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Volksaufstand in Ungarn 1956 - der erste Einsatz des jungen Bundesheeres

von Norbert Sinn

Das Österreichische Bundesheer entstand aus der in den westlichen Besatzungszonen zu Beginn der 50er-Jahre aufgestellten B-Gendarmerie. Erheblichen Anteil an deren Entstehung trugen die USA. Wenn auch Bundeskanzler Figl im Februar 1952 erklärt hatte, die B-Gendarmerie sei "zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung notwendig" (Fußnote 1/FN1) und man könne sie nicht als Militär bezeichnen, muss auf Grund ihrer Gliederung, Ausbildung und Übungstätigkeit doch von Militär gesprochen werden, da im Rahmen der Ausbildung Gefechts- und Verbandsübungen sowie Gefechtsschießen im scharfen Schuss erfolgten.(FN2) Die B-Gendarmerie stellte kein zu fürchtendes Potenzial dar, doch diente sie den westlichen Besatzungsmächten sozusagen als Sicherheit, dass nach ihrem Abzug die politische Stabilität im Land erhalten bliebe.(FN3) Innenminister Helmer verwies noch 1958 auf einen Plan der B-Gendarmerie, im Falle eines Angriffes auf Österreich aus dem Osten weite Teile des Staatsgebietes aufzugeben, um an einer gedachten Linie in den Bergen zu verteidigen.

Die B-Gendarmerie erreichte im Jahr 1955 eine Stärke von rund 340 kriegsgedienten Offizieren, einigen jüngeren Gendarmerieoffizieren, 200 Unteroffizieren und 6.460 Mann, insgesamt eine Stärke von rund 7.000 Mann. Sie bildete den Grundstock für das neue Bundesheer, das nach Abschluss des Staatsvertrages aufgestellt werden sollte.

Mit Wirksamkeit vom 27.7.1955 erfolgte die Umbenennung der Gendarmerieschulen in "provisorische Grenzschutzabteilungen". Die Soldaten legten die äußerlichen Merkmale der Bundesgendarmerie an den Uniformen mit Ausnahme der Kragendistinktionen ab, nicht jedoch die Angehörigen der Bundesgendarmerie, die an den Gendarmerieschulen Dienst versahen und für die die Regelung nicht zur Anwendung kam. Am 7. September 1955 verabschiedete der Nationalrat das Wehrgesetz, und im April 1956 erfolgte neuerlich eine Umbenennung in Bataillone und die Überführung in die Gliederung des Bundesheeres, die die Bundesregierung mit Ministerratsbeschluss vom 11. Januar 1956 festgelegt hatte.

Bis Jahresmitte 1956 war im Wesentlichen die vorgesehene militärische Organisation eingenommen. Den Aufbau von Luftstreitkräften hatte man hierbei nicht vergessen: Mit Ministerratsbeschluss vom 22. November 1955 erhielt das Bundesheer die Flugplätze Tulln-Langenlebarn, Linz-Hörsching, Wr. Neustadt, Aigen im Ennstal und Zeltweg samt Baulichkeiten und Einrichtungen zur alleinigen Nutzung zugewiesen.

Neben dem Bundesministerium für Landesverteidigung, das aus den Sektionen I - III bestand, gliederte sich das Bundesheer mit Wirksamkeit vom 1. August 1956 in - drei Gruppenkommanden der oberen Führung, - acht Brigadekommanden mit jeweils zwei bis fünf Bataillonen sowie in - Versorgungskräfte, Akademien, Schulen und Unterstützungskräfte.

Ursprünglich sollte ein Gebirgskorps (=Gruppe), ein mechanisiertes Korps und ein motorisiertes Korps aufgestellt werden, die von einem Luftstreitkräftekommando mit drei Regimentern unterstützt werden sollten. Mit dem festgelegten Organisationsplan entstand jedoch vorerst ein Infanterieheer. Allerdings handelte es sich um ein Rahmenheer, unterschiedlich gegliedert und ohne Auffüllung mit Wehrpflichtigen ein "Gerippe ohne Fleisch", weshalb im damaligen Ministerratsvortrag und vom für die Landesverteidigung verantwortlichen Bundeskanzler Raab auf Grund der sehr kurzen Dienstzeit eine möglichst hohe Zahl an länger dienenden Soldaten gefordert wurde.

Die Aufgaben des Bundesheeres leiteten sich aus Artikel 79 B-VG ab, wobei im Vordergrund der "Schutz der Grenzen" stand, was annähernd wörtlich zu nehmen war und zumindest von den Politikern so verstanden wurde.

Erster Bundesminister für Landesverteidigung wurde am 15. Juli 1956 Ferdinand Graf. Bereits knapp eine Woche später, am 21. Juli, entschied er im Rahmen eines Abendessens über die Besetzung der Sektionen des BMLV und bestellte General Dr. Liebitzky zum Leiter der Sektion I und Oberst Fussenegger zum Generaltruppeninspektor und Leiter der Sektion II.

Unmittelbar nach seiner Bestellung erließ Generaltruppeninspektor Fussenegger eine erste operative Weisung für einen Operationsfall CSSR und Ungarn, unter Bedachtnahme auf eine unklare Haltung Jugoslawiens.(FN4) Sie sah für die Gruppe I die Führung eines Verzögerungskampfes östlich von Wien vor, der dann in einen hinhaltenden Kampf Richtung Westen übergehen sollte. Der Raum nördlich der Donau sollte lediglich "beobachtet" werden, die Donaubrücken waren bei Feindannäherung zu sprengen.

Die Gruppe III sollte ihre Kräfte im Raum Linz - Enns - Steyr konzentrieren und sich bereithalten, einen Übergang von Feindkräften aus dem Raum Budweis über die Donau zu verhindern.

Die Gruppe II sollte abschnittweise Widerstand leistend mit Masse auf den Raum Graz - Klagenfurt - Villach zurückgehen und mit einem Bataillon im Mur- und Ennstal einen Verzögerungskampf führen.

Dieses neue Bundesheer bestand nur aus 900 Offizieren, 500 Offiziersanwärtern und 6.000 Mann Kader, die den Rahmen für die Einheiten, Verbände, Kommanden und Einrichtungen bildeten; praktisch die ehemalige B-Gendarmerie. Leider verlor man in der Übergangsphase von B-Gendarmerie zu Bundesheer aus unterschiedlichsten Gründen rund 2.000 B-Gendarmen, wie z.B. wegen unsicherer Zukunft, geringerer Bezahlung, unsicherem Verbleib im Bundesland etc. Sie traten aus oder verblieben im Verband der Bundesgendarmerie.

Das Einrücken der ersten Grundwehrdiener verschob sich infolge der organisatorischen Schwierigkeiten, nicht zuletzt wegen der noch überall notwendigen Sanierungsarbeiten an den im Krieg zerstörten bzw. während der Besatzungszeit abgewohnten oder devastierten Kasernen, v.a. in Ostösterreich. Erst im Rahmen einer Besprechung im August 1956 legte Generaltruppeninspektor Fussenegger den 15. Oktober als Einrückungstag der ersten Präsenzdiener fest. Zu dieser Zeit versahen Offiziere in Stäben noch häufig Dienst in Zivilkleidung, weil es für sie noch keine Uniformen gab. Aus Tagebuchaufzeichnungen Fusseneggers geht die Anordnung hervor, dass ab 6. September 1956 die Offiziere der Sektion II sowie der Gruppen- und Brigadekommanden Dienst in Uniform zu versehen hatten.

Am bedrückendsten war jedoch die Tatsache, dass das Budget 1957 für das BMLV das erste "Katastrophenbudget" einer langen Reihe wurde. Von den erhofften 2,1 Mrd. Schilling blieb ein endgültiges Budget von 1,5 Mrd. Schilling, ein Budget also, mit dem zwar die Gehälter und der Sold bezahlt und der Betrieb aufrechterhalten, an einen weiteren Aufbau des Bundesheeres aber nicht mehr gedacht werden konnte. Auch Gespräche mit dem Verteidigungsminister und dem Regierungschef Raab und die Hinweise auf mögliche Konsequenzen für die US-Materiallieferungen fruchteten nichts und verliefen ohne Erfolg. Die militärische Führung fürchtete, dass die USA ihre Materiallieferungen auf Grund der zwiespältigen Haltung Österreichs zur Landesverteidigung einstellen könnten. Seitens der USA sollten nämlich Materiallieferungen im Umfang von annähernd zwei Divisionen erfolgen.

Geldmangel begleitete und begleitet dieses Bundesheer seit seinen Gründungstagen: Schon im Jahr 1957 wies die militärische Führung erneut darauf hin, dass selbst unter Berücksichtigung der seitens der USA vorgesehenen Materiallieferungen bis zum Jahr 1960 rund fünf Mrd. Schilling Investitionsbudget erforderlich wären, um das Bundesheer, dessen Organisation die Bundesregierung festgelegt hatte, auszurüsten.

Unbeschadet aller Auseinandersetzungen um das Bundesheer rückten am 15. Oktober dann die ersten ungefähr 13.000 Präsenzdiener (die Einjährig-Freiwilligen bereits am 1. Oktober) zum Bundesheer ein.

Die Entwicklung in Ungarn bis 1956

Gegen Ende der 40er-Jahre hatte die Sowjetunion ihren Einflussbereich in Mitteleuropa mit der Übernahme der gesamten Macht und Regierungsgewalt durch kommunistische Parteien in den mittelosteuropäischen Staaten gefestigt. Die Teilung Europas in Ost und West war vollzogen, der "Kalte Krieg" ausgebrochen.

Am 18. August 1948 wurde Ungarn Volksrepublik. Totale Zentralisierung und Verstaatlichung gingen Hand in Hand mit politischer Unterdrückung, Säuberungen in der Partei und der Armee, willkürlichen Kerkerstrafen sowie Schauprozessen.(FN5) Nach Stalins Tod im Jahr 1953 versuchte sich die Sowjetunion aus der Isolierung, in die sie mit dessen Politik gedrängt worden war, zu lösen, mit dem Ziel, die Bemühungen der USA und des Westens zur Verringerung des Einflusses der Sowjetunion zu neutralisieren. Die Sowjetunion verkündete einen neuen Kurs, der nicht nur wirtschaftliche Erleichterungen, sondern auch politische "Liberalisierungsmaßnahmen" enthielt. Landwirtschaft und Verbrauchsgüterproduktion sollten angekurbelt werden.

Der Tod Stalins ließ also vorerst Verbesserungen und Erleichterungen auch für die Bevölkerung Ungarns erhoffen, beziehungsweise musste das Regime Veränderungen der Wirtschafts- und Sozialpolitik infolge der völligen Verarmung der Bevölkerung anstreben, um Hungeraufstände zu vermeiden. Die Versuche der Regierung, das ungarische Volk zu beruhigen, schlugen jedoch fehl, und die kommunistische Partei verlor an Glaubwürdigkeit. Mitte 1953 löste der Reformkommunist Imre Nagy den Stalinisten Mátyás Rákosi als Ministerpräsident ab und verkündete wirtschaftliche und politische Reformen, die der Bevölkerung zugute kommen sollten.

Das herausragende politische Ereignis dieses Zeitraumes war eindeutig die Unterzeichnung des österreichischen Staatsvertrages am 15. Mai 1955, der Österreich Freiheit und Unabhängigkeit zurückbrachte und dazu führte, dass die im Land stationierten Truppen der Besatzungsmächte Österreich verließen. Dem war am 14. Mai 1955 die Gründung des "Warschauer Paktes" vorangegangen, was die Voraussetzung für den Verbleib sowjetischer Truppen in Ungarn bildete. Seit Kriegsende hatte die Sowjetunion ja ein Armeekorps in Ungarn stationiert (sodann mit dem Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitige Hilfe vom 18. Februar 1948 abgesichert), dessen Aufgabe der Schutz der Nachschublinien in die österreichische Besatzungszone war. Diese Aufgabe fiel nunmehr weg. Allerdings verlegten die bislang in Österreich stationierten sowjetischen Truppen nun ebenfalls nach Ungarn.

Innerhalb des Warschauer Paktes und somit auch in Ungarn wurden neuerlich die Zügel angezogen; am 18. Mai 1955 trat Imre Nagy zurück, um András Hegedüs, einem Vertrauten Rákosis, Platz zu machen.

Der XX. Parteikongress der KPdSU im Februar 1956 brachte die Abrechnung Chruschtschows mit dem Stalinismus und weckte damit erneut Hoffnungen auf Veränderungen.

In Ungarn organisierten die kommunistischen Jugendverbände öffentliche Debatten über den einzuschlagenden Weg. Träger der Opposition war v.a. die (kommunistische) Studentenschaft, insbesondere der so genannte Petöfi-Kreis, benannt nach dem ungarischen Freiheitsdichter der Revolution von 1848/49.

