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Die sicherheitspolitische Herausforderung Österreichs im Rahmen der Neugestaltung der europäischen Sicherheitsarchitektur

erschienen in der Publikation "Ein gesamteuropäisches Sicherheitssystem (6)" - 20. Februar 1998

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Schlagworte zu diesem Beitrag:  Österreich, Politik, Sicherheitspolitik, Europa, Verteidigungspolitik, Außenpolitik, Entwicklung, Neutralität, Sicherheitspartnerschaft

Abstract:

Nicht nur Polen, Tschechen und Ungarn, die Länder der geplanten ersten NATO-Erweiterung, sind von der Geschichte hart geprüft worden; auch unser Land hat seine Prüfungen bestehen müssen, aber es hat nach dem Zweiten Weltkrieg doch ein glücklicheres Schicksal als diese Länder erfahren. Denn schon 1955 wurde die Besetzung Österreichs beendet und unser Land in einen beinahe souveränen Zustand entlassen. Allerdings mit der - damals durchaus als solcher empfundenen - Bürde der Neutralität. Ursprünglich unpopulär - in einer Volksabstimmung hätte man nach den Berichten von Zeitzeugen keine Mehrheit für ihre Einführung erreichen können - hat sich die Neutralität aber im Laufe der Zeit gleichsam zu einem eigenständigen Wert und einem Mythos entwickelt und eine eigenartige Philosophie zur Verdrängung der Sicherheitspolitik bewirkt. Die damalige Politik, so erfolgreich sie war und so lobenswert im Hinblick auf die Erreichung der Unabhängigkeit, hat im Jahr 1955 - bis heute noch nicht wieder gutgemachte - Weichenstellungen und Entscheidungen getroffen, die dazu geführt haben, daß es letztlich zu einer realitätsbezogenen Sicherheitspolitik nicht kam. Eine Verteidigungspolitik wurde nicht aus den realen und potentiellen Bedrohungen heraus entwickelt, sondern man beschritt den umgekehrten Weg: aus den geringfügigen militärischen Ressourcen heraus wurde ein scheinbar zu bewältigendes Bedrohungsbild konstruiert.

Dieser Entwicklung lag die Basisentscheidung zugrunde, zwar eigene Streitkräfte aufzubauen, aber ohne ein ausreichendes Budget zur Verfügung zu stellen; somit wäre dieses Heer nicht in der Lage gewesen, realistische Aufträge zu erfüllen. Freilich, 1955 waren die Staatsausgaben der Zweiten Republik bereits im elften Budgetjahr und plötzlich kam noch das Verteidigungsbudget hinzu. Also mußte es gering sein; die Verteidigungspolitik durfte die Kreise der anderen politischen Bereiche nicht stören. Daraus entwickelte sich dann im Laufe der Zeit das, was man symbolische Landesverteidigung nannte. Streitkräfte mußte das Land haben, denn die Neutralität war ja eine bewaffnete; aber eben nur pro forma. Tatsächlich hat Österreich eine Neutralitätsvariante entwickelt, die ganz deutlich sowohl von der klassischen Neutralität der Schweiz als auch von dem sich wie ein dauernd neutrales Land verhaltenden Schweden abwich. Diese Länder sahen in ihrer Neutralität die Aufgabe, im Vertrauen auf die eigene relative Stärke und gestützt auf historische Erfolge der Nichtkriegsführung, selbst möglichst umfassende Vorkehrungen für eine eigenständige Verteidigung zu treffen. Hingegen glaubte Österreichs politische Elite offenbar nicht so recht daran, daß es überhaupt möglich wäre, das Land notfalls auch militärisch zu verteidigen. Auf Grund der geopolitischen Situation nach 1955, eingezwängt zwischen NATO und Warschauer Pakt, war diese Haltung auch nicht so völlig unverständlich für ein Land mit der historischen Erinnerung Österreichs, das ja in zwei Weltkriegen auf der Verliererseite stand. Das macht es verständlich, daß Österreichs Sicherheitspolitik - wenn man das überhaupt so nennen kann -nicht eine Politik der Reduzierung von Bedrohungen war, sondern eine Politik der Reduzierung der Angst vor Bedrohungen. Die Neutralität leistete einen Schrittmacherdienst zu einer in solcher Hinsicht "erfolgreichen" Sicherheitsphilosophie. Die Abkehr vom Rest der bösen Welt, die sogar vom damaligen Papst so benannte Vorstellung von Österreich als der Insel der Seligen und die Interpretation des völkerrechtlichen Status der Neutralität als ein auch sicherheitspolitisch relevantes Recht, daß man nicht angegriffen werden dürfe, haben zu einer Verdrängung der Bedrohungsängste geführt. Da tatsächlich nichts passiert ist, erscheint diese Politik im nachhinein manchen auch als eine erfolgreiche und vielen gilt der Neutralitätsstatus als mitverantwortlich für die Erfolgsstory der Zweiten Republik in wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht.

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