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Vor 100 Jahren: Die erste Selbstladepistole im österreichischen Heer

Kaiser Franz Joseph I. genehmigte am 5. Dezember 1907 die Einführung der 8-mm-Repetierpistole M.7. Österreich-Ungarn führte damit - nach eineinhalb Jahrzehnten Entwicklungsarbeit - weltweit als erste Großmacht Selbstladepistolen für Landstreitkräfte ein.

Einschüssige Hinterlader hatten um 1890 de facto ausgedient. Auch die Schwarzpulverpatronen für Militärgewehre waren bereits veraltet. Deshalb erfolgte in allen bedeutenden Armeen die Umrüstung von einschüssigen Hinterladern sowie von Repetiergewehren für Schwarzpulverpatronen mit Bleigeschossen (Kaliber 9,5 bis 11,5 mm) auf - aus heutiger Sicht mehr oder weniger moderne - Repetiergewehre für "kleinkalibrige" Gewehrpatronen mit rauchlosem Pulver und Stahlmantelgeschossen (Kaliber 6,5 bis 8 mm).

Die Landstreitkräfte verfügten damit bald weltweit über leistungsfähige Gewehre. Diese fassten mehrere - meist fünf - Metallpatronen. Das Wort Repetieren ist vom lateinischen repetere (wiederholen) abgeleitet. Der Soldat "repetierte" nach jedem Schuss, um die nächste Patrone in den Laderaum zu bringen. Er öffnete dabei mit der Hand den Verschluss, z. B. durch Entriegeln und Zurückziehen, und schloss ihn wieder. Rückstoß und Gasdruck blieben ungenutzt. Militärgewehre und Militärkarabiner dieser Art wurden in vielen Ländern bis nach dem Zweiten Weltkrieg verwendet.

Als Faustfeuerwaffen dienten um 1890 hingegen vor allem Schwarzpulver-Revolver, die zwar Hinterlader waren, aber grundsätzlich noch genauso funktionierten wie der erste Colt aus dem Jahr 1836. Deshalb versuchte man, das Prinzip der Repetiergewehre auch auf Faustfeuerwaffen zu übertragen.

Sackgasse mechanische Repetierpistolen

In den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts arbeiteten Erfinder in mehreren Staaten Europas an der Entwicklung mechanischer Mehrladepistolen. Österreich nahm dabei eine führende Rolle ein. Die Wiener Josef Schulhof, Franz Passler und Erwin Rieger leisteten - neben zahlreichen anderen Erfindern aus der Donaumonarchie - auf diesem Waffensektor Pionierarbeit.

Die von ihnen entwickelten Pistolen funktionierten ähnlich wie die Winchester-Unterhebelrepetiergewehre, besser bekannt unter dem englischen Begriff Lever Action: Der Schütze öffnete und schloss - zum Laden der nächsten Patrone aus dem Magazin - mit dem Abzugsfinger den Verschluss durch Vor- und Zurückschwenken des beweglichen Abzugsbügels.

Diese Pistolen waren somit - ebenso wie z. B. das berühmte Winchester-Gewehr Mod. 1873 - keine halbautomatischen Waffen.

Nach wenigen Jahren erwies sich diese Entwicklung allerdings als Sackgasse: Der Verschlussmechanismus der Pistolen war meist zu kompliziert, und die Steuerung der zum Nachladen notwendigen Bewegungsvorgänge (das Repetieren) mit dem Abzugsfinger funktionierte nur unzulänglich.

Die ersten Selbstladepistolen

1884 brachte Hiram Maxim das erste Maschinengewehr auf den Markt (siehe auch TD-Taschenbuch Waffentechnik, Band 1, Seite 343 ff.), welches 1889 - modifiziert und in kleiner Stückzahl - auch in Österreich-Ungarn eingeführt wurde. Ferdinand Ritter von Mannlicher konstruierte 1885 eines der ersten Selbstladegewehre (eine halbautomatische Waffe), damals "Handmitrailleuse" genannt. Bald darauf fand das Selbstladeprinzip auch bei Pistolen Anwendung. Der Wiener Büchsenmacher Josef Laumann hatte eine mechanische Repetierpistole entwickelt und diese 1889 zum Patent angemeldet (siehe Foto unten).

