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Vorwort des Herausgebers

erschienen in der Publikation "Grenzen des Selbstbestimmungsrechtes" (ISBN: 3-222-12511-2) - Oktober 1996

Abstract:

Vorwort des Herausgebers

Im September 1995 erschien in der »Neuen Zürcher Zeitung« unter dem Titel »Selbstbestimmungsrecht - Opium für die Völker« ein bemerkenswerter Aufsatz des Schweizer Historikers Jörg Fisch. Er war der Anstoß zu einem Symposium des BMLV unter dem Titel »Die Neuordnung Europas und das Selbstbestimmungsrecht der Völker« vom 25.-26. Oktober 1996 in Reichenau an der Rax.

Die wesentlichen Beiträge des Symposiums sind in diesem Buch wiedergegeben. Es spiegelt die theoretischen und allgemeinen Perspektiven einer Entwicklung zu einem brisanten sicherheitspolitischen Gefüge, das - besonders im Osten und Südosten Europas - mit wachsender Sorge zu verfolgen ist. Die grundsätzlichen Beiträge in diesem Band sind sehr straff gehalten und beleuchten anschaulich aus unterschiedlichen Perspektiven Entwicklung, Inhalte, Problematik und Konsequenzen des Selbstbestimmungsrechts.

Im Grunde war die Themenstellung des Symposiums eine vornehm zurückhaltende Umschreibung für die Fragestellung nach der »Zukunft Europas und den Grenzen des Selbst¬bestimmungs¬rechts«, Unbestritten ist das Selbstbestimmungsrecht ein politisches Ideal, das als kollektives Recht weiterzuentwickeln ist. Die Kehrseite der Medaille ist jedoch geprägt von der Eigendynamik des hohen Risikopotentials sezessionistischer Tendenzen.

Wenn wir aber davon ausgehen, daß die Zukunft Europas als Fortschritt auf dem Weg zur Integration vorgegeben ist weil das Schicksal des Kontinents davon abhängt, ob die Menschen, Völker und Staaten in Europa zusammengenommen noch in der Lage sind, in gemeinsamen Anstrengungen die Herausforderungen der Globalisierung anzunehmen - dann sind Partikularismus und Sezession gegenläufige Prozesse, die eben diese Zukunft Europas gefährden. - Übrigens hat diese Gegenläufigkeit im Osten und Südosten Europas eine Parallele im Westen in der Strömung eines »fundamentalistischen Provinzialismus« im Gegensatz zu fortschrittlichem Regionalismus.

Das betrifft in besonderem Maße und in wechselwirkender Abhängigkeit zueinander den ökonomischen und den sicherheitspolitischen Aspekt der Zukunft Europas. Der bereits angesprochene ökonomische Aspekt im Zeichen der Globalisierung erweitert auch die bisherige ökonomische Perspektive des Selbstbestimmungsrechts, die vom Recht auf die Nutzung von Ressourcen ausging. Im Zeitalter globaler Kommunikation und globalen Wettbewerbs wird die Bedeutung lokaler Ressourcen weiter abnehmen. Auch das kulturelle So-sein (nicht nur) von Minderheiten könnte durch global wirksame Informationsmöglichkeiten in mancher Hinsicht intensiverer Erosion ausgesetzt sein, als es bisher durch staatliche Einflüsse bewirkt wurde. Das wird ganz besonders dann der Fall sein, wenn Europa auf dem Weltmarkt der Informations- und Unterhaltungsindustrie weiter zurückfällt. - Gegenüber wem und auf welche Weise sollen diese neuen inhaltlichen Kategorien, die zum Teil keinen Unterschied zwischen Minderheit und Mehrheit machen, vertreten werden?

Der globale sicherheitspolitische Aspekt der Zukunft Europas in Wechselwirkung mit der Entwicklung des europäischen Wirtschaftspotentials liegt auf der Hand. Aktuell greifbarerer Anlaß zur Besorgnis ist die innereuropäische sicherheitspolitische Entwicklung, die im direkten Zusammenhang mit dem Selbstbestimmungsrecht, mit fortschreitendem Partikularismus und Sezession steht. Ein Prozeß, der aus lokalen nationalen Emotionen großräumige (Re-)Nationalisierungstendenzen heraufbeschwört, mit neuen Grenzen und neuen Grenzfragen zu Machtverschiebungen führt, die Kettenreaktionen destabilisierender Faktoren auslösen.

Aus dieser Sicht sind die bisherigen kriegerischen Auseinandersetzungen eigentlich nicht überraschend gekommen, und die Frage steht im Raum, ob das nicht erst der Anfang einer zutiefst bedrohlichen Entwicklung gewesen sein könnte, - »Gathering Storm«, das aufkommende Gewitter, nannte Winston Churchill im Rückblick den 1. Band seines Werkes »The Second World War«.

Jörg Fisch setzt hier in seinem kritischen Aufsatz an den Schluß die »Warnung vor der Illusion, man könne mit Grenzziehungen irgendein Ideal der Menschheit verwirklichen, weil sich damit nur die Ideale einzelner Völker verwirklichen lassen ... , dann aber auf Kosten der Ideale anderer Völker.« Und wenn Fisch versöhnlich endet, daß ein bescheidenerer Ausweg darin liegt, die Bedeutung von Grenzen allmählich zu vermindern, dann läßt sich dieser Gedanke fortsetzen mit dem Hinweis, daß eben die Integration Europas auch dazu den Weg bereitet.

Die Auseinandersetzung mit dieser Thematik wird fortzusetzen sein.

Erich Reiter

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