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Pionierunterstützung in friedensunterstützenden Operationen

Erfahrungen des ungarischen Pionierkontingentes bei IFOR/SFOR

Die Pionierunterstützung stellt ein wichtiges Element der militärischen Komponente einer friedensunterstützenden Operation dar. Zwischen Februar 1996 und März 2002 konnte ein ungarisches Pionierkontingent bei IFOR/SFOR erste internationale Erfahrungen im Rahmen der NATO sammeln.

Die durch die NATO geführte IFOR/SFOR-Mission bedeutete für die Teilnehmer eine vollkommen neue Aufgabe. Soldaten aus mehr als dreißig Staaten und Hunderte Vertreter internationaler Organisationen waren an ihr beteiligt. Ziel war die Umsetzung des Abkommens von Dayton. Um die Leistungen der Soldaten, die an dieser Mission teilnahmen, richtig einschätzen zu können, ist es notwendig, die Eigenheiten dieser friedensunterstützenden Operation (Peace Support Operation - PSO) kurz darzustellen:

Hohe nationale und internationale Aufmerksamkeit.

Die Tätigkeit und das Auftreten der Truppe stehen täglich im Rampenlicht. Ihre Arbeit wird sowohl von der Bevölkerung und den lokalen Behörden als auch durch die Vertreter der internationalen Presse und nicht zuletzt durch die anderen Soldaten der Mission genau beobachtet.

Das kriegerische Umfeld.

Die Tausenden, in den langen Jahren des Bürgerkrieges zerstörten Objekte, die Millionen Panzer- und Schützenminen, die mental schwer getroffene Bevölkerung und die nicht funktionierende Verwaltung erschweren die Erfüllung des Auftrages.

Die Arbeit im internationalen Umfeld.

Die Aufgaben, die im Rahmen von PSO durchgeführt werden, erfordern sehr oft den Einsatz bislang unbekannter Geräte und Methoden. Darüber hinaus ist mit Zivilisten und Soldaten verschiedenster fachlicher Eignung auch aus anderen Kulturen zu kooperieren.

Friedensunterstützende Operationen können nur durch die Wahrnehmung einer Reihe komplexer politischer, diplomatischer und militärischer Aufgaben verwirklicht werden. Eine entscheidende Komponente dieser Aufgabenreihe ist der Einsatz militärischer Kräfte. Die Pionierunterstützung ist zusammen mit anderen Unterstützungsaufgaben wie Feuerunterstützung, Fliegerabwehr, Elektronische Kampfführung, logistische Unterstützung, etc., ein wichtiges Element dieser Komponente. Die Erfahrungen zeigen, dass die Zeitabläufe in einer PSO sowohl die Qualität als auch die Quantität der Aufgabenstellungen an die Pionierunterstützung bestimmen.

Ziel der Pionierunterstützung in einer PSO ist es, mit den von Entsendenationen und -organisationen gestellten Pionierkräften und Geräten - die Sicherheit und die Bewegungsfreiheit der Truppe aufrecht zu erhalten, - die internationale Verwaltung und die Hilfsorganisationen zu unterstützen und - die Lebens- und Arbeitsumstände der lokalen Verwaltung und der Zivilbevölkerung zu verbessern.

Die Ziele der Pionierunterstützung in einer PSO sind zu erreichen durch:

- zentrale Führung der Pionierressourcen im Einsatzraum; - Koordinierung aller Pionierarbeiten der Unterstellten; - Abstimmung und dauernde Überwachung der Pionierarbeiten; - Heranziehen nicht militärischer (lokaler, internationaler) Unterstützungsquellen.

