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Die westliche Sicherheitspolitik und Österreich

Die Sicherheitspolitik ist das Sachgebiet, in dem es in Österreich am schwersten ist, zwischen Traum und Wirklichkeit zu unterscheiden. Charles de Gaulle (1890 - 1970), als Militär und Staatsmann Weltspitze, meinte, in solchen Fällen müsse man das Problem auf die grundlegenden Fakten zurückführen. Die Grundlage der westlichen Sicherheitspolitik ist die NATO, deren führende Macht sind die USA. Sie allein sind stärker als alle übrigen 18 Mitgliedstaaten. Die Mitglieder sind Nationalstaaten, die ihre Beiträge leisten. Maßstab für den solidarischen Beitrag ist der Anteil am nationalen Budget, der für die Verteidigung ausgegeben wird. Die Beistandspflicht gilt für den Angriff auf ihre Mitglieder. Sie enthebt ihre Mitglieder aber nicht von der Pflicht, für ihre Sicherheit bis zum Bündnisfall selbst zu sorgen. Kein NATO-Staat hat die Sicherung seines Territoriums, dazu gehört der Luftraum, einem anderen Staat übertragen.

Die EU ist dabei, eine eigene Eingreiftruppe aufzubauen. Da 11 der 15 EU-Staaten NATO-Mitglieder sind, können sie militärische Kräfte nur entweder der NATO oder der EU zur Verfügung stellen. Gegenwärtig könnten die EU-Eingreifkräfte nur eingesetzt werden, würden ihnen NATO-Einrichtungen zur Verfügung stehen. Dafür ist der einstimmige Beschluss der NATO-Mitglieder erforderlich. Somit liegt die letzte Entscheidung wieder bei der NATO. Im Übrigen kennt die europäische Verteidigungspolitik keine Beistandspflicht und stützt sich, wie die NATO, auf die nationalen Beiträge ihrer Mitglieder.

Die Hoffnung auf eine starke europäische Säule in der Verteidigung hat sich nicht erfüllt. Der Grund liegt im Unterschied zwischen den USA und Europa. Nicht nur in der staatlichen Organisation, sondern auch im Geist der Bürger. Das Staatssiegel der USA trägt die Devise: "e pluribus unum", zu Deutsch: "Aus vielen, einen". So verschieden die Herkunft der U.S.-Amerikaner sein mag, in nationalen Fragen denken und handeln sie amerikanisch. Die USA formulieren ihre nationalen Ziele klar und öffentlich. Die Welt kann sich darauf einstellen. Beispiele dafür sind die Raketenabwehr, der Umweltschutz, der Irak und neulich die Einführung des Schutzzolls für ihre Stahlindustrie. Die letzt genannte Maßnahme hat die Welt um so mehr überrascht, als die USA immer wieder die Öffnung der Märkte gefordert haben, weil der freie Welthandel nach ihrer Philosophie der einzige Weg zum globalen Wohlstand ist.

Europa befindet sich in einer tiefen Umwandlungsphase. Die großen Länder bestimmen zwar in der EU mit, aber ihre vitalen Interessen vertreten sie als Nationalstaaten. Umwandlungsprozesse sind Schwächeperioden, wobei sich die Handlungsweisen aus Sachzwängen ergeben. Die in der EU agierenden Politiker werden national gewählt. Ihre Wähler beurteilen sie danach, was sie aus Brüssel heimbringen, und nicht danach, was sie für Europa einbringen. So hat die EU noch in keiner kontroversiellen weltpolitischen Frage, man denke nur an den Nahen Osten, einheitlich und entschlossen gehandelt.

Nicht aus Ressentiment, sondern als typische Folge dieser Konstellation, ist daran zu erinnern, dass die einzige, blitzartige, diskussionslose einheitliche Entscheidung der EU die Verhängung von Sanktionen gegen den Mitgliedstaat Österreich war. Sie konnte sich dabei allerdings auf die parlamentarische Opposition in Österreich stützen.

In Österreich wetteifern ÖVP, SPÖ und Grüne um das Markenzeichen, "die Europapartei" zu sein. Einen Wettbewerb, den man in anderen Ländern nicht beobachten kann. SPÖ und Grüne machen nur in der Sicherheitspolitik eine Ausnahme. Das Paradebeispiel sind die Abfangjäger. Nach ihrem Willen hat unser Vaterland auf die Sicherung seines Luftraumes zu verzichten. Begründung: wir sind von Freunden und NATO-Staaten umgeben. Ein Irrtum. Im Ernstfall hätte kein Staat genug Luftstreitkräfte, um sein ganzes Territorium zu schützen. Man müsste Schwerpunkte bilden und die würden sicher nicht in Österreich liegen. Dagegen meinen SPÖ und Grüne, ein solcher Kriegsfall sei undenkbar. Wer kann das mit Sicherheit sagen? Wer hat die Katastrophe auf dem Balkan vorausgesehen? Und wer sichert Österreich gegen Anschläge wie die des 11.September: Die anderen? Wer sind die anderen? Und wenn, dann müssen wir ihnen Stützpunkte einräumen.

Wenn man das will, dann muss man das den Bürgern klar und deutlich sagen. Dann werden SPÖ und Grüne die Frage beantworten müssen, wie sie ständige ausländische Stützpunkte mit der von ihnen verteidigten Neutralität vereinbaren können. Und schließlich die europäische Dimension. Was ist wenn andere wirtschaftlich schwächere Staaten diesem Beispiel folgen? Darauf hat kein geringerer als der Botschafter der USA, W.L. Lyons Brown, in seinem Leserbrief an die "Kronen Zeitung" vom 24. März d. J. nachdrücklich hingewiesen. So lässt sich das Problem auf die existenzielle Grundfrage reduzieren: will man wehrlos sein oder nicht? Ganz im Stil de Gaulles hat Altlandeshauptmann Theodor Kery einmal darauf knapp geantwortet: "Wir wollen immer gewaltlos, aber niemals wehrlos sein". Auch nicht am Himmel über Österreich.

General i. R. Prof. Siegbert Kreuter

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