Bundesheer Bundesheer Hoheitszeichen

Bundesheer auf Twitter

Die Wirtschaftspolitik der EU und die französischen Wahlen

Die Wirtschaftspolitik der EU und die französischen Wahlen

Mit Bezug auf den 11.September 2001 analysierte Gary Hamel im FORTUNE v. 12. November 2001, S. 95, die Grundlagen für die Weltmachtstellung der USA. Eine davon ist die Verbindung von wirtschaftlicher und militärischer Stärke. Im Vergleich dazu, kann die EU im Interesse ihrer Sicherheit nicht auf die militärische Präsenz der USA in Europa verzichten. In der Wirtschaftspolitik hat sich die EU aber ein atemberaubendes Ziel gestellt: der Europäische Rat hat in der Sitzung vom 23./24. März 2000 in Lissabon "... sich das strategische Ziel gesetzt, die EU in den nächsten 10 Jahren zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten Wirtschaftsraum der Welt zu machen". Als man diesen Beschluss fasste, wurden 11 der 15 EU-Staaten sozialistisch regiert. Die Zielsetzung impliziert, die USA zu übertreffen. Schon drei Fakten zeigen die Schwierigkeit des Unterfangens. Erstens kann jedermann täglich beobachten, wie die europäischen Börsen der New Yorker Börse folgen. Zweitens sind laut Europäischer Zentralbank gegenwärtig 2/3 der Reservewährungen in Dollar, 13 % in Euro und 5 % in Yen angelegt. Drittens können sich die USA dank ihrer militärischen Stärke dem Wettbewerb entziehen, wenn das in ihrem nationalen Interesse liegt, wie z. B. zum Schutz der Stahlindustrie und der Landwirtschaft. Abgesehen von der hohen Zielsetzung der EU, wird der Wettbewerb von den vier wirtschaftlichen Freiheiten des Personen-, Geld-, Waren und Dienstleistungsverkehrs bestimmt. Von diesen "Vier" ist das Geld das beweglichste Element. Es fließt dorthin, wo der größte Gewinn erwartet wird. Der Geldfluss betrug im Jahr 2001 täglich 1 300 Milliarden Dollar ("The Economist" v. 18. Mai d. J., S. 10). Wie das Beispiel Argentinien zeigt, können Investitionen genau so schnell abfließen, wie sie zugeflossen sind. Während die US-Bürger akzeptieren, dass sich im Wettbewerb der Stärkere durchsetzt, so dass es beim Unterlegenen zu Entlassungen kommen muss, wollen viele Europäer dieses Faktum nicht zur Kenntnis nehmen. Politisch sind vor allem die Linksparteien davon betroffen, deren traditionelle Wähler bei Betriebsschließungen den Arbeitsplatz verlieren. Die europäischen Politiker müssen die Frage beantworten, wie man die USA im Wettbewerb übertreffen kann, ohne dessen systeminanente Folgen zu akzeptieren. Die letzten Wahlen in Frankreich reflektieren diese Situation und sind typisch für Europa mit Ausnahme Großbritanniens. Im Jahre 1997 wurde eine sehr starke rechte Mehrheit unter Alain Juppè abgewählt, weil die Mehrheit der Franzosen seine Reformen zur Verbesserung des Wettbewerbes abgelehnt hatte. Ihm folgte die linke Regierung unter Lionel Jospin. Auch sie musste im Rahmen der vier wirtschaftlichen Freiheiten agieren. Jospin privatisierte mehr Einrichtungen als seine sechs Vorgängerregierungen zusammen (TIME-Magazin v. 22. April d. J., S. 62). Als großen Erfolg betrachtete Jospin, dass er die Arbeitslosigkeit, dank der guten internationalen Konjunktur und der Einführung der 35-Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich, fast um ein Drittel reduzieren konnte. Die an sich beeindruckende Zahl verbarg aber viele Schattenseiten, wie Teilzeitarbeitsplätze mit geringen Einkommen sowie die Neigung der Mittel- und Kleinbetriebe, so wenige Arbeitskräfte wie möglich einzustellen, um sich die teuren Lohnkosten zu ersparen. Das Los der ärmeren Schichten, die in den Vorortvierteln mit Immigranten zusammenleben, verbesserte sich kaum. Wo fremde Kulturen in schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen aufeinander treffen, kommt es unvermeidlich zu Spannungen, die man nicht mit "Rassismus" abtun kann. Sowohl Chirac wie auch Le Pen machten die innere Sicherheit zum Wahlkampfthema Nummer Eins. Während der Regierungszeit Jospins demonstrierten Bauern, Fernfahrer, Fischer, Lehrer, Finanzbeamte, Polizei, Gendarmerie, Krankenschwestern und praktische Ärzte für die Verbesserung der Einkommen und der Arbeitsbedingungen. Bei jeder Betriebsschließung wurde die Regierung zu Hilfe gerufen, die aber aufgrund der Wettbewerbsbestimmungen nicht helfen konnte. José Bové, ein Bauernfunktionär, profilierte sich als Globalisierungsgegner. Der objektive Beobachter konnte daher nicht so überrascht sein, als Jospin bei den Präsidentwahlen am 21. April d. J. vom rechtsextremen Le Pen geschlagen wurde. Die Linke forderte danach ihre Wähler auf, im zweiten Wahlgang Chirac zu wählen, der mit einem Rekordergebnis von 82 % wiedergewählt wurde. Der Siegeszug des Präsidenten setzte sich beim ersten Wahlgang der Parlamentswahlen fort. Kommentar eines verbitterten linken Taxifahrers: "Die Linke hat ihre Wähler in das rechte Lager kommandiert. Und dort sind sie geblieben". Nach dem zweiten Wahlgang verfügt nun die Rechte über eine 2/3 Mehrheit im Parlament. Die 30 Prozent der links- und rechtsextremen Wähler sind nicht parlamentarisch vertreten. Dazu kommen allein im zweiten Wahlgang der Parlamentswahlen 14 608 606 Nichtwähler. Muss man sich da nicht fragen, wie repräsentativ die große Mehrheit ist? Und wie reagiert der kleine Mann? Ein streikender Arbeiter der in Liquidation befindlichen Firma A & R Cartons in Soissons seufzt: "Wir brauchen keine Partei, wir brauchen einen Arbeitsplatz" ("Le Monde" v. 11. Juni d. J., S. 3). Werden sie ihn bekommen?

General i. R. Prof. Siegbert Kreuter

Eigentümer und Herausgeber: Bundesministerium für Landesverteidigung | Roßauer Lände 1, 1090 Wien
Impressum | Kontakt | Datenschutz | Barrierefreiheit

Hinweisgeberstelle