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Naturschutz mit der Panzerkette

Militär und Natur sind kein Gegensatz

So paradox es klingt: Der militärische Übungsbetrieb auf Truppenübungsplätzen ist ein Gewinn für den Artenschutz, ebenso die Sperre der Übungsplätze für extensive landwirtschaftliche Nutzung und den Tourismus. Österreichische Truppenübungsplätze haben - aus der Sicht des Umweltschutzes - zum Teil die Qualität von Nationalparks, ohne aber deren Betriebskosten zu verursachen.

Schieß- und Übungsplätze des Militärs entstanden fast immer in Gegenden ohne hohen landwirtschaftlichen Wert. Sie wurden z. B. auf sandigen Böden oder so genannten Grenzertragsböden errichtet, das sind Böden, die gerade noch recht und schlecht bewirtschaftet werden können. Konnte ein Landwirt - oder wer auch immer - diese wenig produktiven Flächen (im Idealfall möglichst günstig) an den Staat verkaufen, war das nicht unbedingt ein Nachteil.

Landwirtschaftlich interessante Flächen hingegen wurden für die Erzeugung von Nahrungsmitteln genützt, und das unter dem Gesichtspunkt höchstmöglicher Produktivität. Kaum etwas hat das Aussehen der Welt so verändert wie der sesshafte Mensch! Nomaden und Jäger beeinflussten die Natur deutlich weniger als die Pflüge der Bauern. Für Ackerbau und Viehzucht wurden Wiesen und Steppen umgeackert und Urwälder gerodet. Unbeeinflusste natürliche Prozesse wichen aufgrund des Fleißes der Bauernhände intensiver Landbebauung und Naturlandschaften wurden letztlich zu Kulturlandschaften.

Das niederösterreichische Weinviertel etwa war, bevor die Siedler zu Landwirten wurden, dicht bewaldet. Der klassische Ackerbau (egal ob Getreide oder Rüben angebaut werden), die Weidewirtschaft - gepaart mit Pflug und Sense - vor allem aber die (zu) intensive Düngung veränderten den Bewuchs drastisch. Aus einer ursprünglich vielfältigen Pflanzengemeinschaft entstand, landwirtschaftlich gesehen, "produktive" Eintönigkeit. Werden Wiesen drei Mal jährlich gemäht, bleiben die wiesenbrütenden Vögel auf der Strecke. Denn der Bauer mäht nicht dann, wenn die Küken bereits flügge sind, sondern zu der für den Futterwert richtigen Zeit.

"Willst Du einen Wald vernichten …"

Selbst der Wald wird durch selektive Holzwirtschaft, etwa durch das Fällen der stärksten Stämme, in seiner Zusammensetzung deutlich verändert. Die Veränderungen reichen von der (widernatürlichen) Selektion durch die Entnahme einzelner Baumarten bis hin zum Aufforsten mit Monokulturen ("Willst Du einen Wald vernichten, pflanze nichts als lauter Fichten") oder mit nicht standortgerechten Sorten (z. B. Hybridpappeln aus Kanada in den Donauauen). Vom ursprünglichen Urwald, der einst Mitteleuropa bedeckte, ist jedenfalls fast nichts mehr vorhanden. Letzte Fragmente werden gleichsam "museal" gezeigt, und man ist darauf bedacht, diese der Nachwelt zu erhalten (z. B. den Rothwald bei Lunz am See in Niederösterreich).

Solange sich der Einfluss des Menschen in Grenzen hielt und es relativ wenige Menschen gab, war das Gleichgewicht in der Natur noch einigermaßen gegeben. Die Übernutzung und die intensive Düngung sind aber nicht ausschließlich Phänomene der heutigen Zeit. Bereits im Mittelalter war die zu intensive Nutzung von Almen und Weiden ein Problem. Die Landesherren erkannten dies und erließen deshalb so genannte Weidebriefe. Darin wurde bereits die pflegliche und sorgsame Nutzung vorgeschrieben - etwas, das heute als Nachhaltigkeit bezeichnet wird.

