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Fliegen am Limit - Sicherheit durch Training

In Österreich hat die Gebirgsausbildung in sämtlichen Einheiten des Österreichischen Bundesheeres Tradition. Die Militärpiloten der Hubschrauberstaffeln sind international angesehene Experten der Hochgebirgsfliegerei. Sie landen auf Graten, Sätteln, Schultern und in Kesseln. An ihre Grenzen stoßen die Heerespiloten aber, wenn es um die Übungsmöglichkeiten geht - für das notwendige Training wird die Luft sprichwörtlich immer dünner.

Hochgebirgslandelehrgang

Zwei Mal im Jahr kommen Hubschrauberbesatzungen verschiedenster Hubschraubertypen zum Hochgebirgslandelehrgang (HGLLG) auf dem Truppenübungsplatz Hochfilzen oder auf dem Flugplatz Aigen im Ennstal zusammen, um ihren hohen Ausbildungsstand zu erhalten. "Ziel ist es, in Höhen von über 2 000 Metern, oberhalb der Waldgrenze und bei hochalpinen Bedingungen jederzeit sicher landen zu können", erklärt Kurskommandant Major Herbert Trommet. Er ist selbst Alouette III-Pilot und Kommandant der Lehrabteilung Hubschrauber an der Flieger- und Fliegerabwehrtruppenschule in Langenlebarn bei Tulln. "Wir müssen permanent abwägen und sekundenschnell entscheiden, wo, ob und wie wir überhaupt landen können, um einen Auftrag zu erfüllen." Mit der steigenden Erfahrung werden auch die Anflüge schwieriger - die Landeplätze höher. Bis in Gletscherregionen reichen die Übungsgebiete beim HGLLG. Unter diesen extremen Bedingungen ist es besonders wichtig, das Auge des Piloten zu schulen. Sicherheitsabstände müssen im Blick behalten, mögliche Fluchtwege ständig neu beurteilt werden. Sowohl die eigenen Grenzen, als auch die des Hubschraubers müssen bekannt sein. Sie dürfen nicht überschritten werden. Unter extremen Bedingungen in großen Höhen werden im Ernstfall keine Fehler verziehen.

"Die Leistungscharakteristik der Hubschrauber ist im Hochgebirge je nach Jahreszeit und Wetter enorm unterschiedlich", erklärt Trommet. "In hochalpinem Gelände zu fliegen erfordert daher sehr viel und regelmäßige Übung."

Ablauf einer Hochgebirgslandung

Nur wenige Meter liegen zwischen den Rotorblättern der Alouette III und der Felswand. Der Südföhn bläst Windböen entlang der Guffertspitze ostwärts des Achensees. Ruhig, aber zügig erkundet der Lehrgangskommandant mögliche Landeplätze. Mit allen Sinnen, Gefühl und vor allem viel Erfahrung wägt er ab, ob der schmale Berggrat vor ihm überhaupt landetauglich ist. "Hier oben neben dem Markierungspfosten sieht es gut aus, Fluchtwege sind vorhanden, keine Hindernisse, keine Tiere, keine Wanderer." Wenig später setzt die Alouette III sicher auf dem einsamen Grat auf. In einem Gelände, in das sich nur wenige Menschen zu Fuß trauen würden. Nichts für schwache Nerven. Die Besatzung notiert Koordinaten und Uhrzeit. Die Auflage, sämtliche Flugbewegungen akribisch zu dokumentieren, gehört schon lange dazu und ist neben fliegen, funken, navigieren, der Luftraumbeobachtung und Ausbildung fixer Bestandteil jedes Fluges. Für jedes beflogene Bundesland gibt es ein eigenes Formblatt. In Tirol sind zusätzlich auch Beobachtungen von Bart-, Gänsegeier und Steinadler zu melden.

