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Finanzmärkte, Wirtschaft und Krieg

erschienen in der Publikation "Jahrestagung der Wissenschaftskommission 2000" - März 2000

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Schlagworte zu diesem Beitrag:  Krieg, Interdependenz, Wirtschaft, Sicherheit, Bevölkerung, Finanzpolitik

Abstract:

Inhalt
1. Vom Krieg über die Finanzwirtschaft und vielleicht zurück zum Krieg.
2. Versucht man die Herausforderungen zu analysieren, so ist das erste Ergebnis, dass sich diese seit 1990 mehr verändert haben als in den davorliegenden 40 Jahren.
3. Eine Problemanalyse ist wertlos, wenn sie nicht einen Lösungsansatz beinhalten.

Nachdem das vergebene Thema relativ viele Dimensionen hat, wird eine Vorgangsweise gewählt, die vom Einfachen zum Komplexen führt, wobei der Begründungsbedarf zunimmt. Gleichzeitig wird von unserem Land ausgehend die geographische, immer größer werdende Relation erläutert. Vom Begriff Krieg bzw. Verteidigung führt der Weg unnachsichtlich zur Interdependenz.

Natürlich kann diese Vorgangsweise nicht sequentiell gesehen werden. Themenmäßig erfolgt trotz angestrebter Interdependenz eine Eingrenzung, um nicht ins Uferlose zu geraten. So werden Religion und Ideologie beispielsweise nicht behandelt. An sich war eine politische Größenordnung nicht angestrebt, diese ist jedoch kaum vermeidbar.

Versucht wurde der Regel Einsteins zu folgen, nämlich alles so einfach wie möglich darzustellen jedoch nicht einfacher.

Hinsichtlich des Aufbaues wird vom Krieg ausgehend über vier Dimensionen eine Ableitung durchgeführt, die über die Finanzwirtschaft und - bei erfolglosen Strategien - wieder zurück zum Krieg führt. Dem folgt im zweiten Kapitel eine Analyse der Herausforderungen insbesondere in ihrer Veränderung in den letzten zehn Jahren. Besonders kommt es hier darauf an, die im Bereich der Sicherheitspolitik erkennbaren Symptome auf die meist wirtschaftlich bedingten Ursachen zurückzuführen bzw. die Verknüpfung herzustellen. Drittens wird ein Lösungsansatz skizziert, eine Realutopie, die vor allem eine Veränderung in den Köpfen zur Voraussetzung hat. Darauf aufbauend kann in den Entscheidungsprozess gegangen werden, dem ein zielgerichtetes Handeln folgt.

1. Vom Krieg über die Finanzwirtschaft und vielleicht zurück zum Krieg.

Nach 1955 war die Ausgangssituation in unserem Land eine einfache. Die erfolgreiche sicherheitspolitische Großleistung, die schlussendlich zum Abschluss des Staatsvertrages führte, machte es in Konsequenz logisch, auch für die eigene Verteidigung sorgen zu müssen. Ohne großartige Ableitungen wurde hiefür nach zeitgeschichtlichen Mustern das österreichische Bundesheer gebildet und ihm, als primäre Aufgabe, der Schutz der Grenzen übertragen. Verantwortlich dafür war der Bundesminister für Landesverteidigung. Ansonsten tangierte diese Aufgabe weder das Parlament, die politische Exekutive noch die Bevölkerung besonders.

Die erste Dimension eröffnete sich mit den Überlegungen die umfassende Landesverteidigung betreffend. Voraussetzung dafür war die Wiederentdeckung des Zusammenhanges, dass nämlich ein Krieg Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung haben muss. Zu ihrem Schutz wurde die zivile Landesverteidigung organisiert. Nachdem diese Bevölkerung, aber auch das Heer selbst, wirtschaftlicher Voraussetzungen bedarf, kam es zur wirtschaftlichen Landesverteidigung. All dieses muss auch erklärt werden. Dem diente die geistige Landesverteidigung. Die umfassende Landesverteidigung war geboren. Sie wurde so ernst genommen, dass sie in einem Verfassungsgesetz Verankerung fand. Trotzdem war mit der Erledigung dieser Hausaufgabe die Angelegenheit weitgehend abgehakt. Aufgerüttelt wurde nichts und niemand. Im Unterbewusstsein fühlte man sich in der Pax Americana, ohne dies einzugestehen gut aufgehoben. Einzuräumen ist allerdings, dass in den Jahren von 1975 bis 1986 die Konsistenz zwischen sicherheitspolitischer Zielsetzung, sicherheitspolitischer und verteidigungspolitischer Konzeption sowie der davon abgeleiteten militärischen Organisation übereinstimmte. Auch die finanziellen Mittel entwickelten sich kontinuierlich aufwärts, und lagen im Bruttosozialproduktanteilen 1986 um ca. 60 % über dem heutigen Niveau.

