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Die konzeptuelle Weiterentwicklung der GASP am Beispiel des Paktes für Stabilität in Europa (13)

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Vorwort

Vorwort
Der Zusammenbruch der kommunistischen Regime in Osteuropa und der Zerfall der Sowjetunion haben die Grundlagen der über mehr als vier Jahrzehnte hinweg in Europa bestehenden Blockstabilität aufgehoben. Diese Brüche in der geopolitischen Tektonik haben keineswegs zu einem "Ende der Geschichte" im Sinne Hegels und Fukuyamas geführt, sondern eher dämonisch anmutende Versatzstücke aus dem historischen Fundus Europas wieder ins Rampenlicht gebracht. Ethnisch motivierter Haß, verstärkt durch die schwierige Transformation von der Plan- zur Marktwirtschaft, und latente Bedrohungen bzw. bereits eruptierte militärische Auseinandersetzungen wie im ehemaligen Jugoslawien stellen die europäischen sicherheitspolitischen Organisationen vor eine große Herausforderung.

Dieser Paradigmenwechsel in den internationalen Beziehungen nach dem Wegfall der globalen Bipolarität ist mit altgedienten theoretischen Gerüsten kaum zu fassen. Der neorealistische Ansatz, Staaten als monolithische Nutzenmaximierer zu sehen, greift angesichts des Zerfalls staatlicher Strukturen und der damit einhergehenden Regionalisierung von militärischen Krisen zu kurz. Es muß untersucht werden, ob es sich bei dieser Habermasschen "neuen Unübersichtlichkeit" lediglich um eine mittelfristige Begleiterscheinung der Transformation von autoritären zu demokratischen Systemen handelt oder um eine längerfristige sicherheitspolitische Herausforderung.

Die besondere sicherheitspolitische Bedeutung der Europäischen Union besteht nicht nur in der geographischen Nähe zu existierenden und potentiellen Unruheherden, sondern auch im Zusammenhang zwischen der internen Entwicklung der Union und ihrer internationalen Positionierung. Es ist zu untersuchen, ob das Modell der internen Pazifikation durch ökonomische und letztlich politische Integration auch auf Osteuropa anzuwenden ist und ob dies die spezifische, einem Staatenbund entsprechende Form von Sicherheitspolitik sein könnte. Überdies hat Europa nach dem Ende der nuklearen Bedrohung durch die Sowjetunion auch seine absolute strategische Zentralität für die USA verloren, was sich in größerer amerikanischer Selektivität im Umgang mit regionalen Krisenherden ausdrückt.

Durch die Einführung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) im Vertrag von Maastricht versuchte man, den Zwängen des sich rapide verändernden internationalen Umfeldes gerecht zu werden und die gemeinsamen diplomatischen und sicherheitspolitischen Aktivitäten auf eine neue Stufe zu heben. Eine der ersten "gemeinsamen Aktionen" auf der Basis des Art. J.3. des Unionsvertrages war der Pakt für Stabilität in Europa, ein Rahmenvertrag mit zahlreichen bilateralen Übereinkommen zwischen osteuropäischen Ländern, welcher eine neuartige Form der internationalen Konfliktprävention durch eine Verrechtlichung der internationalen Beziehungen, vor allem durch die Schaffung von Minderheitenrechten und die Anerkennung von Grenzen, darstellen sollte. Darin spiegelt sich die Rolle der Europäischen Union als Anker und Bezugsrahmen der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Modernisierung der mittel- und osteuropäischen Länder (MOEL).

Die vorliegende Studie ist eine Analyse des Stabilitätspaktes und der ihm zugrundeliegenden außen- und sicherheitspolitischen Paradigmen. Nach einer Untersuchung der Entwicklung der außenpolitischen Komponente der europäischen Integration wird der Einfluß dieses Vertragswerkes auf einzelne, exemplarische Krisenregionen beleuchtet. Alle behandelten Krisenherde (wie auch andere Fälle wie Bosnien, Mazedonien oder Albanien) haben ähnliche Grundprobleme: den wirtschaftlichen und sozialen Übergang von der kommunistischen Diktatur zu Demokratie und Marktwirtschaft, verbunden mit schon länger anhaltenden Streitigkeiten zwischen ethnischen Minderheiten.

Im folgenden soll auf die zugrundeliegenden konzeptuellen Probleme einer Union der Fünfzehn eingegangen werden, die ihre interne Interdependenz nach außen zu projizieren versucht. Es stellt sich die Frage, ob der Stabilitätspakt als Beispiel für präventive Diplomatie eine Alternative zu klassisch-sicherheitspolitischen Organisationsformen werden könnte. Diese Untersuchung ist demnach auch der Versuch einer grundsätzlichen Analyse der Bedingungsstrukturen einer "Außenpolitik" von fünfzehn souveränen Staaten.

Angesichts der Tragödie in Ex-Jugoslawien, der nichtsdestoweniger geringen Fortschritte hinsichtlich der Einbeziehung der WEU im Vertrag von Amsterdam sowie der zwiespältigen Formel einer "Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsidentität", die beim Brüsseler Ministertreffen von 1994 in ihren Grundzügen und am Berliner NATO-Gipfel 1996 im Detail offiziell angenommen wurde, erscheint dieses Problem umso virulenter. Daher sollen abschließend Vorschläge für eine die Lehren aus dem Stabilitätspakt ziehende GASP formuliert und der Platz der EU in der vielzitierten europäischen Sicherheitsarchitektur analysiert werden.

Letztlich besteht auch ein Konnex zur - aufgeschobenen - innerösterreichischen Debatte um die zukünftige sicherheitspolitische Weichenstellung des Landes. Anstatt mit Kategorien des Kalten Krieges argumentativ zu hantieren und somit den sicherheitspolitischen Anforderungen des 21. Jahrhunderts nicht gerecht zu werden, sollte sich ein Staat in der delikaten Übergangsphase von sakraler Neutralitätsverehrung zur unumgänglichen Einbindung in kollektive politisch-militärische Strukturen, d.h. vor allem in die NATO, des dem Stabilitätspakt zugrundeliegenden Interdependenzdenkens stärker annehmen. Diese besondere Schärfung des außenpolitischen Profiles der EU könnte einer der spezifischen Beiträge der österreichischen Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 1998 zur Weiterentwicklung der GASP sein.

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