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Alter Krieg im neuen Gewand? Der Kriegsprozess in Kolumbien aus der Perspektive der "neuen Kriege"

erschienen in der Publikation "Kolumbien zwischen Krieg und Frieden" (ISBN: 3-901328-89-0) - Juni 2003

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Schlagworte zu diesem Beitrag:  Kolumbien, Bürgerkrieg, Staat, Guerilla, Gewalt, Bevölkerung, Zivilbevölkerung, Politische Theorie, FARC, Asymmetrische Kriegsführung

Abstract:

Beinahe täglich überwinden selbst in Zentral- und Mitteleuropa Meldungen aus dem weit entfernten Kolumbien über Entführungen, Flugzeugabschüsse, Erpressungen, Morde, Guerillaüberfälle und - nicht zu vergessen - Drogenanbau die "gatekeeper" hiesiger Presseagenturen und verbreiten ein schauderhaftes Bild über die Zustände in diesem Land. Der "Drogenkrieg" wurde zum Synonym für die Vorgänge in diesem von Gewalt zerrütteten Staat. Der Begriff greift allerdings viel zu kurz angesichts der komplexen und komplizierten Akteurskonfiguration und der omnipräsenten Gewalt in unterschiedlichster Ausprägung.
Ist das nun der "neue" Krieg, der in der Konflikt- und politikwissenschaftlichen Literatur bereits
seit Jahren äußerst umfangreich beschrieben und nach fast einhelliger Auffassung der Autoren zum bestimmenden Phänomen der Zukunft wird? Kann man im Hinblick auf die über fünfzigjährige Konfliktgeschichte in Kolumbien tatsächlich von "neu" im Sinne von neuartig sprechen? Ist es nicht eher ein "alter" Krieg, der die Zivilbevölkerung in Geiselhaft nimmt, den Staat lähmt und eine Wende zu Prosperität und allgemeinen Wohlstand verhindert? Oder ist es nicht überhaupt ein Krieg, der sich den Zeiten und Umständen anpasst und dessen - wie Clausewitz es bezeichnet - chamäleonhafter Charakter verstärkt zum Ausdruck kommt?14
Herfried Münkler und vor ihm bereits manch andere Analytiker (so z.B. Mary Kaldor, Hans
Magnus Enzensberger, Christopher Daase) setzen sich in ihren Werken nicht nur mit dem Konflikt in Kolumbien, sondern mit der generellen Entwicklung des Krieges weltweit auseinander. Ihr deckungsgleicher Befund lautet dabei, dass der zwischenstaatliche Krieg zur Rarität wird, bereits jetzt eine absolute Ausnahme darstellt und hinkünftig vielleicht überhaupt verschwinden wird. Kein Wunder, angesichts der jährlich erstellten Kriegsstatistiken, die etwa für das Jahr 2002 von 45 weltweit stattfindenden kriegerischen Konflikten lediglich einen (!) als zwischenstaatlichen Krieg registrierte.15
Das Schwinden zwischenstaatlicher Kriege ist aber keinesfalls gleichbedeutend mit einer Abnahme kriegerischer Auseinander-setzungen; es ist eher vom Gegenteil aus zu gehen. Krieg wird auch im 21. Jahrhundert ein alltägliches Phänomen darstellen. Er hat aber sein Antlitz geändert, es steht nicht mehr der Staat im Vordergrund und er ist weniger prognostizier-, plan- und steuerbar denn je. Es wird von einer "Entstaatlichung" des Krieges und einer "Privatisierung der Gewalt" gesprochen, im Extremfall wird ein Bild vom "molekularen Bürgerkrieg" gezeichnet, das der Hobbes’schen Vorstellung von einem Krieg "jeder gegen jeden" sehr nahe kommt.
Was sind nun die zentralen Veränderungen bei und in diesen Kriegen, die zur Bezeichnung "neue"
Kriege führten, im Kontext einer universellen Globalisierung stehen und unter der Notwendigkeit
einer globalen "Versicherheitlichung" zu sehen und zu bewältigen sind? Es scheint angebracht, die Entwicklung des Krieges der letzten Jahrzehnte und die dabei zu Tage tretenden Phänomene kurz
zu beleuchten, um anschließend am Fallbeispiel Kolumbien zu prüfen, wie "neu" dieser gewaltsame Konflikt denn tatsächlich ist. Dabei muss allerdings vorausgeschickt werden, dass die Phänomenologie der neuen Kriege naturgemäß eine simplifizierte, idealisierte Sichtweise darstellt und in den realen Konflikten nicht notwendigerweise alle Phänomene vorhanden sein müssen bzw. situationsspezifische Abarten und Varianten auftreten können.

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