Damit gilt es die zweite Dimension zu behandeln.

Sprach man früher von umfassender Landesverteidigung und innerhalb dieser von militärischer Landesverteidigung, ist es heute sicher zutreffend von einer umfassenden Sicherheit und damit von einer umfassenden Sicherheitspolitik zu sprechen, das Äquivalent dazu wäre die militärische Komponente der Sicherheitspolitik.

Dieses begründet sich wie folgt: War für Österreich und auch für andere Länder in der Vergangenheit der Igel das Symbol, der mit seinen Stacheln an der Grenze abwehrend wirken sollte, hat sich die Aufgabe der Sicherheitspolitik und mit ihr die des Militärs innerhalb dieser in Richtung Gestaltung verändert. Ist es nicht mehr möglich, Krisen mit friedlichen Mitteln vorbeugend zu entschärfen, kommt es dem Militär zu, das Ärgste zu verhindern und die Voraussetzung für einen Neubeginn zu schaffen. Die ursprünglichen statischen operativ/taktischen Konzepte haben sich folgerichtig zur Mobilität hin gewandelt. Der Raum kann natürlich nicht mehr auf das Territorium innerhalb der eigenen Grenzen reduziert werden, er erhält eine europäische und oft internationale Dimension.

In der dritten Dimension wird der Zusammenhang zwischen Wirtschaft und Sicherheit, Makroökonomie bzw. politischer Ökonomie und Sicherheitspolitik hergestellt.

Begründung: Gemeinsam sind beiden die Elemente, sozusagen die Bausteine des Interesses, nämlich der Staat, die Gesellschaft, die Wirtschaft, die Technologie, die Forschung etc. Beide werden geprägt von zunehmender Dynamik. Der geographische Raum des Interesses ist für kein Land der Welt mehr auf das eigene Territorium beschränkt. Die jeweiligen Entscheidungsprozesse wiederum unterliegen vergleichbaren Abläufen, dies sei an zwei zeitgeschichtlichen Beispielen erläutert:

1945 hatten die Vereinigten Staaten ihre globale Bedeutung erkannt. Die Zielsetzung, sie aufrechterhalten zu wollen und dies mit wirtschaftlichem Wachstum zu verbinden, war auf der Hand liegend.

In der geopolitischen Analyse war die Sowjetunion als Herausforderer leicht identifizierbar.

Mit der westlichen und östlichen Gegenküste wurden die Zielräume definiert. Sie waren ursprünglich auf die Länder Japan, Südkorea, später Formosa bzw. Großbritannien, die Niederlande und Portugal, das allerdings damals den Erwartungen noch nicht entsprach, begrenzt.

Die Umsetzungsstragie verfolgte das Ziel, in diesen Ländern Demokratien zu stärken, den Menschenrechten zum Durchbruch zu verhelfen und das Wirtschaftswachstum zu fördern. 1947 kam es zum Erfolgskonzept des ERP - European Recovery Program -, besser als Marshall-Plan bekannt. Viele europäische Länder drängten geradezu in dieses Programm, das mit einem zweistelligen Milliarden-Dollar-Betrag gestützt war. Erst der zum sowjetischen Einflussbereich gehörenden Tschechoslowakei wurde der Zugang verwehrt. So gesehen ist es als kleines Wunder zu bezeichnen, dass Österreich partizipieren durfte. Als die Frontlinie klar wurde, kam es zur Gründung der NATO, einer Verteidigungsallianz, mit dem Vertrag von Washington im Jahr 1949.

1955 war in Österreich die sicherheitspolitische Zielsetzung, nämlich die "Befreier" loszuwerden, um möglichst viel Souveränität zurückzugewinnen, so klar, dass es keiner eigenen Definition bedurfte.

Der "Kalte Krieg" signalisierte politische Blockade.

Die entscheidenden Bezugsländer waren die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion.

