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Der Luftkrieg um Österreich und die Flaktürme Wiens: Teil II

Die Wiener Flaktürme

Ute Bauer

Kurzfassung

◄ Mit dem Bau der Wiener Flaktürme wurde im Winter 1942/43 begonnen; sie gehörten der letzten von drei Bautypenreihen an und erfüllten nur einen geringen militärischen Nutzen; ihre symbolische Bedeutung als Schutz- und Wehrbauten war für ihre Realisierung mindestens ebenso wichtig. Je zwei Türme bildeten ein Paar bestehend aus Gefechts- und Leitturm; Letzterer übermittelte die Daten angreifender Flugzeuge und übermittelte sie an den Gefechtsturm mit Flakgeschützen.

Während für die früher gebauten Türme in Berlin und Hamburg eine Nachnutzung angedacht wurde, ließen die immer stärker einsetzenden Luftangriffe bei der Erbauung der Wiener Flaktürme keinen Platz mehr für solch Überlegungen; man realisierte möglichst rasch die technisch verbesserten und vereinfachten Varianten, die in erster Linie militärischen und weniger formalen Anforderungen entsprachen. Heute stellen die sechs Wiener Flaktürme authentische Erinnerungsträger dar, von denen drei praktisch genutzt werden. ►


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Die Wiener Flaktürme

Unübersehbar stehen die sechs Flaktürme im Wiener Stadtbild und dennoch wurden sie seit Kriegsende übersehen: Weder sind sie Denkmale für einen bestimmten Anlass noch Gebäude mit einer bestimmten Funktion.

In welchem historischen Kontext stehen diese einzigen erhaltenen Bauten ihrer Art, welche Erinnerungsaufgaben sind mit ihnen verbunden und welcher Umgang mit ihnen wäre heute wünschenswert?

Baugeschichte

Bereits 1940 - also nach dem ersten Kriegsjahr - begann das NS-Regime mit dem Bau von Flaktürmen in Berlin und Hamburg, zwei Jahre später auch in Wien. Insgesamt 16 Flaktürme wurden bis 1945 errichtet. Sie dienten zur Fliegerabwehr, aber auch als Schutzraum für die Zivilbevölkerung.

Mit der Planung beauftragt wurde der deutsche Architekt Friedrich Tamms. Die Ausführung übertrug man Berliner Großbaufirmen, die der Organisation Todt unterstanden. Sie war 1938 insbesondere für den Bau militärischer Anlagen eingerichtet worden und maßgeblich am Bau des Westwalls, der Reichsautobahn und an Bauarbeiten in den von der Wehrmacht besetzten Gebieten beteiligt. Fritz Todt, Namensgeber und Leiter der Organisation, war somit der einflussreichste Bauunternehmer des Dritten Reichs, der Genehmigungsbehörden für Bau und Rüstung vereinte und dadurch Entscheidungswege erheblich verkürzen konnte. Der Bau der Flaktürme erhielt die höchste Dringlichkeitsstufe, was die Lieferung von kontingentiertem Material wie Stahl und Beton und die Zuteilung von Arbeitskräften erleichterte.

Der Anteil deutscher bzw. österreichischer Arbeitskräfte am Flakturmbau sank auf Grund der Einberufungen der jüngsten Jahrgänge zur Wehrmacht stetig und wurde durch Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter und Häftlinge aus den Konzentrationslagern ersetzt. Die Besatzungen der Flakbatterien wurden an die Front geschickt und durch Jugendliche ersetzt, selbst 15-Jährige kamen als so genannte Luftwaffenhelfer auf den Flaktürmen zum Einsatz.

