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Anstoß zum Frieden

Sport und Sportgroßveranstaltungen als Friedensinitiativen

Sport ist nicht nur identitätsstiftend, er kann auch konkrete friedens- und vertrauensbildende Funktionen haben. Mit diesen Zusammenhängen befasste sich die Tagung "Anstoß zum Frieden - Sport und Sportgroßveranstaltungen als Friedensinitiativen" im Oktober 2007 in Klagenfurt. Nun erschienen die Beiträge als Buch.

"Cordoba" und "I wea’ narrisch" ... Das sind Schlagworte, die auch Jahrzehnte nach dem damit verbundenen Fußballspiel in Österreich immer noch eine besondere Wirkung entfalten. Viele, die die Sportevents von damals im Radio oder im Fernsehen mitverfolgt haben, können selbst heute noch sagen, wo sie zum Zeitpunkt des jeweiligen Ereignisses waren und was sie gemacht haben.

Auch wenn die Erfolge der österreichischen Sportler zu unterschiedlichen Zeiten und in verschiedenen Disziplinen stattfanden und zum Teil weit zurückliegen, war die Reaktion in der Öffentlichkeit immer sehr ähnlich: Eine ganze Nation schien für einen Moment alle Sorgen und Ängste über Bord zu werfen und enger zusammenzuwachsen.

Szenenwechsel: Deutschland, Berlin im Sommer 2006, Fußball-Weltmeisterschaft. Es sah aus, als würde dort eine ganze Nation kopfstehen. Auf der Partymeile herrschte der patriotische Ausnahmezustand und schwarz-rot-goldene Fahnen wehten überall. Vom Zusammenwachsen von Ost und West war dort die Rede. War dies eine neue Form des Patriotismus oder nur ein Karneval in etwas anderen Kostümen?

Sport, Identität und Frieden

Sport ist ohne Zweifel eng mit Identität und Frieden verbunden. Mit diesem Thema setzte sich eine internationale wissenschaftliche Tagung auseinander, die im Oktober 2007 im Wörthersee-Stadion in Klagenfurt stattfand. Veranstalter war die Landesamtsdirektion des Amtes der Kärntner Landesregierung. Mitbeteiligt war auch das Österreichische Bundesheer durch einen Referenten sowie durch Vertreter im Publikum. Organisiert wurde die Veranstaltung von Mag. Peter Karpf, Werner Platzer und Mag. Udo Puschnig vom Amt der Kärntner Landesregierung; wissenschaftlich betreut und moderiert wurde sie von Mag. Peter Fritz vom Ludwig Boltzmann-Institut für Kriegsfolgen-Forschung in Graz. Die Ergebnisse dieser Tagung liegen nunmehr als Buch vor.

Was aber haben Kärnten und die Kriegsfolgen-Forschung mit Sport und Sportgroßveranstaltungen gemeinsam? Und was hat das Bundesheer damit zu tun? Immerhin hoffen doch alle, dass im Juni 2008 auch die in Klagenfurt ausgetragenen Spiele der Fußball-Europameisterschaft friedlich verlaufen werden und Schlagzeilen wie "Im Stadion herrscht Krieg", "Sturm der Hooligans" oder "Krieg der Fans", wie sie im vergangenen Herbst durch die Zeitungen gingen, bei der EURO 2008 kein Thema sein werden.

EURO 2008 als Chance für die Wissenschaft

Die EURO 2008 bildet einen idealen Aufhänger für eine wissenschaftliche Betrachtung des Themenkomplexes Sport, Identität und Frieden, die über die Psychologie von randalierenden Fans, den Assistenzeinsatz des Bundesheeres, die Einsatzarten der Exekutive und die Sicherheitsvorkehrungen hinausgeht. Eine solche Veranstaltung bietet den Rahmen, um die mit den Sportereignissen zusammenhängenden, längerfristigen Entwicklungen darzustellen und in einer Gesamtschau - beispielsweise mit Geschichts- und Politikwissenschaft oder Sicherheitspolitik - zu verknüpfen.