Die erfolgreiche Umsetzungsstrategie lag in einer engen Bindung an die westlichen Demokratien mit ihrem marktwirtschaftlichen System und einer sicherheitspolitischen Äquidistant, festgeschrieben in einem Neutralitätsgesetz, man könnte sagen, einer sicherheitspolitischen Peace-Keeping-Maßnahme, verwirklicht in einer engen Zusammenarbeit mit Neutralen und Blockfreien sowie in einem Engagement in militärischen Missionen der Vereinten Nationen.

Bedauerlich ist, dass diese Ansätze zum Systemdenken leider wieder verloren gegangen sind. Damit steht die zur Aufgabenbewältigung geschaffene Organisation in der Aufgabenerfüllung in fast unabhängig agierenden Erledigungsbereichen sozusagen nebeneinander, die Ablauforganisation erfolgt in diesen Strängen. Es kommt zu keiner Vernetzung, die Handlungsergebnisse werden suboptimal. Das ist Teil unseres Problems heute. Über die österreichischen Ziele und Interessen auch sicherheitspolitischer Art besteht wenig Konsens. Für die anderen Länder der Völkergemeinschaft wird Österreich damit unberechenbar, nachdem eine derartige Vorgangsweise in den anderen Ländern nicht gehandhabt wird, wird eine besondere Strategie dahinter vermutet, beispielsweise ein Sparen auf Kosten anderer.

In der vierten Dimension wird versucht die Finanzwirtschaft mit der Wirtschaft in einen Beziehungszusammenhang zu bringen und dieses Begriffspaar wieder auf die Sicherheit, im schlimmsten Fall auf den Krieg zurückzuführen. Hier wird das Eis dünn, weil gesicherte statistische Erfahrungswerte nicht, oder nur in geringem Ausmaß gegeben sind. Man bewegt sich im Feld der Prognose, die von Haus aus sehr kompliziert ist, insbesondere wenn sie in die Zukunft gerichtet ist.

An die Spitze dieser Überlegungen wird die These gestellt, dass die Finanzwirtschaft eventuell Ursache für Fehlentwicklungen sein kann, die zur Destabilisierung führen, eine Krise hervorrufen könnten und im ungünstigsten Fall zu einem Crash führen. Dieser würde die Wirtschaft nachhaltig beeinträchtigen und könnte in der Kettenreaktion im ungünstigsten Fall zu Unruhen, zum Krieg führen. Im weiteren wird versucht, diese Behauptung begründend abzuleiten.

Einleitend sei auf die sogenannten Realkrisen eingegangen. Ihnen wird der sogenannte Kontratieffzyklus zugrunde gelegt. Demzufolge unterliegt die wirtschaftliche Entwicklung zeitlich gesehen langen Wellen. In 20 Jahren des Abschwunges käme es zu kreativen und innovativen Entwicklungen, die eine 30jährige Periode des Aufschwunges zur Folge haben. Kreativität und Innovation lassen jedoch in diesem Zeitraum nach, das Schwergewicht liegt auf Effizienzsteigerung. Innerhalb dieser langen Welle kommt es im Abstand von 50 Jahren zu Basisinnovationen, die die Lebensgestaltung neu ordnen, multiplikatorische Auswirkungen in wesentliche Bereiche haben und in der Gesellschaft inkorporiert werden.

1890 lagen diese Basisinnovationen im Bereich der Chemie, der Elektrizität und des Motors, des Kraftfahrwesens. Die zweite Innovationswelle erfolgte in den Jahren 1920 bis 1940 mit der Einführung des Fernsehens, der Nukleartechnologie und der Kunststofftechnologie. 1970 bis 1990 war die Zeit der Mikroelektronik, der Biotechnologie und der synthetischen Materialtechnologie. In dieser Phase befinden wir uns heute.

Warum aber folgt ab 1990 nicht der gemäß obigem Zyklen programmierte Aufschwung? Die Liquidität ist doch im übergroßen Ausmaß gegeben. Wahrscheinlich liegt es daran, dass das Geld nicht der Realwirtschaft zugeführt wird, sondern als Gewinn auf die hohe Kante gelegt wird. Alte Volkswirtschaften wachsen beispielsweise mit einem 4 %-Faktor, im Vergleich zu den Erträgen der Finanzwirtschaft mit 20 % langsam. Das Erwerbseinkommen wird damit rückläufig.