Die Organisation des Wiener Flakturmbaus wurde auch durch Transportprobleme immer mehr erschwert. Lastkraftwägen schieden wegen Treibstoffknappheit aus, und so musste das Baumaterial per Schiff, Bahn und Straßenbahn angeliefert werden. Eigens eingerichtete Feldbahnen brachten Material zu und Aushubmaterial von den Flakturmbaustellen zu den nächstgelegenen Bahnhöfen bzw. zum Donaukanal. Sand und Schotter, die man als Zuschlagstoffe für den Beton benötigte, wurden u.a. auf Schiffen über den Donaukanal transportiert. Zwei den Flakturmbaustellen zugeordnete "Arbeiterlager" befanden sich bei der Nußdorfer Schleuse zwischen Donaukanal und Donau, weitere Arbeiter-Unterkünfte im 4. Bezirk und wahrscheinlich auf den Flakturmbaustellen selbst oder in ihrer unmittelbaren Umgebung.

Lage- und Baustelleneinrichtungspläne, Artikel in NS-Fachzeitschriften über "Großbaustellen im Stadtkern"(Fußnote 1/FN1) sowie die fotografische Dokumentation durch die Baufirma Gottlieb Tesch(FN2) geben heute Aufschluss über Einrichtung und Abwicklung der Flakturmbaustellen. Jeder Turm wurde in etwa einem halben bis dreiviertel Jahr rohbaufertig errichtet.

Die Präsenz der sechs Flaktürme im Zentrum Wiens ist ein deutliches Zeichen dafür, dass die Bedrohung der Zivilbevölkerung im "totalen Krieg" bewusst in Kauf genommen wurde.

Der Luftkrieg wurde als "Zukunftskrieg" schon lange vor Beginn der europäischen und schließlich globalen Auseinandersetzung vom nationalsozialistischen Regime kalkuliert und der Bau von Luftschutzbunkern und Fliegerabwehrtürmen dabei als vermeintliche Fürsorglichkeit propagandistisch inszeniert.

Der Mythos von den Flaktürmen als "Stadtmauer des 20. Jahrhunderts", also von ihrer Errichtung in einem städtebaulichen Dreieck mit dem Stephansdom als Mittelpunkt, hält bei näherer Betrachtung der Erbauungsumstände nicht stand. Für die Standortwahl waren andere Überlegungen ausschlaggebend: Die Bauplätze mussten in den dicht bebauten Stadtzentren ausreichend groß und in der Nähe von Bahnhöfen gelegen sein, um die Zulieferung des Baumaterials zu gewährleisten. Ursprünglich war eine Errichtung der Flaktürme in größerem Abstand voneinander angedacht, sie hätten in Floridsdorf, auf der Schmelz und im Prater errichtet werden sollen. Man rückte sie schließlich näher zur Innenstadt.

Die drei Flakturmpaare sind überdies in einem größeren räumlichen Zusammenhang zu betrachten, waren sie doch Teil der 24. Flakdivision im Großraum Wien, deren Flakstellungen seit 1940 stetig ausgebaut wurden und die 1944/45 circa 60 schwere Batterien zählte. Ihr militärischer Nutzen bestand im Verband dieses dichten Netzes an Flakstellungen im Feld, allein ihre architektonische Aussagekraft war eine gänzlich andere.

Die Architektur der Flaktürme

Mit dem Bau der Wiener Flaktürme wurde um die Jahreswende 1942/43 - also im "Stalingrad-Winter" - begonnen. Die deutsche Fliegerabwehr war den Angriffen der Alliierten nicht gewachsen. Unterstützende Jagdflieger standen ihr seit Herbst 1944 schon nicht mehr zur Verfügung. Im Einsatzzeitraum von August 1943 bis März 1945 konnte die 24. Flakdivision etwa 135 Bomber abschießen,(FN3) das entspricht einem verschwindend kleinen Anteil der tatsächlich geflogenen Einsätze.

Die nationalsozialistische Propaganda benannte die Flaktürme als "Luftwehrtürme" und ordnete den neuen Bautypus damit in die als erhaltenswert geltende Wehrbautradition historischer Festungsanlagen ein. Immerhin stellten die Flaktürme hinsichtlich ihrer Funktion und Form ein Novum dar. Sie waren im Grunde genommen in die Höhe gehobene Flakstellungen, die in den unteren Geschoßen Platz für Luftschutzräume boten. Sie vereinten also militärische und zivile Aufgaben in einem Gebäude.

