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Was ist Gender Mainstreaming?

Hinter dem Begriff Gender Mainstreaming (der übrigens nicht im Verteidigungsministerium kreiert wurde) steht der unzulängliche Versuch, eine komplexe und sperrige Thematik in zwei Schlagworte fassen zu wollen:

Das englische Wort "Gender" bezeichnet das soziale Geschlecht (im Gegensatz zum biologischen Geschlecht, das in der englischen Sprache als "Sex" bezeichnet wird) und meint damit die gesellschaftliche Geschlechterrolle, also die Vorstellungen und Erwartungen darüber, wie Männer und Frauen sind bzw. sein sollen. Denn vieles was uns als natürlicher Unterschied vorkommt, also typisch Frau oder typisch Mann, wird in Wirklichkeit gesellschaftlich geprägt, also anerzogen und erlernt. Diese Tatsache wird sofort verständlich und nachvollziehbar, wenn Sie an fremde Kulturen denken, die gänzlich andere typische Verhaltensweisen hervorgebracht haben, als sie bei uns üblich sind.

"Mainstreaming" bedeutet "in den Hauptstrom bringen", und bezeichnet ein bestimmtes Denken und Handeln in Politik und Verwaltung bei der Umsetzung von Maßnahmen und Programmen.

Offizielle Definition der Expertinnen- und Expertengruppe für Gender Mainstreaming des Europarates (1998):
"Gender Mainstreaming ist die Organisation und Reorganisation, Verbesserung, Entwicklung und Evaluierung politischer Prozesse mit dem Ziel, eine geschlechterbezogene Sichtweise in alle politischen Konzepte, auf allen Ebenen und in allen Phasen durch alle an politischen Entscheidungen beteiligten Akteure einzubringen."

Neue Geschlechterdemokratie

Während die bisherige Praxis der zwangsweisen Gleichstellung von Mann und Frau ohne Rücksichtnahme auf die geschlechter- und rollenspezifischen Unterschiede erfolgte, geht es bei Gender Mainstreaming um eine neue Art der Geschlechterdemokratie, bei der diese Unterschiede berücksichtigt werden.

Nach jahrelangen Versuchen der Gleichbehandlung von Mann und Frau, die fallweise in grotesk anmutende Ungleichbehandlung ausartete (Stichwort: "Bei gleicher Eignung und Fähigkeiten ist bei der Besetzung des freien Dienstpostens der weiblichen Bewerberin der Vorzug zu geben.") erhalten damit auch wieder Männer eine neue Chance auf Gleichbehandlung. Diese Gleichbehandlung erfolgt nun aber erstmals unter Berücksichtigung der geschlechter- und rollenspezifischen Unterschiede, ohne dass deswegen die Frauen fürchten müssen, wieder diskriminiert zu werden.

Die Absicht dieser geschlechterbezogenen Sichtweise wird auch durch das Gender Mainstreaming-Logo ausgedrückt: eine aus den beiden Geschlechtersymbolen bestehende Brille, Gender-Brille genannt, bei der das eine Brillenglas die weibliche, das andere die männliche Sichtweise verkörpert.

Vorteile für Frauen und Männer

Das Besondere, geradezu Revolutionäre an Gender Mainstreaming ist die Abkehr von dem Versuch, geschlechtsneutrale (Firmen-) Politik zu betreiben. Vielmehr soll jeder Einzelne - egal ob Mann oder Frau - durch die Umsetzung von Gender Mainstreaming-Maßnahmen geschlechterrollenspezifische Vorteile im alltäglichen Leben erfahren.

Im Gegensatz zur Frauenförderungspolitik, deren Zielgruppe ausschließlich die Frau in spezifischen Bevölkerungs- oder Berufsgruppen ist, und deren Anliegen der Abbau von Benachteiligungen der Frauen ist, betrifft Gender Mainstreaming Frauen und Männer gleichermaßen.

Änderung im Bewusstsein der Menschen

Gender Mainstreaming (GM) zielt also auf Änderungen im Bewusstsein der Menschen, aber auch auf strukturelle Veränderungen.

  • GM soll die Ursachen mangelnder Chancengleichheit von Frauen und Männern analysieren und erfassen.
  • GM zielt auf eine Veränderung von Strukturen und Vorstellungen, welche geschlechtsspezifische Benachteiligungen und Diskriminierungen verursachen.
  • GM ist darauf ausgerichtet, Organisationen, Institutionen und Lebensbereiche so zu gestalten, dass Frauen und Männer, Mädchen und Jungen gleichberechtigt partizipieren können ohne "gleich sein zu müssen". Damit stellt GM eine längerfristige, weitblickende Strategie zur Erreichung einer de facto Gleichstellung dar, die mit der bisherigen zwangsweisen, undifferenzierten Gleichstellung von Mann und Frau kaum ansatzweise verwirklicht werden konnte.

Das Konzept des Gender Mainstreaming berücksichtigt und analysiert bestehende Unterschiede zwischen den Geschlechtern.

Frauen und Männer - Mädchen und Jungen

  • sind mit unterschiedlichen geschlechtsspezifischen Rollenzuschreibungen und Erwartungshaltungen konfrontiert;
  • entwickeln in der Folge häufig unterschiedliche Interessen, Bedürfnisse und Kommunikationskulturen;
  • weisen tendenziell unterschiedliche Muster im Umgang mit Konflikten auf;
  • wählen aus einem relativ engen Spektrum von Ausbildungs- und Berufsmöglichkeiten aus, was zu einer geschlechtsspezifischen Aufspaltung am Arbeitsmarkt führt.