Wegen dieser Relation von 4 zu 20 kann es zu einer Kasinokrise kommen. Ursache sind die erwähnten Rückwirkungen auf die Realwirtschaft. Die Einflussnahme nationaler Wirtschaften über die Fiskalpolitik beginnt an Wirkung zu verlieren, bestimmend werden die Finanzmärkte, oder anders betrachtet bedingen die steigenden Renditen, dass die Grundlagen für die Realwirtschaft, nämlich die Investitionen in Technologie und Wissenschaft rückläufig sind. Die entscheidende Ressource für die Basisinnovation ist damit zu klein. Wenn diese Entwicklung zu einem Strukturproblem wird, kann es zu einem Crash kommen.

Ein Crash basiert darauf, dass eine Stimmungslage - der percepted value wird zur bestimmenden Größe für die Kursveränderungen - den Absturz bringen kann. Sind nur die ärmeren Länder davon betroffen, ist es leichter die Krise in Griff zu kriegen, erfasst es aber den Mittelstand der reichen Länder, wird es kritisch. Das Vermögen schrumpft, sind die finanziellen Derivate in der Lage diesen Vermögensrückgang aufzufangen, wie es im Fall der Börsenkrise 1987 der und der Mexikokrise im Jahr 1994 der Fall war, kann die Krise abgefangen werden. Unangenehmer sind die Szenarios, in denen derartiges nicht möglich ist. Das war 1873 der Fall, die unkontrollierte Geldzunahme führte zur Inflation oder aber 1929 führte die Diskrepanz zwischen erhöhtem Warenangebot und reduziertem Geldumlauf zur Deflation. In beiden Fällen begann sich die Spirale nach unten zu drehen. Es kam zu Pleiten bei den Fonds, in älteren Zeiten am Aktienmarkt, die die Banken nachhaltigst betrafen, die Unternehmen in den Konkurs führten und eine Rezession zur Folge hatten. Der Crash war erfolgt. Konsequenzen können im schlimmsten Fall Gewalt und Krieg sein. Die Krise 1929 war eine der Mitverursacher des zweiten Weltkrieges, als versucht wurde mit Aufrüstung gegenzusteuern. 1997/98 führte der Crash zu den Unruhen in Asien. Danach wurden und werden "die Karten neu verteilt."

2. Versucht man die Herausforderungen zu analysieren,

so ist das erste Ergebnis, dass sich diese seit 1990 mehr verändert haben als in den davorliegenden 40 Jahren.
Dass der Verteidigung per se nicht mehr der Stellenwert wie früher zugeordnet wird, sondern dass sie vielleicht das Ergebnis einer derzeit nicht absehbaren Entwicklung sein kann, ist allgemein bekannt. Eingegangen wurde auf den ausständigen Wirtschaftsaufschwung, der aufgrund der Basisinnovationen um 1990 hätte erfolgen müssen. Die diesbezüglichen Hypothesen wurden erläutert. Auch ist offenkundig, dass ein Land für sich alleine nicht mehr betroffen ist. Herausforderungen betreffen die Region, die Europäische Union und haben oft globale Zusammenhänge aufzuweisen. Damit sei kurz auf die bedrohlichen Entwicklungen mit doch etwas mehr Detail eingegangen. Am gravierendsten ist zu beurteilen, dass mehrere Gleichgewichte in einem Zeitraum drohen, aus der Balance zu kommen. Auf der einen Seite ist das das unterschiedliche Wachstum der Bevölkerung, auf der anderen die Diskrepanzen, ja fast die seitenverkehrten Entwicklungen auf den Seiten der Bruttonationalprodukte. Ihr Wachstum wiederum steht in krassem Missverhältnis zu den Zuwachsraten auf den Finanzmärkten. Die sicherheitspolitisch relevanten Symptome aus diesen Entwicklungen sind bekannt, es sind Immigrationsbewegungen und die damit verbundenen Phänomene im kriminellen Bereich. Hinzuweisen ist darauf, dass diese Ungleichgewichte nicht nur zwischen Ländern und Regionen, sondern auch innerhalb von Gesellschaftssystemen vermehrt auftreten. Das dafür geläufige Schlagwort ist die Drittelgesellschaft.

Eine weitere ernst zu nehmende Entwicklung ist den Altlasten aus der Basisinnovation der 40-er Jahre zuzuordnen, nämlich der Umgang mit den nuklearen Altlasten. Ist es den Großmächten gelungen im Bereich der Atomwaffenentwicklung die Spirale zurückzudrehen, ist es nunmehr die Vielzahl der Mitspielenden und nicht unbedingt Verlässlichen, die die sicherheitspolitische Symptomatik bestimmen.