Im Zuge der Weiterentwicklung und Perfektionierung dieser Waffe erdachte er im Frühjahr 1891 eine Möglichkeit, den Rückstoß beim Abfeuern als Antriebskraft für die notwendigen Bewegungsvorgänge beim Nachladen zu nutzen. Dieses Konstruktionsmerkmal ließ er sich im Frühsommer 1891 patentieren. Im Sommer 1891 folgte der Erfindung von Laumann eine funktionsfähige Selbstladepistole von Erzherzog Carl Salvator und Major Georg Ritter von Dormus (siehe Foto umseitig).

Es gab auch zahlreiche ausländische Konstruktionen, vor allem in Deutschland. Diese entstanden aber meist später oder sind als Realstücke nicht nachweisbar, d. h. sie existierten möglicherweise nur auf dem Papier.

Das k.u.k. Technische Militärkomitee

Das k.u.k. Technische Militärkomitee (TMK) war eine Vorläuferorganisation des heutigen Amtes für Rüstung und Wehrtechnik. Das Komitee war der für die Bewaffnung des k.u.k. Heeres zuständigen 7. Abteilung des Reichs-Kriegsministeriums nachgeordnet. Es handelte sich um eine wehrtechnische Dienststelle, die sämtliche Maßnahmen im Lebenszyklus von Rüstungsgütern wahrzunehmen hatte, insbesondere die Erprobung von Waffen. Diese setzte sich aus - einer Erstbeurteilung, - Vorversuchen, - weiteren Versuchen und - einer Truppenerprobung zusammen. Letztere erfolgte allerdings nur, wenn die Waffe die erstgenannten Hürden geschafft hatte. Die händisch zu betätigende Repetierpistole System Laumann 1889 hatte es z. B. nur bis zum Vorversuch geschafft und wurde dann verworfen - die Zeit war bereits reif für die Selbstladepistole. Und die Zeit drängte. Die österreichisch-ungarische Kavallerie benötigte dringend eine moderne Faustfeuerwaffe, da der bislang verwendete Revolver System Gasser Modell 1870 am Ende seiner technischen Lebensdauer angelangt war. Auch die Artillerie, als die damals zweitwichtigste Waffengattung der berittenen Truppen, verlangte den Ersatz des veralteten Revolvers.

Das führte im Militär Österreich-Ungarns zu einer intensiven Beschäftigung mit dem Thema Selbstladepistole. Die ersten vom k.u.k. Technischen Militärkomitee erprobten Pistolen dieser Art waren - die zum Selbstlader weiterentwickelte Laumann-Pistole, - die Pistole von Salvator und Dormus sowie - die Kromar-Pistole, eine Konstruktion des österreichischen Artillerieoffiziers Konrad Edler von Kromar.

Aus heutiger Sicht verwirrend ist, dass sich die Klassifizierung der Waffen nicht änderte: Unter "Repetierpistolen" verstand man sowohl manuell betätigte als auch halbautomatische Mehrlader. Die technisch unzutreffende Bezeichnung "Repetierpistole" für Selbstladepistolen war in Österreich bis zum Zweiten Weltkrieg nicht nur üblich, sondern sogar der offizielle militärische Fachbegriff.

Der erste Truppenversuch mit Selbstladepistolen

Die rasante Weiterentwicklung der jungen Waffenart "Selbstladepistole" im In- und im Ausland erfolgte innerhalb weniger Jahre. Seit 1891 waren dem Reichs-Kriegsministerium mehrere in- und ausländische Selbstladepistolensysteme angeboten und durch das Technische Militärkomitee erprobt worden. Das Kriegsministerium der Habsburgermonarchie zählte nicht nur für inländische, sondern auch für ausländische Erfinder und Firmen zu den attraktiven Abnehmern, denen laufend neue wehrtechnische Errungenschaften angeboten wurden. Die Einführung einer Waffe oder eines anderen Rüstungsgutes beim k. u. k. Heer, der Kriegsmarine oder den beiden Landwehren war oft auch ein lukratives Geschäft für Patentinhaber und Erzeuger.