Der Erfolg Jugoslawiens mit der Akzeptierung seines eigenständigen Weges durch die Sowjetunion, der Abzug der Sowjets aus Österreich, der (niedergeschlagene) Aufstand in der DDR (1953) und die Ereignisse in Polen im Juni 1956 - in Posen hatten sich schwere Unruhen der Arbeiterschaft zugetragen - ließen bei der ungarischen Bevölkerung die Hoffnung keimen, dass auch hier ein eigenständiger Weg möglich sein könnte.

Auf Druck Moskaus wurde Rákosi als erster Sekretär der Partei abgelöst. Ernö Gerö, sein altstalinistischer Nachfolger, verfolgte allerdings die gleiche Politik der Repression wie sein Vorgänger und verzögerte die zugestandenen Reformen.

Unbeschadet davon besserten sich die Beziehungen zu Österreich im Lauf des Jahres 1956, u.a. als der Minengürtel entlang der ungarisch-österreichischen Grenze bis Ende August 1956 entfernt und durch ein weniger gefährliches Signalsystem ersetzt wurde.

Als auslösend für die Revolution erwies sich eine Studentendemonstration, die am Nachmittag des 23. Oktober in Budapest ihren Ausgang beim Denkmal des Generals Jozsef Bem, eines ungarischen Heerführers im Revolutionskrieg von 1848/49, nahm. Auf dem Heldenplatz sammelten sich mehr als 100.000 Menschen, und im Lauf der Demonstration wurde das Stalindenkmal zerstört. Truppen des ÁVH,(FN6) des staatlichen Sicherheitsdienstes, eröffneten das Feuer auf die Demonstranten, es kam zu blutigen Auseinandersetzungen, die letztlich in einen Volksaufstand mündeten.(FN7) Reguläre Truppen der ungarischen Volksarmee weigerten sich gegen die Aufständischen vorzugehen und verbrüderten sich sogar mit ihnen. Armeedepots wurden geöffnet, die Massen bewaffneten sich, der Kampf um die Freiheit begann.

Die Kräfte der sowjetischen Armee waren mit Masse um den Plattensee stationiert, im Wesentlichen zwei motorisierte Schützendivisionen, eine Jagdfliegerdivision und eine Fernbomberdivision, rund 35.000 bis 40.000 Mann.

Auf Grund der nunmehr zugänglichen Dokumente ist bekannt, dass der damalige sowjetische Botschafter in Budapest, Jurij Andropow, schon im Sommer mit dem KGB-Chef Generalleutnant Serow die Lage in Ungarn besprochen hatte. Generalleutnant Laschtschenko, der Kommandant des in Ungarn stationierten "besonderen Armeekorps", erhielt den Auftrag, Pläne für den Fall eines Aufruhrs auszuarbeiten.(FN8) Noch in der Nacht zum 24. Oktober telefonierte der Erste Sekretär der ungarischen KP, Gerö, mit Moskau, um den Einsatz der sowjetischen Truppen zur Wiederherstellung der Ruhe zu erreichen. Um 23:00 Uhr erhielt das Sonderkorps den Befehl zum Einsatz; schon in den frühen Morgenstunden rollten die sowjetischen Panzerverbände Richtung Budapest. Die von Chruschtschow geforderte "schriftliche Bitte" um Beistand wurde vom mittlerweile abgesetzten (und durch Imre Nagy ersetzten) Ministerpräsidenten Hegedüs am 26. Oktober, rückdatiert auf den 24., unterfertigt.(FN9) Die sowjetischen Verbände besetzten im Laufe des 24. Oktober alle neuralgischen Punkte der Hauptstadt, allerdings gelang es ihnen nicht, des Aufruhrs Herr zu werden; der Aufstand und die Kampfhandlungen weiteten sich auf das gesamte Land aus. Fälle von Lynchjustiz der aufständischen Ungarn an vermeintlichen und echten Angehörigen des ÁVH, aber auch an russischen Soldaten, ereigneten sich.

Aus der Sowjetunion kamen die ZK-Mitglieder Suslow und Mikojan nach Budapest, um Nagy zu versichern, dass die sowjetischen Truppen sich zurückziehen würden, sobald die Ruhe in Budapest wiederhergestellt wäre. Am 28. Oktober erhielt Nagy freie Hand für Verhandlungen mit den Aufständischen, die am 29. Oktober (dem Tag des Beginns der Suez-Krise) Resultate brachte. Die sowjetischen Truppen zogen sich, wohl auch unter dem Eindruck der doch erheblichen Verluste in Budapest, aus der Stadt zurück.

Die Entscheidung, den ungarischen Volksaufstand mit Gewalt zu beenden, fiel am 31. Oktober im Moskauer Zentralkomitee am Ende einer zweitägigen Marathonsitzung, wobei die weltpolitischen Entwicklungen (Suez-Krise und das Verhalten der USA, das Nichteinmischung signalisierte) die Entscheidung durchaus beeinflusst haben dürften.

Zu diesem Zeitpunkt willigte also die Sowjetunion in einen Abzug ein, als bereits neue Kräfte, aus der Ukraine und Rumänien einfließend, begannen, die Grenze zu Ungarn zu überschreiten. (Der Nachrichtengruppe des Österreichischen Bundesheeres war es trotz einfacher Möglichkeiten durchaus gelungen, Absichten und Bewegungen der sowjetischen Verstärkungskräfte darzustellen.) Zunächst deutete für die Ungarn alles darauf hin, dass die sowjetischen Truppen Ungarn verlassen würden, doch bald empfing die ungarische Regierung gegenteilige Nachrichten. Im Versuch zu retten, was ging, verkündete Imre Nagy am 1. November formell den Austritt Ungarns aus dem Warschauer Pakt und die Neutralität Ungarns nach dem Vorbild Österreichs, um der drohenden sowjetischen Intervention die rechtliche Grundlage zu entziehen. Eine Änderung der politischen Lage und der militärischen Vorgänge trat hierdurch jedoch nicht mehr ein.

In der Nacht vom 3. auf den 4. November erfolgte dann ein überraschender Vorstoß der sowjetischen Truppen, bestehend aus drei Armeen (Armeekorps) und rund 15 Divisionen, auf die Zentren des Landes, v.a. aber Budapest. Die Sowjets hatten, da die Ungarn Provokationen vermeiden wollten, unbehelligt ihre Verfügungsräume und Ausgangsstellungen beziehen können.

Eine ungarische Verhandlungsdelegation unter Führung des Verteidigungsministers Pál Maleter, die sich über Einladung der Sowjets nach Tököl begeben hatte, wurde dort unmittelbar nach ihrem Eintreffen verhaftet. Somit hatte der Aufstand auch keine militärische Führung mehr.

Imre Nagy flüchtete in die jugoslawische Botschaft, verließ diese freiwillig am 23. November, um sofort verhaftet, verschleppt und nach einem Geheimprozess am 16. Juni 1958 hingerichtet zu werden. Die Kämpfe bis zur endgültigen Niederschlagung des Aufstandes dauerten in Budapest bis zum 11. November, in den Provinzen bis 15. November. Rund 200.000 Ungarn flüchteten nach Österreich.

Nach Ende der Kämpfe kehrte János Kádár nach Budapest zurück, wo er zum Ministerpräsidenten ernannt wurde. Unter sowjetischem Schutz bildete er am 4. November eine Gegenregierung, die die Sowjetunion dann nachträglich offiziell um Beistand bei der Niederschlagung des Aufstandes ersuchte.

Die Verluste der Roten Armee im Zuge der Kampfhandlungen betrugen rund 720 Tote, 1.540 Verletzte und 51 Vermisste.(FN10) Die ungarische Bevölkerung beklagte über 2.500 Tote und rund 20.000 Verwundete und Verletzte.

Entscheidungsprozesse in Österreich - der 24. Oktober

Bundeskanzler Raab hielt sich an diesem Tag anlässlich eines Staatsbesuches in der Bundesrepublik Deutschland auf, während Außenminister Figl dem Europarat in Straßburg einen Besuch abstattete. Einige Tage später, am 28. Oktober, sollte dann Vizekanzler Schärf Österreich Richtung Ostasien (Pakistan, Indien, Japan) verlassen. Man kann also ohne weiteres davon sprechen, dass die Ereignisse in Ungarn das offizielle Österreich überraschten.

Am Abend des 23. Oktober brachen die Verbindungen nach Ungarn plötzlich ab, sodass man über die Ereignisse in Budapest und den Beginn der Auseinandersetzungen erst am nächsten Tag aus dem Rundfunk erfuhr.

Die Nachrichtenlage stellte sich einigermaßen verwirrend dar. Der ungarische Rundfunk etwa meldete am 23. abends die Einberufung des Ministerrates für den 31. Oktober (!), um zehn Minuten später zu informieren, der Ministerrat trete sofort zusammen. Und am Morgen des 24. Oktober informierte der Rundfunk, dass Imre Nagy (tatsächlich war es Gerö) neuer Regierungschef sei und die Sowjetunion um Unterstützung bei der Bekämpfung der Konterrevolution gebeten habe.

Die Ereignisse in Ungarn zogen die österreichische Bevölkerung in ihren Bann. Die Sympathien lagen, von den Kommunisten einmal abgesehen, vollkommen auf Seiten der Freiheitskämpfer. Die Spenden- und Opferbereitschaft der Österreicher war überwältigend und so, dass die Helfer des Roten Kreuzes gar nicht nachkamen, die Spenden zu verpacken und weiterzuleiten.(FN11) In Österreich trafen am 24. Oktober Innenminister Helmer und Verteidigungsminister Graf im Bundeskanzleramt mit Vizekanzler Schärf zusammen, um auf Grund der aus dem Bundesministerium für Äußeres und dem Rundfunk vorliegenden Informationen über die Entwicklung der politischen Lage im Nachbarland mögliche Maßnahmen zu besprechen. Sehr rasch entschloss man sich zur Verstärkung der Gendarmeriekräfte im Burgenland und zur Alarmierung von Heereskräften. Die Details legten in einer Besprechung im Innenministerium am Nachmittag ab 16:00 Uhr sodann der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit Krechler, Generaltruppeninspektor Oberst Fussenegger, General Dr. Liebitzky gemeinsam mit den Sicherheitsdirektoren und den Landesgendarmeriekommandanten der beiden Bundesländer fest. Die Exekutive rüstete für den Bereich Nordburgenland vorerst 34 Beamte der Gendarmerieschule Rust mit Funkwagen aus und stellte sie in Rust für einen beweglichen Einsatz zur Verstärkung der Gendarmerieposten bereit. Zudem verlegte man 40 Mann der Gendarmerieschule Wien in die Jägerkaserne Pinkafeld, um sie für einen Einsatz im südlichen Burgenland bereitzuhalten. In der Steiermark konzentrierte das Innenministerium rund 50 Mann der Gendarmerieschule Graz in einem Stützpunkt in Fürstenfeld. Dazu wurden noch 30 Beamte in Bruck an der Mur bereitgehalten. Die Verstärkung der Grenzbeobachtung gegenüber Jugoslawien erachtete man zum damaligen Zeitpunkt nicht für erforderlich.(FN12) Während jedoch Innenminister Helmer die Befugnis zur Verschiebung von Exekutivkräften besaß, musste Verteidigungsminister Graf in mehreren Telefongesprächen die Zustimmung der anwesenden Regierungsmitglieder der Bundesregierung für einen Einsatz des Bundesheeres einholen, ehe er entsprechende militärische Maßnahmen anordnen konnte.(FN13) Im Grunde verstanden sich Helmer und Graf sehr gut, da Graf bis zu seiner Bestellung zum Verteidigungsminister Staatssekretär bei Helmer und für die Belange der Gendarmerie verantwortlich gewesen war. Beide waren Männer der Tat, und rechtliche Unklarheiten schienen ihnen in dieser Situation weniger gravierend als die Verzögerung der notwendigen Maßnahmen. Darüber hinaus scheint doch auch im Rahmen der Politik die Entwicklung in Ungarn schon in den Tagen vor Ausbruch der Revolution Gesprächsgegenstand gewesen zu sein.(FN14) Im Vorlauf der Besprechung im Innenministerium erhielten die drei Gruppenkommanden um 15:00 Uhr ein Aviso der Sektion II und den Auftrag, Alarmeinheiten zusammenzustellen. Um 17:00 Uhr folgten weitere Aufträge, allerdings im Auftrag des Bundesministers durch die Sektion I, sodass sich zumindest die Gruppe I genötigt sah, vor Anordnung weiterer Maßnahmen eine Klärung der Zuständigkeiten mit dem BMLV herbeizuführen.

Bundeskanzler Raab informierte man in Bonn mit zwei knappen Fernschreiben über die Ereignisse in Ungarn, die fehlende Verbindung nach Budapest und die Maßnahmen des Innenministeriums. Vorerst deutete offenbar nichts auf eine Verschärfung der Lage hin.