Mädchen - Frauen

  • Mädchen erhalten im Unterricht von der Lehrperson oft weniger Aufmerksamkeit als Jungen bzw. fordern diese auch weniger offensiv ein.
  • Mädchen bzw. junge Frauen weisen zwar bessere Schulleistungen auf als Jungen bzw. Männer, was sich jedoch später nicht entsprechend in ihrem beruflichen Erfolg niederschlägt.
  • Frauen bedienen sich zwar der neuen Informationstechnologien, gestalten sie jedoch zu einem geringen Prozentsatz mit als Männer und wählen auch viel seltener Ausbildungen und Berufe in diesem zukunftsträchtigen Bereich.
  • Die von Mädchen und Frauen favorisierten Berufe haben oft ein schlechteres Image, werden geringer entlohnt und bieten weniger Karrieremöglichkeiten.
  • Frauen sind häufig mit einer Doppel- und Dreifachbelastung konfrontiert (Erwerbsarbeit, Hausarbeit, Kinderbetreuung).
  • Frauen haben geringere Karrierechancen als Männer sowie im Durchschnitt niedrigere Einkommen und Pensionen im Alter.
  • Frauen werden immer wieder Opfer von männlicher Gewalt.
  • Frauen sind weniger im öffentlich-politischen Leben präsent als Männer und auch in geringerem Ausmaß in wichtige Entscheidungsprozesse und Strukturen eingebunden.

Jungen - Männer

  • Jungen haben tendenziell schlechtere Schulresultate als Mädchen und häufiger Lernschwierigkeiten.
  • Männer definieren sich immer noch häufig ausschließlich über die Erwerbsarbeit.
  • Das "auffälligere Sozialverhalten" von Jungen korreliert häufig mit einer unkritischen Hinorientierung auf "männliche" Rollenstereotypen.
  • Männer in den Industriestaaten haben eine durchschnittlich um sieben Jahre niedrigere Lebenserwartung als Frauen.
  • Die Selbstmordrate von Männern ist durchschnittlich dreimal so hoch wie jene der Frauen.
  • Von Obdachlosigkeit sind vor allem Männer betroffen.
  • Die Mehrheit der Insassen von Strafanstalten sind Männer.

Wie funktioniert Gender Mainstreaming?

Gender Mainstreaming funktioniert nach dem Top-Down-Prinzip und ist als Auftrag an die Führungsspitze einer Staatengemeinschaft, einer Nation, einer Organisation bzw. einer Gemeinschaft zu verstehen. Der Impuls muss zwar von der Führungsspitze kommen, aber letztlich müssen die oben genannten Denk- und Handlungsweisen von allen getragen und gelebt werden, um die unterschiedlichen Interessen und Bedürfnisse von Frauen und Männern zu berücksichtigen.

Entstehung, Inhalte und Umsetzung von Gender Mainstreaming

Die Idee des Gender Mainstreaming wurde bei der 3. Weltfrauenkonferenz 1985 in Nairobi geboren. 10 Jahre später, bei der 4. Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking, wurde das Prinzip auf internationaler Ebene verankert.

Bereits 1996 verpflichtete sich die Europäische Union 1996 dem Ansatz des Gender Mainstreaming-Prinzips. Mit dem Inkrafttreten des EU-Vertrages von Amsterdam am 1. Mai 1999 verpflichteten sich die EU-Mitgliedstaaten, Maßnahmen zu setzen, welche die Gleichstellung der Geschlechter fördern. Gemäss Artikel 2 und 3 des Amsterdamer Vertrages gehört die Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern und die Beseitigung der Ungleichheiten zu den Aufgaben der Gemeinschaft und muss als Ziel bei all ihren Tätigkeiten angestrebt werden.

Die österreichische Bundesregierung bekennt sich seit dem Jahr 2000 zu Gender Mainstreaming. Am 11. Juli 2000 wurde die interministerielle Arbeitsgruppe für Gender Mainstreaming (IMAG GM) gegründet, in der jedes Ressort durch eine Repräsentantin oder einen Repräsentanten vertreten ist. Bei den zweimal jährlich stattfindenden Sitzungen wird über gesetzte Initiativen und laufende Projekte sowie optimale Methoden einer erfolgreichen Umsetzung berichtet.

Auf europäischer Ebene werden die Mitgliedstaaten in Form von jährlich vorgegebenen, schwerpunktmäßigen, europaweiten Aktionsprogrammen der Europäischen Kommission unterstützt. Dabei soll

durch die Prüfung einschlägiger Praktiken, durch die Förderung des Informationsaustausches, durch die gezielte Information über vorbildlichen Lösungen sowie durch die Zusammenarbeit in Netzwerken

das Verständnis für die Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern verbessert werden. Aus den im Rahmen der Aktionsprogramme gewonnenen Erkenntnissen erstellt die Europäische Kommission einen jährlichen Bericht über "Chancengleichheit für Frauen und Männer in der Europäischen Union", der an den Europäischen Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen geht. Die Themen der Aktionsprogramme der vergangenen Jahre lauteten:

  • 2001/02 - Gleicher Lohn
  • 2002/03 - Vereinbarkeit von Beruf und Familie
  • 2003/04 - Frauen in Entscheidungsprozessen
  • 2004/05 - Geschlechtsspezifische Stereotypen

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