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Vorwort des Herausgebers

erschienen in der Publikation "Österreichisches Jahrbuch für internationale Sicherheitspolitik 1997" (ISBN: 3-222-12562-7) - Dezember 1997

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Abstract:

VORWORT


Der Friedenszustand unter Menschen
die nebeneinander leben, ist kein Naturzustand
(status naturalis), der vielmehr ein Zustand des
Krieges ist, d.i. wenngleich nicht immer
ein Ausbruch der Feindseligkeiten, doch
immerwährende Bedrohung mit denselben.
Er muß also gestiftet werden ....
I. Kant, Zum ewigen Frieden (1795)

Das Österreichische Jahrbuch für internationale Sicherheitspolitik erscheint 1997 zum ersten Mal - vor dem Hintergrund einer anstehenden Entscheidung um den NATO-Beitritt Österreichs.
Gleichwohl bildet diese Frage nur einen Teilaspekt zukünftiger europäischer Sicherheitsordnung.
So entscheidend die Frage des NATO-Beitrittes für Österreich auch sein mag, so wird sie doch nicht in das Zentrum der Betrachtung dieses Buches gerückt. Vielmehr wird gegen Ende dieses Jahres noch ein eigener Sammelband mit Studien prominenter Autoren zu diesem Thema in der Schriftenreihe für Sicherheitspolitik erscheinen. Dieses Jahrbuch aber soll sich nicht primär mit spezifischen Fragen der Sicherheitspolitik Österreichs befassen, sondern mit der ganzen Breite globaler Probleme - und dadurch auch einen Beitrag zur Intensivierung der Behandlung der sicherheitspolitischen Probleme Österreichs leisten.
Die Grundlagen europäischer Sicherheit sind unlösbar mit dem Problem der NATO-Osterweiterung, der Erweiterung der EU und der zukünftigen Entwicklung Rußlands verknüpft.
Betrachtet man die EU als den eigentlichen Garanten, welcher in den Staaten des ehemaligen Warschauer Paktes demokratische Stabilität etablieren kann, muß die derzeitige Entwicklung mit Sorge erfüllen: Angesichts der Einführung des EURO trat die EU-Osterweiterung in den Hintergrund, gleichzeitig wird die Osterweiterung der NATO forciert. Oliver Thränert formuliert in seinem Beitrag "Die Osterweiterung der NATO: ein Schritt in Richtung gesamteuropäischer Sicherheit", daß die Debatte im die NATO-Osterweiterung dazu geführt habe, daß eine Abkehr von gesamteuropäischen Kategorien stattgefunden hat. Er stellt die These auf, daß die Osterweiterung der NATO "die geographische Ausdehnung einer den Kalten Krieg überlebenden Militärallianz" sei, welche weder imstande ist, in den postkommunistischen Staaten demokratische Entwicklungen zu fördern, noch das Problem "Rußland" zu lösen, welchem für die europäische Sicherheit entscheidendste Bedeutung zukommt. Das kann man freilich auch anders sehen. Peter Schmidt tritt in seinem Beitrag "Stand und Perspektiven der NATO-Erweiterung - Kritik der Kritik" hingegen für die NATO-Osterweiterung ein - mit dem Argument, daß diese die Chance böte, "die zentral- und südosteuropäischen Regionen stabiler zu machen." Es dürfe keinesfalls eine Situation entstehen, "in der eine weitergehende Erweiterung ausgeschlossen wird."
Vor diesem Hintergrund kommt der umfangreichen Analyse Heinrich Schneiders "Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union" besondere Bedeutung zu.
Sie gelangt zu dem Resultat, daß eine Emanzipation Europäischer Außen- und Sicherheitspolitik von der NATO derzeit nicht absehbar ist. Der Grund hierfür sei nicht nur die Verflechtung mit der NATO, sondern auch der Umstand, daß man "'unionsintern' nicht über das Prinzip hinausging, daß die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik als solche eines 'Staatenverbundes' nicht schlichtweg in den Dienst 'supranationaler' Interessen gestellt werden kann."
Lothar Rühl stellt "Überlegungen zur längerfristigen Entwicklung Rußlands" an und beleuchtet die Perspektiven der Partnerschaft mit der atlantischen Allianz. Lothar Rühl erkennt, daß Rußland als Land europäischer Zivilisation immer einen europäischen Vorrang aufstellen werde, gleichwohl aber die Maße Europas sprengt: "Seine Masse ist in die EU nicht integrierbar ohne deren vollkommene Veränderung und Rußland bleibt dabei die kritische Masse der europäischen Sicherheit. Rußland ist auch in die NATO nicht integrierbar, solange diese ein festes amerikanisch-europäisches militärpolitisches Bündnis mit gemeinsamer Verteidigung und gemeinsamem Krisenhandeln zur internationalen Friedenssicherung bleiben soll."