Während die Gendarmerie ihre Kräfte in der Steiermark und im Burgenland deutlich verstärkte, wurde das Bundesheer nur "vorsorglich" alarmiert. Noch ging man davon aus, dass der Einsatz von Kräften des Bundesheeres als Assistenzeinsatz gemäß § 2, Abs. 1, lit b Wehrgesetz zur Unterstützung der Exekutive erfolgen sollte.

Wie erwähnt, alarmierte das BMLV am 24. Oktober, 15:00 Uhr die drei Gruppenkommanden und ordnete folgende Maßnahmen an: - Die 1., 2., 5. und 7. Brigade bilden Alarmeinheiten in der Stärke einer Kompanie je Bataillon.

- Das Heerespionierbataillon stellt eine Pionierkompanie und die Infanteriekampfschule eine gemischte Kompanie bereit.

- Die 5. Brigade verlegt einen Infanteriezug nach Fürstenfeld.

- Die Militärakademie Enns bildet aus dem 2. und 1. Jahrgang Alarmkompanien (vollmotorisiert) und setzt sie in Bereitschaft.

- Die Panzertruppenschule Hörsching stellt eine Aufklärungskompanie.

- Die Artillerieschule bildet eine (Alarm-)Batterie.

- Die Fliegerkräfte halten einen Verbindungshubschrauber und ein Flächenflugzeug (Yak-11) für Aufklärungs- und Erkundungszwecke bereit.

- Die Kommanden bleiben bis auf weiteres besetzt.

Lediglich der Infanteriezug der 5. Jägerbrigade hatte auszurücken und sollte als Rückhalt für die im Raum Fürstenfeld eingesetzten Exekutivbeamten dienen.

Als Funkverbindung bestand zwischen dem Verteidigungsministerium und den Gruppenkommanden nur das so genannte "Heimatfunknetz" auf Kurzwelle, das keine gesicherte Übermittlung von Informationen gewährleistete. Die Telefonvermittlungen in den Kasernen waren am Abend nach Dienstschluss nicht mehr besetzt, das zivile Kanzleipersonal verließ die Dienststellen.

Zu allem Überdruss war auch die Qualität der Leitungen häufig mangelhaft.(FN15) Durch Übermittlungsfehler, mangelnde Funkverbindungen und Befehle der höchsten Ebene direkt hinunter bis zu den Bataillonen kam es daher zu Unklarheiten und Verzögerungen.

Die Zusammenführung funktionsfähiger Fernmeldeteile stieß auf erhebliche Schwierigkeiten. Aus allen drei Heerestelegraphenbataillonen mussten Kräfte zusammengezogen werden, das Gerät raschest überprüft, zum Teil instandgesetzt, zum Teil aber auch erst von den Transportverpackungen befreit werden. Dabei musste man feststellen, dass so manches Gerät überhaupt nicht verwendbar war. Im personellen Bereich gab es ähnliche Schwierigkeiten: Es gab zuwenig Personal, das mit dem bereitgestellten Gerät vertraut war und es bedienen konnte! Auch hier regierte also die Improvisation.

Etwa um 17:00 Uhr ordnete die Sektion I Alarmierungsmaßnahmen an, die von denjenigen der Sektion II abwichen, was wiederum, wie bereits erwähnt, zu Rückfragen des Gruppenbefehlshabers I Waldmüller führte, da dieser bereits weitaus früher entsprechende Befehle an die 1. und 2. Brigade erteilt hatte. Bis 17:45 Uhr konnten diese Unstimmigkeiten in der Zentralstelle ausgeräumt werden und der Generaltruppeninspektor ordnete nunmehr endgültig an: - Marschbereitschaft für die nachfolgenden Alarmeinheiten innerhalb von 30 Minuten.

- Alarmeinheiten haben zu stellen: das Heereswachbataillon, die Infanteriekampfschule, das Feldjägerbataillon 1, das Infanteriebataillon 2, die Artillerieschule (eine Batterie, teilbar) und das Heerestelegraphenbataillon.

- Für das Feldjägerbataillon 5 und das Infanteriebataillon 2 wird die Alarmbereitschaft aufgehoben.

- Auf Ersuchen der Sicherheitsdirektion Burgenland werden vier Baracken, südlich der Kaserne Eisenstadt gelegen, bei Bedarf für Flüchtlinge zur Verfügung gestellt. Das Heereswachbataillon hält eine Feldküche für denselben Zweck bereit.

- In Pinkafeld ist die behelfsmäßige Unterbringung von 40 Gendarmen sicherzustellen.

- Ein Schützenzug der Gruppe II ist nach Fürstenfeld in Marsch zu setzen.

- Die Staatsgrenze überschreitende fremde Truppen sind darauf aufmerksam zu machen, dazu ist je nach Lage einzuschreiten.

- Die Gruppen- und diesen unterstellte Kommanden sind bis auf weiteres besetzt zu halten.

- Die Luftstreitkräfte erhielten den Auftrag, zwei Hubschrauber und eine Yak-11 für Aufklärungszwecke vorzubereiten.

Die zu bildenden Alarmkompanien mussten nunmehr teilweise mit Rekruten aufgefüllt werden, die, vierzehn Tage zuvor eingerückt, nur rudimentäre militärische Kenntnisse aufwiesen. Munition war bei den Verbänden nicht ausreichend verfügbar, musste erst zugeschoben werden. Die Munition kam aus dem Munitionslager Großmittel, Personalmangel im G4-Bereich verursachte Probleme, weil überdies beschleunigte Munitionslieferungen mit den USA vereinbart und organisiert werden mussten.(FN16) In den Alarmkompanien behalf man sich vorerst mit der Ausgabe von "Schwarzbeständen", die noch aus der Zeit der B-Gendarmerie gestammt haben dürften und bei Gefechtsübungen im scharfen Schuss eingespart worden waren.(FN17) Daneben sollte aber auch noch die Ausbildung der Rekruten fortgeführt werden, was gewaltige Probleme hervorrief, weil ein Großteil des Kaderpersonals bereits in den Alarmkompanien eingesetzt werden musste.

Koordinationsprobleme auf höchster Ebene hatten zur Folge, dass die für die Munitionsbevorratung und -zuführung verantwortliche Sektion III erst durch die fernmündlichen Munitionsanforderungen der Gruppe II und I auf die Entwicklung aufmerksam wurde und Kenntnis über die angeordneten Maßnahmen der Sektion II erhielt.

Knapp vor 21:00 Uhr erging die Weisung an die Gruppenkommanden, die volle Besetzung der Kommanden aufzuheben und einen Journaldienst bis zum nächsten Morgen einzurichten.

Die Alarmeinheiten der 1. Brigade meldeten zwischen 21:10 Uhr und 22:25 Uhr die Marschbereitschaft, während jene der 2. Brigade bereits um 17:45 Uhr und 18:30 Uhr die Marschbereitschaft hergestellt hatten. Somit waren am späten Abend rund 650 Mann der Gruppe I für einen Einsatz verfügbar.

Demgegenüber hatte die Gruppe II um 16:30 Uhr den Auftrag erteilt, die Marschbereitschaft der befohlenen Verbände herzustellen, und noch am späten Nachmittag einen Offiziersspähtrupp zu den Gendarmerieposten von Fehring und Mogersdorf in Marsch gesetzt, um die Lage im Grenzraum zu erkunden. Dieser Spähtrupp meldete dann doch Bewegungen ungarischer Soldaten auf österreichischem Territorium, Schüsse auf ungarischem Gebiet und Panzergeräusche. Nun erwartete die Bevölkerung an der Grenze eindeutig einen Einsatz des Bundesheeres.(FN18) Am Abend hob die Gruppe II auf Grund der Weisung des Ministeriums die Marschbereitschaft der 7. Brigade und des Jägerbataillons 18 der 5. Brigade auf. Auftragsgemäß meldete das Panzerbataillon 4 (Hptm Wilhelm Kuntner) und das Feldjägerbataillon 17 um 20:10 Uhr bzw. 21:10 Uhr die Herstellung der Marschbereitschaft, und in den frühen Morgenstunden des 25. Oktober trafen auch in der Steiermark die Munitionstransporte aus Großmittel ein.

Am späten Abend konnte der Generaltruppeninspektor ein erstes Resümee ziehen: Einerseits stellte sich für ihn Planung, Organisation und Abläufe an diesem 24. Oktober als durchaus gute Übung dar, um Mängel erkennen und beheben zu können, andererseits hatte es im Laufe des Tages doch ein "ziemliches Durcheinander gegeben, mit unterschiedlichen Weisungen und Befehlen unterschiedlicher Stellen, und es hätte Mühe gemacht, das alles zu entflechten". Nunmehr funktioniere aber alles.(FN19) Am 25. Oktober morgens berichtete der ungarische Rundfunk von der Niederschlagung des Aufstandes, vom Ende der Kämpfe, und kündigte die Rückkehr zu geordneten Verhältnissen schon für den folgenden Tag an ("Tag der Fahne" in Österreich - 26. Oktober). Die an der Staatsgrenze eingesetzten Kräfte meldeten außerdem "Alles ruhig". Die Nachrichtengruppe betrachtete den Aufstand als niedergeschlagen und stellte den Abhördienst ein. Aus diesem Grunde hob die Sektion II die für das gesamte Bundesheer befohlenen Bereitschaftsmaßnahmen mit Ausnahme einer Kompanie des Heereswachbataillons und des Infanteriebataillons 2 auf. Das Heimatfunknetz wurde heruntergefahren, nur die Funkstelle Pinkafeld blieb in Betrieb. Zur österreichischen Gesandtschaft in Budapest gab es allerdings nach wie vor keine Verbindung!

Erst am 26. Oktober erkannte die österreichische militärische Führung, dass das Gegenteil eingetreten war: Am 25. Oktober hatte der ungarische Staatssicherheitsdienst gegen Mittag unter zirka 20.000 Demonstranten, die sich vor dem Parlament versammelt hatten, ein Blutbad angerichtet. Der Aufstand breitete sich endgültig über das ganze Land aus. Nun trafen auch mehr und mehr Meldungen über Truppenbewegungen und Konzentrationen der sowjetischen Kräfte ein, und alles deutete eher auf eine Destabilisierung der Lage hin.

Angesichts dieser Entwicklung entschied der mittlerweile zurückgekehrte Bundeskanzler Raab innerhalb weniger Minuten im Rahmen einer Konferenz am 26. Oktober, dass doch ein massiver Einsatz zur Sicherung der Staatsgrenze durchzuführen sei.(FN20) Das BMLV verfügte daraufhin neuerlich die Alarmierung und Bereitschaften für einzelne Verbände der Gruppenkommanden I, II und III. Außerdem erhielten die Gruppenkonmmanden I und II den Auftrag, Jeeppatrouillen unter Führung jeweils eines Offiziers in den Grenzraum zu entsenden.

Gegen Abend des 26. erging ein erster Schießbefehl an die eingesetzten Truppen, der im Wesentlichen folgende Punkte enthielt: - Feuereröffnung dann, wenn die Grenze von bewaffneten Einzelpersonen oder Gruppen überschritten wird und der Aufforderung zum Zurückgehen oder zur Niederlegung der Waffen nicht Folge geleistet wird.

- Das Feuer ist zu erwidern, wenn Eindringlinge selbst das Feuer eröffnen.

- Eine Feuereröffnung darf nicht erfolgen, wenn das Feuer von jenseits der Grenze eröffnet wird.

- Diesbezügliche Maßnahmen sind auf dem Dienstweg unverzüglich zu melden.

Über Nacht liefen bei Gruppenkommanden und der Sektion II zahlreiche widersprüchliche Informationen ein, wie schwere Gefechte im Raum Hegyeshalom oder Panzergeräusche aus dem Raum Pressburg-Engerau; ein Übergreifen von Kampfhandlungen auf österreichisches Territorium wurde nicht ausgeschlossen. Viele Meldungen entpuppten sich als Gerücht, die vom Gruppenkommando I leider unreflektiert transportiert wurden.

In dieser Situation ließ Bundesminister Graf den sowjetischen Verteidigungsattaché zu einem Gespräch in das BMLV bitten, da die Unsicherheit über das Verhalten der sowjetischen Truppen und deren Führung sehr groß war. Das Gespräch führte dann doch auch zu einer gewissen Beruhigung und endete mit einem gemütlichen Teil und viel Alkohol. "Irgendwann meinte er dann, die österreichische Grenze werde respektiert." (FN21) Leider wiederholten sich die ressortinternen Verwicklungen im Rahmen der Befehlskette. Weisungen ergingen durch die zuständige Sektion II, den Leiter der Sektion I, aber auch den Bundesminister selbst, der persönlich bis zur Bataillonsebene durchgriff und Aufträge erteilte oder durch seinen Adjutanten erteilen ließ. Verbände, die die ergangenen Befehle kommentarlos ausführten, gingen "verloren" und mussten von der militärischen Führung wieder "eingefangen" werden.(FN22) Unabhängig davon erfolgten die geordnete Alarmierung der Kräfte des Bundesheeres und das Herstellen der Marschbereitschaft für eine Verlegung an die Ostgrenze. Die Vorbereitungen und Marschbewegungen liefen nicht problemlos ab. Fahrzeuge und Gefechtsfahrzeuge wie z.B. der Spähwagen M8 waren zwar grundsätzlich vorhanden, doch fehlten ausgebildete Kraftfahrer. Unter den Rekruten wurden daher die Führerscheinbesitzer festgestellt, am Fahrzeug eingewiesen und nach einigen Proberunden im Kasernenbereich tatsächlich als Kraftfahrer eingesetzt. Ähnliche Probleme bestanden praktisch bei allen Einheiten.