Die land- und forstwirtschaftlichen Entwicklungen über die Jahrhunderte führten nach dem Zweiten Weltkrieg zu "ausgeräumten" Landschaften und zur drastischen Abnahme der landschaftlichen Vielfalt. Wirtschaftliche Zwänge, bedingt durch Kostendruck und Verflechtungen des Welthandels, führten zum Einsatz von hohen Düngemittelgaben und Spritzmitteln und damit vielfach zur Belastung der Fließgewässer und des Grundwassers. Gesetzliche Maßnahmen bewirkten in jüngster Zeit in Österreich eine leichte Verbesserung. Global jedoch führten Luft- und Umweltverschmutzung, Klimaänderung und Zersiedelung, der Verkehr und die rücksichtslose Energieausbeutung zur gegenwärtigen Situation - mit all ihren Umweltproblemen, kaum realistischen Lösungsansätzen und eher wenig positiven Zukunftsaussichten. Auf der Strecke geblieben ist dabei - die Natur.

"Militär zerstört die Natur" - ein Irrtum!

"Militär zerstört die Natur" glauben viele Laien - das Gegenteil ist der Fall. Zwischen Naturwissenschaftern und dem Militär existieren relativ wenige Berührungspunkte. Trotz Skepsis auf beiden Seiten muss die Wissenschaft zugeben: Truppenübungsplätze haben einen hohen Wert für den Naturschutz. Die natürlichen Prozesse werden selbst durch intensive militärische Übungstätigkeit kaum bis gar nicht gestört. Das machte und macht Truppenübungs- und Schießplätze weltweit zu Rückzugsgebieten bedrohter Tier- und Pflanzenarten - Arten, die sich ansonsten nur mehr in "richtigen" Naturschutzgebieten finden. Letzte Reste unbeeinflusster natürlicher Prozesse gibt es, sofern überhaupt, nur noch in den so genannten Naturzonen der Nationalparks, in wissenschaftlichen Reservaten - und auf Truppenübungsplätzen (einschließlich Schießplätzen)!

Die Eigenart der militärischen Übungs- und Ausbildungstätigkeit ermöglicht - gleichsam als Nebenprodukt - die natürlichen Entwicklungen auf den Übungsflächen, vor allem weil diese ansonsten frei von der konventionellen Land- und Forstwirtschaft sind. Hingegen sind unbeeinflusste natürliche Prozesse im agrarisch intensiv genutzten Umfeld der Übungsflächen einfach nicht mehr möglich. Truppenübungsplätze sind also nicht nur der Sicherheit dienende Trainingsplätze für das Militär, sondern gleichzeitig Rückzugsgebiete für bedrohte Tier- und Pflanzenarten.

Das Fehlen der intensiven, konventionellen Land- und Forstwirtschaft ist demnach eine wesentliche Voraussetzung für den Artenreichtum der Truppenübungsplätze. Dazu kommen Vorgänge, die in der von Menschen gepflegten Kulturlandschaft völlig fehlen.

Das Befahren des Geländes mit Gefechtsfahrzeugen (z. B. Panzer) sowie die Übungen mechanisierter Truppen brechen einförmige Strukturen auf. Es entstehen neue Fahrspuren, Mulden, Pfützen und Tümpel, die (Über)Lebensräume für Amphibien bilden. Ebenso bewirkt das Schießen mit schweren Waffen mechanische Bodenverwundungen. Regenwasser sammelt sich in den Fahrspuren sowie in den Granattrichtern und bildet temporäre Tümpel. In diesen finden nicht nur Amphibien, wie die Gelbbauchunke oder der Urzeitkrebs (Triops), sondern auch Mollusken wieder neue Lebensräume (auch Feuchtbiotope genannt).

Die Zunahme der Amphibien bildet wiederum eine Nahrungsgrundlage für Störche und andere seltene Vogelarten. Somit können auf Truppenübungsplätzen bedeutende Brutvogelbestände siedeln, die in der Agrarlandschaft kaum noch vorhanden sind. Die Übungsflächen sind auch Trittsteinbiotope (Plätze für den Zwischenaufenthalt) für Zugvögel. Seltene Steppenvögel wie der Triel finden nur mehr am Schießplatz Großmittel und im Nationalpark Neusiedler See - Seewinkel Lebensräume vor. Die ursprünglichen von ihnen bewohnten Steppenflächen wurden ja zu Äckern oder Weingärten umgewandelt und sind inzwischen intensiv bewirtschaftet.