Forschungen dieser Art gibt es in anderen Staaten wie etwa Deutschland schon längst auf hohem wissenschaftlichem Niveau. In Österreich stecken sie noch in den Kinderschuhen. Vereinzelt haben Forscher die Bedeutung des Sports als identitätsstiftenden Faktor bereits erkannt und Arbeiten dazu vorgelegt, die Verknüpfungen mit der Praxis oder mit sicherheitspolitischen Fragestellungen sind jedoch noch kaum entwickelt. Aus diesem Grund ist die Initiative des Landes Kärnten ein wichtiger Schritt in Richtung Vernetzung von Wissenschaft, Bundesheer und anderen Organisationen.

Sportereignisse sind eine Möglichkeit, anhand derer Entwicklungen und Chancen dargestellt werden können. Das einzelne Fußballspiel, die Abfahrtssiege von Franz Klammer oder die Tenniserfolge von Thomas Muster, die - so schien es damals - eine ganze Nation über Nacht für eine Sportart begeisterten, sind Einzelphänomene. Jedes Phänomen für sich lässt keinen wissenschaftlich fundierten Schluss auf längerfristige Entwicklungen oder weiterführende Ableitungen für die Praxis zu. Erst in der Gesamtschau der verschiedenen Sportarten, der zeitlich verteilten Ereignisse und der unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen ergeben sich die Zusammenhänge, die für das Thema von Bedeutung sind.

Themen der Veranstaltung

Inhaltlich reichte der Bogen bei der Veranstaltung von Identitätsstiftung über Friedenschaffung bis hin zur Nachhaltigkeit von Sportveranstaltungen. Die Fragestellungen dabei waren: Welche Auswirkungen haben solche Ereignisse, wie nachhaltig sind sie, und was können Politik sowie Organisatoren in Zukunft aus vergangenen Events lernen? Im Fokus der Teilnehmer standen dabei sowohl der Sport im Allgemeinen als auch der konkrete Einsatz von Sport mit friedensstiftenden Absichten, etwa im Rahmen der Völkerverständigung oder beim Auslandseinsatz des Österreichischen Bundesheeres. Dementsprechend breit war das Themenspektrum: Dazu zählten etwa Fußballspiele zwischen Soldaten einer UN-Schutztruppe und Einheimischen mit lokaler Öffentlichkeitswirksamkeit oder auch der sportliche Wettkampf ohne Zuseher zwischen zehnjährigen Kindern in einem afrikanischen Staat. Ebenso im Blickfeld standen die weltweite Aufmerksamkeit generierenden Sportgroßereignisse wie etwa Weltmeisterschaften oder die sportlichen Erfolge des "Wunderteams" in der Ersten Republik, die Fußballerfolge in der Zweiten Republik oder die Siege österreichischer Schifahrer, wie z. B. Karl Schranz und Franz Klammer.

Die Referate "Sport und Identität in Österreich im 20. Jahrhundert" (Mag. Harald Knoll aus Graz) sowie "Ein Sommer des Patriotismus? Deutschland nach der Fußball-WM 2006" (Gernot Facius aus Berlin/Deutschland) befassten sich mit der Wirkung von Sportereignissen und Sportveranstaltungen auf die Identität von Nationen. Zu diesem Themenkomplex gehörte auch die Betrachtung der Funktion des Sports im Kalten Krieg anhand des Vortrages "Sport und Politik in der Sowjetunion" (Michail Prozumenshikov aus Moskau/Russland) sowie der Beitrag zu "Ukrainisch-polnische Beziehungen: Von blutiger Rivalität zu sportlichen und politischen Allianzen" anhand eines Ausblickes auf die Fußball-Europameisterschaft 2012 (Dr. Anatolij Kruglashov und Dr. Natalja Lazar aus Czernowitz/Ukraine).

Sport kann aber auch eine konkrete friedensstiftende Funktion haben. Dies wurde anhand dreier ganz unterschiedlicher Organisationen und Beispiele dargestellt und diskutiert: Major Michael Mayerböck aus Wien referierte über "Die Rolle des Sports im Rahmen internationaler militärischer Friedensoperationen"; Dozent Anton Lehmann aus Magglingen/Schweiz berichtete über die Einsatzmöglichkeiten und Erfahrungen der Schweiz anhand der Arbeit in und mit krisengeschüttelten Entwicklungsländern am Beispiel der Elfenbeinküste in seinem Beitrag "Über den Sport zu Frieden, Entwicklung und Integration"; Mag. Michael Fanizadeh aus Wien stellte die Arbeit der nichtstaatlichen Organisation "Football Against Racism in Europe - Initiative zur Überwindung von Nationalismus am Balkan" vor, deren Fanarbeit im ehemaligen Jugoslawien zur Völkerverständigung mittels Fußball beiträgt.