Am Tag nach Anordnung des Einsatzes, also am 27. Oktober, inspizierten Bundesminister (BM), Staatssekretär (StS Dr. Stephani), Generaltruppeninspektor (GTI) und der Leiter der Operationsabteilung, Oberstleutnant Leeb, gemeinsam die eingesetzten Kräfte. Auf Grund unmittelbarer Eindrücke und Informationen ordnete der Bundesminister (!) wiederum selbst weitere Verschiebungen und Änderungen im taktischen Einsatz an: Das Kommando der 1. Brigade verlegte von Eisenstadt nach Wr. Neustadt, die Aufklärungskompanie nach Neusiedl/See, die 1. Kompanie/Feldjägerbataillon 5 von Bruck/Leitha nach Zurndorf und das Kommando der 2. Brigade von Wien nach Bruck/Leitha. Die Aufklärungskompanie erhielt den Auftrag, im Raum Gols-Halbthurn-Frauenkirchen zu patrouillieren. Während BM und StS dann nach Stegersbach weiterfuhren, überprüfte der GTI noch die Einheiten im Raum Bruck/Leitha, Kaisersteinbruch und Wr. Neustadt.

Zusammenfassend musste er tausend Mängel, oftmals ärgerliche Kleinigkeiten, aus heutiger Sicht nahezu unvorstellbar, registrieren: fehlende Munition, fehlendes Kartenmaterial, Mangel an Taschenlampenbatterien oder Glühbirnen. Fehlendes Material gab es praktisch bei allen Einheiten und vielen Systemen.(FN23) Selbst im Bereich der Sektion II stellte man erst ab 27. Oktober Überlegungen hinsichtlich Bewaffnung an und verständigte sich dann auf die Ausstattung mit Pistolen - allerdings ohne Pistolentasche - und gegen Maschinenpistolen, da diese erst später hätten verfügbar gemacht werden können.

Die Grenzen zwischen den Kräften der Gruppe I und der Gruppe II waren folgend festgelegt worden: Gruppe I und II: Raum Hirschenstein-Bernstein-Hochneukirchen; 2. und 1. Brigade: Raum Sommerein-Neusiedl sowie der Seewinkel (zur 2. Brigade).

Der Gefechtsstand der 5. Brigade wurde nach Fürstenfeld verlegt. Das Infanteriebataillon 2 wurde für die Dauer des Einsatzes in führungsmäßiger Hinsicht der Gruppe II unterstellt. Ein Zug des Infanteriebataillons 2 verlegte nach Großpetersdorf, ein Zug des Jägerbataillons 17 nach Fehring.

Den Dienstbetrieb für dieses erste Wochenende regelte man dahingehend, dass die Garnisonen nicht verlassen werden durften. Die Soldaten hatten jeweils um 12:00 Uhr und um 20:00 Uhr in den Kasernen anzutreten, um weitere Befehle entgegenzunehmen; Gruppenbefehlshaber, Brigadekommandanten und Chefs der Stäbe hatten ständig erreichbar zu sein. Noch am späten Abend des 27. Oktober hatte der BM mit dem GTI die Lageentwicklung besprochen und wohl auch über die getroffenen Maßnahmen diskutiert. Grundsätzlich schien die Lage stabil, obwohl langsam klar wurde, dass starke sowjetische Truppen aus der Ukraine und auch aus Rumänien nach Ungarn einflossen.(FN24) Am 28. Oktober erhielten die eingesetzten Truppen den Befehl, sich der Staatsgrenze auf nicht mehr als 500 m zu nähern, um nicht in Zufallsgefechte verwickelt zu werden. Diese Maßnahme wurde gesetzt, um zwischen beabsichtigter und unbeabsichtigter Grenzverletzung unterscheiden zu können, was für die Frage einer allfälligen Feuereröffnung entscheidend war. Ausgenommen von dem Verbot wurden lediglich die motorisierten Patrouillen. Die Sektion I erließ einen eindeutigen Schießbefehl gegen im Kampf stehende Truppen, die auf österreichisches Territorium übertreten wollten und nicht zur Umkehr zu bewegen waren oder sich nicht entwaffnen ließen. Dieser Befehl galt ausdrücklich auch für nachdrängende sowjetische Truppen: "Personen oder Gruppen, die österreichisches Territorium bewaffnet betreten, sind zum Niederlegen der Waffen aufzufordern und zu entwaffnen. Gegen im Kampf die Grenze überschreitende ungarische Formationen ist … das Feuer zu eröffnen…. Sowjetrussischen Einheiten, die im Nachdrängen auf österreichisches Territorium gelangen, ist ebenfalls klarzumachen, dass sie sich auf österreichischem Boden befinden. Auch gegen sie ist, wenn sie sich nicht zurückziehen, das Feuer zu eröffnen." Weitere Kräfte aus Westösterreich wurden noch in der Nacht zum 28. Oktober alarmiert mit dem Auftrag, innerhalb einer Stunde die Marschbereitschaft herzustellen. Dies stieß auf Schwierigkeiten, da die Kompanien personell und materiell gemäß Orgplan aufzustellen waren. Somit fehlte nicht nur Personal, sondern auch Ausstattung und der erforderliche Transportraum. Erst am nächsten Tag, 09:30 Uhr, konnten z.B. die beiden von der Militärakademie (MilAk) zu stellenden Kompanien die Marschbereitschaft melden.

Durch das Zusammenwirken aller im Bundesheer verfügbaren Fernmeldekräfte konnte letztlich am 28. Oktober die permanente Erreichbarkeit aller eingesetzten Kommanden bewerkstelligt werden. Dennoch musste das BMLV das Bundesministerium für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft/Generaldirektion der Österreichischen Post- und Telegraphenverwaltung ersuchen, eine ständige Besetzung der Postämter im Einsatzraum zu ermöglichen, um die eingesetzten Verbände auch telefonisch erreichen zu können.(FN25) Um die Mittagszeit des 28. Oktober (Sonntag) trat der Ministerrat zusammen. Er billigte nachträglich die von BM Graf getroffenen Maßnahmen und beauftragte den BM für Inneres, das Grenzgebiet zu Ungarn zur Sperrzone zu erklären, um Neugierigen den Zutritt zu verwehren und gleichzeitig das Straßennetz für Bundesheer, Exekutive und die Hilfsorganisationen frei zu halten. Ein weiterer Effekt dieser Anordnung war selbstverständlich politisch zu sehen: Es sollte der Eindruck vermieden werden, dass die Staatsgrenze zu Ungarn "offen" ist und sie jedermann in beide Richtungen passieren könne. Straßensperren sollten die Durchsetzung der Maßnahmen erleichtern.

Neben dem Bericht über die aktuelle Lage an der Grenze stand im Ministerrat aber die Frage im Vordergrund, wie sich die Republik Österreich angesichts der durch die Sowjets herbeigeführten Eskalation zu einer gewaltsamen und militärischen Auseinandersetzung verhalten und positionieren sollte. Noch vor dem Ministerrat hatte Außenminister Figl mit den westlichen Botschaftern konferiert und auch mit dem sowjetischen Botschafter Lapin gesprochen, um Wege zur Feuereinstellung zu sondieren.(FN26) In besagtem Ministerrat einigte man sich nach längerer und ausführlicher Diskussion auf einen an die Sowjetunion zu richtenden Appell, "mitzuwirken, dass die militärischen Kampfhandlungen abgebrochen werden und das Blutvergießen aufhöre. Das Ziel müsse sein, dass durch die Wiederherstellung der Freiheit im Sinne der Menschenrechte der europäische Friede gestärkt und gesichert werde."(FN27) Angesichts dessen, dass man der Staatsvertragsmacht Sowjetunion Waffengewalt im Falle des Überschreitens der Staatsgrenze androhte, sie außerdem auch direkt zur Einstellung der Kampfhandlungen aufforderte, lediglich anzunehmen, dass es zumindest zu "Verstimmungen" mit der Sowjetunion kommen würde, war sicherlich mutig.(FN28) Der Ministerrat besprach, wie man sich zu verhalten hätte, wenn russische Soldaten im Gefecht versehentlich oder im geplanten Angriff die Staatsgrenze überschreiten. Die Meinung von Leopold Figl, Ferdinand Graf, Oskar Helmer und Otto Tschadek war diesbezüglich einhellig: Sollten die Russen die österreichische Grenze überschreiten, würden sie auf hartnäckigen militärischen Widerstand treffen. Oder wie Bundesminister Graf es eindeutig formulierte: "Betritt jemand bewaffnet die Grenze, so werden sie aufgefordert, die Waffen niederzulegen. Wenn nicht, so wird geschossen, auch wenn es ein russischer Trupp ist." Und weiter: Wenn die Sicherung der Staatsgrenze politisch, das heißt durch die zivile Gewalt, nicht mehr gewährleistet werden könne, gehe die Verantwortung auf die militärischen Stellen über. Graf erkannte natürlich, dass das Bundesheer im Falle eines massiven Angriffs sowjetischer Kräfte kaum standhalten konnte, doch sollten mit dem Einsatz zumindest die Voraussetzungen für ein Eingreifen der Westmächte zu Gunsten Österreichs geschaffen werden.(FN29) Als weiteres Resultat des Ministerrates erteilte Bundesminister Karl Waldbrunner den Auftrag an Bahn und Post, das Bundesheer umfassend zu unterstützen.

Hinsichtlich der von Minister Graf im Vorlauf veranlassten Maßnahmen dürfte es doch auch Diskussionen zwischen den Koalitionspartnern gegeben haben, warf man BM Graf doch vor, eigenmächtig gehandelt zu haben. Hiezu erklärte Graf zu einem späteren Zeitpunkt: "Man kann mir vorwerfen, ich hätte zuwenig mit Gesetzen gearbeitet. Hätte ich aber auf die Gesetze gewartet, wäre eine Aktion wie der Ungarn-Einsatz unmöglich gewesen. Damals bestimmte ausschließlich der Minister, wie viel Soldaten wohin geschickt werden müssen. Ich hatte Vollmachten, wie sie selbst Kaiser Franz Josef nicht hatte, denn er musste das Parlament fragen, wenn er die Rekrutenzahlen erhöhen wollte. Aber General Körner - er wurde erst vom bereits rollenden Einsatz informiert - hatte als alter Frontsoldat und General viel Verständnis; und Raab hat mir alle Freiheit gelassen." (FN30) Der Montag, 29. Oktober, zusammengetretene Landesverteidigungsrat bestätigte auf alle Fälle die vom BMLV getroffenen Maßnahmen zur Sicherung der Grenze und der Bevölkerung sowie die vom Bundesministerium für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft und vom Bundesminister für Inneres getroffenen Maßnahmen zur Bereitstellung von Verkehrsmitteln und zur Übernahme der Flüchtlinge.(FN31) Im BMLV diskutierte man die Frage, wie die Staatsgrenze eindeutig zu kennzeichnen sei, und entschied, sie mit rot-weiß-roten Fahnen zu markieren. Diese Entscheidung wurde vom BMLV mittels Erlass der Sektion I angeordnet und von Soldaten, der Gendarmerie, aber auch Feuerwehren ausgeführt; auch erging der Auftrag, die Fahrzeuge des Bundesheers derart zu kennzeichnen.

Sehr rasch änderten sich für das Bundesheer die Bedingungen, der Einsatz wurde immer umfangreicher: Es sollte nun auch Kasernen und das noch existierende ehemalige Kriegsgefangenenlager in Hörsching für die Aufnahme von Flüchtlingen und zu internierende Soldaten verfübar machen. Decken, Feldküchen und Wirtschaftsgüter mussten nun für zivile Organisationen bereitgestellt werden. In Bruck/Leitha, Wr. Neustadt und Pinkafeld errichtete das Heer vorsorglich Truppenverbandsplätze, die personell ebenfalls eher am unteren Rand der Arbeitsfähigkeit angesiedelt waren.

