zu 120 Tage. Ihr Einsatz kann weltweit erfolgen, planerisch wird jedoch eine Entfernung von 6 000 Kilometern um Brüssel zugrunde gelegt. Mit der Einbindung in Battlegroups hat sich Deutschland bis einschließlich 2013 nachhaltig verpflichtet und ist - unter anderem durch Bereitstellung des FHQ zur operativen Führung - an vier Battlegroups beteiligt. (Eine künftige EU BG soll aus Soldaten Deutschlands, Österreichs und der Tschechischen Republik bestehen; Anm.)

"EUROPEAN ENDEAVOUR 2006"

Die Übung "EUROPEAN ENDEAVOUR 2006", die vom 11. bis 24. November 2006 auf dem Fliegerhorst Leipheim und in der Ulmer Wilhelmsburgkaserne mit rund 830 Teilnehmern stattfand, war der finale Meilenstein auf dem Weg zur Full Operational Capability des Force Headquarters für die EU BG I/2007. Dieses operative Hauptquartier kann seit 1. Jänner 2007 im Bedarfsfall nach einem entsprechenden Mandat der EU und einem Bundestagsbeschluss aus dem Kommando Operative Führung Eingreifkräfte gebildet werden und in ein Einsatzland verlegen, um dort multinationale, teilstreitkräfteübergreifende und vernetzte Operationen im gesamten Einsatzspektrum der Petersberg-Aufgaben zu führen.

Das Szenario von "EUROPEAN ENDEAVOUR 2006" spielte auf der fiktiven Insel Fontinalis, der die Geografie von Neuschottland in Nordwest-Kanada zugeordnet wurde, unter folgender Übungsannahme: In der so genannten Dalya-Enklave wurde das Waffenstillstandsabkommen von ethnischen Minderheiten immer wieder gebrochen. "Warlords" unterhielten paramilitärische Vereinigungen und unterstützten die Organisierte Kriminalität. Illegaler Handel mit wertvollem Walnussholz und Drogenpilzen gefährdete den Friedensprozess zusätzlich, spülte den Kriegsherren aber viel Geld in die Taschen. Ein Jahr zuvor hatte die EU BG I/ 2006 (während der Übung "CLEVER LION 2005", Operation "PHAROS") dort ihre "Initial Operational Capability" unter Beweis gestellt und die Lage zwischen den Bürgerkriegsparteien soweit stabilisiert, dass eine UN-Friedenstruppe übernehmen konnte. Doch diese war nach einer Truppenreduzierung nicht mehr in der Lage, ihrem Auftrag der Friedenssicherung in vollem Umfang nachzukommen. Die Vereinten Nationen hatten daher die EU erneut um Hilfe ersucht. Die EU hatte diesem Ersuchen Folge geleistet und während der "EUROPEAN ENDEAVOUR 2006" die EU BG I/2007 für maximal drei Monate nach Fontinalis verlegt (Operation "PHILOS"), um dort die Lage zu stabilisieren und dann den Auftrag an ein robusteres UN-Truppenkontingent zu übergeben.

Nach General Wolfgang Schneiderhan war die Gefechtsstandübung "EUROPEAN ENDEAVOUR 2006" "die Schwerpunktübung der Bundeswehr im Jahr 2006". Das Kommando Operative Führung Eingreifkräfte in Ulm übte dabei, ein Force Headquarters in Fontinalis einzurichten und dort die EU BG I/2007 auf operativer Ebene zu führen. Neben dem multinationalen FHQ waren an der Übung ein niederländisches Logistikbataillon und eine finnische Sicherungskompanie beteiligt. Darüber hinaus wurde die Zusammenarbeit mit den Führungselementen der Luft- und Seestreitkräfte, insbesondere mit dem Kommando Operative Führung Luftstreitkräfte in Kalkar, geübt.