Ihre Form erfuhr vom ersten, 1940 in Berlin, bis zum letzten, 1944 in Wien errichteten Flakturm eine Weiterentwicklung, da man die Erfahrungen, die man beim Einsatz der bereits arbeitenden Flaktürme gemacht hatte, sogleich architektonisch umsetzte. Auch in ökonomischer Hinsicht suchte man nach Verbesserungen.

Daraus folgt, dass sich die insgesamt 16 Flaktürme in drei Bautypen einteilen lassen, wobei das erst im Jänner 1945 fertig gestellte Flakturmpaar im Wiener Augarten das am weitesten entwickelte und perfektionierte war.

Der Aufbau des ersten Gefechtsturmtyps entsprach noch sehr genau der Flakbatterie im Feld. Vier rund um die Messgeräte aufgestellte Geschütze wurden sozusagen über die Dachfirste auf eine obere Plattform gehoben, was Ausmaße von 75x75 Meter Seitenlänge erforderte. Die Gefechtstürme waren mit je vier, meist 12,8 cm-Zwillings-Flakgeschützen bestückt, die mit ihren sich überdeckenden Feuerbereichen den Luftraum bestmöglich kontrollieren konnten. Wegen der starken Rauchentwicklung durch die Geschütze musste man die Messgeräte auf einem eigenen Turm unterbringen. Daher die technisch bedingte Trennung von Gefechts- und Leitturm.

Auf der oberen Plattform der Leittürme befand sich der "Würzburg-Riese", der Daten über angreifende Flugzeuge maß und an die Gefechtstürme übermittelte.

Die ersten in Berlin und Hamburg errichteten Flaktürme zählten zum Bautyp 1, dessen Baumasse beim zweiten Flakturmpaar - ebenfalls in Hamburg - und bei den in Wien errichteten Türmen im Arenbergpark als Bautypen 2 und 3 optimiert wurde. Die Entwicklung zu einer kompakteren Form war einerseits ökonomisch motiviert: das Volumen sollte verringert werden, um so Material und Kosten zu sparen. Andererseits ergab sich auch eine funktionale Verbesserung im Ablauf der Luftabwehr: Vier Eingänge pro Turm für Flaksoldaten und Zivilbevölkerung genügten dem Andrang bei einem Luftangriff nicht. Die obere Plattform und die zu ihr führenden Aufgänge waren außerdem völlig offen und boten zu wenig Schutz. Auch die Versorgung mit Munition und die Entsorgung der leeren Kartuschen erfolgte nicht rasch genug.

Neben einer reduzierten Grundfläche der Gefechtstürme auf 47x47 Meter ist die nun fensterlose kubische Form mit den zu Tonnen vereinfachten und näher zusammengerückten Geschützständen am Dach das auffälligste Unterscheidungsmerkmal zur ersten Bauart. Ein um den Turm laufender Gang, in den die elf getrennten Eingänge für Wehrmacht und Zivilbevölkerung münden, vergrößert die Abmessungen des Erdgeschoßes um zehn Meter. Auf die unter erheblichem Schalungsaufwand im Beton ausgesparten Öffnungen der Flaktürme erster Bauart, es waren 44 je Geschoß, wurde nun verzichtet. Diese Öffnungen des Bautyps 1 verschloss man mit Panzertüren und mauerte sie später wegen Stahlmangels zu. Das hätte gegenüber den Wiener Flaktürmen eine Nachnutzung der deutschen Türme erleichtert, da man die Ziegel einfach ausbrechen und die Räume so mit Tageslicht versorgen hätte können. Tatsächlich wird heute nur der Gefechtsturm am Heiligengeistfeld in Hamburg genutzt, er dient als Medienzentrum. Die Nordseite des Gefechtsturms am Humboldthain in Berlin ragt aus dem begrünten Trümmerberg und ist als Flakturmruine zu besichtigen.(FN4) Der Gefechtsturm in Hamburg-Wilhelmsburg (Bauart 2) steht ungenutzt im Grünen. Alle übrigen Flaktürme in Berlin und Hamburg wurden in der Nachkriegszeit vollständig abgetragen.

