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Augen auf, Ohren auf, der MNS ist da!

13. Mai 2020 - 

Ich bin auf dem Heimweg vom Einkaufen, oder besser gesagt vom Spießrutenlauf im Supermarkt. Seit das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in Geschäften obligatorisch ist, scheint der Babyelefant, dessen Körpergröße als empfohlenes Abstandsmaß zwischen zwei Personen gilt, deutlich geschrumpft zu sein. Auch eigens angebrachte Bodenmarkierungen, die überall im Geschäft zum 1-Meter-Abstand mahnen, beeindrucken manche Maskenträger scheinbar wenig. Wie ist das psychologisch zu erklären? Genügt tatsächlich ein kleines Stück Stoff, um unsere Risikowahrnehmung derart zu verzerren?

Gestresst

Verärgert und gestresst vom Abstandsparcours zwischen Kunden und Regalen bemerke ich: Ich bin auf der falschen Fahrspur eingereiht. Aber es ist ja kein Verkehr, also rasch geblinkt und die Spur gewechselt. Und beinahe wäre es geschehen: Fast hätte ich das Rotlicht überfahren! Um es vorweg zu nehmen: Es ist nichts passiert. Meine Verkehrssünde blieb dank des geringen Verkehrsaufkommens ohne Folgen. Und auch die mangelnde Abstandsdisziplin im Supermarkt hat mir (bisher) keine gesundheitlichen Probleme eingebracht. Dafür aber eine Erkenntnis: Wir sollten im Zusammenhang mit Covid-19 auch das Thema Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und Konzentration beleuchten. 

Aufmerksam bleiben

Unsere Wahrnehmung ist nicht nur maßgeblich dafür verantwortlich, wie wir Dinge auffassen, bewerten und beurteilen, sie bestimmt (zumindest indirekt) auch unser Verhalten mit. Neue Informationen werden laufend mit bisherigen Erfahrungen abgeglichen und daraus passende Verhaltensweisen abgeleitet. Psychologen sprechen in diesem Zusammenhang vom persönlichen Bezugsrahmen. Dieser wird im Wesentlichen aus Lernerfahrungen, Wertvorstellungen und Erwartungen gebildet und dient uns quasi als Orientierungshilfe. Ihren "24/7-Job" erledigt die Wahrnehmung jedoch meist im Hintergrund, oder psychologisch ausgedrückt, auf der Ebene des Unbewussten.

Im Hinblick auf die sinkende Abstands-Disziplin beim Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes wird beispielsweise angenommen, dass wir diesen als Barriere wahrnehmen und die Maske deshalb intuitiv als Schutz vor äußeren Einflüssen bewerten. Als Konsequenz daraus beurteilen wir das Risiko einer Ansteckung für uns selbst (fälschlicherweise) als gering und schenken anderen Vorsichtsmaßnahmen weniger Beachtung. Bewusst ist uns das aber kaum (sonst würden wir es vermutlich nicht tun). Andererseits richtet sich unsere Aufmerksamkeit vorrangig dahin, wo wir etwas wahrnehmen, vor allem wenn Reize unbekannt oder sehr intensiv sind. Dieser Mechanismus ist überlebenswichtig, weil er dafür sorgt, dass wir Gefahren rechtzeitig wahrnehmen, richtig einschätzen und in der Folge angemessen handeln können.

Die Maske

Bleiben wir bei der Mund-Nasen-Maske: Sie ist für die meisten Menschen noch ungewohnt und oft mit Reizen auf (fast) allen Sinnesebenen verbunden. Das Gesichtsfeld ist eingeschränkt, Brillengläser laufen an, wir atmen schwerer und die Nase kribbelt. Mit Juckreiz & Co. verhält es sich dabei ähnlich wie mit dem berühmten rosa Elefanten, an den Sie keinesfalls denken sollten: Sie sind partout nicht auszublenden. Weniger dominante Eindrücke rücken in der Folge in den Hintergrund – wie etwa andere Kunden im Supermarkt, die wir aufgrund der Ablenkung nicht mehr bewusst wahrnehmen, und denen wir dann zu nahe kommen, ohne es zu merken.

Auch Stress kann unsere Wahrnehmung beeinflussen. Die Aufmerksamkeit richtet sich vor allem auf den Stressor, andere Umweltfaktoren werden ausgeblendet. Grundsätzlich ist dies sinnvoll, weil es uns befähigt, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren. Wenn wir es aber beim Einkaufen eilig haben, der Chef ausgerechnet dann anruft, wenn wir an der Wursttheke an der Reihe sind, und der Mund-Nasen-Schutz über die Augen rutscht, während wir in allen Taschen hektisch nach dem Telefon kramen, kann es vorkommen, dass wir nicht mehr an den Babyelefanten denken, der zwischen uns und andere passen sollte.

Es gibt also eine Reihe von Faktoren, die unsere Wahrnehmung und Aufmerksamkeit beeinflussen können. Gerade in Situationen, in denen neue Verhaltensweisen wie z.B. diverse Covid-19-Schutzmaßnahmen und Tätigkeiten mit erhöhtem Sicherheitsrisiko gleichzeitig ausgeführt werden müssen, sollten wir deshalb bewusst aufmerksam und konzentriert agieren. Beispielsweise beim Bedienen von Maschinen, im Umgang mit Waffen oder im Straßenverkehr - siehe obiges Beispiel.

Darüber hinaus lassen sich Wahrnehmung und Konzentration auch gezielt trainieren. So wäre es empfehlenswert, sich bewusst an das Tragen des Mund-Nasen-Schutzes zu gewöhnen. Führen Sie zum Beispiel zu Hause gewohnte Tätigkeiten mit Maske aus. Nehmen Sie dabei störende Empfindungen wie Juckreiz, erschwertes Atmen usw. bewusst wahr und versuchen Sie, nach und nach Ihre Aufmerksamkeit von diesen Reizen weg, hin zu Ihrem Umfeld zu lenken. Was sehen, hören, riechen, spüren Sie außer Ihrer Maske noch?  Für Soldaten ist das Einüben von Handlungsroutinen vor dem Einsatz ein selbstverständlicher Bestandteil ihrer Ausbildung. Auch aus psychologischer Sicht ist dies durchaus sinnvoll, weil es dazu beiträgt, Wahrnehmungen und Verhaltensweisen zu automatisieren und somit auch unter erschwerten Bedingungen aufnahmefähig und handlungssicher zu bleiben. Bleiben Sie also aufmerksam - und bleiben Sie gesund!

Ein Beitrag des Psychologischen Dienstes. (Bild öffnet sich in einem neuen Fenster)

Ein Beitrag des Psychologischen Dienstes.

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