Die kommunistische Propaganda der Sowjetunion und des Warschauer Paktes, aber auch die heimische kommunistische Presse beschuldigte Österreich, ein Hort der Reaktion und eine Basis für Konterrevolutionäre zu sein und außerdem, dass Österreich an Vorbereitungen der NATO für eine Intervention in Ungarn von österreichischem Territorium aus beteiligt sei. Schon am 1. November hatte die "Volksstimme" behauptet, dass Flugzeugstaffeln, getarnt als Sanitätstransporte, ehemalige SS-Leute, ehemalige ungarische Offiziere und Emigranten von Österreich aus nach Ungarn transportierten. Der Moskauer Rundfunk wiederholte diese Behauptungen am 2. November. Natürlich bewirkten diese Behauptungen große Empörung auf politischer Ebene und bei der österreichischen Bevölkerung. Die Ausgabe der Volksstimme wurde der Staatsanwaltschaft vorgelegt, die jedoch nichts veranlasste. Es entstand aber nicht nur Empörung, sondern auch Besorgnis auf politischer Ebene, und um den Vorwürfen entgegenzutreten, lud das Ressort die Verteidigungsattachés der Signatarmächte des Staatsvertrages am 30. Oktober zu einer Besichtigung des Grenzraumes unter Leitung von General Dr. Liebitzky ein, um sie mit dem vom Bundesheer und der Exekutive getroffenen Dispositiv vertraut zu machen. Ziel war, sie zu überzeugen, dass all die erhobenen Vorwürfe unwahr seien. Zumindest die westlichen Verteidigungsattachés dürften ganz angetan vom Einsatz des Bundesheeres gewesen sein, da sie sich durchaus befriedigt über das Gezeigte äußerten. Sie wurden ersucht, über das Beobachtete zu berichten.

Um den 31. Oktober und 1. November herum war man von Seiten Österreichs noch überzeugt, dass sich die Lage in Ungarn stabilisieren werde und das gemäßigte Regime unter Imre Nagy die Lage in Griff bekommen würde, obwohl das Verteidigungsministerium schon ab 29. Oktober über beunruhigende, aber nicht überprüfbare Informationen verfügte (wie bereits erwähnt, war der Entschluss des ZK der KPdSU zur Intervention zu diesem Zeitpunkt bereits gefallen), nämlich dass an diesem Tage starke sowjetische Kräfte mit mehreren hundert Kampfpanzern aus der Sowjetunion kommend über Cop nach Ungarn einmarschiert seien.(FN32) Am Vormittag des 1. November besetzten sowjetische Kräfte den Flughafen von Budapest, offiziell um den Schutz der Ungarn verlassenden sowjetischen Bürger und der Verwundeten zu ermöglichen. Tatsächlich brachten die Sowjets damit frühzeitig den operativ wichtigen Flughafen in ihren Besitz. Im Verlauf der nächsten Tage überstürzten sich dann die Ereignisse, als sowjetische Truppen aus den Karpaten, der CSSR und Rumänien herangeführt wurden, v.a. aber Budapest eingeschlossen wurde.

Die an der Staatsgrenze eingesetzten Kräfte konnten diese Entwicklung klarerweise nicht erkennen! Die Brigaden meldeten völlige Ruhe, die Spähtrupps hatten sich eingelaufen und erfüllten auftragsgemäß ihre Aufgaben, überwachten, beobachteten, meldeten. Beinahe konnte man von beginnender Routine sprechen. Die Kommandanten ordneten ihre Kräfte, ständige Fernmeldeverbindungen wurden errichtet, die Unterkünfte für die Soldaten verbessert. Auf Informationen von der Grenze reagierte man angepasst und angemessen. Immer wieder verlegten schwache Kräfte aus ihren Verfügungsräumen in scheinbar bedrohte Grenzorte.

Die Aufnahme und Weiterleitung von Flüchtlingen bereitete keinerlei Schwierigkeiten, da nur wenige die Grenze Richtung Österreich überschritten, die von den Soldaten direkt der Gendarmerie übergeben wurden.

Am 3. November hatte man noch für Ungewöhnliches Zeit: Als Innenminister Helmer beim Zollschranken von Nickelsdorf Weisungen an Soldaten erteilte, musste das Ressort befehlen, dass von nichtmilitärischen Personen keine Befehle entgegengenommen werden dürfen.

Ebenfalls am 3. November hatte die Nachrichtengruppe berichtet, dass dieser Tag der erste ohne Kämpfe in Ungarn war und weitere Verlegungen sowjetischer Truppen nicht erkennbar seien. An diesem Tag sollten auch tatsächlich Verhandlungen zwischen der ungarischen Regierung und dem sowjetischen Kommando stattfinden, und die Regierung hatte daher eine strikte Feuereinstellung angeordnet, um die Gespräche nicht zu gefährden. Diese vereinbarten Verhandlungen ermöglichten auf alle Fälle den Sowjets das Beziehen des Ausgangsdispositivs ohne jegliche Gegenwehr!

Am 4. November 04:00 Uhr trat die sowjetische Armee in ganz Ungarn zum Angriff an. Auch das eingeschlossene Budapest wurde angegriffen.

Aus der CSSR trafen Meldungen über eine Mobilmachung der tschechoslowakischen Volksarmee ein, die weit über ein allenfalls erforderliches Maß hinausgingen. Gleichzeitig verdichteten sich Informationen, die auf die Bildung von Partisanengruppierungen in der Slowakei hinwiesen.

Am selben Tag wurde in Österreich die kommunistische "Volksstimme" auf Grund der Vorwürfe, die sie gegen Österreich erhob - Neutralitätsverletzung gegenüber Ungarn - wegen Hochverrates und Verbreitung beunruhigender falscher Gerüchte - beschlagnahmt, was erneut zu wütenden Angriffen der kommunistischen Medien gegen Österreich und dann zu eindeutigen, allen Beschuldigungen einen Riegel vorschiebenden Beschlüssen des außerordentlichen Ministerrates am gleichen Tag führte. Damit reagierte der Ministerrat auf die Eskalation, bedingt durch die politischen Vorwürfe seitens bestimmter Medien und auf die Entwicklung der politisch-militärischen Lage in Ungarn: Es wurden Maßnahmen beschlossen, die den Einsatz von Heer und Exekutive im Grenzraum erleichtern und die Organisation der nun zu erwartenden Flüchtlingsströme sichern sollten. Es erfolgte die Verordnung weiterer Verkehrsbeschränkungen Richtung Burgenland und Grenze.

Der Artikel in der "Volksstimme" selbst trug wesentlich dazu bei, dass in den folgenden Tagen die Volkswut gegen die österreichischen Kommunisten so massiv anstieg, dass die Polizei nur durch massives Einschreiten körperliche Verfolgungen, aber auch die Zerstörung kommunistischer Lokale verhindern konnte.(FN33) Die Zahl der Flüchtlinge stieg nun beständig an. Die Lager füllten sich rasch und konnten den momentanen Zuwachs gar nicht verkraften. Zusätzliche Lager mussten vorbereitet werden. Erstmals flüchteten auch ungarische Soldaten nach Österreich.

Zunächst hatten die österreichischen Soldaten noch den Auftrag erhalten, gefangene Soldaten sofort von Flüchtlingen zu trennen, da sie ohne Kriegserklärung in Österreich eingedrungen und daher als Verbrecher zu betrachten seien. Nun erging der Auftrag des Verteidigungsministers, Militärpersonen gemäß Haager Landkriegsordnung zu internieren und hiefür drei Interniertensammelstellen im Bereich der Gruppenkommanden einzurichten. Die Pioniertruppenschule in Klosterneuburg wurde innerhalb von zehn Stunden zum Internierungslager umfunktioniert und in Eisenstadt, Oberwart und Feldbach wurden Interniertensammelstellen eingerichtet.

In den Morgenstunden des 5. November traten allein im Bereich der Gruppe I 230 Militärpersonen über, und am Abend des 5.11. belegten bereits 577 Internierte das Lager von Klosterneuburg. Rund 10.000 andere Personen waren bereits nach Österreich geflüchtet.

Propaganda und Agitation gegen Österreich verstärkten sich so, dass in Zusammenhang mit der Mobilmachung in der CSSR aus militärischer Sicht eine weitere Eskalation und ein Angriff auch auf Österreich durchaus denkbar schienen. Als Reaktion darauf wurden nun zwei Operationsskizzen erstellt, die sich mit einer Bedrohung durch die CSSR beschäftigten: Variante 1: Konzentration auf eine mögliche Bedrohung aus der CSSR; Variante 2: Einsatz gegen die CSSR unter Aufrechterhaltung des Grenzschutzes gegen Ungarn.

In Variante 1 sollten die 4. Brigade im Mühlviertel, die 3. Brigade im Waldviertel und die 2. Brigade im Weinviertel eingesetzt werden. Das Infanteriebataillon 10 aus Klagenfurt sollte die 3. Brigade verstärken.

In Variante 2 sollte die 3. Brigade vorerst provisorisch den Grenzschutz gegen die CSSR unter zusätzlichem Einsatz eines Alarmbataillons Militärakademie, einer Aufklärungskompanie, des Feldjägerbataillons 9 sowie des Heerespionierbataillons 1 organisieren.

Die 6. Brigade sollte zugeführt werden und das Kommando im Wald- und Mühlviertel übernehmen, während die 3. Brigade im Weinviertel führen sollte. Die 8. Brigade stand im Raum Salzburg als Mobilmachungsreserve - allerdings ohne Kraftfahrzeuge - für einen Einsatz bereit. Die Aufbietung von Fahrzeugen musste improvisiert werden. Den Einsatz sollte die Gruppe I führen.

Die 5. und 8. Brigade hatten bereits am 3. November beabsichtigte Marschstraßen für Verlegungen nach Ostösterreich gemeldet und begonnen, diese verdeckt und geheim zu erkunden.

Ingesamt stellte sich die Lage Besorgnis erregend dar, da die sowjetischen Truppen die gesamte ungarische Grenze gegenüber Österreich besetzt hatten. Informationen über die Vorgänge in Ungarn waren widersprüchlich, und was sich im Luftraum, sowohl dem ungarischen als auch dem österreichischen, ereignete, wusste man überhaupt nicht, da es keinerlei Radarüberwachung gab. Grenzverletzungen und Überflüge fremder Luftfahrzeuge erfolgten häufig, ohne dass man deren Identität hätte feststellen können. Aktive Gegenmaßnahmen waren nicht möglich.

Angesichts dieser Entwicklung war es nur verständlich, dass der GTI in einem Memorandum die verzweifelte Forderung erhob, bei der Schweizer Regierung die Bitte zu deponieren, Österreich das Material für zwei komplette Brigaden zu verkaufen oder zu leihen. Schließlich sei auch die Schweiz von einer Gefährdung der österreichischen Sicherheit betroffen. So berechtigt die Forderung schien, so unmöglich war aber auch deren Umsetzung. Das Memorandum verließ das Ministerium nicht.(FN34) Am Abend dieses 4. November schloss der Offizier vom Dienst, Oberstleutnant Bach, den Abendrapport mit folgenden Meldungen ab: - Am heutigen Tag schoben sich die Russen in großer Breite an die österreichische Grenze heran und lösten in Zusammenhang mit dem Handstreich in Budapest eine umfangreiche Fluchtbewegung der ungarischen Bevölkerung aus. Zum ersten Mal traten auch ungarische Soldaten in größerer Zahl auf österreichisches Gebiet über, sie ließen sich überall reibungslos entwaffnen.

- Gruppe II: Flüchtlingsanfall v.a. im Raum St. Gotthard. Bisher etwa 2.500 bis 3.000 Flüchtlinge, darunter 80 bis 100 internierte Honved-Soldaten. Abtransport der Zivilflüchtlinge nach Graz durch Zivilbehörden im Gange. 2. Kompanie/Feldjägerbataillon 17 (vermindert um einen Zug) verlegt von Straß nach Feldbach zur besseren Überwachung des Raab-Tales.

- Gruppe I: am rechten Flügel nur geringe Flüchtlingsbewegungen. Die Besetzung von Ödenburg durch russische Panzertruppen verursachte einen starken Flüchtlingsstrom v.a. auf der Straße Ödenburg-Eisenstadt. Nach Schätzungen der Exekutive sind hier 5.000 bis 7.000 Flüchtlinge durchgekommen, mit deren Abtransport die Zivilbehörden begonnen haben. 100 bis 200 ungarische Soldaten wurden in Klingenbach entwaffnet. Sie werden in der Interniertensammelstelle Eisenstadt gesammelt. Genaue Meldung über sichergestellte Personen und Gerät wird nachgereicht. Im Raum ostwärts des Neusiedlersees lebhafte eigene Spähtrupptätigkeit. Grenzübertritt und Internierung von 50 Honveds, sonst nur geringe Flüchtlingsbewegung.

- Interniertenlager Klosterneuburg: am 5.11. für zunächst 500 Mann aufnahmebereit.

