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Die Szenariobündelanalyse

erschienen in der Publikation "Zur Lösung des Kosovo-Konfliktes" (ISBN: 3-8329-0281-3) - Oktober 2003

Schlagworte zu diesem Beitrag:  Wissenschaft, Politische Theorie, Politik, Ergebnis, Szenario, Krise, Krisenanalyse, Strategische Analyse

Abstract:

Die Szenariobündelmethode


Gliederung
1. Einleitung
2. Die Szenariobündelmethode
3. Allgemeine Eigenschaften der Szenariobündelmethode
4. Akteure
5. Ziele und Befürchtungen
6. Militärische Stärke und Schutzbeziehungen
7. Plausible Koalitionen
8. Anfangsoptionen
9. Interne Ereignisse
10. Szenariobündel
11. Zusätzliche Bemerkungen zu den Zielen der Methode

Auszug:
2. Die Szenariobündelmethode
Szenariobündel sind spieltheoretische Modelle möglicher internationaler Konfliktsituationen. Ziel dieses Aufsatzes ist es, eine systematische Art der Anwendung qualitativer Expertenurteile als Basis für die Konstruktion und Auswertung von Szenariobündeln für ein bestimmtes geografisches Gebiet (z.B. die Region des Kosovo), zu beschreiben. Dieses Verfahren ist die Szenariobündelmethode.

Der Ansatz ist eher semiformal als mathematisch, obwohl er von der Spieltheorie inspiriert wurde. Der Schwerpunkt liegt eher auf der Modellierung als auf der Analyse. Szenariobündel sind sehr einfache Spielstrukturen mit einfachen spieltheoretischen Gleichgewichtslösungen. Ist die schwierige Aufgabe der Modellierung erst einmal erfüllt, ist die Analyse einfach.
Die Entwicklung der Szenariobündelmethode ist das Ergebnis gemeinsamer Bemühungen von Amos Perlmutter, einem Politikwissenschaftler, und Reinhard Selten, einem Spieltheoretiker.

Der Sozialwissenschaftler, der ein spieltheoretisches Modell eines spezifischen Bereiches der Realität konstruieren will, muss die folgenden Fragen beantworten: Wer sind die Spieler? Was sind die motivierenden Faktoren, die die Präferenzen eines Spielers festlegen? Welche strategischen Möglichkeiten haben die Spieler? Was sind die Konsequenzen aus den unterschiedlichen Kombinationen strategischer Möglichkeiten? Welches sind die Präferenzen der Spieler über diese Konsequenzen?

Die Szenariobündelmethode ist ein systematischer Weg, um solche Fragen einer Gruppe von sachkundigen Personen zu unterbreiten. Gruppendiskussionen produzieren qualitative Urteile, die als Basis der Modellkonstruktion dienen. Szenariobündel erfordern keine Spezifizierung numerischer Parameter. Qualitative Urteile sind ausreichend.

Es gibt eine Reihe von Aufgaben, die eine nach der anderen durchgeführt werden müssen:
Eine Liste der Akteure: Die meisten Akteure sind Staaten, aber auch Nicht-Staaten werden in die Überlegungen miteinbezogen.
Eine Liste von Zielen für jeden Akteur: Ziele sind mittelfristige Zielsetzungen. Es wird angenommen, dass die Akteure von Zielen motiviert werden, die ihre Wurzeln in historischen Entwicklungen haben.
Eine Liste von Befürchtungen für jeden Akteur: Ebenso wichtig wie Ziele sind auch die Befürchtungen der Akteure, meistens verbunden mit wahren oder hypothetischen Gefahren durch militärische Angriffe.
Eine Rangfolge der militärischen Stärke: Die Rangfolge der militärischen Stärke der Akteure dient zur Unterstützung der Expertenurteile über die zu erwartenden Resultate möglicher militärischer Konflikte.
Eine Struktur von Schutzbeziehungen: Stärkere Akteure können eine Schutzbeziehung zu schwächeren Akteuren haben. Die Struktur dieser Beziehungen dient zur Unterstützung des Urteils der Experten über plausible Koalitionen.
Eine Liste plausibler Koalitionen: Die hohe Anzahl kombinatorisch möglicher Koalitionen wird auf eine geringe Anzahl plausibler Koalitionen reduziert, die sich im Lichte der Ziele und Befürchtungen ihrer Mitglieder selbst anbieten.
Eine Liste anfänglicher Optionen für jeden Akteur: Anfängliche Optionen sind plausible Aktionen, deren ungehinderte Durchführung Ziele fördert und Befürchtungen vermindert.
Eine Liste anfänglicher Optionen für plausible Koalitionen: Nicht nur Akteure, sondern auch Koalitionen können anfängliche Optionen haben.
Eine Liste interner Ereignisse: Ziele und Befürchtungen können durch Revolutionen, Militärputsche, den Tod eines Herrschers oder ähnliche interne Ereignisse verändert werden.

Szenariobündel: Eine anfängliche Option oder ein internes Ereignis kann dazu führen, dass manche Akteure zwischen verschiedenen Reaktionsoptionen, wie zum Beispiel dem Unterstützen oder Nicht-Unterstützen eines Verbündeten nach einem Militärschlag, wählen müssen. Eine Reaktionsoption ist durch die unmittelbare Notwendigkeit der Entscheidung gekennzeichnet. Eine Reaktionsoption kann einer anderen Reaktionsoption folgen und so fort - bis ein natürlicher Endpunkt erreicht ist. In dieser Weise wird ein Szenariobündel aufgebaut, welches grafisch durch einen Baum dargestellt werden kann. Die Ausarbeitung der Szenarien schließt Urteile der Experten über das erwartete Ergebnis militärischer Konflikte ein. Ebenso wie anfängliche Optionen sind auch Reaktionsoptionen mit Zielen und Befürchtungen der Akteure verbunden. Jede anfängliche Option oder jedes interne Ereignis führt zu einem einzelnen Szenariobündel.

Präferenzurteile und Analyse der Szenariobündel: Die wichtigsten Fragen, die durch die Analyse der Szenariobündel beantwortet werden sollen, sind die folgenden: Welche anfänglichen Optionen werden gewählt werden? Welche anfänglichen Optionen werden eher nicht gewählt werden? Was sind die voraussichtlichen Konsequenzen interner Ereignisse? Um diese Fragen zu beantworten, müssen die Szenariobündel untersucht werden, wobei man durch Rückwärtsinduktion von den Endpunkten des Baumes bis zur Wurzel geht. Urteile über die Präferenzen zwischen unterschiedlichen Endergebnisse aus Sicht der einzelnen Akteure hinsichtlich ihrer Ziele und Befürchtungen müssen im Verlauf des Analyseprozesses gefällt werden.

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