Das Force Headquarters

Das Force Headquarters besteht aus dem Command Post (Gefechtsstand) und der Homebase (Heimatbasis). Im fiktiven Einsatzland Fontinalis befand sich der Command Post mit ausschließlich jenen Teilen, die für diesen Einsatz benötigt wurden. Während der Übung war er real auf dem Fliegerhorst Leipheim stationiert. Dem Command Post nachgeordnet sind die so genannten Component Commands der Teilstreitkräfte. Sie leiten deren spezifische Einsätze, etwa die Kontrolle zur Einhaltung eines Waffenembargos durch die Marine oder die Überwachung von Flugverbotszonen durch die Luftwaffe. Bei "EUROPEAN ENDEAVOUR 2006" waren dem FHQ dazu ein Air Element und eine Maritime Task Group unterstellt.

Innerhalb des FHQ befindet sich darüber hinaus die eigenständige Komponente TCE (Tactical Command Element). Während das FHQ auf operativer Ebene führt, befehligt das TCE taktisch die für den Einsatz unterstellten Truppenteile der Landstreitkräfte. Das TCE ersetzt dabei das Brigadekommando und ist das Bindeglied zwischen dem FHQ und den ihm unterstellten Kräften von Heer und Streitkräftebasis.

Im Heimatstandort Ulm verbleibt die Homebase mit rund 30 Soldaten in einem eigens dafür eingerichteten Gebäude der Wilhelmsburgkaserne. Dort befinden sich Ansprechpartner aus jeder Abteilung des FHQ. Sie steuern den Aufwuchs der Einsatzkräfte, deren Verlegung und Rückverlegung. Im Situation Center (SITCEN) wird die Lage im Einsatzland mitverfolgt, sodass die Führung ständig auf dem Laufenden gehalten werden kann. Die Homebase unterstützt bei der Planung, um den Personalansatz des FHQ im Einsatzgebiet auf ein notwendiges Maß zu reduzieren. Motto: "Move informations - not people!" Dies verringert den Aufwand erheblich.

"EUROPEAN ENDEAVOUR 2006" war eine Gefechtsstandübung (entspricht etwa einer Stabs- und Rahmenübung; Anm.). Das bedeutet, dass nicht - wie beim klassischen Manöver - die reale Volltruppe im Gelände operierte, sondern in diesem Fall lediglich das rund hundertköpfige deutsch-niederländisch-finnische Personal des FHQ-Command Post, bestehend aus dem eigentlichen operativen Headquarters sowie dem TCE. Weitere Komponenten bei der Übung waren das Air Element mit rund 20 Soldaten, das die beteiligten Luftwaffenkräfte taktisch führte, sowie über 30 Soldaten des OpInfo-Bataillons, das mit Informationskampagnen zum Erfolg der Gesamtoperation beitrug. Ergänzt wurde der Kreis der Übenden durch Teile eines deutsch-niederländischen Unterstützungsbataillons und einer finnischen Sicherungskompanie auf dem Fliegerhorst Leipheim.

Insgesamt waren 830 Soldaten und zivile Mitarbeiter an der Übung beteiligt. Allein zur Führungsunterstützung des FHQ waren 150 Soldaten eingebunden. Zivile Experten unterstützten die Übungsteilnehmer beim Betreiben des neuen Führungs- und Informationssystems der Streitkräfte, das hier erstmalig bei einer Übung eingesetzt wurde. Um die Realversorgung mit Verpflegung, Material und Betriebsstoffen kümmerten sich 130 Personen.

Der Directing Staff (DISTAFF) ist die Leitungsorganisation mit 160 Akteuren. Hiezu gehörten der Stellvertretende Chef des Stabes Unterstützung im KdoOpFüEingrKr - der österreichische Brigadier Anton Oschep - als Exercise Director sowie die für Ausbildung und Übungen zuständige Stabsabteilung J7, Vertreter aller beteiligten Elemente und diverse Beobachter sowie Mitarbeiter des kanadischen Pearson Peacekeeping Center (PPC). Das PPC hat das Übungsszenario entwickelt, den Übungsverlauf durch das Einsetzen von Rollenspielern und das Einspielen von Lagen gesteuert und die Reaktionen darauf bewertet.

