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Psychologie: Suizid beim Militär - kein blinder Fleck!

Die Selbsttötungsthematik hat in den letzten Wochen und Monaten wieder an Bedeutung gewonnen. In der Schweiz werden gerade jetzt sehr kontroversielle Debatten darüber geführt, ob die Militärwaffen zu Hause aufbewahrt werden sollen. Studien hätten bewiesen, dass gerade die Verfügbarkeit dieser Waffen Grund dafür sei, dass die Selbsttötungsrate besonders bei jungen Soldaten zunehme. Mehr als 50 Prozent der Suizide werden mit solchen Militärwaffen verübt.

In der Zeitschrift Öffentliche Sicherheit ist ein Artikel über die Suizidgefährdung bei der Polizei und deren Umgang mit den betroffenen Mitarbeitern erschienen. Dabei zeigen sich ganz frappante Parallelen zum Dienst im Bundesheer. Faktoren wie schlechtes öffentliches Image, wenig Mitgestaltungsmöglichkeiten, ungenügende soziale und berufliche Anerkennung, negative Medienberichte etc. tragen offenbar zu dieser Suizidgefährdung bei.

Das Jahr 2005 war von einer außergewöhnlich hohen Selbsttötungsrate im Bundesheer geprägt. Immer wieder heißt es, dass die leichte Verfügbarkeit einer Waffe die Suizidhäufigkeit direkt beeinflusst. Diese Meinung wurde immer dann in den Medien laut, wenn sich im Assistenzeinsatz ein junger Rekrut das Leben genommen hat. Allerdings gilt es als erwiesen, dass die bloße Verfügbarkeit einer Waffe keinen wirklich hohen Vorhersagewert für den einzelnen Suizid an sich hat, denn dazu bedarf es der Berücksichtigung von zahlreichen anderen, insbesondere sozialen Faktoren. Außerdem stößt die Forderung, die Möglichkeiten des Waffenbesitzes massiv einzuschränken, in manchen Ländern bei den Politikern naturgemäß auf wenig Gehör. Dennoch konnten strengere Waffengesetze beispielsweise in Kanada, in den USA, in Australien etc. die Schusswaffensuizide deutlich sinken lassen. Auch in Österreich war mit der Verschärfung des Waffengesetzes 1997 beabsichtigt, die Verlässlichkeit der Waffenbesitzer und Waffenträger mittels psychologischer Verfahren zu überprüfen und damit den Zugang zu den Waffen zu normieren.

Während in Österreich der Anteil der Suizide von Männern mit einer Schusswaffe 1960 noch bei 6,9 Prozent lag, war er 1970 bei 11,4 Prozent und im Jahr 2000 bei 13,5 Prozent. Jüngst veröffentlichte Statistiken besagen, dass heute 23,5 Prozent aller Selbsttötungen durch Schusswaffen erfolgen. Deswegen aber jetzt Überlegungen anzustellen, den Dienst bei der Polizei, beim Bundesheer bzw. bei anderen staatlichen Einrichtungen künftig ohne Waffe versehen zu lassen, um die Suizidzahlen zu reduzieren, wäre kein seriöser Ansatz. Dies wäre auch eine rechtlich nicht haltbare Situation, zumal gerade für die Aufgaben der Gefahrenabwehr, der Strafverfolgung etc. der Aspekt der Notwehr und der Nothilfe bei Gewaltübergriffen ein Gebot der staatlichen Verantwortung gegenüber den Vollziehungspersonen darstellt. Vielmehr wäre zu überlegen, wie und in welchem Umfang präventive Maßnahmen gesetzt werden können, um den Suizid im Allgemeinen und den Schusswaffensuizid im Speziellen weitgehend hintanzuhalten.

Interessanterweise gibt es kaum Studien über die Selbsttötung beim Militär, da der Tod durch die eigene Hand (oder auch durch friendly fire im Einsatz) nach wie vor ein Tabuthema darstellt.

Erfreulicherweise ist die Anzahl der Suizide beim Bundesheer im Vorjahr wieder sehr deutlich gesunken: von 19 Toten 2005 auf 8 im Jahr 2006. Somit liegt das Bundesheer in der Gesamtstatistik der Männer im Alter von 15 bis 59 Jahren - im Vergleich mit der bevölkerungsrelevanten Vergleichsstichprobe in diesem Jahr - sogar unter dem Durchschnitt. Seit 2000 fanden die Selbsttötungen zumeist außerhalb des Dienstes statt, was eine genauere Analyse der Begleitumstände besonders schwierig macht. Die Selbsttötungen im Dienst wurden fast ausschließlich mit der Waffe verübt. Der Einfluss von Alkohol in diesem Zusammenhang konnte bisher nicht untersucht werden.

Jedenfalls ist die Zahl der Selbsttötungen im Bundesheer deutlich gesunken und lag 2006 insbesondere bei den jungen Soldaten (17 bis 29 Jahre) auf dem (relativ) niedrigsten Wert seit dem Jahr 2000. Zahlreiche Maßnahmen wie das Thematisieren der Selbsttötung im Rahmen der Basisausbildung 01 und der Einsatzvorbereitung für den Assistenzeinsatz bei allen Grundwehrdienern, bei diversen Stabs- und Führungslehrgängen sowie an den Akademien trugen dazu bei. Die Präsenz von fast 800 in psychologischer Erster Hilfe ausgebildeten Bediensteten im gesamten Bundesgebiet, die Möglichkeit, jederzeit (24 Stunden täglich) mit dem Helpline-Service und mit 36 Militärpsychologen reden zu können, sowie die Verfügbarkeit von Militärseelsorgern, Militärärzten etc. stellen ein gut funktionierendes und professionelles Netzwerk dar. Ein Netzwerk, das für eine Bundeseinrichtung wahrscheinlich einzigartig ist und auch keinen Vergleich mit zivilen Einrichtungen zu scheuen braucht.

Dies darf aber die militärische Führung nicht dazu verleiten, die Verantwortung für dieses Thema abzugeben und sich zurückzulehnen. Ein Anstieg der Selbsttötungszahlen ist jederzeit wieder möglich, und alleine die Zahlen der Selbsttötungsversuche und der Selbsttötungsankündigungen verpflichten dazu, die Bemühungen voranzutreiben.

Autor: Oberst dhmfD Mag. Christian Langer

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