Kulturgüter sind zahlreichen Bedrohungen ausgesetzt, die zu deren Beschädigung, Zerstörung oder Verlust führen können – bewaffnete Konflikte, Kunstraub, Naturkatastrophen, technische Katastrophen und Vandalismus gehören dabei zu den Hauptgefahren.
Naturkatastrophen wie Erdbeben, Überschwemmungen, Vulkanausbrüche oder Stürme stellen eine unvorhersehbare Gefahr für Kulturgüter dar. Diese Katastrophen können nicht nur Leben kosten, sondern auch unersetzliche kulturelle Objekte oder Stätten zerstören und damit Teile unserer Geschichte und Identität vernichten.
Zu schweren Beschädigungen von kulturellem Erbe kam es beispielsweise nach den verheerenden Erdbeben in Haiti (2010), Kathmandu, Nepal (2015) oder dem jüngsten Beben in der Türkei und Syrien (2023). Auch der Vulkanausbruch der La Soufrière auf Saint Vincent (2021) oder die Überschwemmungen in Venedig (2019) haben Kulturgüter zerstört sowie historische Gebäude und Sammlungen in Mitleidenschaft gezogen. In Deutschland kam es zur Zerstörung der Kunstsammlung von Bad Neuenahr-Ahrweiler 2021 nach einer verheerenden Flut, die durch außergewöhnlich starke Regenfälle verursacht wurde. Große Niederschlagsmengen führen auch in Österreich zu Hochwasserfluten. Ereignisse wie diese nehmen stetig zu und stellen damit weltweit eine wachsende Gefahr für das kulturelle Erbe dar.
Kulturgüter sind nicht nur durch Naturkatastrophen, sondern auch durch menschengemachte technische Katastrophen und Vandalismus gefährdet. Technische Katastrophen, wie Brände und Explosionen, können durch menschliches Versagen oder unzureichende Sicherheitsvorkehrungen verursacht werden. Vandalismus, sei es durch die bewusste Beschädigung, Zerstörung oder Entwendung von Kulturgut, kann immensen Schaden anrichten. Derartige Ereignisse der letzten Jahre verdeutlichen die dringende Notwendigkeit für präventive Schutz- und Erhaltungsmaßnahmen, um Kulturgüter vor zerstörerischen Einflüssen zu bewahren.
Am 4. August 2020 ereignete sich im Hafen von Beirut eine massive Explosion, die durch eine unsachgemäß gelagerte, große Menge Ammoniumnitrat verursacht wurde. Die Detonation löste eine riesige Druckwelle aus, die weite Teile des Hafengebiets zerstörte und immense Schäden in der gesamten Stadt verursachte.
Dabei wurden mehrere kulturell bedeutende Gebäude und Einrichtungen schwer beschädigt oder zerstört. Besonders betroffen war das Sursock-Museum, das eine umfangreiche Sammlung moderner und zeitgenössischer Kunst beherbergt und erhebliche Schäden an seiner Struktur und den ausgestellten Werken erlitt. Darüber hinaus wurden die östlichen Stadtteile Gemmayzeh und Mar Mikhael, bekannt für ihre historischen Gebäude und kulturelle Bedeutung, stark in Mitleidenschaft gezogen. Viele der traditionellen Häuser und Bauwerke wurden schwer beschädigt.
Im internationalen Katastropheneinsatz nach der Explosion wurde eine multinationale Task Force, bestehend aus Pionieren, Sanitätern und Sicherheitspersonal, zusammengestellt. Diese umfasste 149 Soldatinnen und Soldaten der United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL) aus zehn Nationen, darunter Österreich, die bei der Logistik und Koordinierung der Aufräumarbeiten halfen. In einem zwölfköpfigen Koordinierungsstab der UNO befand sich auch ein Katastrophenhilfe-Experte des Bundesheeres, der die zivil-militärische Koordinierung vor Ort übernahm und eng mit der libanesischen Armee und internationalen Hilfsorganisationen zusammenarbeitete.
Bei der Sicherung von historischen Gebäuden, Museen und Kulturgütern konnte ein großer Erfolg verzeichnet werden. Dies war das Ergebnis einer langjährigen Zusammenarbeit und gemeinsamer Übungen im Bereich des Kulturgüterschutzes. Hierbei erfolgte die Kooperation insbesondere zwischen Blue Shield International, der libanesischen Nichtregierungsorganisation Biladi, der libanesischen Generaldirektorin für Antiquitäten, den Lebanese Armed Forces und UNIFIL. Auch ein Vertreter des Bundesheeres leitete im Rahmen von UNIFIL eine Übung zum Schutz von Kulturgut. Der praktische Teil der Übung wurde in der Weltkulturerbestätte Tyros durchgeführt.
Am 15. April 2019 kam es zu einem Brand der weltweit bekannten Kathedrale Notre-Dame in Paris. Das Feuer breitete sich schnell aus und erfasste große Teile des Dachs und der berühmten hölzernen Dachkonstruktion, die als la forêt („der Wald“) bekannt war. Die Flammen zerstörten den größten Teil des Dachs und führten zum Einsturz des Spitzturms, eines ikonischen Elements der Kathedrale.
Trotz der intensiven Brände und der immensen Schäden an der Struktur konnten die Feuerwehrleute das Hauptgebäude und die beiden charakteristischen Türme an der Westfassade vor dem völligen Einsturz bewahren. Viele der wertvollen Kunstwerke und religiösen Reliquien, darunter die Dornenkrone, wurden rechtzeitig in Sicherheit gebracht.