"Joint and Combined"

Mit dem erstmaligen Erreichen der Full Operational Capability des von ihm gestellten FHQ der EU BG I/2007 ist es dem Kommando Operative Führung Eingreifkräfte in seiner kurzen Geschichte gelungen, ein Kernstück europäischer Sicherheitspolitik in konkretes militärisches Handeln umzusetzen. Dabei spielt die Multinationalität eine große Rolle. "Wir sind bereits heute ein Joint Combined Headquarters. So leisten derzeit 15 Offiziere aus neun Nationen bei uns ihren Dienst. Unabhängig davon haben wir Offiziere aus Finnland und den Niederlanden zusätzlich in den Stab integriert. Sie stellen die Präsenz der Nationen der Battlegroup sicher", betont Generalleutnant Oerding. Insgesamt sollen 30 Dienstposten multinational besetzt werden.

Das Kommando in Ulm führt den Begriff "Operative Führung" in seinem langen Namen. Was aber ist darunter zu verstehen? Generalleutnant Oerding erklärt: "Die operative Führungsebene ist im Einsatz verantwortlich für das Umsetzen der strategischen Zielsetzung in praktikable Handlungsanweisungen für die taktische Ebene. Das heißt, operative Führung bündelt die Elemente und Fähigkeiten der Streitkräfte hin auf ein Ziel. Und das unter bestmöglichem Einsatz aller vorhandenen Ressourcen und mit dem Ziel des synergetischen Ansatzes." In der Vergangenheit - und dies gilt auch heute noch - wurde die operative Führungsebene in erster Linie durch NATO-Stäbe abgebildet. "Weil die Europäische Union über keine entsprechenden Führungsebenen verfügte, sollte diese Lücke geschlossen werden. Deutschland hat sich dazu bereit erklärt und das Kommando Operative Führung Eingreifkräfte aufgestellt", so der Befehlshaber.

Als im zweiten Halbjahr 2006 der EUFOR-Einsatz im Kongo lief, wurde in Potsdam beim Einsatzführungskommando der Bundeswehr ein Operation Headquarters (OHQ) gebildet. Da stellt sich die Frage, ob das Ulmer Kommando Operative Führung Eingreifkräfte mit einem FHQ für Auslandseinsätze nicht überflüssig ist? Generalleutnant Oerding verneint: "Das Einsatzführungskommando der Bundeswehr führt die Einsätze zunächst unter dem Aspekt der Wahrnehmung der in nationaler Verantwortung verbleibenden Aufgaben. Darüber hinaus bringt das Einsatzführungskommando auf seiner Ebene nationale Interessen und Vorstellungen in die einzelnen Operationen mit ein. Potsdam hat darüber hinaus den Auftrag, im Bedarfsfall ein OHQ für die Europäische Union bereitzustellen. Dieses bildet die militärstrategische Ebene ab und ist im Einsatzfall unmittelbar dem europäischen Military Committee unterstellt. Das Potsdamer OHQ verbleibt nach Aktivierung an seinem Standort und setzt seine strategisch-militärischen Aufträge für die operative Ebene um. Das Kommando Operative Führung Eingreifkräfte in Ulm hingegen stellt im Bedarfsfall ein hochmobiles, weltweit verlegbares Force Headquarters für das jeweilige Einsatzland. Es dient auf operativer Ebene quasi als Scharnier zwischen der militärstrategischen Ebene in Potsdam und der taktischen Ebene im Einsatzland. Als solches ist es unverzichtbar." Das Ulmer Kommando war auch bei der vor Weihnachten erfolgreich beendeten EUFOR-Mission im Kongo mit insgesamt 16 Offizieren im Force Headquarters in Kinshasa prominent vertreten. "An der Spitze stand der Stellvertretende Chef des Stabes Operationen meines Kommandos, Flottillenadmiral Henning Bess, der dort die Aufgaben des stellvertretenden Befehlshabers wahrnahm", berichtet Oerding und betont: "Wir stellen - wenn nötig und machbar - entsprechendes Personal bereit, damit wir unseren Kommandoangehörigen möglichst umfassende Einsatzerfahrungen ermöglichen. So bringen wir uns aktiv ein." Der Befehlshaber beschreibt den besonderen Nutzen, den die Bundeswehr vom KdoOpFüEingrKr hat: "Unser Kommando nimmt sich der Herausforderungen der operativen Ebene an, die bisher in der Kommandostruktur der Bundeswehr nicht abgebildet war. Darüber hinaus beackern wir all die Aspekte, die insbesondere mit den Themenfeldern von Jointness, Combinedness und vernetzten Operationen im Zusammenhang stehen. Wir nehmen also auch eine wichtige konzeptionelle Aufgabe wahr." Ist das Ulmer Kommando also ein "Think Tank", eine Denkfabrik der Bundeswehr? Der Befehlshaber will dies nicht so pointiert formulieren: "Zunächst einmal ist das Kommando ein auf den Einsatz hin strukturierter und optimierter Stab. Und vor allem das Hauptquartier der operativen Führung. Darüber hinaus haben wir natürlich auch eine Reihe von Aufgaben im so genannten Grundbetrieb. Und diese Aufgaben beschäftigen sich vor allem mit den Weiterentwicklungsaspekten, die dieser Führungsebene zugeschrieben werden." Oerding nennt ein sehr breit gefächertes Aufgabenfeld wie Übungskoordinierung, Übungsbegleitung, Einsatzausbildung oder Ähnliches, das der Kommandostab mit rund 250 hoch qualifizierten Offizieren und Unteroffizieren bearbeitet.