Die durch die Verkleinerung verloren gegangene Nutzfläche des Bautyps 2 wurde durch drei weitere Geschoße bei gleicher Bauhöhe ausgeglichen. Anstelle der auskragenden Bastionen für die leichte Flak sind auf der unteren Plattform zwölf runde Betonsockel montiert.

Die unteren Plattformen der Wiener Flaktürme wurden nie mit Geschützen bestückt, da die in Berlin noch beobachteten Tiefflieger nicht mehr auftraten. Die Alliierten flogen ab Herbst 1943 ihre Ziele in Österreich nun von Flugbasen im süditalienischen Raum an, in Verbänden von durchschnittlich 500 Bombern und in einer Höhe von etwa 6.500 Metern. Dennoch wurden bis zuletzt diese Plattformen errichtet, möglicherweise aus rein gestalterischer Absicht oder um eine vollfunktionsfähige Abwehr zu demonstrieren.

Geschützte Aufgänge im Inneren der Tonnen führten zu den weit gehend überdeckten Geschützen, die nun über Platz sparende Kettenaufzüge mit Munition versorgt wurden. Die Entsorgung der leeren Kartuschen erfolgte durch ein Rohr von der oberen Plattform ins Erdgeschoß.

Für die Zivilbevölkerung und das Flakpersonal gab es getrennte Eingänge, Stiegenhäuser und Aufzüge, sodass sich ihre Bewegungsströme, die bei einem Luftangriff rasch und reibungslos funktionieren mussten, im Turm nicht gegenseitig behinderten.

Die Schriftzüge "Mutter und Kind" oder "Nur Soldaten der Wehrmacht in Uniform" an den Außenwänden der beiden Türme im Arenbergpark sind heute zwar verblasst und efeuumrankt, aber nach wie vor lesbar.

Hatten die Gefechtsturmtypen 1 und 2 noch eine kubische Form, so führte die Entwicklung des Bautyps 3 zu einer beinahe runden Variante. Diese wurde durch eine enger zusammengeführte Geschützaufstellung und Stahlkappen, die die Geschütze voneinander abschirmten, möglich.

Dieser Form entsprachen die Gefechtstürme in der Stiftkaserne und im Augarten. Da das Herstellen von runden Schalungen zu aufwändig gewesen wäre, sind diese Gefechtstürme im Grundriss 16-eckig und in den oberen Geschoßen 32-eckig ausgeführt. Mit einem Durchmesser von 43 Metern haben sie die kleinste Grundfläche unter den Gefechtstürmen. Im Erdgeschoß gab es nur mehr vier Eingänge - zwei für die Zivilbevölkerung, zwei für die Truppe - mit schützenden Vorbauten, die zu den im Kern befindlichen Hauptstiegenhäusern führten. Die Munitionsdepots waren im Dachaufbau näher an den Geschützen untergebracht, was den Schutzraum im Erdgeschoß vergrößerte.

Die Leittürme der dritten Bauart im Esterhazypark und im Augarten sind schlanker als ihre Vorgänger; von der unteren Plattform ragen vier dreiviertelrunde Eckstände für die leichte Flak weit hinaus.

An den ebenfalls fensterlosen Außenseiten der Flaktürme im Augarten sind Betonbalken-Konstruktionen angebracht, die wahrscheinlich zur schnellen Aufstellung von Gerüsten für die Reparatur von Bombenschäden an der unteren Plattform dienten. Diese war nun wieder mit runden "Schwalbennestern" ausgestattet.

Die Öffnungen an den Schmalseiten der Leittürme des Bautyps 3 waren keine Fenster-, sondern Einbringöffnungen für den Innenausbau, die nach Fertigstellung zum Teil verschlossen wurden.

Die überwiegend aus technischen Anforderungen der Fliegerabwehr und des Luftschutzes entwickelte Zweckarchitektur der Flaktürme erfüllte nur einen geringen militärischen Nutzen, ihre symbolische Bedeutung als Schutz- und Wehrbauten war für ihre Realisierung mindestens ebenso wichtig.