Das ungarische Pionierkontingent

Ungarn war unter den ersten Ländern, die ihre Hilfe für die Umsetzung des Vertrages von Dayton angeboten hatten. Das Parlament stellte drei Möglichkeiten zur Unterstützung der Operation fest:

- Sicherstellung des Durchmarsches der IFOR/SFOR-Kräfte durch Ungarn und Öffnung des ungarischen Luftraumes für Transporte; - Bereitstellung von zivilen und militärischen Objekten für die PSO-Kräfte im Rahmen der nationalen Unterstützung (Host Nation Support); - Entsendung ungarischer Pioniereinheiten in das Einsatzgebiet.

Die Aufgaben des ungarischen Pionierkontingentes wurden wie folgt festgesetzt:

- Errichtung und Aufrechterhaltung von Fähren und Brücken; - Reparatur von Brücken; - Errichtung und Instandhaltung von Pontonbrücken; - Reparatur und Instandhaltung von Straßen; - Räumung von aufgeklärten Hindernissen im Arbeitsgebiet.

Dieses Kontingent war am 2. Februar 1996 einsatzbereit. Damit begann ein neues Kapitel in der Geschichte der ungarischen Landstreitkräfte, da bislang keine Pioniere an internationalen Einsätzen beteiligt waren. Die Zusammenstellung der Kräfte und des Materials für das Kontingent gestaltete sich aufgrund der knappen Zeitvorgaben schwierig. Zudem musste das Kontingent personal- und gerätemäßig erst zusammengestellt werden, da keine vorbereiteten Einheiten für diese Aufgabenstellung zur Verfügung standen. Das Kontingent - 406 Mann und mehr als 100 technische Großgeräte - wurde aus einer Pontonbrückenkompanie, einer Straßen- und Brückenbaukompanie sowie einem Pionierzug formiert.

Die ungarischen Pioniere konnten im Rahmen der Mission 367 Aufträge erfolgreich bewältigen. Die unterschiedliche Gewichtung der Aufgaben in zeitlicher Hinsicht zeigt die Änderung der Prioritätenreihung während der Mission.

Die Abbildung weist neben der Belastung des Kontingentes auch auf die Intensität der Pionierunterstützungsaufgaben der PSO hin. Der Aufmarsch und die Einrichtung der Kräfte bedurften intensiver Pionierunterstützung, vor allem was das Herstellen der Bewegungsfreiheit betraf. In Bosnien-Herzegowina und in Kroatien wurden während des Krieges mehr als 200 Brücken vernichtet. Damit die Friedenstruppen jedes Gebiet erreichen können, ist die permanente Wiederherstellung und Aufrechterhaltung der Funktionstüchtigkeit der Brücken und Straßen, der Bahnlinien, der Häfen und der Flughäfen unerlässlich.

Die Einsatzzeit der IFOR war durch eine intensive Pionierarbeit und daher eine hohe Belastung der Pionierkräfte gekennzeichnet. In diesem Zeitraum erhielt das ungarische Pionierkontingent 84 Aufträge; etwa die Hälfte davon betraf die Herstellung der Mobilität, ein Viertel waren Erkundungsaufträge. Bei den Aufträgen dominierte eindeutig der Brückenbau; das Kontingent baute in diesem Zeitraum 26 Brücken.

Im Rahmen der SFOR sollte sich die Lage weiter normalisieren. Die Anzahl der Aufgaben im Rahmen der Pionierunterstützung änderte sich nicht, wohl aber ihre Inhalte. Bei den Erkundungsaufträgen trat die zeitintensivere Suche nach Alternativen in den Vordergrund, und auch die finanziellen Fragen erlangten mittlerweile größere Bedeutung. Die Anzahl der sonstigen Unterstützungsaufgaben war gewachsen, die Erkundungsaufträge waren zurückgegangen. Bei der Sicherung der Bewegungsfreiheit traten die Aufrechterhaltung und die Kontrolle der Brücken und der Abbau der Brücken vom Typ "Mabey & Johnson", die während des IFOR-Einsatzes errichtet worden waren, in den Vordergrund.7). Die Aufgaben im Rahmen der zivilmilitärischen Zusammenarbeit (CIMIC) waren die ganze Zeit über gleichmäßig verteilt (2 bis 3 Prozent).