Innovative Lösungsansätze

Es ist der ausdrückliche Wunsch von General Wolfgang Schneiderhan, dass das KdoOpFüEingrKr mit seiner Führungs- und Einsatzerfahrung im Rahmen dieser Aufgaben auch zur Entwicklung innovativer Lösungsansätze beiträgt, z. B. durch die Entwicklung von Konzepten und deren experimentelle Überprüfung, wie dies etwa beim Multinational Experiment 5 geschah. Nach General Wolfgang Schneiderhan ist das Ulmer Kommando "aufgrund seines unmittelbaren Übungs- und Einsatzbezugs besonders geeignet, praxisbezogene Transformation zum Anfassen zu gestalten." Kann man das KdoOpFüEingrKr daher als ein Leuchtturm-Projekt der Transformation bezeichnen? Dessen Befehlshaber Oerding antwortet: "Dies ist die Charakterisierung durch den Generalinspekteur, der nichts hinzuzufügen ist." Mitte 2006 wurde das Kommando Operative Führung Eingreifkräfte vom Heer in die Streitkräftebasis (SKB) übergeführt. Generalleutnant Oerding nennt das einen "folgerichtigen Schritt". Bei der strukturellen Verankerung von Vertretern aller Organisationsbereiche im Kommando sei es nur konsequent, dass der integrierte Stab nicht mehr einer Teilstreitkraft zugeordnet sei: "Gleichwohl fühlen wir uns allen anderen Organisationsbereichen sehr verbunden. So halten wir enge Verbindung zu allen Kommandobehörden und Ämtern, damit wir Entwicklungen mitbekommen, die für unsere Ebene wichtig sind und die wir für uns nutzen wollen. Umgekehrt geben wir Impulse, wo immer wir das können - auch in die Teilstreitkräfte hinein." Der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Wolfgang Schneiderhan jedenfalls ist zufrieden. "Das Kommando Operative Führung Eingreifkräfte hat sich bereits in kurzer Zeit in den deutschen Streitkräften und im internationalen Bereich hohe Anerkennung erworben."

Auf einen Blick

Das Kommando Operative Führung Eingreifkräfte in der Ulmer Wilhelmsburgkaserne ist in der Bundeswehr einzigartig. Es wurde erst am 7. Oktober 2005 aufgestellt und untersteht der Streitkräftebasis. Das rund 300 Soldaten und zivile Mitarbeiter umfassende Kommando ist aus dem II. deutsch-amerikanischen Korps entstanden, das knapp 50 Jahre lang in Ulm präsent war.

Mobil, flexibel, vielseitig und professionell - mit diesen Worten lässt sich das Ulmer Kommando kurz beschreiben. Es leitet multinationale, teilstreitkräftegemeinsame und vernetzte Operationen und es ist innerhalb kürzester Zeit weltweit verlegbar und muss - als Führungsebene von Battlegroups innerhalb von zehn Tagen, - für einen Einsatz in Divisionsstärke mit rund 15 000 Soldaten innerhalb von knapp drei Wochen und - für einen Einsatz in Korpsstärke mit 60 000 Soldaten innerhalb von zwei Monaten einsatzbereit sein.