Nachnutzung der Flaktürme

Die karge funktionsorientierte Stahlbetonarchitektur der Flaktürme erscheint heute in fast sympathischem Gegensatz zur Prunk- und Parteiarchitektur etwa eines Albert Speer. Wie ist die Architektur der Flaktürme in das Repertoire von NS-Bauten einzuordnen? Für gewöhnlich greift NS-Architektur bei repräsentativen Staatsbauten auf neoklassizistische Fassadenelemente zurück und steigert sie ins Monumentale.

Friedrich Tamms erklärte 1965, er habe die Sichtbetonarchitektur der Flaktürme damals als endgültig angesehen. Von Tamms in der NS-Zeit verfasste Schriften wie etwa "Das Große in der Baukunst" von 1942 sprechen eine andere Sprache. Sehr wohl war an eine Umgestaltung gedacht.

Zahlreiche Artikel der vom Nationalsozialistischen Bund Deutscher Technik (NSBDT) herausgegebenen Zeitschrift "Der Deutsche Baumeister" beschäftigen sich mit der Umgestaltung von Hochbunkern und deren Einbindung in das historische Stadtbild. Leiter des NSBDT war kein anderer als Fritz Todt. In einem Artikel vom Dezember 1940 wird ein oberirdischer Luftschutzbunker aus Stahlbeton explizit als "Rohbau" bezeichnet und die Ausbildung seiner Fassade nach Vorbild eines mittelalterlichen Wehrturms vorgeschlagen.(FN5) Tatsächlich hatte man für die Berliner und Hamburger Flaktürme Skizzen und Pläne zur nachträglichen Umgestaltung angefertigt, die eine Verkleidung der Stahlbetonbauten mit Natursteinen und die Einbindung von Gefechts- und Leitturm in einen "Aufmarschplatz" vorsahen.

Die immer stärker einsetzenden Luftangriffe ließen bei der Erbauung der Wiener Flaktürme wohl keinen Platz mehr für solch ausgefeilte Überlegungen; man realisierte möglichst rasch die technisch verbesserten und vereinfachten Varianten, die in erster Linie militärischen und weniger formalen Anforderungen entsprachen. Das bestätigen Entwürfe von Tamms für den Gefechtsturm im Arenbergpark vom August 1942, die zwölf runde Bastionen an der unteren Plattform und acht Fensterachsen pro Seite zeigen. Auf beides wurde bei der Ausführung verzichtet.

Für den Gefechtsturm in der Stiftkaserne wurde - wohl auf Grund seiner prominenten Lage nahe dem Zentrum von Wien - eine Umgestaltung für Nachkriegszeiten angedacht. Im Nachlass von Friedrich Tamms(FN6) befinden sich Fotos der Modelle, anhand derer die Eingliederung in den Komplex der Stiftkaserne und eine Fernwirkung und Sichtbeziehung zur Achse zwischen Kunst- und Naturhistorischem Museum bis zur Hofburg studiert wurde. Den markanten Schluss dieser Achse bildet der umgestaltete Gefechtsturm.

Die bis zur auskragenden unteren Plattform annähernd runde Grundform des Flakturms wäre gemäß dieser Umgestaltung zu einer achteckigen Form reduziert, darüber ganz abgerundet worden, die "Schwalbennester" fänden sich in Halbsäulen wieder. Die vier Vorbauten, in denen sich die Zugänge für Wehrmacht und Zivilbevölkerung befanden, wären durch die Umbauung nicht mehr sichtbar. Vier flache Kuppeln am Dach des Gebäudes entsprechen den vier mit Panzerkuppeln überdeckten Geschützständen auf der oberen Plattform. Die geplante Funktion dieses neu gestalteten Gefechtsturms ist nicht mehr feststellbar.

Im Vergleich zu den diesbezüglichen Entwürfen für die Berliner und Hamburger Flaktürme ist dieser wesentlich weniger detailliert; Tamms beschäftigte sich hier ausschließlich mit dem Volumen und seiner Wirkung im städtischen Komplex, bringt aber noch keine Vorschläge zu Material oder Fassadengestaltung.

