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Parameter strategischer Konzeptionen westlicher Militäreinsätze

erschienen in der Publikation "Parameter bewaffneter Konflikte (4/00)" (ISBN: 3-901328-46-7) - September 2000

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Schlagworte zu diesem Beitrag:  Welt, Strategie, Streitkräfte, Militär, USA

Abstract:

Parameter strategischer Konzeptionen westlicher Militäreinsätze


Drei Zonen lösen Bipolarität ab

Klaus Dieter Schwarz befasst sich in seinem Vortrag mit den Beziehungen zwischen militärischen Mitteln und politischen Zielen bzw. mit den sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen strategischer Konzepte. Zur Charakterisierung der sicherheitspolitischen Veränderungen nach dem Ende des Ost-West-Konflikts führt er drei "Zonen" ein, nämlich Frieden, Gefahr und Chaos. Diese reflektieren das Entwicklungsniveau der Natur des Staatensystems und bestimmen maßgeblich, in welcher Form (z.B. Integration, konventioneller Krieg, Bürgerkrieg u.a.) Konflikte ausgetragen werden.

Die westliche Sicherheitspolitik hat demnach an zwei Konfliktlinien zu operieren, die primär von zwischenstaatlichen oder innerstaatlichen Auseinandersetzungen geprägt werden. Eine Überlagerung dieser Konflikte stellt bezeichnenderweise eher die Norm denn eine Ausnahme dar, woraus Schwarz eine zunehmende Überschneidung der Konzepte kollektiver Sicherheit und kollektiver Verteidigung ableitet.

Westliche Gesamtstrategie nicht zu erwarten

Angesichts der Unübersichtlichkeit der Weltlage bezweifelt Schwarz die Möglichkeit und Sinnhaftigkeit umfassender Strategien, doch sieht er in Abschreckung und Verteidigung unverändert probate Mittel westlicher Schutzbemühungen. Während er "große" Kriege für insgesamt wenig wahrscheinlich hält, schließt er die Notwendigkeit für den Westen nicht aus, "Interessenskriege" führen zu müssen. Damit meint er eine Auseinandersetzung zwischen moderner und postmoderner Welt um den Zugang zu Ressourcen oder auch zur Verteidigung exponiert gelegener Mitglieder der westlichen Staatengemeinschaft (erste Konfliktlinie). Im Gegensatz dazu ist jedoch auch die Führung sogenannter "Gewissenskriege" in Achtung und Verfolgung moralischer und humanitärer Prinzipien nicht auszuschließen.

USA behalten sicherheitspolitische Führungsrolle

Der Rolle der USA im sicherheitspolitischen Kontext misst Schwarz besondere Bedeutung bei, wobei deren Betonung der militärischen Macht eine globale Vormachtstellung garantieren soll. Diese hat die Funktionen "deterrence", "compellence" und "reassurance" zu erfüllen, was gegebenenfalls bei humanitär motivierten Interventionen in Chaoszonen münden kann. Ein bestimmtes Maß an Kriegsführungsfähigkeit ("two major theater wars") ist insgesamt aus US-Perspektive unerlässlich; das Heranwachsen eines neuen globalen Herausforderers wird ab 2015 für möglich gehalten. Er äußert sich allerdings skeptisch sowohl gegenüber dieser US-Beurteilung wie auch deren bedin-gungslosem Vertrauen in technologische Verbesserungen im Rahmen der vielzitierten "Revolution in Military Affairs" (RMA), vor allem im Zusammenhang mit Interventionen in Bürgerkriegen.

Trotz aller gegenteiligen Indikatoren will Schwarz die Möglichkeit "großer" konventioneller Kriege mit westlicher Beteiligung in der überschaubaren Zukunft nicht gänzlich ausschließen. Die strategische Abhängigkeit Europas von den USA bleibt seiner Beurteilung nach daher bis auf weiteres erhalten. Wesentlich höhere Bedeutung gewinnen jedoch verschiedene innerstaatliche Konflikte, wo traditionelle politische und militärische Konzepte für eine Beendigung möglichst ohne Gewalteinsatz nicht ausreichen.

Drei Optionen bei Chaos-Konflikten

Nach Beurteilung von Schwarz hat der Westen drei Möglichkeiten, diesen Konflikten an der sogenannten zweiten Konfliktlinie zu be-gegnen: "nichts zu tun", "etwas zu tun" oder mittels "Krieg ohne Kampf" militärisch zu intervenieren. Die erste Möglichkeit ist unverändert Bestandteil westlicher Strategie und korreliert in hohem Maße mit der Entfernung zum "Ort des Chaos" (d.h. je weiter die Krise entfernt ist, desto wahrscheinlicher ist westliche Passivität). Typische Beispiele für ein halbherziges Eingreifen als zweite Option sieht Schwarz in den Missionen in Somalia, Haiti und im Engagement des Westens in Jugoslawien bis zur Auslösung der Operation "Deliberate Force" im Jahre 1995. Einen "Krieg ohne Kampf" bot die NATO mit ihrer Luftoperation gegen Jugoslawien im Frühjahr 1999. Die in diesem Konfliktbild dargestellte "Abstandskriegführung" vereinte bereits viele Vorstellungen und Möglichkeiten der RMA.

Gemeinsames Kennzeichen aller drei Optionen ist, dass die Staaten eine gewisse "Wahlmöglichkeit" über Art, Umfang und Intensität des Engagements besitzen. Die Herstellung eines nationalen Interessensbezuges erscheint dabei von entscheidender Bedeutung, wobei die Nähe zum Krisenort einen zentralen Entscheidungsfaktor darstellt. Während Schwarz bei den USA eher starke Zurückhaltung gegenüber militärischen Interventionen ortet, zeichnet er für Europa ein heterogenes Bild. So besteht seiner Beurteilung nach ein starkes Gefälle in der Interventionsbereitschaft ehemaliger Kolonialmächte und neutraler Staaten.

Kann die EU zum zentralen Akteur werden?

Im Bereich der Interventionsproblematik konzentriert sich Schwarz speziell auf die Aspekte Glaubwürdigkeit und Ziel-Mittel-Relation; zudem verweist er auf die militärstrategischen und operativen Restriktionen infolge des Primats der Politik. In seinem Ausblick sieht er eine positive Entwicklung im Ausbau der GASP der EU als Möglichkeit einer Gesamtstrategie. Diese böte eine sehr gute Alternative zum ausschließlich militärischen Krisenmanagement der NATO, wenngleich er die kommende Entwicklung mit Spannung (und Skepsis?) erwartet.

(Kurzfassung: Obst Mag. Walter Feichtinger)

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