Die Ereignisse des 5. und 6. November

Ab den frühen Morgenstunden des 5. November erfolgten Luftlandungen französischer und britischer Fallschirmjäger in der Suez-Kanalzone, die zum Teil auf heftigen Widerstand ägyptischer Truppen stießen. Die Sowjetunion drohte in der Folge mit dem Einsatz von Interkontinentalraketen. Der UNO-Sicherheitsrat forderte die unverzügliche Feuereinstellung. In Österreich brach unter der Wiener Bevölkerung Kriegspanik aus, und dem Einzelhandel gingen innerhalb kurzer Zeit die Lebensmittel aus. Zeitweilig konnte man in den Geschäften weder Waschseife, noch Öl, Reis, Mehl oder Zucker mehr kaufen, da die Händler mit den Nachlieferungen nicht mehr nachkamen. Angeblich verließen sogar vereinzelt Personen und Familien Wien Richtung Westen.(FN35) Selbst die USA hielten nun eine Eskalation auch in Mitteleuropa nicht mehr für undenkbar, wie der Besuch des US-Verteidigungsattachés Oberst Sloane im BMLV zeigte. Auf diese Vorsprache hin konfrontierte der BM den GTI mit acht Fragen betreffend die möglichen Entwicklungen und beauftragte ihn mit der Planung und Vorbereitung von Gegenmaßnahmen.(FN36) Oberst Fussenegger ordnete nunmehr die Bildung eines Führungsstabes an, der die Funktion eines Armeekommandos erfüllen sollte. Bislang lief ja neben der Führung des Sicherungseinsatzes der normale Büro- und Dienstbetrieb in der Zentralstelle weiter.

Am Ende der Beratungen mit Leeb und Bach stand ein Operationsbefehl, der die erforderlichen Verteidigungsmaßnahmen aus militärischer Sicht darlegte. Minister Graf stimmte zwar vorerst diesem Operationsbefehl zu, doch festigte sich später die Auffassung, dass ohne Befassung des Landesverteidigungsrates und der Bundesregierung eine solche weit reichende Entscheidung wie dieser Befehl nicht machbar wäre. Erst am Vortag war ja die Bundesregierung zu einer außerordentlichen Sitzung zusammengetreten, um über die Lage zu beraten. Hier war aber über eine bedrohliche Verschärfung der Lage, die weitere militärische Maßnahmen erforderlich machen könnte, nicht gesprochen worden und daher auch nicht über eine allfällige Ermächtigung für den BM, Verteidigungsmaßnahmen einzuleiten. Dennoch unterschrieb Graf am späten Nachmittag vorerst den Einsatzbefehl für das Bundesheer, der um 18:00 Uhr an die Gruppenkommanden übermittelt wurde. Noch am Abend wollte Bundesminister Graf den Befehl wieder zurückgenommen wissen, ließ sich aber überzeugen, ihn doch auszuführen. Die militärische Führung musste jedoch die Rücknahme des Befehles an die Gruppe III zur Verlegung in den Einsatzraum zur Kenntnis nehmen. Sie verblieb in ihren Garnisonen. Alle anderen Verlegungen erfolgten dann als so genannte "Nachtmarschübung".

Der Weisung zufolge sollten in der Nacht zum 6. November die Kräfte auf die allgemeine Linie Sauerbrunn - Großhöflein, Bruck a.d. Leitha - Petronell zurückgenommen werden und dort eine stützpunktartige Verteidigung vorbereitet werden; weiters sollte hinhaltend kämpfend vorerst auf die Wienerwaldeingänge und weiter in den Raum St. Pölten zurückgegangen werden. Die Gruppe II sollte mit der 5. Gebirgsbrigade stützpunktartig die Linie Fehring-Fürstenfeld-Markt Allhau besetzen, vor überlegenem Gegner hinhaltend kämpfend in die Graz-Schutzstellung zurückgehen, die Gruppe III im Raum Linz - Enns - Steyr führen sowie die Donau-Brücken außerhalb Wiens zur Sprengung vorbereitet werden. Die Gruppe III hatte im Falle der Verhinderung des Führungsstabes/BMLV die operative Führung zu übernehmen und die Truppen ihre Kasernen in der Nacht zu verlassen und garnisonsnahe Verfügungsräume zu beziehen, um nicht Ziele für Fliegerangriffe zu bieten. Im unmittelbaren Grenzraum sollten lediglich die bislang eingesetzten Panzeraufklärungskräfte sowie einzelne motorisierte Spähtrupps verbleiben. Für den Kommandostab wurde eine Kraftfahrstaffel bereitgestellt, mit der vom Ministerium weg in die Tiefe des Raumes verlegt werden sollte, wobei vorerst an den Raum St. Pölten gedacht war, da man dort die militärische Infrastruktur nützen wollte.(FN37) Im Fall eines Angriffes erhielt damit die Gruppe I den Auftrag, mit ihren Kräften einen hinhaltenden Kampf aus den Pforten (gemeint sind die Hainburger Pforte, die Brucker Pforte und die Eisenstädter Pforte) zurück bis an die Wienerwald-Eingänge und eine so genannte "Wienerwald-Schutzstellung" zu führen und sich in dieser zur Verteidigung einzurichten. Diese Wienerwald-Stellung existierte jedoch lediglich als Begriff. Es waren keinerlei Vorbereitungen erfolgt, auch Erkundungen hatten nicht stattgefunden. Immerhin übte ein Alarmzug der Artillerieschule im Helenental die bewegliche Panzerabwehr mit schweren Feldhaubitzen.

Die Kräfte der Gruppe II sollten vorerst stützpunktartig im Raum Fehring und an den Lafnitz-Übergängen zum Einsatz kommen, im Falle eines Angriffes jedoch auf die so genannte "Graz-Schutzstellung" zurückgehen und sich in der Linie Wildon-Hausmannstätten - Raum südlich von Rinnegg zur Verteidigung einrichten. In das Mur- und Mürztal wollte man parallel dazu Aufklärungstruppen schieben.

Weder der Gruppe I noch der Gruppe II wäre es vermutlich gelungen, den gestellten Auftrag zu erfüllen. Vielleicht wäre es möglich gewesen, örtlich begrenzt und kurzfristig die Bewegungslinien und deren Angelände zu sperren, ohne dadurch aber einen selbst auch nur kurzen Abwehrerfolg erringen zu können.

Den Soldaten, voran den Offizieren, die großteils kriegsgedient waren, schien die Lage klar: Aus dem bisherigen Sicherungseinsatz war plötzlich eine konkrete Bedrohung Österreichs geworden. Allen war bewusst, dass im Fall eines Angriffes keine Erfolgsaussicht bestand und daher die beabsichtigte Kampfführung in einem Desaster enden musste. Noch immer bestanden nämlich gravierende Mängel der Einsatztauglichkeit von Soldat und Material.

Dass eine staatspolitisch wichtige Aufgabe zu erfüllen war, hatten aber alle Beteiligten erkannt, und v.a. den Offizieren war bewusst, dass Ereignisse wie jene im März 1938 nie mehr wieder passieren dürften. Dies war wohl auch die Triebfeder des Handelns des GTI, der in dieser Situation mit seinen Anordnungen seine Befugnisse bei weitem überschritt, als er befahl, dass die Brücken über die Donau (Tulln, Krems, Persenbeug, Mauthausen, Steyregg, Linz - die Rollfähren über die Donau sollten unbrauchbar gemacht werden) konkret zur Sprengung vorzubereiten seien, was auch durchgeführt wurde! Major Pribil, der Kommandant des Heerspionierbataillons 1, wurde am Abend des 5.11. nach Wien befohlen und erhielt im BMLV einen persönlichen und handgeschriebenen Befehl des GTI ausgefolgt mit dem Auftrag, die Donaubrücken noch in der Nacht zur Sprengung vorzubereiten. Major Pribil setzte diesen Befehl in weiterer Folge nach Punkt und Beistrich um!(FN38) Oberst Fussenegger bewies in dieser Situation großen Mut zum Risiko und übernahm mit seinen Entscheidungen nicht nur die militärische Verantwortung, sondern wohl auch eine politische, die vielleicht bis heute nicht ausreichend gewürdigt worden ist. Er setzte durch, die Bedrohung so ernst zu nehmen, dass ihr militärisch entgegengetreten werden konnte, und stellte dadurch sicher, dass Österreich tatsächlich glaubwürdig als Opfer einer militärischen Aggression bezeichnet hätte werden können.

Bei strömendem Regen verlegten die eingesetzten Kräfte in die befohlenen Einsatzräume. Stellungen und Stützpunkte wurden gegraben, schwere Waffen getarnt, die Munition hiefür bereitgelegt. Lediglich die Panzeraufklärungskompanien verblieben als "Schleier" an der Grenze. Die eingerückten Jungmänner verlegten auftragsgemäß aus den Kasernen in garnisonsnahe Verfügungsräume, um nicht Ziel von Luftangriffen zu werden. Später verlegten sie überhaupt auf Übungsplätze in der Tiefe.

Allein der Bevölkerung an der Grenze wurde klar, was der Abmarsch der Soldaten bedeutete: "Die Russen kommen - ihr lasst uns alleine." In den frühen Morgenstunden des 6.11. meldeten die Brigaden den Abschluss der Umgruppierung und die Abwehrbereitschaft.

Als im Lauf des Vormittags des 6. November ein Angriff auf Österreich nicht stattfand und auch die verbliebenen Spähtrupps von der Grenze "alles ruhig" meldeten, hob das BMLV die Verteidigungsmaßnahmen wieder auf. Die Anspannung, die alle erfasst hatte, wich.

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insatz bis zum Jahresende

Für die Kommandanten und Truppen stellte die nächtliche Verlegung und die Vorbereitung zur Verteidigung gleichzeitig eine ausgezeichnete Übung dar. Die militärische Führung entschied, dass die zurückgenommenen Kräfte gleich dort neue Verfügungsräume und Unterkünfte zu erkunden und beziehen hätten. Die Aufklärungskompanien übernahmen die Aufgaben der Grenzüberwachung. Aus der Tiefe wurden weitere Spähtrupps auf Jeeps, drei Mann unter Kommando eines Offiziers, an die Grenze vorgeschoben. Sie versahen rund um die Uhr Dienst mit dem Auftrag, möglichst viele Flüchtlinge über die (militärische) Lage zu befragen, v.a. aber die Verteilung der sowjetischen Kräfte im ungarischen Raum sowie deren Verhalten in Erfahrung zu bringen. Motorisierte Kräfte der 1. Brigade überwachten das Mittelburgenland.

Der 500 m-Sicherheitsabstand zur Staatsgrenze, der nicht betreten/befahren werden sollte, wurde eingehalten. Die Kompanien und Bataillone richteten sich in ihren neuen Verfügungsräumen für einen längeren Verbleib ein und knüpften gleichzeitig neue, enge Kontakte mit der örtlichen Bevölkerung, die die Soldaten wiederum mit großer Freude bei sich aufnahm.

Noch am 6. November wollte man den Verteidigungsattachés im Rahmen einer Gefechtsübung im scharfen Schuss die Einsatzbereitschaft der Truppe präsentieren. Allerdings erwies sich das Interesse der Attachés als so gering, dass Besuch und Übung abgesagt werden mussten.

Der Flüchtlingsstrom wuchs nun beständig, und das Schwergewicht der Führungsaufgaben verlagerte sich in den Bereich der Organisation der Unterstützung für die Exekutive, die diese Massen von Flüchtlingen nicht mehr bewältigen konnte. Ein Brennpunkt des Geschehens lag dabei im Bereich des Seewinkels am Einserkanal im Raum Andau. Mehr und mehr Menschen flüchteten dort während der Nachtstunden. Am Höhepunkt der Flüchtlingswelle überschritten in einer Nacht (18. auf 19. November) über 2.000 Personen den Einserkanal bei Andau.

Das Bundesheer befragte geflüchtete und für die Beurteilung der Lage interessante Militärpersonen, entwaffnete und internierte sie. Noch am 6. November hatte das BMLV die Verlegung im Eisenbahntransport unter Bewachung von rund 660 Internierten und deren Familien von Klosterneuburg nach Wals-Siezenheim angeordnet. Zutiefst österreichisch, durften die Familien bei ihren internierten Männern verbleiben. Da die Flüchtlingszahl insgesamt jedoch rasant anstieg, mussten auch noch die verbliebenen 700 Internierten nach Siezenheim verlegt werden, um in Klosterneuburg Platz für neu ankommende Flüchtlinge zu schaffen. Die für den Betrieb des Internierungslagers geschaffenen Regelungen klangen verhältnismäßig einfach: "Das Verlassen des Lagers ist verboten. Infolge der Ausnahme von Artikel 92 ist für Fluchtversuche wohl die Waffenanwendung anzudrohen, die Anwendung eines gezielten Schusses zur Verhinderung eines Fluchtversuches jedoch nur dann erlaubt, wenn der Fluchtversuch in Verbindung mit strafrechtlich zu ahndenden Handlungen steht; sonst sind nur Warnschüsse abzugeben." (FN39) Später, als auch den Ungarn klar geworden war, dass übertretende Soldaten in Österreich erneut hinter Gittern verschwanden, kamen verschiedentlich Soldaten als "Studenten" nach Österreich, um so der Internierung zu entgehen.