Daneben führt das Schießen mit schweren Waffen fallweise zu Flächenbränden. In trockenen Frühjahren, heißen Sommern, aber auch im Herbst kann es für die Feuerwehren auf den Übungsplätzen "heiß" hergehen, im wahrsten Sinne des Wortes. Diese Brände bedrohen zwar Kleinlebewesen wie Insekten, ihre Langzeitfolge sind aber artenreiche Blumenwiesen, wie sie ansonsten kaum noch vorkommen. In US-Nationalparks werden solche Feuer zum Teil von den Betreibern gelegt, um den Artenreichtum zu erhöhen. Man nennt dies Feuermanagement. Ein solches wird auch auf belgischen Schießplätzen durch die örtliche Forstbehörde betrieben - regulär und regelmäßig.

All das unterbricht die Monotonie, die unnatürliche Gleichförmigkeit und wird auch Intermediate Disturbance genannt. Das bedeutet sinngemäß eine Störung der Verarmung an Arten, wie sie sich auf weitläufigen Äckern einstellt. In Naturschutzgebieten werden derartige Eingriffe in die Landschaft in Auftrag gegeben - gegen Bezahlung! Sie sind in den Managementplänen von Schutzgebieten als Pflegemaßnahmen verpflichtend vorgesehen.

Auf militärischen Übungsplätzen sind derartige Eingriffe hingegen untrennbar (und kostenlos) mit der Übungstätigkeit verknüpft. Erst das führt zum hohen Naturschutzwert dieser Landschaften. Dazu kommt, dass es sich ja um klassische militärische "Sperrgebiete" handelt, wo kein freier Besucherzugang möglich ist. Es fehlt also der Druck, durch Freizeitaktivitäten wie Mountainbiking oder Rafting Besucher anzulocken (und mit diesen auch zahlreiche naturschädigende Einflüsse). Selbst das Wild wird nur während der relativ kurzen Intensiv-Übungstätigkeiten aufgeschreckt. Ein vorbeifahrender Panzer stört aber deutlich weniger, als der (lärmende) Spaziergänger oder der (für das Tier raubvogelartige) Drachenflieger. Die Panzerkette bewirkt dagegen genau jene Zerstörung der gleichförmigen Bodenstruktur, die auf einem sorgfältig gepflegten Acker völlig unterbleibt. Die Kette formt, wie gesagt, Rinnen, die bei Regen zu temporären Tümpeln werden, in denen sich Amphibien entwickeln. Und genau das macht den entscheidenden Unterschied aus!

Es überrascht daher kaum, dass die Übungsplätze des Österreichischen Bundesheeres - etwa Allentsteig, Bruckneudorf und Großmittel - eine Artenvielfalt wie Nationalparks aufweisen und auch bedeutende Rastplätze für wandernde Tierarten sind. Das gilt aber nicht nur für Österreich. Aufgrund der Vielzahl der dort lebenden bedrohten Tier- und Pflanzenarten und der Vielfalt an Biotoptypen und Habitaten für eben diese Tier- und Pflanzenarten wurden in Europa viele Schieß- und Übungsplätze als Natura 2000 Schutzgebiete gewidmet. In Belgien etwa sind bereits alle Übungsflächen der Armee Natura 2000 Schutzgebiete - völlig problemlos für das Militär. Auch in Österreich wurden mehrere Übungsplätze des Bundesheeres als Teile des Schutzgebietsnetzwerks Natura 2000 durch die jeweils zuständigen Naturschutzbehörden der Länder nominiert. So weisen die großen Übungsplätze Allentsteig, Bruckneudorf, Großmittel, Seetaleralpe, Wattener Lizum und Hochfilzen Natura 2000 Flächen auf.

Unbedingt weiterüben - aber rücksichtsvoll!

Hinsichtlich der Bedeutung von Truppenübungsplätzen als Rückzugsgebiete für bedrohte Tier- und Pflanzenarten gilt generell: Erst die militärische Übungstätigkeit ließ diese Schutzwürdigkeit entstehen! Eine intensivere Nutzung bestehender landwirtschaftlicher Flächen oder eine Intensivierung der Forstwirtschaft stünden den Interessen des Naturschutzes diametral entgegen und sind deshalb abzulehnen.