Im Sommer des Jahres 1999 erhöhte sich die Anzahl der Aufträge für das Kontingent. Dies hing mit dem Ausbau der Infrastruktur des neuen SFOR-Kommandos in Sarajevo zusammen. Mit einem Anteil von 15 Fachaufträgen nahm das Kontingent durchgehend an den Bauarbeiten teil.

Abbildung 2 zeigt ebenfalls, dass die Anzahl der Aufträge ab dem Jänner des Jahres 2000 deutlich abnahm. Praktisch blieben nur mehr die Aufgaben, die Tragfähigkeit der Brücken zu überwachen, diese eventuell zu reparieren sowie die während des Winters wichtige Schneeräumung und Enteisung vorzunehmen. Die Gesamtbelastung für das Kontingent verringerte sich jedoch nicht, da die Anzahl der Soldaten inzwischen um die Hälfte - auf 205 - abgenommen hatte.

Die Analyse der Fachaufträge macht es möglich, auch andere Folgerungen aus den Daten zu ziehen. Das Lager des ungarischen Pionierkontingentes lag mehr als 300 km von Sarajevo entfernt, nördlich der Save. So war die Auftragserfüllung immer an einen mehr oder weniger langen Marsch gebunden. Dies erschwerte die Durchführung, ließ die Zeitspanne und die Kosten steigen und verlangte erhöhte Sicherheitsmaßnahmen. Die Marschentfernung für die Auftragserfüllung - bei einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 40 km/h - kann der Abbildung 3 entnommen werden. Die berechnete durchschnittliche Marschentfernung zu den Einsatzorten betrug 187 km, also benötigte man dafür mehr als 4 Stunden.

Abbildung 4 zeigt ein sonderbares Bild, welches sich mit dem zeitlichen Bedarf zur Erfüllung der Aufträge beschäftigt. Eine große Anzahl der gestellten Aufgaben war innerhalb von Tagesfrist zu erledigen; vor allem die Erkundungsaufträge. Nur ein relativ kleiner Teil war von längerer Dauer. Trotzdem musste man als Zeitraum für eine einzige Auftragserfüllung im Durchschnitt zwei Wochen annehmen. Dies ergab sich aufgrund der Entfernungen von der Basis und den daraus resultierenden Anmarschzeiten. Eine ernsthafte Vorbereitung jeder einzelnen Aufgabe sowie der Marschwege war notwendig. Die Versorgung und Sicherung der Arbeitsgruppe bedeuteten für alle Teile des Kontingentes vollen Einsatz. Das Kontingent benötigte pro Auftrag durchschnittlich acht technische Großgeräte. Für jeden arbeitenden Pionier bedarf es der zweifachen Anzahl an Sicherungskräften. Wenn also für die Durchführung einer technischen Aufgabe - Brückenbau, technische Erkundung, Straßenbau, Brückenkontrolle etc. - zehn Pioniere benötigt wurden, lag die Gesamtzahl der Kräfte bei ca. 30 Mann. Zu den Sicherungskräften zählten Dolmetscher, Verbindungspersonal, Pyrotechniker, Sanitäter, Fernmelder und die für die Sicherung der Einheit verantwortliche Führungsgruppe.

Vorbereitungen

Während einer einmonatigen Vorbereitungsphase in der Heimat erhalten die Freiwilligen vor allem Pionierkenntnisse vermittelt. Die Erfahrungen zeigen jedoch, dass man den Eigenheiten der Arbeit im internationalen Umfeld eine stärkere Bedeutung beimessen sollte. An solchen Missionen teilnehmende Soldaten müssen nicht nur hervorragende Fachleute sein, sondern auch diplomatisches Geschick haben. Sie vertreten die internationale Gemeinschaft, ihr Heimatland, ihre Streitkräfte und ihren Berufsstand. Daher ist im Zuge der Vorbereitungen besonderer Wert auf den Umgang mit den kulturellen Unterschieden - wie z. B. Verhandlungsmethodik, Kultur des Ziellandes, Gepflogenheiten, Kenntnisse über die an der Mission teilnehmenden Streitkräfte - zu legen. Nach unseren Erfahrungen stellen die fachlichkulturellen Unterschiede, viel mehr als die sprachlichen Unzulänglichkeiten, Probleme in der Zusammenarbeit dar.