Außerdem wird hier die Weiterentwicklung der Streitkräfte vorangetrieben. Knapp 90 Prozent (250 Soldaten) des Kommandos gehören der Bundeswehr an, die restlichen (30) Soldaten ausländischen Streitkräften. Multinationalität wird groß geschrieben.

Dem Ulmer Kommando unterstehen mit Ausnahme des Unterstützungsbataillons KdoOpFüEingrKr truppendienstlich keine weiteren Verbände. Es führt daher nur Truppenteile, die ihm ausschließlich zum jeweiligen Einsatz von anderen Kommanden unterstellt werden.

Das Kommando Operative Führung Eingreifkräfte erfüllt nicht nur Verpflichtungen Deutschlands gegenüber der Europäischen Union und verkörpert damit den deutschen Beitrag zur Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Als einziges verlegbares deutsches Hauptquartier der operativen Führungsebene, mit der Fähigkeit zur Führung in einem Einsatzgebiet, schließt es zudem auch eine Lücke in der bisherigen Führungsorganisation der Bundeswehr und erweitert damit den Handlungsspielraum der politischen und militärischen Führung.

___________________________________ ___________________________________ Autor: Oberstleutnant der Reserve Leo Mayerhöfer (Deutschland), Jahrgang 1962. Diplom-Journalist. Er führte auch das unten publizierte Gespräch mit Brigadier Oschep.

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"Bestens integriert"

Der österreichische Brigadier Anton Oschep ist seit dem 7. August 2006 der Stellvertretende Chef des Stabes Unterstützung (Deputy Chief of Staff Support) im multinational besetzten Kommando Operative Führung Eingreifkräfte in Ulm. Während der Übung "EUROPEAN ENDEAVOUR 2006" im November 2006 fungierte er als Exercise Director. Ziel der Übung war es, die volle Einsatzbereitschaft ("Full Operational Capability") eines vom Ulmer Kommando gestellten Force Headquarters für die deutsch-niederländisch-finnische EU Battlegroup I/2007 zu zertifizieren.

"Herr Brigadier, wie fühlen Sie sich als österreichischer Soldat in der Deutschen Bundeswehr?"

Brigadier Oschep: "Grundsätzlich einmal sehr gut, bestens aufgehoben, bestens integriert. Beim Kommando Operative Führung Eingreifkräfte handelt es sich nicht um eine ausschließlich deutsche Einheit, sondern um einen multinational ausgerichteten Verband. Das wirkt sich auf die Integration ausländischer Soldaten positiv aus. Fachlich gesehen haben wir in Österreich sehr viele ähnliche Abläufe und parallel laufende Entwicklungen. Trotzdem bleibt anzumerken, dass sich begrifflich doch einiges auseinander entwickelt hat. Ich muss mich daher häufig erst in die deutsche Terminologie einfinden." "Sie sind nicht der einzige Österreicher im Kommando?"

"Das Kommando ist darauf ausgerichtet, möglichst viele Nationen der EU einzubinden. Österreich stellt derzeit drei Soldaten: Mich, einen Oberstleutnant in der J3-Abteilung und einen Unteroffizier, der mich persönlich in der Ausübung meiner Funktion unterstützt. Wir Österreicher fühlen uns - mit den anderen Europäern und auch mit den amerikanischen Kameraden - bestens aufgenommen." "Welche Rolle spielt das Kommando Operative Führung Eingreifkräfte nach Ihrer Meinung in der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik?"

"Das Kommando ist sicher ein sehr innovativer Schritt der Bundeswehr zu einer Stärkung der Reaktionsfähigkeit der europäischen Sicherheitspolitik. Deutschland stellt parallel mit anderen Nationen ein operatives Kommando mit der Fähigkeit, Truppen zu führen, wo immer das erforderlich ist. Allerdings mit dem Unterschied, dass hier in Ulm ein permanent agierendes Kommando aufgestellt wurde. Das heißt: Im Vergleich zu den parallel entstehenden Schwesterkommanden ist die Reaktionsfähigkeit höher. Insofern ist das Kommando Operative Führung Eingreifkräfte ein Meilenstein in der Entwicklung der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik." "Welche Interessen verfolgt Österreich mit der Integration von Soldaten in das Kommando Operative Führung Eingreifkräfte?"