1896 begannen in Österreich-Ungarn die Vorbereitungen für eine Truppenerprobung. Diese fand 1897 - mit drei Selbstladepistolensystemen und einem Revolversystem - bei fünf Kavallerie- und vier Artillerieregimentern statt. Es handelte sich dabei um den ersten Truppenversuch der Militär- und Waffengeschichte mit Selbstladepistolen. Deutschland beschritt diesen Weg ein Jahr später, die USA erst 1907.

Weitere Entwicklungen, weitere Versuche

Der Truppenversuch von 1897 zeigte, dass die neuen Selbstladepistolen noch unausgereift, störanfällig und in vielerlei Hinsicht noch nicht einsatztauglich waren. Nationale und internationale Entwicklungen gingen weiter und im Jahre 1900 setzte der Amerikaner John Moses Browning mit seiner von der belgischen Fabrique Nationale d’Armes de Guerre (FN) erzeugten Pistole Mod. 1900 (Kaliber 7,65 mm) neue Maßstäbe, an denen sich in den nächsten Jahren viele Konstrukteure orientierten. Die wichtigsten Details Brownings waren das nach unten abnehmbare Magazin im Griffstück und der Pistolenverschluss als außen liegender Schlitten. Österreich blieb allerdings vorerst dem Ladestreifen (die Patronen wurden aus diesem bei geöffnetem Verschluss von oben in die Waffe gedrückt) und dem im Gehäuse liegenden Verschluss treu.

Drei weitere Truppenversuche mit Selbstladepistolen in Österreich-Ungarn erfolgten 1898, 1901/02 und 1903/04. Aus Letzterem gingen die Modelle Mannlicher (siehe Foto links unten) und Roth/Krnka in die Endauswahl.

Das Ergebnis: die 8-mm-Repetierpistole M.7

Aufgrund weiterer interner Versuche fiel die Entscheidung schließlich zugunsten des Modells Roth/Krnka. Kaiser Franz Joseph I. genehmigte im Dezember 1907 die Einführung der Pistole, die ab 1909 zur Truppe kam. Annähernd 100 000 Exemplare der 8-mm-Repetierpistole M.7 - so lautete ihre offizielle Bezeichnung - wurden bis 1914 in den Waffenfabriken Steyr und Budapest erzeugt. Sie stand auch im Bundesheer der Ersten Republik bis 1938 in Verwendung. Zahlreiche gut erhaltene schussfähige Exemplare existieren noch heute, auch passende Munition dafür befindet sich noch im Handel (hergestellt von der Firma Fiocchi).

Der Ladestreifen der ca. ein Kilogramm schweren Waffe fasst zehn Patronen, die aus diesem von oben ins Griffstück gedrückt werden. Der relativ lange Verschluss ähnelt dem eines Gewehres - er hat einen gefederten Schlagbolzen anstelle des üblichen Hahnes. Der Abzug geht streng und der Abzugsweg ist lang, eine Sicherung ist nicht vorhanden. Die Einsatzschussweite beträgt - nach Originalvorschriften - "50 Schritt" (30 bis 35 m).

Resümee

Mit der 8-mm-Repetierpistole M.7 System Roth/Krnka verfügte Österreich-Ungarn weltweit als erste Großmacht über eine in Großserie gefertigte Selbstladepistole als reguläre Dienstwaffe für ihre Landstreitkräfte. Dem war allerdings ein anderthalb Jahrzehnte dauernder Prozess vorangegangen - die Entwicklung der Selbstladepistole, maßgeblich beeinflusst von österreichischen Erfindern, Technikern und Offizieren. Dies ist zwar in Fachkreisen mehr oder weniger bekannt, wurde aber oft verschwiegen und blieb somit der breiten Öffentlichkeit verborgen.