Klagenfurt ist in diesem Jahr einer der Austragungsorte einer Sportgroßveranstaltung - der Fußball-Europameisterschaft EURO 2008. Aber was wird nach dem letzten Schlusspfiff davon bleiben, abseits der sportlichen Erfolge und der hoffentlich spannenden Spiele? Wie nachhaltig sind solche Ereignisse? Dem Thema "Sportgroßveranstaltungen und Nachhaltigkeit" widmete sich die abschließende Podiumsdiskussion.

Spannend wird das Resümee nach dem Ende der Großveranstaltung werden: Welche Erwartungen herrschten vor Beginn der Spiele und was davon traf dann tatsächlich ein bzw. blieb letztendlich über.

Bisherige Erkenntnisse

Derzeit sind die Zusammenhänge zwischen Sport, Identität und Frieden vor allem in Österreich noch nicht allgemein verbreitet und wissenschaftlich fundiert. Zu oft wird beispielsweise Fußball mit Negativschlagzeilen in Verbindung gebracht und die identitäts- und friedensstiftende Wirkung des Sports insgesamt nicht bzw. nicht ausreichend erkannt. Verknüpfungen zwischen Wissenschaft und Praxis finden nicht flächendeckend statt, Einsatzorganisationen agieren zum Teil auf der Basis von "Versuch und Irrtum". Eine seriöse, auf Fakten basierende Auseinandersetzung mit dem Thema ist höchst an der Zeit. Die Veranstaltung in Klagenfurt im Oktober 2007 und die nun vorliegende Publikation sind sicherlich ein wichtiger Schritt dazu.


Autor: Oberleutnant Mag. Peter Fritz, Jahrgang 1976. 1994 eingerückt als Einjährig Freiwilliger in Villach; Milizoffizier, beordert als ABC-Abwehr-Offizier im Pionierbataillon 1 in Villach. Lehrbeauftragter für Politische Bildung und Führungsverhalten an der Heeresunteroffiziersakademie und Militärakademie; Studium der Geschichte und Kulturmanagement in Graz und Uppsala/Schweden; derzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter am Ludwig Boltzmann-Institut für Kriegsfolgen-Forschung in Graz und Wien, Lehrbeauftragter an der Universität Graz und am Medienkundlichen Lehrgang, Graz. Forschungsschwerpunkte: österreichische Zeitgeschichte, Militärgeschichte, Sicherheitspolitik und Konfliktmanagement.

Details über die Veranstaltung "Anstoß zum Frieden - Sport und Sportgroßveranstaltungen als Friedensinitiativen" finden Sie auch im Internet unter www.volksgruppenbuero.at und www.bik.ac.at.

Literatur: Peter Fritz (Red.), Peter Karpf, Werner Platzer und Udo Puschnig (Hg.) Anstoß zum Frieden / "Kick off" to Peace Sport und Sportgroßveranstaltungen als Friedensinitiativen / Sports and Large Sports Events as Peace Initiatives.

Kärnten Dokumentation Sonderband 02, 200 Seiten, durchgehend Deutsch und Englisch.

ISBN: 3-901258-12-4, Klagenfurt 2008 (erhältlich beim Amt der Kärntner Landesregierung, Abt. 1 - Landesamtsdirektion).

Rechtzeitig zur EURO 2008 erscheint das Buch "Anstoß zum Frieden - Sport und Sportgroßveranstaltungen als Friedensinitiativen". Die Publikation hat einen engen Bezug zum Österreichischen Bundesheer: Einer der Beitragsverfasser ist Berufsoffizier, mitinitiiert und redaktionell betreut wurde die Publikation von einem Milizoffizier. Zudem sind die dargelegten Ergebnisse auch für das Bundesheer - sowohl in der Praxis als auch aus sicherheitspolitischer Sicht - von Relevanz.

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