Brigadier Oschep: "Österreich ist als kleines Land in der Mitte Europas natürlich daran interessiert, Entwicklungen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik mitzuverfolgen und - soweit möglich - aktiv mitzugestalten. Mit der Bundesrepublik Deutschland als einem der strategischen Partner bieten sich natürlich besonders günstige Gelegenheiten und Optionen an. Wir wollen in erster Linie das EU Battlegroup-Konzept von Anfang an auch auf operativer Ebene mitverfolgen. Das ‚Ulmer Kommando‘ gibt uns Gelegenheit, Erfahrungen zu sammeln, die wir in Österreich so nicht machen können." "Ist es richtig, dass der EU-Ansatz in Österreich wesentlich mehr Zustimmung genießt als der NATO-Ansatz, wenn es um Verteidigungspolitik geht?"

"Österreich ist ein vollwertiges Mitglied in der Europäischen Union. Wir sind daher auch interessiert, entsprechende Maßnahmen mitzutragen. Die Beteiligung im EU Battlegroup-Konzept ist voll akzeptiert, während eine allfällige Vollmitgliedschaft in der NATO vom Großteil der Bevölkerung nicht mitgetragen wird und derzeit auch keine Option ist. Hingegen wird die aktive Beteiligung im Partnership for Peace-Programm der NATO sehr positiv gesehen und auch unterstützt." "Was sind Ihre Aufgaben im Kommandostab in Ulm?"

"Ich selbst habe die ehrenvolle Aufgabe des Stellvertretenden Chefs des Stabes Unterstützung. Ich koordiniere die Bereiche Personal, Logistik, Führungsunterstützung, Budgetwesen und Personalwesen, um damit die Führungsebene des Kommandos zu entlasten und dem Bereich Operation optimale Rahmenbedingungen zu schaffen." "Sie haben die prominenteste Position inne, die in Ulm multinational zu besetzen ist. Wie empfinden Sie das?"

"In erster Linie ist das eine besondere Herausforderung für mich, aber zugleich auch eine Anerkennung für die internationalen Offiziere, die hier arbeiten. Als Kontaktperson aller multinationalen Soldaten des Kommandos habe ich die Möglichkeit, deren Interessen auf der Führungsebene zu vertreten. Wir alle wollen uns mit besonderen Ideen aktiv einbringen. In meiner Rolle als höchstrangiger ausländischer Vertreter und Mitglied im Führungsteam des Kommandos ergibt sich die Möglichkeit, auch gestalterisch mitzuwirken. Wir sehen und anerkennen das Bemühen des Kommandos, eine rasche Integration zu erzielen und vor allem auch Verantwortung zu übertragen. Hier ist kein Mitlaufen oder Beobachten gewünscht, sondern die aktive und volle Mitarbeit. Dabei hilft die Unterstützung der deutschen Kameraden und die Fürsorge der Führung." "Welche Erfahrungen haben Sie als "Exercise Director" bei der Übung "EUROPEAN ENDEAVOUR 2006" gemacht?"

"Die Übung ‚EUROPEAN ENDEAVOUR 2006‘ war der finale Schritt zum Herstellen der vollen Einsatzbereitschaft sowohl des Kommandos als auch der trinationalen EU Battlegroup I/2007. Die Übung stellte unter Beweis, dass durch die einzelnen Nationen Deutschland, Niederlande und Finnland exzellente Vorbereitungsarbeit geleistet wurde. Sie zeigte aber auch, dass ein Zusammenführen der verschiedenen nationalen Beiträge in einer mehrwöchigen Übung unbedingt erforderlich war, um Abstimmungsprobleme zu lösen. Der Teambildungsprozess hat sehr große Fortschritte gemacht, sodass man davon ausgehen kann, dass mit 2007 die volle Einsatzbereitschaft erreicht ist." "‚Trägt‘ das EU Battlegroup-Konzept?"