Die Interessen von Militär und Naturschutz decken sich (bei etwas gutem Willen) über weite Strecken. Eine betriebswirtschaftlich optimierte Nutzung der militärischen Forstflächen liegt hingegen weder im Interesse des Militärs noch im Interesse der Erhaltung bedrohter Tier- und Pflanzenarten! Selbst eine Reduktion der Übungstätigkeit und/oder der Anzahl und Flächen der Truppenübungsplätze würde bereits zu einem Verlust von tierischen und pflanzlichen Lebensräumen (Habitaten und Biotopen) führen. Es sei denn, frei werdende Übungsflächen würden nicht in Flugplätze und Industrieflächen, sondern in Naturschutzflächen umgewidmet. Das würde aber voraussetzen, dass man sich den Ankauf dieser Flächen - und deren nachfolgende Erhaltung als Naturschutzgebiete - auch leisten kann und will. Bei der derzeitigen Situation der öffentlichen Haushalte ist dies kaum zu erwarten. Ebenso wenig zu erwarten sind derzeit politische Kraftakte, wie die seinerzeitige Umwandlung des Truppenübungsplatzes Hainich (Deutschland) nach Abzug der Roten Armee in einen Nationalpark. (Der damalige deutsche Verteidigungsminister Rühe stimmte zwar der Umwandlung zu, lehnte aber Entschädigungsforderungen des Finanzministers vehement ab.) Bei internationalen Symposien zum Thema Naturschutz auf militärischen Übungsflächen (Salisbury 2004, Brüssel 2005, Wien 2007, NATO Environmental Training Working Group Workshop Litauen 2007) wurde und wird stets eindeutig und unmissverständlich festgehalten, dass die Einschränkung bzw. Einstellung des Übungsbetriebes einer Einschränkung der Artenvielfalt gleichkommt.

Am britischen Truppenübungsplatz Salisbury Plains (ca. 40 000 ha, auch Stonehenge befindet sich auf diesem Übungsplatz) wird z. B. der Übungs- und Ausbildungsbetrieb nach Rücksprache mit dem Leiter der wissenschaftlichen Begleitforschung für Naturschutzzwecke optimiert. Dabei kommt es de facto zu keiner Einschränkung des Übungsbetriebes!

Die Kernbotschaft lautet somit: Es geht nicht um Naturschutz oder Übungstätigkeit, sondern um ein sowohl als auch! Es geht um das Verständnis der übenden Truppe auf allen Ebenen bis hin zur Waffengattungsspitze, den Heeresforsten und den Liegenschaftsverantwortlichen für geringfügige Auflagen (sofern überhaupt erforderlich).

Mechanisierte Kräfte umfahren Wasserschutz- und Schongebiete schon jetzt großräumig. Es wird daher wohl auch machbar sein, dass z. B. bei erkannter Brut eines Seeadlerpärchens der Horstbaum rund sechs Wochen in Ruhe gelassen wird, die entsprechende Schutzzone um den Baum (Radius 150 m) für diese Zeit von Forstarbeiten frei bleibt und in dieser Zeit dorthin kein Zielpunkt der Artillerie gelegt wird.


Autor: Ministerialrat Dipl.-Ing. Wolfgang Mattes, Jahrgang 1953. Grundausbildung als Luftschutzpionier 1979, Verwendung im Heeresbau- & Vermessungsamt. Nachhollaufbahn zum Jägerzugskommandanten, ab 1989 beordert als Kompaniekommandant am Truppenübungsplatz Allentsteig, ab 1999 in Stabsfunktionen des Panzerstabsbataillons 3, derzeit Ordonanzoffizier des Kommandanten der 3. Panzergrenadierbrigade. Studium an der Universität für Bodenkultur. Nach seiner Tätigkeit bei der Niederösterreichischen Landwirtschaftskammer Wechsel in das (damalige) Umweltministerium als Leiter der Abteilung für technischen Umweltschutz. Danach als Gruppenleiter u. a. zuständig für Luftreinhaltung, Klimaschutz, Natur- und Landschaftsschutz und Nationalparks. Derzeit in der Umweltbundesamt Ges.m.b.H. zuständig für Protokoll, Nationalparkangelegenheiten, Alpenkonvention und Biosphärenparks. Universitätslektor für angewandte Umweltverträglichkeitsprüfungen, Immissionsschutz Luft und Nationalparkplanung; Lektor an einer Fachhochschule für Bauökologie sowie an der Heeresversorgungsschule. Mitglied der Kommission für Umweltschutz beim Bundesministerium für Landesverteidigung.

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