Bundesheer Bundesheer Hoheitszeichen

Bundesheer auf Twitter

Die menschenrechtliche Dimension des Europarechts

erschienen in der Publikation "Die Türkei und Europa (5)" - Februar 1998

Vollständiger Beitrag als PDF:  PDF ansehen PDF downloaden  6 Seiten (40 KB)
Schlagworte zu diesem Beitrag:  EU, Entwicklung, Recht, Rechtslage, Europarecht

Abstract:

Die EU überschreitet die Eigenschaften einer klassisch internationalen Organisation. Sowohl die Integrations- als auch die Koordinationspolitik der EU werden durch das Gemeinschaftsrecht durchgeführt. Die Folgen des Gemeinschaftsrechts als objektives Recht gelten nicht nur für die Mitgliedsstaaten, sondern auch für Drittstaaten, soweit sie mit der EU Kontakt aufnehmen.

Das Gemeinschaftsrecht stellt im EU-Gebilde ein Integrationsmittel dar.

Jeder Staat, der die Integrationsabsicht bezüglich der EU hat, muß sich darüber im klaren sein, daß sein Rechtsgebilde, Wirtschaftsgebilde und politisches Gebilde von der Integration geprägt wird. Der Vertrag Ankara vom Jahre 1963 bildet die Grundlage der Beziehungen zwischen der EU und der Türkei. In der Präambel und im Artikel 28 dieses Vertrages wird als Ziel dieses Vertrages die Vollmitgliedschaft angegeben. Der Weg, der die Türkei zur Vollmitgliedschaft führt, ist in dem Vertrag in drei Phasen aufgeteilt: die Vorbereitungsphase, die Übergangsphase und die Endphase.

Die Übergangsphase ist mit der Vollendung der Zollunion beendet. Das Assoziationsverhältnis der Türkei zur EU befindet sich jetzt in der Endphase. Falls die Bestimmungen des Assoziationsratsbeschlusses vom 6. März 1995, die das Inkrafttreten der Zollunion regeln, ins Auge gefaßt werden, muß festgestellt werden, daß aus diesem Beschluß für die Türkei eine Zollunion weit überschreitende Verpflichtungen entstehen. Erklären nur dadurch, daß die Folgen des Gemeinschaftsrechts als objektives Recht auch für die Türkei verbindlich sind. Die Türkei ist noch kein Mitglied der EU. Soweit aber im Assoziationsratsbeschluß vom 6.3.1995 betont wird, wird die Rechtsangleichungspflicht der Türkei als Mittel der Anpassung an die EU-Politik dienen.

Mit dem Assoziationsratsbeschluß vom 6.3.1995 wurde ein wichtiger Schritt auf dem Weg der Integration zwischen der EU und der Türkei getan und dadurch ist zwischen der Türkei und der EU eine Solidarität entstanden. Diese Entwicklung wird durch die Koordinierung der Wirtschaftspolitik einerseits und durch die Rechtsangleichung andererseits vollendet.

Der Erfolg wird die Anwendung des Artikels 28 vom Ankara-Vertrag auf die Tagesordnung bringen. Die Verwirklichung der Zollunion ist gemäß dem Ankara-Vertrag nicht die Endstation. Gemäß dem Artikel 237 des Römischen Vertrages kann jeder europäische Staat einen Antrag auf Beitritt in die EU stellen. Welche Kriterien als ausschlaggebend in Betracht zu ziehen sind, um einen Staat als europäisch zu definieren, wurde in der Vergangenheit viel diskutiert und wird immer noch diskutiert. "Europäischer Staat" wird heutzutage nicht mehr geographisch begriffen, sondern als Gesamtheit der Werte verstanden, die die Mitglieder der Europäischen Union eng miteinander verbinden.

Diese Werte entstehen aus langen Rechtsstaats- und Demokratietraditionen der westlichen Staaten, die als allgemeine Rechtsgrundsätze sowohl in nationalen (überwiegend in Verfassungen als Grundrechtsbestimmungen) als auch in internationalen Dokumenten (z.B. Europäische Menschenrechtskonvention des Europarats; Pariser Charta zu einem neuen Europa) zum Ausdruck kommen. Zum Gemeinschaftsrecht zählen auch allgemeine Rechtsgrundsätze, auf die zum Teil im Römischen Vertrag und im Maastrichter Vertrag ausdrücklich Bezug genommen werden (so in Art.F Abs.2 EuV; in Art. 215, II EGV). Diese Werte führen zu einem immer engeren Zusammenschluß der europäischen Völker. Jeder Beitrittsantrag in die EU wird deswegen an diesen Kriterien gemessen.

Die Überprüfungskriterien sind also nicht nur wirtschaftlich und formell, sondern auch politisch zu definieren. Anläßlich der Zollunion hat die Türkei gewisse Schritte vollzogen, um einerseits dem wirtschaftlichen und formellen Verpflichtungen nachzukommen, andererseits um ihr Rechtssystem mit der EU in Einklang zu bringen. Die Rechtsangleichung ist auch im Rahmen der Assoziationsbeziehungen zwischen der Türkei und der EU als ein Integrationsfaktor erklärt worden. Sowohl im Ankaravertrag als auch in Zusatzprotokollbestimmungen wird betont, daß während der Endphase bezüglich der die freie Marktwirtschaft sichernden Faktoren im Wirtschaftsrecht, Urheberrecht, in Staatssubventionen, bezüglich Monopolen (und zwar im Kartellrecht und im Steuerrecht), Rechtsangleichungsmaßnahmen getroffen werden. Die Rechtsangleichung in diesen Gebieten werden dafür sorgen, daß die Industrieprodukte ohne Hindernisse in den EU-Ländern Freizügigkeit erlangen.

Das EU-Recht ist ein dynamisches Recht. Es entwickelt sich von Tag zu Tag. Die Rechtsangleichungsverpflichtung der Türkei ist in dem Sinne eine permanente Verpflichtung. Die Türkei muß sich an das vorhandene und das künftige Gemeinschaftsrecht anpassen.

Die Integration der Türkei in die EU ist selbstverständlich nicht nur auf das Wirtschaftsrecht beschränkt. Die Rechtsangleichung an das Wirtschaftsrecht wird gewiß für den Ablauf der Zollunion vorausgesetzt. Aber die EU hat heute nicht nur wirtschaftliche Aspekte, sondern eher politische Aspekte.

Ein Staat, der sich in die EU integrieren will, muß genauso wie das Wirtschaftsrecht auch die politischen Aspekte des Gemeinschaftsrechts in Betracht ziehen.

Die Kriterien des Artikels 237 des Römischen Vertrags werden heutzutage extensiver ausgelegt. Der Artikel F Absatz II des Maastrichter Vertrages legt fest, daß die Union Grundrechte achtet, "wie sie in der am 4.November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedsstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben".

Die Kriterien des Artikels F des Maastrichter Vertrages wurden auch im Juni 1993 auf dem Kopenhagener Gipfeltreffen bestätigt. Der Kopenhagener Text legt die Vollmitgliedschaftskriterien genau fest. Die Kopenhagener Kriterien lassen sehr gut erkennen, inwieweit die EU heutzutage politische Aspekte erhalten hat.

Eigentümer und Herausgeber: Bundesministerium für Landesverteidigung | Roßauer Lände 1, 1090 Wien
Impressum | Kontakt | Datenschutz | Barrierefreiheit

Hinweisgeberstelle