Bundesheer Bundesheer Hoheitszeichen

Bundesheer auf Twitter

Afghanistan verstehen lernen

17. März 2002 - 

Ein Bericht Major Karl Curin Sie erklärt uns ein Land. Ein Land, das gar nicht Ihr Land ist. Dennoch weiß sie besser darüber Bescheid als wir alle, weil sie zum Einen deren Sprache spricht und zum Anderen mehrere Wochen bis Monate im Jahr hier verbringt. Und wir nehmen es dankbar auf. Sie vermittelt eine Botschaft die man fühlt, wenn man in den Straßen unterwegs ist, aber die militärische Vorsicht und Skepsis gegenüber der Bevölkerung ist dennoch größer und man wahrt eine gewisse Distanz. Siba Shakib - Tochter einer Deutschen und eines Iraners und Autorin des Bestsellers "Nach Afghanistan kommt Gott nur noch zum Weinen" besuchte die Soldaten im Camp "Warehouse".

Zu Beginn bemerkt Frau Shakib, dass Afghanistan wie ein Virus wirkt - wenn man einmal hier war, kommt man immer wieder zurück. Die Landschaft und die Leute üben eine so große Faszination aus, dass man sich dem nicht mehr entziehen kann. Hoffentlich bedeutet das nicht, dass die ISAF-Mission so lange andauern wird, dass die Soldaten mit einer der nächsten Rotationen wieder hierher zurück kommen, denkt sich nun jeder der Zuhörer.

Danach erfahren wir etwas über die momentane Situation des Landes. "Alle hier sind vom Krieg traumatisiert - jede Familie hat Verwundete oder Tote durch die Kriege der letzten 23 Jahre zu beklagen", teilt uns Frau Shakib mit. Die Leute haben keine Hoffnung in die Interimsadministration. Aber sie haben Hoffnung, dass die Welt auf Afghanistan schaut und Hoffnung in die ISAF Mission. Auch der König, welcher zum islamischen Neujahrsfest hier eintreffen und der großen Ratsversammlung, der Loya Jirga, vorstehen soll, wird nur eine Symbolfigur sein. Er wird ohne politische Bedeutung sein, und die Bevölkerung setzt keine große Erwartungen in ihm. Deutschland und Österreich nahmen an den Kriegen hier weder direkt, noch indirekt teil und somit besitzen die Soldaten hier großes Ansehen und Beliebtheit. Die Bevölkerung tritt den deutschen Soldaten somit ohne Skepsis gegenüber und hat volles Vertrauen zu ihnen. Man merkt natürlich als Soldat, dass die Bevölkerung uns gegenüber manch anderen Ländern wesentlich unbelasteter gegenübertritt, dennoch erfordert der militärische Auftrag eine bestimmt Distanz und Skepsis um die eigene Sicherheit nicht zu gefährden. Auch auf die Stellung der Frauen in Afghanistan wird eingegangen. Ist uns Soldaten schon in den letzten Tagen aufgefallen, dass immer mehr Frauen mit hochgeschlagener oder überhaupt ohne Burka unterwegs gewesen sind, so erfuhren wir jetzt den Grund dafür. Der 8. März, der Tag der Frauen, war ein Symboltag für ein neues Selbstbewusstsein. Dieses wir natürlich auch zur Schau gestellt - eben im Zeigen des eigenen Gesichtes. Dies wird mit dem Eintreffen des Königs und dem Neujahrsfest Ende März noch weiter verstärkt werden und die Zahl der Unverschleierten wird zunehmen. Die Frauen werden in Afghanistan als Zierde des Mannes gesehen. Wird eine Frau von einem fremden Mann angestarrt oder berührt, so ist dies eine Beleidigung des Mannes. Deshalb wurden so viele Verbrechen an Frauen während des Krieges begangen - der Mann wurde dadurch seiner Ehre beraubt. So schreibt sie in ihrem Buch: "Was sie nicht freiwillig bekommen, nehmen sie sich mit Gewalt. Afghanisches Essen, Kleidung, Geld, afghanische Frauen, Mädchen, die Ehre afghanischer Männer, der Väter, der Söhne, die Würde und den Stolz der Nation, den Glauben und das gottvertrauen". Auch heute noch ist das Anstarren eine Befremdung für die Frauen und erzeugt Angst. Die Entschleierung von Frauen durch einen fremden Mann, wie es zum Beispiel als Zwangsmaßnahme von der Polizei in Persien durchgeführt wurde, wird nicht als Befreiung sondern als Entwürdigung empfunden. "Wäre die Verschleierung das einzige Problem Afghanistans, so gäbe es keine Probleme", sagt Frau Shakib. Die größte Sorge ist der Stellenwert der Frau hier - Tiere sind oft wertvoller als Frauen da sie Milch, Fleisch und andere Dinge liefern und die Frau kann "nur" Kinder gebären. Außerdem gibt es in Afghanistan durch den Krieg 55 % Frauen aber nur 45 % Männer. Die Bildung für Frauen ist wichtig, da das Selbstwertgefühl gesteigert wird und sie sie freier macht.

Welche Visionen bzw. Zukunftsvorstellungen hat Frau Shakib für Afghanistan? Jeder Schritt vorwärts in Afghanistan ist so viel wert wie zehn Schritte in anderen Ländern. Die internationale Hilfe sollte weitergehen. Die Menschen sollen in ihren traditionellen Berufen weiterarbeiten und die Schnelligkeit des Fortschritt selbst bestimmen. Die Fähigkeiten und Ressourcen der Leute und des Landes sollen genutzt, aber nicht ausgenutzt werden. In 20 Jahren soll man in Afghanistan Urlaub machen können ohne sich der Gefahr von Minen auszusetzen und ohne dass Leute auf den Straßen geprügelt werden.

Wir, als Soldaten der ISAF - der internationalen Unterstützungstruppe - hoffen hier wenigstens einen Anfang für eine gute Zukunft des Landes gelegt zu haben. Möge es in dieser Richtung weitergehen. Übrigens, Frau Shakib bekommt für diese Vorträge und Informationsveranstaltungen kein Geld, durfte aber wie andere Journalisten die Flugzeuge der Bundeswehr benutzen.

Die Autorin signiert ein Erinnerungsexemplar für Major Karl Curin. (Bild öffnet sich in einem neuen Fenster)

Die Autorin signiert ein Erinnerungsexemplar für Major Karl Curin.

Interessante Einblicke in Gesellschaft und Kultur werden gewährt. (Bild öffnet sich in einem neuen Fenster)

Interessante Einblicke in Gesellschaft und Kultur werden gewährt.

Eigentümer und Herausgeber: Bundesministerium für Landesverteidigung | Roßauer Lände 1, 1090 Wien
Impressum | Kontakt | Datenschutz | Barrierefreiheit

Hinweisgeberstelle