Aus den Basisinnovationen der Jahre 1970 bis 1990 ist wohl die Mikroelektronik an erster Stelle zu nennen. Mit unglaublicher Geschwindigkeit haben sie Eingang gefunden in die Strukturen des organisierten Verbrechens, aber auch in die des staatlichen Terrors. Auch die sogenannten rogue states ('Schurkenstaaten') erhalten damit in ihrer Bedrohlichkeit eine neue Dimension.

Dieses Spannungsfeld, fallweise ausgelöst durch den, wie oben abgeleitet, folgenden Crash, ist der Hauptverursacher für die meisten kriegerischen Konflikte. Dabei sei festgehalten, dass von 26 Kriegen des letzten Jahres 24 Bürgerkriege waren und sind. Der Bürgerkrieg wird zur wahren Geisel für die Betroffenen. Er charakerisiert sich dadurch, dass die gesellschaftliche Struktur sozusagen auf den Kopf gestellt wird, was in einer uns geläufigen Gesellschaftsstruktur meist den Bodensatz ausmacht, wird an die Spitze geschwemmt und möchte dort auch verbleiben. Der nicht zur Nomenklatura zählenden Bevölkerung eröffnet sich keinerlei Perspektive, sie lebt von einem Tag auf den anderen. Daraus entwickelt sich eine neue Form der Wirtschaft, sozusagen eine Bürgerkriegsökonomie, in der alles, was verboten ist, von Drogen über Waffen, zu Frauen gehandelt wird und alles, was erlaubt ist, zu extrem überhöhten Preisen. Den Menschenrechten und der Menschenwürde wird keinerlei Stellenwert zugebilligt. Fehlt jegliche Form der Autorität, wird ein Eingreifen von außen zu einem unberechenbaren Hasardspiel. All das führt zu einem Export dieser Instabilität in die benachbarten Länder und in die Region. Beispiele erleben wir täglich.

Welche Strategien in Zusammenhang mit einem Bürgerkrieg bieten sich also an: Eine Möglichkeit wäre, ihn ausbrennen zu lassen, eine Strategie, die, wenn sie unter öffentlichkeitswirksamer Medienbetrachtung erfolgt, fast nicht zum Durchhalten sein wird. Dann wäre es denkbar, den zu unterstützen, der aller Voraussicht nach der Sieger werden wird, das ist in vielen Fällen allerdings der, den man sich nachher nicht an der Macht wünscht. Möglich wäre es auch zu verhandeln, das setzt allerdings voraus, dass "ein großer Prügel hinter dem Rücken versteckt wird", dass Sanktionsmaßnahmen möglich sind. Damit ist man bereits in der Nähe der Intervention, der vierten Möglichkeit.

Mit jeder dieser Interventionen verbindet sich das Dilemma, zwischen dem formalen Völkerrecht und dem inhaltlichen, den Menschenrechten, die Balance zu finden, was derzeit kaum möglich ist. In einem gewissen Ausmaß wird auch Eigeninteresse zur Geltung kommen, was nicht verleugnet, sondern begründet werden sollte. Neben Gründen der Sicherheit sind es vor allem wirtschaftliche; die Ökonomie der Nachbarländer Jugoslawiens z.B. wurde durch die Vorgänge der letzten Jahre nachhaltig in ihrem Volkseinkommen zurückgeworfen.

Entschließt man sich zu einer derartigen Aktion, dann sollte der Erfolg sichergestellt sein. Auf philosophischer Seite ist man sich dahingend einig, dass überzogen missionarische und zwangsbeglückende Zielsetzungen eher kontraproduktiv wirken werden. Worauf es ankommen sollte, wäre einen Minimalstandard an Menschenrechten und Menschenwürde zu gewährleisten.

Das ergibt für das Militär in Zusammenhang mit diesbezüglichen Einsätzen eine neue Situation. War man in der Vergangenheit auf eine etwa einmonatige große Auseinandersetzung eingestellt, nach der sich eine neue Lage ergab, kommt es heute darauf an, Einsätze in bürgerkriegsähnlichen Szenarien nach Brechen der Spitze der Auseinandersetzung jahre- und jahrzehntelang, oft protektoratsartig durch Truppen zu gewährleisten. Auf der Hand liegend ist es, dass derartige Einsätze nicht mehr innerhalb der Grenzen des eigenen Landes, sondern sozusagen "out of area" erfolgen. Und alleine sind sie auch nicht mehr denkbar, vielmehr erfolgen sie durch die Staatengemeinschaft in unterschiedlichen Zusammensetzungen.