Die Verteidigungsvorbereitungen blieben aufrecht, schon allein, weil immer wieder Besorgnis erregende Informationen einlangten. Die USA bereiteten eine Teilmobilmachung vor, was offensichtlich bedeutete, dass sich die weltpolitische Lage bei weitem noch nicht beruhigt hatte; auch aus der CSSR kamen immer wieder widersprüchliche Informationen. Schon am 5. November hatte die Grenzschutzabteilung den Auftrag erhalten, unter Einbeziehung des Pioniertruppeninspektors Sperrvorbereitungen an den Hauptbewegungslinien zwischen der ungarischen Grenze und Wien bis zur Enns, der ungarischen Grenze bis zur Pack und Graz sowie an den Donaubrücken vorzunehmen. Die militärische Führung ordnete an, die Erkundungen in Zivilkleidung durchzuführen, um die Bevölkerung nicht zu beunruhigen.

Abseits davon entwickelte sich für die Truppe nun langsam ein gewisser Routinebetrieb, und man ging sogar daran, die ersten Truppenteile aus dem Dispositiv herauszulösen und in die Heimatgarnisonen zurückzuverlegen. So rückten am 12. November die Alarmkompanien der Militärakademie wieder nach Enns ein. Nun erfolgte auch langsam die Umgliederung der Alarmkompanien in Orgplan-mäßige Kompanien, indem sie mit Rekruten des Einrückungstermins 15. Oktober aufgefüllt wurden.

Der Einsatzwert der Truppe war in Teilbereichen nach wie vor äußerst gering. Von den verfügbaren Panzern konnte so mancher nur bewegt, nicht aber ins Gefecht geführt werden, und den für eine Verlegung vorgesehenen Jungmännern fehlte zum Sturmgepäck das Tragegerüst.

In einem Memorandum deponierte der GTI seine großen Sorgen, indem er in acht Punkten Folgendes feststellte: Mit den derzeitigen Kräften ist eine Verteidigung nicht möglich und auch kein Schutz der Zivilbevölkerung.

Anträge aus diesem Grund sind: - Einberufung von Kader für Neuaufstellungen; - Überstellung 2.000 ehemalig Kriegsgedienter oder ehemaliger Angehöriger der B-Gendarmerie in das Bundesheer; - Genehmigung zur Anwendung des Reichsleistungsgesetzes; - Veranlassung der schnellsten Lieferung von Waffen, Munition und Gerät; - Beginn der Anlage von Feldbefestigungen und Sperren in den meistbedrohten Abschnitten; - Zusammentritt einer interministeriellen Kommission für Zivilschutz; - Vereinbarung mit der Bundespolizeidirektion Wien und der Sicherheitsdirektion NÖ für die Steuerung der Flüchtlingsströme; - Aufklärung der Zivilbevölkerung über die Notwendigkeiten der vorbereitenden Maßnahmen der militärischen Landesverteidigung.

Seine Wünsche fanden jedenfalls keinen Anklang und versandeten, wie vieles andere auch.

Am 21. November sprengten die Ungarn die mittlerweile zum Symbol der Freiheit gewordene Brücke von Andau über den Einserkanal, wodurch der Weg in den Westen deutlich schwieriger wurde.

Während am 23. November eine weitere Reduzierung des Sicherungseinsatzes angeordnet wurde und die Kommanden der 1. Jägerbrigade von Wr. Neustadt nach Eisenstadt, der 2. Jägerbrigade von Bruck a.d. Leitha nach Wien und die 5. Gebirgsbrigade von Fürstenfeld nach Graz zurückverlegten, ereignete sich bei Rechnitz der schwerste Zwischenfall des gesamten Einsatzes. Drei russische Soldaten verfolgten Flüchtlinge bis auf österreichischen Boden, bedrohten eine österreichische Zollwachpatrouille, die einschreiten wollte, und gaben Schüsse ab. Die Russen versuchten, ein junges Mädchen zu berauben und zu vergewaltigen, als die Soldaten von einer zufällig vorbeikommenden Gendarmeriepatrouille gestellt und angerufen wurden. Während ein Soldat verhaftet werden konnte, flüchteten die beiden anderen Richtung Grenze. Trotz wiederholter "Halt"-Rufe reagierten die Soldaten nicht. Mehrere Schüsse fielen und einer der Flüchtigen stürzte, von einem Bauchschuss getroffen, zu Boden. Er verstarb noch während des Transportes in das Krankenhaus von Oberwart; der andere entkam. Die Sicherheitsdirektion alarmierte daraufhin das Bundesheer, und das Infanteriebataillon 2 erhielt den Auftrag, einen verstärkten Infanteriezug unter Kommando des Hauptmanns Dr. Truxa nach Rechnitz zu verlegen, um die nervöse Bevölkerung zu beruhigen und vor nun möglich scheinenden Übergriffen zu schützen. Am 26. November wurde der Leichnam des verstorbenen Sowjetsoldaten in Anwesenheit des sowjetischen Verteidigungsattachés, Oberst Makowskij, mit militärischen Ehren an die Sowjets in Ungarn übergeben. Der gefangene russische Soldat wurde erst am 1. Dezember, nach Intervention der sowjetischen Botschaft in Wien, zurückgestellt.(FN40) Ab 24. November reduzierte das BMLV die im Einsatz befindlichen Kräfte erneut. Die stehenden Spähtrupps wurden aus den Grenzortschaften abgezogen und anstelle dessen Meldeköpfe eingerichtet. Die Bereitschaften wurden reduziert und weitere Kräfte in ihre Heimatgarnisonen zurückverlegt. Motorisierte Spähtrupps befuhren nunmehr den Grenzraum, wobei die Fahrten gleichzeitig der Ausbildung der Kraftfahrer dienten. Mit 25. November beendete man die Unterstellung des Infanteriebataillons 2 unter die Gruppe II. Die taktischen Grenzen wurden mit 30. November aufgehoben.

Am 29. November verlegte die 2. Kompanie des Feldjägerbataillons 5 aus ihrem Verfügungsraum Deutsch-Altenburg zurück nach Wien. Noch am 7. Dezember löste das Feldjägerbataillon 13 das bislang in Bruck a. d. Leitha stationierte Feldjägerbataillon 29 ab. Der Stützpunkt Oberpullendorf wurde aufgelöst und die 2. Kompanie des Feldjägerbataillons 1 nach Wr. Neustadt zurückverlegt. Mit gleichem Datum hob das Ressort alle Beschränkungen hinsichtlich des Garnisonsverbotes auf.

In der "Wiener Zeitung" ließ das BMLV amtlich verlautbaren, dass die ungarische Gesandtschaft in Wien das offizielle Ende der Kampfhandlungen in Ungarn mitgeteilt habe. Mit Wirkung vom 7. Dezember 00:00 Uhr wurde daher entsprechend den völkerrechtlichen Bestimmungen das Internierungslager aufgelassen. Alle Internierten wurden in Anwesenheit eines Repräsentanten des IKRK darüber befragt, ob sie nach Ungarn zurückkehren oder in Österreich um politisches Asyl ansuchen wollten. Letztlich blieben von rund 1.200 Insassen des Lagers 1.100 in Österreich. Nur 103 Rückkehrwillige reisten nach Ungarn aus.(FN41) Auch das Internierungslager Hörsching, in dem ein sowjetischer Soldat untergebracht war, wurde geschlossen.

Rasch ging der Einsatz seinem vorläufigen Ende entgegen: Am 10. Dezember ordnete das BMLV die Einstellung der verstärkten Patrouillentätigkeit mit Wirkung vom 15. Dezember, 17:00 Uhr, und die Aufhebung der taktischen Abschnittsgrenzen mit 22. Dezember, 00:00 Uhr an. Gleichzeitig hatten aber die Grenzgarnisonen Feldbach, Oberwart, Wr. Neustadt, Bruck a.d. Leitha und Götzendorf sich bereitzuhalten, um auf ein rasches Aviso hin den Patrouillendienst an der Grenze wieder aufnehmen zu können.

Als letzter Verband kehrte am 24. Dezember das Feldjägerbataillon 13 in die Heimatgarnison zurück. Damit endete vorerst dieser erste Einsatz des Bundesheeres.

Erfahrungen

Der Sicherungseinsatz des Herbstes 1956 traf das Bundesheer in der Frühphase seines Aufbaues und gemeinsam mit der politischen Führung völlig unvorbereitet. Die Organisation des Bundesheeres war erst Anfang 1956 festgelegt, die Leitungsfunktionen erst im Sommer 1956 besetzt worden. Mit dem Einrücken der ersten Jungmänner am 15. Oktober schaffte man die Voraussetzungen für eine Belebung der Organisation.

Für die Führung und Durchführung von Einsätzen gab es mit Ausnahme der Erfahrungen der kriegsgedienten Offiziere keinerlei Grundlagen, die genutzt hätten werden können.

Verantwortlichkeiten im Bereich der obersten politischen und militärischen Führung waren nicht eindeutig geregelt. Der BM, der Leiter der Sektion I und der GTI und zugleich Sektionsleiter II befahlen. Der BM brach in die unmittelbare Domäne des Militärs ein und traf, unter Umgehung des militärischen Apparates, Anordnungen bis hinunter zur untersten taktischen Führungsebene. Dies führte u.a. dazu, dass Truppen verlegten und die oberste militärische Führung über Entscheidungen nichts oder erst mit großer Verzögerung erfuhr. Folge davon war zumindest zeitweilige Verwirrung.

Problematisch stellte sich das Verhältnis zwischen dem "nicht kriegsgedienten" General Dr. Liebitzky (Leiter Sektion I), der große Verdienste während seiner Dienstzeit in der Ersten Republik und beim Wiederaufbau des Bundesheeres erworben hatte, und dem kriegsgedienten, aber durch den Dienst in der Wehrmacht "belasteten" Oberst Fussenegger dar. Der General konnte und wollte wohl auch nicht akzeptieren, von der militärischen Führung der Kräfte völlig ausgeschlossen zu sein.

Der rasche Ablauf der Ereignisse, der dadurch ausgelöste Zwang zum schnelleren Handeln, als eine gemächliche politische Führung in der Lage war, überrollte die politische Führung so, dass rechtliche Verfahren zur politischen Abstimmung und Entscheidungsfindung nicht eingehalten werden konnten. Eine formelle Ermächtigung zur Ausübung des Verfügungsrechtes im Sinne des B-VG besaß der Minister damals nicht. Eine solche schriftlich ausformulierte entstand erstmals im Jahr 1959!

Der Bundesminister handelte selbstständig mit nachträglicher Einholung der mündlichen Zustimmung der Mitglieder der Bundesregierung zu seinen verfügten Maßnahmen.

Der militärischen Führungsspitze, aber auch den eingesetzten Offizieren und Unteroffizieren war sehr wohl bewusst, dass dieses in Aufstellung begriffene Bundesheer einen Verteidigungsfall nicht bewältigen konnte.

Gerade deswegen zeigte der GTI großen Mut, Verantwortung für das Gesamte und Entscheidungsfreude, als er am Abend des 5. November die Herstellung der Verteidigungsbereitschaft anordnete und gewillt war, einem drohenden Angriff mit militärischen Mitteln entgegenzutreten. Und das, obwohl seitens des Ministers zumindest der Wunsch bestand, diese Einsatzweisung zurückzunehmen. Wie insgesamt die militärische Führung die Position vertrat, die Katastrophe des Jahres 1938 dürfe sich nie mehr wiederholen.

Allerdings musste am Abend dieses 5. November auch zur Kenntnis genommen werden, dass auf Grund der schwerfälligen politischen Abläufe es unheimlich schwierig ist, einen brauchbaren Befehl zeitgerecht zur Truppe zu bringen.

Bedeutungsvoll ist die Erkenntnis, dass zwischen der politischen und militärischen Beurteilung von Ereignissen gravierende Unterschiede auftreten können, die auch zu unterschiedlichen Resultaten führen können. Das Auseinanderdriften von politischer und militärischer Führung kann jedenfalls zu ernsthaften Schwierigkeiten im Zusammenspiel der Kräfte führen.

Dennoch berichtete BM Graf bald danach in der "Wiener Zeitung" vom 14. Dezember 1956 über die gemachten Erfahrungen und betonte: "Gleichgültig, wer in diesen Tagen die Grenze mit Aggressionsabsicht überschritten hätte, er wäre mit Feuer empfangen worden. Einen zweiten 13. März 1938 hätte es nicht gegeben und wird es auch nicht mehr geben." Graf unterstrich mit dieser Feststellung die Richtigkeit der getroffenen militärischen Entscheidungen und stellte sich gleichzeitig vor die militärische Führungsmannschaft und das gesamte österreichische Bundesheer.

