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Leben in einer anderen Welt: Das islamische Opferfest in Afghanistan

24. Februar 2002 - 

Ein Bericht von Oberstabsfeldwebel Johann Fritsch, Deutsche Bundeswehr Von den Feiertagen der vergangenen Woche haben die meisten deutschen und österreichischen Soldaten in Kabul so gut wie nichts mitbekommen. Nur wenigen war es im Rahmen ihrer Aufgaben vergönnt, Einblicke in die Traditionen der Bevölkerung zu bekommen. Aber auch die normalen Alltagsverhältnisse bringen zahlreiche Eindrücke vom Leben in einer anderen Welt.

Es sind ein paar Momentaufnahmen aus den Tagen des islamischen Opferfestes, anhand derer Außenstehenden die Fremdartigkeit der Hauptstadt Afghanistans und ihrer Menschen ein bißchen nähergebracht werden kann.

Am Donnerstag, dem Fasten- und Vorbereitungstag für das Opferfest, wurde eine Gruppe von Soldaten in die Stadt eingewiesen. Solche Einweisungen sind unter anderem für Soldaten erforderlich, die im Rahmen ihrer Aufgaben Presse und Gäste begleiten oder sich aus anderen Gründen im ganzen Stadtbereich bewegen müssen. Ein besonderes Erlebnis ist eine solche Fahrt mit einem angemieteten Zivilbus. Das Transportmittel an diesem Tag war ein Mercedes-Benz, Baujahr 1965. Der Tacho war irgendwann bei weit über 400 000 km stehengeblieben. Statt einer Heckscheibe befanden sich Panzerplatten am Heck, die Frontscheibe war durchlöchert und von Rissen durchzogen. Zur Belüftung des Inneren dienten zahlreiche Einschußlöcher, an den Seiten hatte jemand Plastikfolie als Fensterersatz befestigt. Die Karosserie lag für jeden spürbar direkt auf dem Fahrwerk auf. Der Bus war auf Grund der Tatsache, daß Stoßdämpfer und Federung fehlten, stark linkslastig. Die lautstarke Hupe wurde durch eine "offene Funkenschaltung" betätigt, indem der Fahrer bei voller Fahrt die rechte Hand an ein stromführendes Kabel legte und selbiges mit dem blanken Metall des Armaturenbrettes in Kontakt brachte. Dieses führte regelmäßig zu einem lauten Knall, erheblichen Funkenflug und Lacherfolg bei den im Bus sitzenden Soldaten. Das Gefährt hielt wider Erwarten, trotz seines Zustandes, des chaotischen Verkehrs und der ortsüblichen Fahrweise durch. Das notwendige Wissen über die Örtlichkeiten ist bei den Soldaten angekommen, so daß diese in Zukunft ihr Ziele in Kabul finden können.

Der Freitag war der erste von drei Feiertagen des islamischen Opferfestes. Dieses beginnt genau 70 Tage nach Ende des Fastenmonats Ramadan und fiel in diesem Jahr auf den Wochenfeiertag Freitag. Ursprung des Festes ist, ähnlich den Schilderungen des Alten Testamentes, das an Gott gerichtete Opfer Ibrahims (Abraham). Der Herr im Himmel hatte nach der Überlieferung den vom gehorsamen Ibrahim als Menschenopfer vorgesehenen Sohn gegen ein Schaf ausgetauscht. Deshalb schlachten die wohlhabenden Moslems noch heute an diesem Tag ein Opfertier und teilen es zu je einem Drittel mit Bedürftigen und der Verwandtschaft.

Nach einem morgendlichen Gebet in der Moschee schächtete der Hausherr, Sprachmittler beim deutschen ISAF-Kontingent, einen Hammel. Nachdem das Tier ausgeblutet war, wurde es enthäutet, ausgenommen und zerlegt. Damit hatten die Männer der Familie ihre Pflicht getan und überließen die Zubereitung des Fleisches den Frauen. Sie zogen sich mit den Gästen, unter ihnen auch eine Journalistin, in das Obergeschoß des Hauses zurück. Die Frau wurde im Rahmen der Gastfreundschaft in der Männerrunde geduldet.

Den auf Kissen entlang den Wänden Sitzenden wurden neben dem traditionellen Tee zahlreiche Genüsse des Orients gereicht: Mandeln, Nüsse, Rosinen, Gebäck, Kuchen, geröstete Erbsen und vieles mehr. Am Mittag wurde das Festmahl aufgetragen. Dieses bestand aus einem Reisgericht mit Rosinen und Gemüse, Rohkost und Fleisch des eben geschlachteten Hammels. Die Männerrunde genoß das Mahl, ihre Frauen hatten die Gelegenheit nach Abschluß ihrer Arbeiten in der Küche unter sich zu essen.

Am Ende des Besuches wurden die Gäste von den einheimischen Gastgebern mehrfach und wortreich verabschiedet. "Die Gäste mögen wiederkommen", "Inschallah" (wenn Gott es will). Beeindruckt von der Gastfreundschaft und über die Vor- und Nachteile der erlebten Geschlechtertrennung nachdenkend, fuhren die Soldaten mit der Journalistin in das Feldlager, zurück in weitgehend mitteleuropäische Verhältnisse.

Das Angebot in den kleinen Metzgereien ist zu den Festtagen recht groß. (Bild öffnet sich in einem neuen Fenster)

Das Angebot in den kleinen Metzgereien ist zu den Festtagen recht groß.

Wer immer kann, schlachtet zum Opferfest jedoch selbst. (Bild öffnet sich in einem neuen Fenster)

Wer immer kann, schlachtet zum Opferfest jedoch selbst.

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