Dieser Entwurf von Friedrich Tamms aus der bereits aussichtslosen, einer Realisierung des Projektes widersprechenden Endphase des Zweiten Weltkriegs zeigt seine Arbeitsweise als Architekt des Nationalsozialismus, der im Sinne eines "Niemals-Aufgeben" auch hier noch die architektonischen Vorbilder der deutschen Kunstgeschichte anwendet.

20 Jahre nach Kriegsende bezeichnet Tamms die Wiener Flaktürme als "Schieß-Dome" und lobt ausdrücklich ihren im Gegensatz zu den deutschen Flaktürmen unangetasteten Zustand.(FN7) Die scheinbar alle Zeiten überdauernde Stahlbetonarchitektur der sechs Wiener Flaktürme wäre sicherlich im Sinne der NS-Ideologie umgestaltet worden, wäre dafür Zeit geblieben; unklar bleiben lediglich konkrete Form und Verwendung.

Auch die ersten Entwürfe der Nachkriegszeit, die sich mit einer Nachnutzung der Flaktürme beschäftigten, versuchten die ursprüngliche Gestalt der Türme zu ummanteln und ihren einstigen Verwendungszweck durch neue Nutzung als Lager, Garagen oder Wohnbauten unkenntlich zu machen. Erst in den 60er-Jahren mit dem Aufkommen der "architecture brute" finden die einfachen geometrischen Volumen in Sichtbeton Gefallen. Die bautechnischen Besonderheiten und ästhetischen Qualitäten der Wiener Flaktürme sind zumindest in Architektenkreisen gern zitierte Argumente für ihre Unantastbarkeit. Dennoch thematisieren die bisherigen Flakturm-Projekte triviale Nutzungen ohne jeglichen historischen Bezug.

So wurden bisher jene Projekte umgesetzt, die ohne architektonischen Anspruch etwas im Inneren der Flaktürme bunkern: Das "Haus des Meeres" stellt Fische im Leitturm im Esterhazypark aus, das Museum für angewandte Kunst (MAK) Kunst im Gefechtsturm im Arenbergpark, und der Gefechtsturm in der Stiftkaserne wird vom Bundesheer genutzt.

Der 1991 im Zuge der Wiener Festwochen am Leitturm im Esterhazypark angebrachte Schriftzug von Lawrence Weiner "Smashed to pieces (in the still of the night) / Zerschmettert in Stücke (im Frieden der Nacht)" bildet hier die einzige Ausnahme. Er wurde dieses Jahr durch die Stadt Wien renoviert und ist eine weithin sichtbare Friedensbotschaft. Abgesehen davon hat sich auch im "Gedankenjahr" 2005 niemand zu einer Positionierung der Flaktürme als Mahnmale durchgerungen. Im Gegenteil: Der Denkmalschutz für den Gefechtsturm im Augarten wurde vom Bildungsministerium im Oktober 2005 aufgehoben - auf Ansuchen des künftigen Betreibers, eines Datencenters. Als Bauten im Eigentum des Landes bzw. Bundes stehen die Flaktürme unter Denkmalschutz "kraft gesetzlicher Vermutung". Eine Baubewilligung für die mehrgeschoßige Aufstockung von Büroflächen auf den Gefechtsturm im Augarten wurde noch nicht erteilt.

Was macht diese Architektur mit "Ewigkeitsanspruch" erhaltenswert, und welche Argumente könnten nach 60 Jahren ihre Beseitigung rechtfertigen?

Hat man 1945 noch eine Sprengung der Flaktürme durch die Alliierten für möglich gehalten,(FN8) glaubt später niemand mehr an diese Option. Im Gegensatz zu den deutschen Türmen befinden sich die Wiener Türme in zu dicht bebauter Umgebung. Tatsächlich könnte man die Stahlbetontürme mittels modernster Methoden und eines enormen Kostenaufwandes beseitigen.