Kooperation statt Konfrontation

Die Heeresflieger suchen Kompromisse: Kooperation statt Konfrontation. Der Dialog zwischen allen Interessenvertretern besteht schon lange. Aus Rücksicht auf die Umwelt und Natur - ein Großteil der Übungsgebiete liegt in Nationalparkregionen - geht jedem Lehrgang eine intensive Belehrung des Referates für Umweltschutz und Ökologie des Streitkräfteführungskommandos voraus. Die Besatzungen werden so regelmäßig für den Naturschutz im Lebensraum Alpen, seine kritischen Zeiten und Orte sensibilisiert. Inhalte sind unter anderem artspezifische Informationen über Bartgeier, Steinadler, Wanderfalken, Birkhuhn, Alpenschneehuhn, Gämsen, Stein- und Rotwild. Deren Nahrungs-, Fortpflanzungs- und Fluchtverhalten steht dabei besonders im Fokus der Einweisung. Daraus abgeleitet sind entsprechende Mindest- und Überflughöhen sowie spezielle An- und Abflugverfahren, etwa von Kammlinien, einzuhalten. Eine täglich aktualisierte Luftfahrtkarte informiert über Überflug- und Sperrgebiete. Dies kann zum Beispiel Reviere bestimmter Vogelarten betreffen.

Als geschlossene Formation mit jeweils drei Hubschraubern geht es in die exakt vorgegebenen Übungsgebiete, um sich dort zu verteilen und anschließend wieder geschlossen zurückzukehren. Ausschließlich über Transitkorridore wird der Alpenhauptkamm gequert.

Knappe Ressourcen - hoher Output

Neben den räumlichen Einschränkungen sind auch die Zeitfenster der Nutzung der Alpenregion beim Hochgebirgslandelehrgang streng limitiert. Eineinhalb bis zwei Stunden dauert in der Regel ein Übungsflug. Wenn alles passt, wird zwei Mal am Tag mit Crew-Wechsel geflogen. Ebenso werden nach der ersten Woche die Besatzungen durchgetauscht. Spielt das Wetter einmal nicht mit, geht es auch in der Ausbildung nicht voran. Dies ist insofern brisant, da die Zahl der verbleibenden Flugtage ohnehin sehr begrenzt ist.

Jeweils montags verlegen die Maschinen von ihren Stützpunkten zum entsprechenden Lehrgangsort. Der Freitag ist für die Rückverlegung reserviert. Pro Flugtag sind mit Vor- und Nachbereitung höchstens zwei Flüge von jeweils zwei Stunden reiner Flugzeit realistisch. Diese Zeit beinhaltet jedoch schon die An- und Abflüge zu den jeweiligen Übungsgebieten. Daher ist neben Hochfilzen auch der zentral gelegene Fliegerhorst Aigen im Ennstal ein geeigneter Ausgangspunkt, um möglichst rasch in die vorgegebenen Übungsgebiete zu kommen.

Ein zusätzlicher, aber sehr wichtiger Teilaspekt des HGLLG ist die Tatsache, dass die Lehrgänge eine Plattform für den Erfahrungsaustausch unter den Piloten sind. Nach jedem Flug gibt es ein gemeinsames Debriefing mit allen Teilnehmern. So kann jeder von jedem lernen.

Flugpraxis

Bei Naturkatastrophen wie Waldbränden, Lawinenunfällen und Murenabgängen, oder wenn zivile Einsatzkräfte alleine nicht mehr ausreichen, um der Bevölkerung zu helfen, wird der Ruf nach den Fähigkeiten der Heeresflieger schnell laut. Für die nötigen Ausbildungsflüge, um im Einsatzfall bestehen zu können, fehlt jedoch leider oft das Verständnis.

