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Aktuelles Weltgeschehen

Die deutsche Bundestagswahl und die europäische Außenpolitik

Im September d. J. haben Wahlen zu den nationalen Parlamenten in Schweden, der Slowakei und in Deutschland stattgefunden. Während überall die bisherigen Regierungsparteien bestätigt worden sind, hat der Wahlkampf in Deutschland weltweite Reaktionen ausgelöst. Warum? Die Ausgangslage zur Wahl war eine europäische Standardsituation.

1998 war die rotgrüne Opposition gegen die bürgerliche Regierung aus CDU/CSU und FDP angetreten. Sie machte ausschließlich die Regierung für das hohe Budgetdefizit und die Arbeitslosenrate von über vier Millionen Menschen verantwortlich. Gerhard Schröder, der rote Herausforderer, versprach, innerhalb von vier Jahren die Arbeitslosenzahl um eine halbe Million zu senken. Er gewann die Wahlen von 1998, verlor aber den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Wie 1998 zählte man auch im Jahr 2002 über vier Millionen Arbeitslose. Nun machte die bürgerliche Opposition ausschließlich die rotgrüne Regierung für die Arbeitslosigkeit und das noch viel höhere Budgetdefizit verantwortlich. Für den objektiven Beobachter haben zwar Personen die Rollen gewechselt, die politische Grundsituation war aber gleich geblieben. Das gleiche Bild konnten wir bei den österreichischen Wahlen im November d. J. beobachten. Der Grund dafür ist einfach: die um die Macht kämpfenden Parteien wollen nicht öffentlich eingestehen, dass ihr Einfluss auf die Wirtschaft sehr gering geworden ist. Das Wirtschaftsgeschehen bestimmt vor allem der Markt. Die EU will die USA im Wettbewerb übertreffen. Dabei stellt sie nur seine Vorderseite dar: Konkurrenz fördert Innovation und drückt die Preise. Die Rückseite des Wettkampfes charakterisiert eine Studie im "FORTUNE" vom 20. Dezember 1999, S. 45 so, dass "... der Starke den Schwachen zerstört." Und weiter: "In der globalisierten Finanzwelt gibt es keinen Platz, sich davor zu verstecken." Die dramatischen Kursstürze an allen Börsen der Welt, die täglichen Meldungen über den Verlust tausender Arbeitsplätze und die 40 000 Insolvenzen in Deutschland während des letzten Jahres versetzen jedermann in die Lage, die Richtigkeit der angeführten Studie zu verifizieren.

Die rotgrüne Regierung, die in Meinungsumfragen lange zurückgelegen war, erkannte, dass sie weder sozial noch wirtschaftlich punkten konnte. Sie suchte ein anderes Thema und fand es in der Irak-Frage. Das war erstaunlich. Bis zum Regierungsantritt 1998 war Rot-Grün gegen jeden Kampfeinsatz der Bundeswehr, aber unter der rotgrünen Regierung absolvierte die Bundeswehr 1999 ihren ersten Kampfeinsatz gegen Serbien. Dann folgte der Einsatz in Afghanistan. Damit erreichte der Einsatz der Bundeswehr den bisher höchsten Umfang. Der Wahlkampf brachte die Kehrtwendung. Nunmehr versicherte man in allen Wahlkundgebungen, Deutschland werde sich an einem Krieg gegen den Irak auch dann nicht beteiligen, wenn ein UN-Mandat vorliegen würde. Damit fand man die stärkste Zustimmung der Wähler, besonders im Osten des Landes. Die Wahlen wurden im Osten gewonnen.

Der innenpolitische Erfolg hatte außenpolitisch negative Folgen. Die USA waren über verbale Entgleisungen um so mehr verstimmt, als das Weiße Haus "... den Kanzler wissen ließ, man werde von ihm nicht verlangen, vor dem Wahltag zum Irak Stellung zu nehmen." (TIME Magazin v. 30. September d. J., S. 31). Es ist schon ungewöhnlich, wenn die Regierung eine Kabinettsfrage öffentlich emotionalisiert.

Und Europa präsentierte sich in einer Frage über Krieg und Frieden gespalten wie nie zuvor: Großbritannien stellte sich voll und ganz an die Seite der USA, Frankreich verlangte für den Kriegsfall ein UN-Mandat. Italien schloss sich Großbritannien an. Deutschland lehnte die Teilnahme am Krieg auch im Falle des UN-Mandates ab und ließ sich die Haltung vom Wahlvolk bestätigen. Wie weit europäische Ziele von der Realität abweichen, kann man erkennen, wenn man sich erinnert, wie Romano Prodi, der Präsident der EU-Kommission, die Bedeutung der gemeinsamen Außenpolitik definiert: "Ohne gemeinsame Außenpolitik existiert Europa nicht." (RAIUNO, Televideo von 4. Mai d. J., S. 101) Diesem Europa steht die neue Nationale Sicherheitsstrategie der USA gegenüber als "... ein weitreichender Plan für die USA in Übersee, der argumentiert, dass die stärkste Nation der Welt das Recht hat, jeden präventiv anzugreifen, der ihr Volk oder ihre Interessen zu gefährden sucht." (TIME Magazin vom 30. September d. J., S. 37) Darüber wird es noch intensive Auseinandersetzungen geben, aber eines steht schon jetzt fest: Nur die USA sind in der Lage, immer und überall in der notwendigen Stärke militärisch einzugreifen. Dadurch wird die NATO an Bedeutung gewinnen. Ihre Mitglieder sind Verbündete der USA. Im November d. J. werden die EU-Beitrittskandidaten mit großer Wahrscheinlichkeit während des NATO-Gipfels in Prag in die NATO aufgenommen werden.

Aus diesem Anlass kann man sich nur wünschen, unser Vaterland möge seinen Nachbarn folgen. Was für die Wirtschaft gilt, gilt auch für die Sicherheit: besser gemeinsam als einsam.

Das ist mein letzter Beitrag für diese Kolumne. Ich danke für so manche unerwartete Ermunterung und wünsche allen, die sich für die Sicherheit unserer Heimat engagieren viel Erfolg.

General i. R. Prof. Siegbert Kreuter

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