Keiner der sechs Wiener Flaktürme trägt eine seine Entstehung erläuternde Tafel. Großteils baulich unverändert sind die Stahlbetontürme selbstverständlicher Bestandteil des Wiener Stadtbildes geworden. Ihre Sprachlosigkeit wird inmitten der sonst reichen Gedächtnislandschaft Wiens nicht als Verlust empfunden. Der Umgang mit ihnen ist vorwiegend indifferent, wohl deshalb, weil es nicht leicht ist zu entscheiden, welchen Teil der NS-Vergangenheit sie repräsentieren und woran sie erinnern: an die Bombenangriffe, die dadurch entstandenen Leiden und Zerstörungen, die Befreiung vom NS-Regime durch die Alliierten oder an die Vernichtung und Entwürdigung von Menschen durch den Nationalsozialismus, die Opfer des Dritten Reichs insgesamt. Diese Erinnerungsaufgaben leisten vorwiegend Ersatzdenkmale.

Dagegen stellen die sechs Wiener Flaktürme authentische Erinnerungsträger dar. Durch ihre prägnante Architektur und Lage haben sie weit reichende Signalwirkung. Das allein genügt allerdings nicht, um sie auch als Bestandteil der offiziellen Gedenkkultur wahrzunehmen.

Publikation und Kontakt

Eine umfassende Darstellung der Geschichte der Wiener Flaktürme enthält die Publikation "Die Wiener Flaktürme im Spiegel österreichischer Erinnerungskultur" von Ute Bauer (utebauer@gmx.at), Phoibos Verlag, Wien 2003, 115 Seiten, 21,5 x 24 cm, zahlr. Farb- und SW-Abb., ISBN 3-901232-42-7.

ANMERKUNGEN:

(Fußnote 1/FN1) Gottfried Widmann im "Deutschen Baumeister" vom Dezember 1940.

(FN2) Unternehmensarchiv der Bilfinger Berger AG, Mannheim; erstmals publiziert in Ute Bauer: "Die Wiener Flaktürme im Spiegel österreichischer Erinnerungskultur", Phoibos Verlag, Wien 2003.

(FN3) Gustav Holzmann: Der Einsatz der Flakbatterien im Wiener Raum 1940-1945, Militärhistorische Schriftenreihe, Bundesverlag 1985.

(FN4) www.berliner-unterwelten.de.

(FN5) "Der Deutsche Baumeister", Berlin, Dezember 1940, 2. Jahrgang, Heft 12.

(FN6) Nordrhein-Westfälisches Hauptstaatsarchiv, Düsseldorf.

(FN7) Briefwechsel zwischen Friedrich Tamms und Hermann Czech aus dem Jahr 1965, Nordrhein-Westfälisches Hauptstaatsarchiv, Düsseldorf.

(FN8) Österreichisches Staatsarchiv, Aktenvermerk des "Staatsamtes für öffentliche Bauten, Übergangswirtschaft und Wiederaufbau" vom 21. Juli 1945 betreffend die "künftige Verwertung der Wiener Flaktürme": "Die in den dortigen Kompetenz- und Verwaltungsbereich derzeit fallenden Wiener Flaktürme, deren Errichtung mit einem nicht unbedeutenden Zeit- und Kostenaufwand verbunden war, haben bereits seit etlichen Monaten ihre eigentliche Zweckbestimmung eingebüßt. Um einem allfälligen Auftrag seitens des Kommandos der Besatzungstruppen - wonach die Zerstörung der vorgenannten Kriegsbauten angeordnet werden könnte - rechtzeitig zuvorzukommen, müßte wohl deren künftige Verwendungsmöglichkeit für andere als kriegsmäßige Zwecke in Betracht gezogen werden." Dipl. Ing. Ute Bauer

Geb. 1975; 1994 - 2002 Studium der Architektur an der Technischen Universität Wien; Mitarbeit an denkmalpflegerischen Gutachten; seit 2003 in der Projektsteuerung tätig. Publikation "Die Wiener Flaktürme im Spiegel österreichischer Erinnerungskultur", Phoibos Verlag, Wien 2003; verschiedene Veröffentlichungen zum Thema Flaktürme und NS-Architektur; permanente Installation im Flachbunker im Augarten, Juni 2005



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Die drei Flakturmpaare in Wien.
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Die drei Flakturmpaare in Wien.

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