3. Eine Problemanalyse ist wertlos, wenn sie nicht einen Lösungsansatz beinhalten.


Der Föhrenbergkreis hat sich mit dieser Frage in seiner Studie "Geld statt Arbeit" im Mai 1999 mit dieser Frage nachhaltig auseinandergesetzt. Das Ergebnis kurz zusammengefasst lautet, dass ein Veränderungsprozess zwingend erforderlich ist und dieser in den Köpfen zu beginnen hat. Dabei kommt es darauf an, die Grenzen des Wachstums abtasten zu können. Eine globale Wirtschaft wiederum führt auf Irrwege. Was besser subsitiär zu versorgen ist soll auch subsitiär versorgt werden. Es ist unsinnig Agrarprodukte nur aus Gewinnmotiven heraus um die ganze Welt zu führen. Das bedingt im weiteren auch eine neue Definition der Wohlstandstandards. Eine neue Philosophie des Teilens wird zur zwingenden Voraussetzung. Tendenzen in diese Richtung sind erkennbar, sind aber immer wieder vom Gewinnstreben überlagert und verzerrt. All dieses müsste zu einer Veränderung der derzeit gültigen Werte führen, was wiederum Auswirkung auf das Verhalten hätte.

Natürlich handelt es sich hier um eine "Realutopie". Von dieser, wie sie gerade grob skizziert wurde, sind die konkreten Maßnahmen abzuleiten und auf diese geht die Studie nachhaltig ein, wobei der erste Meilenstein für konkrete Maßnahmen nach sieben Jahren gesetzt wird. Damit schließt sich der Kreis zu den eingangs erwähnten vier Dimensionen. Letztere endet im schlechtesten Fall mit einem Crash, der zu einer vollkommenen Neuordnung führen würde, was wohl keine Zielsetzung sein kann.

Abschließend wird auf den, in Konsequenz des gerade gesagten notwendigen Prozess, der zu Entscheidungen führen muss, eingegangen.

Zunächst ist zu entscheiden, ob die Ableitungen bisher überhaupt stimmen. Ist das nicht der Fall, ist die Analyse nochmals durchzuführen. Ist das Ergebnis positiv, ist die nächste Entscheidung zu treffen ob die Gesellschaften, artikuliert durch ihre politischen Eliten, diese Aufgabe überhaupt angehen wollen, ob sie bereit sind gemeinsame Ziele und Interessen zu definieren. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an den Philosophen Karl Jaspers, der meinte die Demokratie müsste erst die Vernunft hervorbringen, die sie voraussetzt. Ist das Ergebnis dieses Entscheidungsprozesses ein negatives, dann sind die Weichen auf Crash mit allen unabsehbaren Konsequenzen gestellt, am Ende werden "die Karten neu verteilt" und es ergibt sich eine neue Ausgangssituation. Wird aber diese Veränderung gewollt, dann haben sich die Bildungssysteme dem zuzuordnen, Zielsetzungen für diese sind neu zu definieren und haben ihre Auswirkung in der Ausbildung zu haben. Den Medien käme dabei eine gänzlich andere Rolle zu, nämlich diesen zielführenden Ansatz zu unterstützen ohne dabei zu manipulieren. Die Konsequenz aus dem wäre eine Reorganisation der demokratischen und gesellschaftlichen Prozesse. Dabei kommt es darauf an von der eifersüchtig bewachten Kompetenzabgrenzung Abstand zu nehmen und zu vernetzten Ansätzen zu kommen.

Kommt es dazu, könnte es auch gut gehen.

Absicht dieser Überlegungen war, herauszuarbeiten wie stark Vorgänge sich gegenseitig bedingen. Bei den Herausforderungen kam vor allem darauf an Ursache und Symptome in einen Zusammenhang zu bringen. Erst dann ist es möglich Lösungsansätze zu skizzieren.

Friede ist uns allen ein Anliegen. Der französische Militärbischof Dubost formulierte dies wie folgt: "Frieden ist kein Nebenprodukt der Wirtschaft, noch kann er herbeigesungen werden." Gestattet sei eine leichte Abweichung, dass nämlich der Friede kein Nebenprodukt der Wirtschaft sein darf.

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