"Die EU Battlegroup I/2007 wird erstmals in die Phase des vollen Spektrums der Petersberg-Aufgaben eintreten. Das reicht von der humanitären Hilfe über Friedensstabilisierungsoperationen bis zum robusten Kampfeinsatz.

Die Übung und die Aufstellung dazu sind aus meiner Sicht zielorientiert und erfolgreich verlaufen. Die möglichen Einsätze einer EU Battlegroup in der Zukunft werden die Tragfähigkeit des Konzeptes beweisen, andererseits höchstwahrscheinlich aber auch Schwachstellen aufzeigen. Wir werden daher konsequent an der Weiterentwicklung, der Verbesserung der Vorbereitung und vor allem der Auswertung laufender Einsätze arbeiten müssen." "Welche Rolle spielt das Kommando Operative Führung Eingreifkräfte für die Weiterentwicklung der Streitkräfte insgesamt?"

"Eine der Besonderheiten des Kommandos in Ulm ist seine Doppelrolle als Basis für Führungsaufgaben auf operativer Ebene und andererseits als Teil der Grundorganisation für die Erfassung und Auswertung von Einsätzen. Die Weiterentwicklung der Streitkräfte kann hier Erfolg versprechend fortgeführt werden, weil entsprechende Erkenntnisse aus den Einsätzen einfließen und ein sehr potenter Stab zur Verfügung steht.

Für Österreich ist es insofern wichtig, weil wir uns genauso wie die Bundesrepublik Deutschland und nahezu alle europäischen Staaten in einer Phase der Transformation befinden. Die Transformation lebt wesentlich von der Dynamik der Weiterentwicklung. Das Kommando Operative Führung Eingreifkräfte ist daher ein wesentlicher Motor für die Weiterentwicklung der Deutschen Bundeswehr. Ich denke da beispielsweise an die maßgebliche Beteiligung am Multinationalen Experiment 5, einem wichtigen Vorhaben im Bereich Concept Development and Experimentation, bei dem es um die Nutzung einer umfassenden Wissensdatenbank geht.

Unsere Mitarbeit als Österreicher hier im Ulmer Stab zeigt: Das Kommando Operative Führung Eingreifkräfte ist auch ein wesentlicher Maßstab für die Entwicklung des Österreichischen Bundesheeres." "Welche Ratschläge könnten Sie der österreichischen Politik geben - im Hinblick auf eine weitere Kooperation mit der Deutschen Bundeswehr?"

"Das Österreichische Bundesheer kooperiert seit langem in vielen Bereichen eng mit der Deutschen Bundeswehr und wird dies nach meiner Einschätzung auch in Zukunft tun. Es gibt beispielsweise gerade im Bereich der EU Battlegroup Weichenstellungen in der Zusammenarbeit mit Deutschland, aber auch mit der Tschechischen Republik. Diese Entwicklungsschritte bis 2010 sind auszuwerten und dann die daraus folgenden Konsequenzen zu ziehen. Ich sehe persönlich noch eine Reihe weiterer Felder, die sich für die Zusammenarbeit eignen würden." "Hat sich auch Österreich verpflichtet, an einer EU Battlegroup mit eigenen Verbänden teilzunehmen?"

"Grundsätzlich hat der Verteidigungsminister (damals noch Günther Platter; Anm.) die Beteiligung an einer EU Battlegroup gemeinsam mit Deutschland und der Tschechischen Republik ja bereits artikuliert. Eine militärische Machbarkeitsstudie sowie die verschiedenen militärpolitischen Handlungsoptionen liegen vor. Der Entscheidungsfindungsprozess dazu dauert noch an.

Um sich an einer Battlegroup ab 2011 aktiv beteiligen zu können, wäre eine formelle Einmeldung im ersten Halbjahr 2008 erforderlich. Jedoch sind zunächst die Vorgaben der neuen Regierung in Wien zu berücksichtigen, um dann die entsprechende Zielsetzung in konkrete Zahlen, Fakten und Daten zu gießen.

Persönlich sehe ich derzeit günstige Möglichkeiten, die ersten Erfahrungen auszuwerten, und, wie etwa Finnland, die eigenen Anstrengungen zur Beteiligung an der EU Battlegroup zu forcieren."

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