Das Alter und der technische Zustand der Geräte des Kontingentes trugen sicherlich nicht zur Erleichterung der Aufgabendurchführung bei. Trotzdem zeigen die Erfahrungen, dass durch regelmäßige Wartung und mit den dementsprechenden Reparaturmöglichkeiten auch diese Geräte für einen längeren Einsatz tauglich gemacht werden können. Gleichzeitig erschweren aber bei gemeinsamen Aufträgen mit den Soldaten anderer Armeen die unterschiedlichen technischen Systeme die Kooperation. Das ist besonders bei den Kommunikationssystemen zu merken. Im Bereich der Technik tritt dieses Problem bei unbekanntem Pioniergerät auf. Im Rahmen des Kontingentes war dies bei mit den Brücken des Typs "Mabey & Johnson" und "Bailey" der Fall.

Allgemeine Erfahrungen

Länder von der Größenordnung Ungarns sind in der Lage, für Friedenseinsätze vor allem qualitativ ihren Beitrag zu leisten; in quantitativer Hinsicht stößt man sehr rasch an Grenzen. Im Falle Ungarns bedeutet dies daher Sanitäts-, Aufklärungs- und Pionierunterstützung.

Das Kontingent musste Probleme bewältigen, die nicht vorhersehbar waren. Solche lagen z. B. in der doppelten Unterstellung - operativ war das Kontingent dem Kommando der IFOR/SFOR unterstellt, die Befehle für die tägliche Arbeit erhielt es von zuhause. Die Aufgaben des Kontingentes waren ja durch die bereits erwähnten Beschlüsse des Parlaments genau vorgegeben. Wenn also das Kommando der PSO eine davon abweichende Aufgabe stellte, kam der Kontingentskommandant in eine schwierige Lage.

Darüber hinaus wurde viel Kritik wegen der weit über die Norm von zuhause hinausgehende logistische Versorgung geübt. Dies betraf in gleichem Maße die Unterbringung, die Verpflegung, die Bekleidung, alle Bereiche des täglichen Lebens, die Versorgung mit Instandsetzungs- und Reservematerial und den Kraftstoff. Die Kritiker vergessen allerdings, dass vollwertige Arbeit im Rahmen einer PSO nur unter optimalen Voraussetzungen möglich ist.

Das ungarische Pionierkontingent verbrachte 2 250 Tage im Einsatzgebiet. Mehr als 2 000 ungarische Soldaten lieferten den Beweis dafür, dass gut vorbereitete, motivierte und mit einer sinnvollen Aufgabe betraute Soldaten in der Lage sind, Aufträge auf höchstem Niveau zu erfüllen und mit den Streitkräften anderer Länder erfolgreich zu kooperieren.

Autor: Oberstleutnant Dr. Ing. habil. Jozsef Padányi, Ungarn, Jahrgang 1959, war in verschiedenen Funktionen zwei Jahre lang in Bosnien-Herzegowina tätig; zuerst als stellvertretender Kommandant des ungarischen Pionierkontingentes, später als Pionierchef (Chief Engineer) im HQ SFOR. In dieser Funktion war er verantwortlich für die Vorbereitung und Durchführung der Unterstützungsaufgaben der Pioniertruppen. Zur Zeit ist er hauptamtlicher wissenschaftlicher Mitarbeiter der Nationalen Verteidigungsuniversität Miklós Zrínyi.

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