Bereits zu Beginn der Krise bildete der GTI einen Führungsstab zur Sicherstellung der Stabsarbeit. Einen konkreten Führungsstab konnte er allerdings erst unter dem Druck der Ereignisse, und das nur gegen Widerstand seitens der politischen Führung und der Sektion I zusammenstellen!

Die Führungsstäbe aller Ebenen waren personell völlig unterbesetzt und auf die Aufgaben noch nicht vorbereitet, Führungsmittel nur in äußerst geringem Umfang vorhanden. Das Bundesheer stützte sich auf das Postnetz und die Fernsprechleitungen der Exekutive ab. Genützt wurden die Fernsprechstellen der Postämter, der Gasthäuser und von Privaten.

Führungsverbindungen bestanden zu Beginn des Einsatzes lediglich zwischen BMLV und den Gruppenkommanden. Die vorhandenen Postleitungen waren gleichzeitig häufig überlastet, so dass Meldungen nur mit Verzögerungen weitergegeben werden konnten.

Eine effektive Luftraumüberwachung existierte weder passiv noch aktiv. Überflüge fremder Luftfahrzeuge aus unterschiedlichsten Gründen waren daher jederzeit möglich. Die Identifizierung von Luftfahrzeugen konnte mangels Mittel nicht erfolgen. "Luftstreitkräfte" im Sinne des Wortes gab es sowieso nicht. Der Einsatz von Luftfahrzeugen beschränkte sich auf den Demonstrationsflug einer Rotte Yak-11 und den Flug eines Hubschraubers mit dem Ziel, die Verwendung eines Funkgerätes SCR-300 im Hubschrauber zu erproben. Weitere Einsätze verhinderte das sehr schlechte Wetter (Sichtflugbedingungen!).

Die tatsächliche Durchführung einer Verteidigung wäre mit den vorhandenen Kräften jedenfalls nicht möglich gewesen.

Die Verbände besaßen zu Einsatzbeginn kaum Munition und mussten sich behelfen. Unterlagen über die Bestände fehlten, die Gruppe II durfte daher Munition nach Belieben aus dem Munitionslager wegholen!

Die Nachrichtengruppe musste mit Bedauern feststellen, dass geeignete Dolmetscher fehlten und der Personalmangel in der Gruppe und bei den Stäben eine zufrieden stellende Aufgabenerfüllung verhinderte.

Die ersten Erfahrungsberichte beschäftigten sich naturgemäß mit dem gerade beendeten Einsatz und kamen zu folgenden Schlüssen und Forderungen: - Die Aufstellung einer territorialen Grenzschutz- und Sicherungstruppe ist unabdingbar notwendig; - Feldbefestigungen, Sperren und Sperrzonen sind, insbesondere im Osten, erforderlich; - nur mit einer modernen Luftraumüberwachung ist die Verhinderung von Luftraumverletzungen möglich; - ohne moderne Führungsmittel ist die Führung nicht möglich; - Mobilmachungsmaßnahmen auf allen Gebieten, v.a. auch innerhalb der Zentralstelle, sind notwendig; - Vorsorgemaßnahmen für die Zivilbevölkerung fehlen zur Gänze; - die Zusammenarbeit mit den unterschiedlichen staatlichen Stellen muss auf eine gesetzliche Basis gestellt werden.

Die Zusammenarbeit mit der Exekutive erwies sich als grundsätzlich positiv. Probleme entstanden im Bereich der Gruppe II auf höherer Ebene, als die Gruppe II die Absicht äußerte, sich die Exekutive im Einsatzraum zu unterstellen, und versuchte, schleichend Besitz von Gendarmeriedienststellen zu nehmen.

Mit der Abstellung eines Offiziers (mit Polizeierfahrung) konnten die wesentlichsten Informationen, die Situation in Österreich, v.a. aber in Ungarn betreffend, zwischen BMLV und BMI rasch und ohne Bürokratie ausgetauscht und zum beidseitigen Nutzen verwendet werden.

Letztlich gelangte man auch zur Erkenntnis, dass der Einsatz des gesamten Offiziersnachwuchses des Bundesheeres in drei Alarmkompanien nur als Akt der höchsten Not verstanden werden kann, wenn die Kraft der Armee am Erlöschen ist, der hier, zu Beginn eines Einsatzes, nicht angebracht war. Die Militärakademiker seien ein wertvoller Schatz des Heeres, die kommende Führungsgeneration, die man in einer derartigen Lage nicht leichtfertig verheizen darf, sondern hüten muss.(FN42) ANMERKUNGEN:

(Fußnote 1/FN1) A. Staudinger: Zur Geschichte der B-Gendarmerie. ÖMZ 5/72.

(FN2) O. Seitz: Die B-Gendarmerie. ÖMZ 5/65.

(FN3) Johann Allmayer-Beck: Die historische Entwicklung des Bundesheeres der 2. Republik. In: 20 Jahre österreichisches Bundesheer - Broschüre des BMLV.

(FN4) BMLV Zl. 401-strgeh/III/Gz/56 vom 25.7.56. Angeblich lautete der Deckname für diesen Operationsfall "Schwertlilie". Siehe auch Manfried Rauchensteiner: "Die Performance war perfekt"; in: Erwin Schmidl (Hrsg.): Die Ungarnkrise 1956 und Österreich, Böhlau-Verlag 2003.

(FN5) P. Gosztony: Die politischen Säuberungen in der ungarischen Armee 1945-1963, Teil 1. 1945-1956. ÖMZ 2/1994.

(FN6) ÁVH=Államvédelmi Hatóság, Amt für Staatssicherheit, früher ÁVO=Államvédelmi Osztaly, Abt. für Staatssicherheit - gegründet 1945 als Politische Abteilung der Polizei, wurde das ÁVH zum Instrument des stalinistischen Terrors; seine Auflösung war eine allgemeine Forderung während des Aufstandes, der Imre Nagy am 28. Oktober 56 nachkam.

(FN7) Siehe hiezu auch: Schmidl, Ungarnkrise, a.a.O. und Manfried Rauchensteiner: Spätherbst 1956. Die Neutralität auf dem Prüfstand. Wien 1981.

(FN8) Siehe hiezu Schmidl, Ungarnkrise a.a.O. sowie V. Vartanov: Die Sowjetunion und die Ereignisse in Ungarn im Herbst 1956.

(FN9) Ebenda.

(FN10) Vartanov, a.a.O.

(FN11) Lagebericht der Bundespolizeidirektion Wien für den Monat Oktober 1956.

(FN12) Aktenvermerk zu einer Besprechung im Innenministerium am 24. Oktober 1956.

(FN13) Hiezu R. Eger: Krisen an Österreichs Grenzen. Wien 1981.

(FN14) Siehe hiezu die Wochenpresse vom 22.5.68. Die gleiche Auffassung vertrat Gen i.R. Dr. Truxa. Auch StS Dr. Stephani äußerte sich ähnlich, wenn er meinte, das Parlament sei im Wege der Parlamentsklubs immer auf dem Laufenden gewesen.

(FN15) In einer Dienstbesprechung im Verteidigungsministerium am 27. und 28. September 1956 wurde festgehalten, dass das Heer das FS-Netz der Gendarmerie mitbenützt, weil ein eigenes Fernsprechnetz zu teuer sei und das Heimatfunknetz wegen Personalmangels nur zweimal wöchentlich in Betrieb genommen werden könne.

(FN16) Freundliche Mitteilung von Gen i.R. Dr. Tretter an den Verfasser.

(FN17) Freundliche Mitteilung von Gen i.R. Dr. Truxa an den Verfasser.

(FN18) Österreichisches Staatsarchiv/Kriegsarchiv. Aufzeichnung im Kommandotagebuch des Gruppenkommandos II/Einsatz 1956.

(FN19) Tagebuchaufzeichnung Oberst Fusseneggers.

(FN20) Manfried Rauchensteiner: Die Zwei: Die große Koalition in Österreich 1945-1966, Bundesverlag Wien, S. 340.

(FN21) Freundliche Mitteilung von MinR Dr. Zeininger am 2. Februar 1994.

(FN22) Die Befugnisse der obersten militärischen und politischen Führung waren nur theoretisch eindeutig geregelt. So erfolgten Weisungen und Befehle in der Anfangsphase des Einsatzes von folgenden Personen: Bundesminister Graf, seinem Adjutanten i.A., dem Leiter der Sektion I, Gen Dr. Liebitzky, und GTI Oberst Fussenegger.

(FN23) Unterlagen der militärgeschichtlichen Forschungsabteilung des BMLV. Einsatz 1956. Alle weiteren einsatzrelevanten Daten sind, soweit nicht anders angegeben, diesen Unterlagen entnommen.

(FN24) Tagebuchaufzeichnung Oberst Fusseneggers.

(FN25) Schreiben des BMLV vom 29.10.1956, Zl.353.409-III/Gz/56, an das BMV u. Elektrizitätswirtschaft.

(FN26) Außenminister Figl im Ministerrat am 28.10.1956. Ablage des Bundeskanzleramtes, freigegeben mit BKA vom 25.8.1994, Zl. 123.610/14-I/2/94.

(FN27) Beschlussprotokoll Nr. 12a vom 28.10.1956, ebenda.

(FN28) Ministerratsprotokoll Nr. 12a, ebenda.

(FN29) Ebenda.

(FN30) Zitiert nach: Die Wochenpresse vom 22.5.1968.

(FN31) Beschlussprotokoll Nr. 4 über die Sitzung des Landesverteidigungsrates am 29.10.1956.

(FN32) Erste Nachrichten lagen schon früher vor. Wichtige Informationen erhielt das BMLV von Reisenden aus der CSSR und aus Ungarn, die befragt wurden. Außerdem aber von Eisenbahnern, die über das bahneigene Fernmeldenetz entsprechende Informationen weitergaben. Dr. Stephani vertrat überdies die Auffassung, dass auch die Nachrichtengruppe gezielt versucht habe, Informationen zu gewinnen.

(FN33) Lagebericht der Bundespolizeidirektion Wien für den Monat November 1956.

(FN34) Internes Schreiben des GTI an den Bundesminister und den Staatssekretär.

(FN35) Aus dem Monatsbericht der Bundespolizeidirektion Wien für den November 1956.

(FN36) Freundliche Mitteilung von Gen i.R. Bach an den Verfasser. Hiezu auch die Tagebuchaufzeichnungen Oberst Fusseneggers. Unmittelbares Ergebnis der Besprechung mit dem BM war die Erarbeitung und Ausfertigung eines Operationsbefehles.

(FN37) Angeordnet mit BMLV vom 5.11.56, Zl. 1130-geh/Gz/56.

(FN38) Näher hiezu Hubert Speckner: "…wenn einwandfrei erkannter Feind…" Die Vorbereitung der Sprengung von Donaubrücken während der Ungarnkrise 1956. In: Truppendienst 1/2003.

(FN39) Angeordnet mit BMLV vom 5.11.56, Zl. 247.320-Präs/56.

(FN40) Gen i.R. Dr. Truxa im Gespräch mit dem Verfasser.

(FN41) Bundesminister Graf in der Wiener Zeitung vom 14. Dezember 1956. Von den 103 Rückkehrwilligen sprangen im letzten Moment noch drei ab, sodass letztlich genau 100 Personen nach Ungarn zurückkehrten.

(FN42) Gen i.R. Scharff im Rahmen eines Vortrages 1981 anlässlich der Präsentation des Buches "Spätherbst 1956" von Manfried Rauchensteiner.

Mag. Norbert Sinn

Geb. 1953; Generalmajor; 1972-1975 TherMilAk; 1982-1985 10. Generalstabskurs; 1985-1994 verschiedene Verwendungen in der FüAbt des BMLV; 1994-2001 Leiter der Adjutantur des BMLV; 2001-2003 Adjutant des Bundespräsidenten Dr. Thomas Klestil; seit Dez. 2003 Kommandant Theresianische Militärakademie.



Ihre Meinung/your opinion/votre opinion: Ihre Meinung/your opinion/votre opinion
Lagedarstellung 28.10.1956.
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Lagedarstellung 13.11.1956.
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Bewegung sowjet.Streitkräfte 23.10-31.10.1956 sowie Besetzung Ungarns.
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Bewegung sowjet.Streitkräfte 23.10-31.10.1956 sowie Besetzung Ungarns.

Lagedarstellung 4.11.1956, 19:00 Uhr.
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Lage in Ungarn am 30.10.1956.
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Lage in Ungarn am 30.10.1956.

Lage in Ungarn am 18.12.1956, 14:00 Uhr.
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Lage in Ungarn am 18.12.1956, 14:00 Uhr.

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