Bundesheer Bundesheer Hoheitszeichen

Bundesheer auf Twitter

Nur knappe zehn Minuten - Erlebnisse von Soldaten in Kabul

12. Mai 2002 - 

Ein Bericht von Oberstabsfeldwebel Johann Fritsch Militärkraftfahrer sind oft gezwungen ein paar Minuten zu warten. Sie rauchen dann gemütlich eine Zigarette, lesen ein Buch oder machen einfach die Augen zu. Dies alles ist in der Heimat problemlos möglich, unabhängig davon, ob der Soldat irgendwo im Gelände oder mitten in einer Stadt auf seine Vorgesetzten wartet.

In der afghanischen Hauptstadt Kabul harrten eines Mittags zwei Angehörige der ISAF-Truppe (International Security Assistance Force) bei ihrem Fahrzeug der Rückkehr ihrer Vorgesetzten. Der Fahrer war bei geöffnetem Seitenfenster am Steuer sitzengeblieben, während ein höherer Unteroffizier ausstieg und das orientalische Treiben um sich herum beobachtete. Als erstes bemerkte er einen etwa siebenjährigen Jungen, der mit einem staubigen Lappen den Schmutz auf den Fahrzeugfenstern annähernd gleichmäßig verteilte. "No" sagt der Unteroffizier, "Yes" antwortete der Fensterputzer, "Only one Dollar". Nach mehreren "No´s" ging er auf die Fahrerseite. Dort nannte er dem Fahrer seinen Preis, nahm keinerlei "No´s" zur Kenntnis und übertrug weiter den Schmutz aus seinem Tuch auf das Auto.

Der Unteroffizier hatte in der Zwischenzeit mehrfach dem Erwerb von Zigaretten widerstanden (ein Dollar pro Schachtel) und auch die Dienstleistung von Schuhputzern zum selben Wert abgelehnt. Dem Fahrer wurde auch nicht langweilig. Er hatte zwei kleinen Verkäufern der Zeitung "Kabul weekly" freundlich eine Abfuhr erteilt und den Fensterwischer von der Zwecklosigkeit seines Tuns überzeugt. Die paar, das Fahrzeug umringenden, Bettler gaben bald auf und wurden vom Anbieter des ortsüblichen Fladenbrotes weggeschoben. Der Fahrer beantwortete zum xten Male den, sich an den Scheiben die Nase plattdrückenden, Kindern die Frage nach seiner Herkunft; sein älterer Kamerad schüttelte zur gleichen Zeit die ausgestreckte Hand eines zahnlosen, jedoch hohen Polizeibeamten. Nahezu unbemerkt hatte der Fensterputzer an der Heckscheibe beginnend mit den Worten "One Dollar" sein Werk fortgesetzt. Als dieser gerade den Rückspiegel auf der Fahrerseite in der Mangel hatte, hielt neben ihm ein Sockenverkäufer mit seiner Holzkarre und pries wortreich seine Ware an. Der Fahrer, der Paschtu-Sprache nicht mächtig und vom Dienstherrn mit ausreichend Fußbekleidung versehen, schüttelte freundlich den Kopf und rief auch noch dem Fensterputzer ein weiteres "No" zu.

Inzwischen stand der kleine Zigarettenverkäufer wieder am Wagen. Zur Verstärkung hatte er den schon bekannten Schuhputzer mitgebracht. Während die beiden Soldaten auch noch das Wiederauftauchen des Brotverkäufers, der Bettler, des Zeitungsjungen sowie des Polizeioffiziers erwarteten, geschah es: Die ISAF-Kameraden kamen zurück.

Es waren nur knapp zehn Minuten des Wartens vergangen. Trotz aller Freundlichkeit der Menschen haben sich die beiden Soldaten wohl selten in ihrer Dienstzeit so über den Anblick von Vorgesetzten gefreut wie in diesem Augenblick. Ruckzuck wurde aufgesessen und losgefahren. Durch das offene Seitenfenster war noch einmal ein leises "One Dollar" zu hören, dann übertönte der Straßenlärm die Stimmen der Zurückgeblieben.

"Only one Dollar". (Bild öffnet sich in einem neuen Fenster)

"Only one Dollar".

Warten auf potentielle Kunden. (Bild öffnet sich in einem neuen Fenster)

Warten auf potentielle Kunden.

Die Mariahilferstraße Kabuls. (Bild öffnet sich in einem neuen Fenster)

Die Mariahilferstraße Kabuls.

Eigentümer und Herausgeber: Bundesministerium für Landesverteidigung | Roßauer Lände 1, 1090 Wien
Impressum | Kontakt | Datenschutz | Barrierefreiheit

Hinweisgeberstelle