Die Katastrophe löste weltweit Bestürzung aus und führte zu einer Welle an Spenden und Unterstützungszusagen für den Wiederaufbau der Kathedrale. Die französische Regierung setzte sich das Ziel, Notre-Dame innerhalb von fünf Jahren zu restaurieren, wobei umfassende Arbeiten notwendig waren, um die Struktur zu stabilisieren und die beschädigten Teile zu rekonstruieren.
In bewaffneten Konflikten werden Kulturgüter häufig gezielt angegriffen, womit unterschiedliche Strategien verfolgt werden.
Da Kulturgüter für Menschen und Gesellschaften von Bedeutung sind, soll mit einem gezielten Angriff auf ein Kulturgut auch der Mensch getroffen werden. Die Geschichten, Werte, Emotionen, Traditionen und persönlichen Erfahrungen, die mit dem kulturellen Objekt verbunden sind, werden zur Zielscheibe, um den Menschen auf einer psychologischen und emotionalen Ebene anzugreifen. Die Zerstörung von kulturell bedeutsamen Symbolen einer Gemeinschaft zielt auch darauf ab, deren Erinnerungen auszulöschen und damit auch die Geschichte und Identität der Gemeinschaft zu vernichten.
Als Mittler und Träger von Erzählungen über die Vergangenheit können Kulturgüter ein Gefühl der Gemeinschaft erzeugen und dem Menschen als Orientierungshilfe in Raum und Zeit dienen. In Konflikten können unterschiedliche Auslegungen historischer Ereignisse Gesellschaften spalten, indem beispielsweise auf tief in der Geschichte verwurzelte Streitigkeiten Bezug genommen wird. Die Darstellung der Vergangenheit wird häufig gezielt manipuliert, um bestimmte Handlungen, Ideen und Positionen in der Gegenwart zu rechtfertigen.
Die Beschädigung oder Zerstörung von Kulturobjekten wird auch medial inszeniert. Damit verfolgen die Täter unterschiedliche Ziele, wie Aufmerksamkeit zu erhalten, die eigene Überlegenheit und Stärke zu präsentieren, die eigenen Werte zu propagieren oder verstärkten Rückhalt in der eigenen Gruppe bzw. von Sympathisanten zu erhalten.
Angriffe auf Kulturgüter, und damit auch auf das immaterielle Erbe von Gesellschaften, werden vermehrt als strategisches Element in bewaffneten Konflikten wahrgenommen. Im Rahmen des internationalen Krisen- und Konfliktmanagements wird dies verstärkt berücksichtig. Innerhalb der Europäischen Union (EU) sind insbesondere das „Concept on Cultural heritage in conflicts and crises„ und die „Council Conclusions on EU Approach to Cultural Heritage„ aus 2021 anzuführen. Kulturelles Erbe wird hierin als wesentliches politisches und symbolisches Element in Krisen und Konflikten betrachtet sowie als bedeutende Komponente für Frieden und Entwicklung. In der North Atlantic Treaty Organization (NATO) ist der Schutz von Kulturgut im Bereich des Schutzes von Zivilisten („protection of civilians“) abgebildet und wird als eine der fünf Säulen menschlicher Sicherheit („human security“) betrachtet. Auch innerhalb der United Nations Organisation (UNO) wird der Kulturgüterschutz verstärkt berücksichtigt. Als Beispiel hierfür ist die Multidimensional Integrated Stabilisation Mission in Mali (MINUSMA) zu nennen. In der UN-Mission, die bis 31. Dezember 2023 andauerte, war der Schutz von Kulturgut im Mandat bzw. Auftrag verankert.
Die Region Tigray im Norden thiopiens besitzt eine Vielzahl an kulturell und historisch wertvollen Kulturgütern, deren Geschichte Jahrtausende zurückreicht. Im Zuge des Bürgerkriegs der Jahre 2020 bis 2022 hatte die Zerstörung und Plünderung von Kirchen und Moscheen schwerwiegende Auswirkungen auf das kulturelle Erbe und die religiöse Vielfalt der Region. Neben den großen Verlusten an Menschenleben wurden zahlreiche historische und religiöse Stätten beschädigt oder zerstört und Kulturobjekte geplündert. Der Angriff auf religiöse Institutionen und die Zerstörung von Kulturgütern zielte bewusst darauf ab, die dortige Gemeinschaft in ihrem Kern zu erschüttern und deren kulturelle Identität auszulöschen.
In Konfliktregionen steigt die Anzahl an Raubgrabungen und Plünderungen. Der illegale bzw. unrechtmäßige Handel mit dem entwendeten Gut beraubt Menschen ihrer Geschichte und Kultur. Darüber hinaus stellt der Verkauf von gestohlenen Kunstobjekten eine lohnende Einnahmequelle dar und fördert die organisierte Kriminalität. Bewaffnete Gruppierungen profitieren von den Einnahmen aus dem unrechtmäßigen Verkauf von Kulturgütern, auch wenn der Kulturguthandel meist nicht als Haupteinnahmequelle dient.
Von der International Criminal Police Organization (INTERPOL) wird der illegale Kulturguthandel bekämpft und eine Datenbank über gestohlenes Kulturgut geführt. Der Generalsekretär von INTERPOL, Jürgen Stock, sieht den Schutz von Kulturgut nicht nur als kulturelles Thema, sondern als notwendige Sicherheitsmaßnahme.