Die "Gretchenfrage" kooperativer Sicherheit stellt Hanspeter Neuhold, welcher sich dem Thema "Kooperative Sicherheit - kollektive Sicherheit - kollektive Verteidigung: eine Bestandsaufnahme aus europäischer Sicht" widmet. Vor dem Hintergrund, daß es "mit der sicherheitspolitischen Solidarität selbst nur der westeuropäischen Staaten nicht gut bestellt" sei, stellt er die Frage: "Was soll geschehen, wenn sich ein Akteur nicht an die gemeinsamen Verhaltensgrundsätze hält, sondern zur Gewaltanwendung schreitet?" In solchen Fällen griffen Maßnahmen, welche auf der Zustimmung aller Beteiligten beruhen, nicht. Institutionen kooperativer Sicherheit seien weitgehend wirkungslos - so Neuhold. Eine Alternative zu kollektiver Sicherheit mit deren Sanktionssystem sieht Neuhold in einem Grad der Integration zwischen den betreffenden Staaten, "der die Anwendung von militärischer Gewalt so gut wie ausschließt." Ein Beispiel hierfür ist das Verhältnis der ehemaligen "Erbfeinde" Deutschland und Frankreich - trotz gelegentlicher Meinungsverschiedenheiten ist ein Krieg zwischen diesen beiden Staaten nicht mehr vorstellbar. Die solideste Grundlage für Frieden und demokratische Stabilität in Europa sieht Neuhold - hier stimmt er mit Thränert überein - in der "Verwirklichung von pluralistischer Demokratie, Rechtsstaat und der Achtung der Menschen und Minderheitenrechte sowie in dem mit ökosozialer Marktwirtschaft verbundenen Wohlstand."
Auf diesen nichtmilitärischen Sicherheitsaspekt verweist auch Heinz Gärtner in seinem Beitrag "Konzepte europäischer Sicherheit - ein Theorievergleich": Demokratien tendieren dazu, keine Kriege gegeneinander zu führen, diese These ist durch Statistiken, welche bis 1815 zurückreichen, empirisch weitgehend abgesichert: "Wenn die These vom demokratischen Frieden zutrifft, dann wäre die beste Friedensstrategie, die Verbreitung von Demokratien zu fördern."
Die schwierige Rolle Deutschlands, welches sich als zentraleuropäisches Zentrum herauskristallisiert, wird von Gregor Schöllgen "Deutschland als europäische Großmacht - Chancen, Risiken, Perspektiven" behandelt.
Eine Kritik der "Neuen Normalität mit militärischer Prägung" übt diesbezüglich Wolfram Wette: "Deutschland übt out of area". Sprachlich wie tatsächlich werde alles weggeräumt, "was künftige Militäreinsätze behindern könnte". Vor dem Hintergrund, daß die UNO in ihrer Zukunftsfähigkeit nachhaltig geschwächt ist, die NATO "mit vollen Taschen" triumphiert, sieht Wette die große Chance vertan, "nach dem Ende des Ost-West-Konflikts auf der Basis der westeuropäischen Friedensstruktur eine gesamteuropäische zu bauen und vorwiegend nichtmilitärische Mittel der Konfliktbearbeitung zu entwickeln." Vielmehr wurden "national und international neue Strukturen geschaffen, die ganz unverkennbar dem Denkmuster der militärisch instrumentierten Machtpolitik folgen."
Es ist in einem Vorwort nicht möglich, sämtlichen Beiträgen des Bandes Erwähnung zu schenken, was selbstverständlich keine Mißachtung derselben bedeutet oder eine Wertigkeit.
Angeführt sollen aus diesem Grunde noch die Beiträge werden - ohne die Autoren zu nennen - welche nationale, regionale und globale Aspekte der Sicherheitspolitik beleuchten. Auch der Informationstechnik als einer neuen sicherheitspolitischen Herausforderung wird Raum gegeben.
Abschließend ist festzuhalten, daß sowohl NATO- als auch EU-Erweiterung demselben Problem unterliegen werden: Es ist eine implizite Dynamik, daß Bündnisse jedweder Art einerseits nach Erweiterung streben, um ihre Einflußsphäre zu vergrößern, und eine implizite Dialektik, daß jede Erweiterung mit einer Schwächung der Integration der eingebundenen Mitglieder einhergeht. Wie dieses Problem zu lösen ist, wird nicht nur eine europäische Frage sein, sondern eine Frage globaler Sicherheitspolitik.

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