Für Major Herbert Trommet mit über 4 500 Flugstunden Erfahrung ist die Hochgebirgslandebefähigung jedoch absolut unverzichtbar für jeden Einsatzpiloten - und damit auch die beiden Lehrgänge im Sommer und im Winter. "In großen Höhen herrschen einfach andere physiologische Bedingungen als in der Ebene", erklärt er. Um sich außerdem bei rasch ändernden und kleinräumig häufig völlig unterschiedlichen Wetterverhältnissen mit dem Hubschrauber sicher im Gebirge zu bewegen, brauche es vor allem eines: Flugpraxis. "Unsere Aufgabe ist es, die gebirgsbewegliche Truppe zu unterstützen, Personal und Material in unwegsames Gelände zu bringen und im Rahmen von Assistenzeinsätzen allfällige Berge- und Unterstützungsleistungen jederzeit übernehmen zu können", sagt Trommet und nennt als Beispiel die Rettung eines polnischen Höhlenforschers im Tennengebirge im vergangenen Jahr - mit einer Alouette III aus Aigen nachts in 1 800 Metern Höhe und ohne vorbereiteten Landeplatz. "Wenn ich das vorher nicht trainieren kann, sind solche Einsätze unmöglich." Trommet vergleicht den Effekt des Lehrganges mit dem eines Fahrsicherheitstrainings. "Ein paar Wochen profitiert man vom Lerneffekt, aber er muss immer wieder aufgefrischt werden." Major Franz Reisinger, Kommandant der "Black Hawk"-Staffel aus Langenlebarn, mit 3 500 Flugstunden Erfahrung, fliegt regelmäßig Einsätze in den Gebirgsregionen Bosnien und Herzegowinas (BiH). Er bringt beispielsweise Spezialisten zu einsatzrelevanten Funkstationen, um diese vor Ort zu überprüfen und zu warten. Auch Such- und Rettungsaufgaben gehören in BiH zu seinen einsatzwahrscheinlichen Szenarien. "Aerodynamisch und leistungsmäßig sind wir im Hochgebirge bei Rettungsflügen oder Evakuierungen schnell in Grenzbereichen", berichtet er. "Dann müssen wir das aber schon perfekt beherrschen, damit wir damit vertraut sind, bevor ein entsprechender Auftrag kommt." Der Erfahrungstransfer vom Hochgebirgsflug in niedrigere Einsatzbereiche hat sich etwa bei den Löscharbeiten wie im April 2015 bei den Waldbränden in Oberkärnten gezeigt, wo unter anderem mit der "Black Hawk" Ausrüstung und Löschwasser in das unwegsame Gelände geflogen wurde - undenkbar ohne entsprechendes Training.

Oberstleutnant Hansjörg Haberlik ist Flugsicherheitsoffizier, Pilot und Fluglehrer auf dem Transporthubschrauber Agusta Bell 212 in Linz-Hörsching mit 5 300 Flugstunden Erfahrung. "Bei den extremen Temperaturen im Hochsommer und in großer Höhe verringert sich die Triebwerksleistung", erklärt er. "Eine genaue Kalkulation der Leistungswerte ist deshalb besonders wichtig." Aus diesem Grunde ist es notwendig, unter verschiedenen Bedingungen im Hochgebirge auszubilden und die Fähigkeiten immer wieder aufzufrischen. Der Winter ist das andere Extrem: "Wenn wir im Winter eine Windenbergung machen und der Schnee aufgewirbelt wird, landen wir mit hohem Sichtverlust - dem so genannten white out." Solche Flugeinsätze unter extremen Bedingungen verlangen regelmäßige Praxis, weil sie im In- und Ausland immer wieder gefordert werden. "Beim Fliegen im Gebirge ist das richtige Einschätzen von und der Respekt vor dem Umfeld, also Gelände und Wetter, entscheidend für die Flugsicherheit."

Zusammengefasst

Pro Jahr finden zwei Hochgebirgslandelehrgänge statt. Die Bestimmungen des Naturschutzes werden nicht nur im täglichen Flugbetrieb, sondern auch bei der Durchführung dieser Kurse penibel eingehalten. Mit Behörden und zivilen Organisationen besteht im Sinne eines effektiven Naturschutzes eine enge Kooperation, um schnell die notwendigen Informationen weitergeben zu können.

Sowohl im Winter als auch im Sommer fliegt das Bundesheer fast täglich Einsätze im Hochgebirge. Es handelt sich dabei um Unterstützungsleistungen für Einsatzorganisationen (z.B. bei Waldbränden, Verklausungen, Murenabgängen etc.), um verschiedene Einsätze für Behörden (z.B. für die Austro Control, die Landeswarnzentralen der Länder, Gemeinden etc.) und um Einsätze für das ÖBH selbst.

Im Ausland befinden sich derzeit zwei "Black Hawk" und drei Alouette III - diese fünf Maschinen sind im Einsatz für EUFOR "Althea" in Bosnien und Herzegowina. Gerade in BiH gehört das Fliegen und Landen im Hochgebirge zum täglichen Brot für die Piloten.

Um das reichhaltige Anforderungsspektrum im Hochgebirge professionell und zuverlässig abdecken zu können, ist eines für die Piloten unumgänglich: realitäts- und einsatznahe Trainingsmöglichkeiten in ausreichendem und notwendigem Umfang.


Dipl. Soz. Anja Wagner

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