Die Selbstladepistole ist ein Meilenstein der Waffentechnik. Sie hat zwar heute bei den Streitkräften längst nicht mehr die Bedeutung wie in der Zeit bis zum Zweiten Weltkrieg, dennoch ist sie für gewisse militärische Spezialfunktionen nach wie vor ein unverzichtbarer Teil der Bewaffnung. Im nichtmilitärischen Bereich ist sie für Polizei- und sonstige Sicherheitskräfte sowie als private Verteidigungswaffe nicht mehr wegzudenken.

Ebenso wie Österreich in den achtziger und neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts Wesentliches zum Entstehen der Selbstladepistole beigetragen hat, ist es in diesem Technologiebereich auch heute wieder führend. Die Geschichte der österreichischen Firma Glock und ihrer innovativen Pistole ist die eines Welterfolges. Innerhalb weniger Jahrzehnte (von ca. 1980 bis heute) wurde Glock zu einem der Weltmarktführer am Faustfeuerwaffensektor.

___________________________________ ___________________________________ Autor: ObstdhmtD Mag. iur. Dipl.-Ing. Hans Dieter Faißner, Jahrgang 1957. 1993 bis 2000 Referent in der Berghauptmannschaft Leoben, 2001 bis 2002 Leiter der Berghauptmannschaft Innsbruck. 2003 dienstzugeteilt zum Amt für Rüstung und Wehrtechnik/Leiter der Abteilung Zentrale Dienste, im selben Jahr Übernahme als MBO1 zum Heeres-Bau- und Vermessungsamt, stellvertretender Abteilungsleiter Abteilung Bau- und Gebäudetechnik, Referat Militärischer Sonderbau. Milizfunktionen: Kommandant eines Jägerzuges, Kommandant der Sperrkompanie Präbichl sowie Kraftfahroffizier des Jägerbataillons 19, 1990/91 Auslandseinsatz als Kraftfahroffizier bei AUSBATT/UNDOF, 1994 Ausbildung zum Offizier des höheren militärtechnischen Dienstes im Amt für Wehrtechnik/Abteilung Pionierbau, danach stellvertretender S6/Kommando Heeresversorgung (zuständig für den EDV-Bereich).

Literaturhinweis

Josef Mötz, Joschi Schuy Vom Ursprung der Selbstladepistole Repetier- und Selbstladepistolen in Österreich-Ungarn von 1884 bis 1918 Österreichische Pistolen - Band 1

872 Seiten, Querformat 30 x 21 cm, gebunden, ca. 1 800 Fotos und Grafiken, die meisten davon in Farbe, € 119,- (ohne Versandkosten) ISBN 978-3-9502342-0-6 Selbstverlage der Verfasser, Laxenburg und Braunau 2007 Dieses Werk über Repetierpistolensysteme sowie früheste und frühe Selbstladepistolensysteme basiert auf Patentunterlagen, Akten aus dem Wiener Kriegsarchiv, sonstigen ungedruckten Dokumenten aus weiteren staatlichen und privaten Archiven, aus Primärliteratur sowie aus der Untersuchung von Realstücken aus den bedeutendsten einschlägigen musealen und privaten Sammlungen Europas und Amerikas. Es ist das Ergebnis jahrelanger Forschungsarbeit der Autoren, die einerseits bisher vollkommen unbekannte Waffensysteme vorstellen und andererseits mit populären, jahrzehntelang in der Waffenliteratur überlieferten Irrtümern, Fehlern und Missverständnissen aufräumen.

Darüber hinaus werden für bekannte Pistolensysteme neue Modelle und Fakten präsentiert, wie z. B. Prototypen, Sonderausführungen und genaue Fertigungszahlen der Steyr-Pistole M.12 sowie der Roth/Krnka-Pistole M.7 oder neue Erkenntnisse zu den Systemen Borchardt und Luger. Auch viele ausländische Modelle mit Österreichbezug sowie die zu den Waffen gehörige Munition werden detailliert besprochen. Den großen heimischen Systemen Mannlicher, Roth und Steyr sind jeweils rund 150 Buchseiten gewidmet.

Das Werk stellt in Wort und Bild an die 50 Pistolensysteme mit hunderten Modellvarianten dar und rückt damit den historischen Beitrag Österreichs an der Entwicklung der Selbstladepistole in das gebührende Licht.

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