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Feldmarschall Hermann Baron Kövess von Kövessháza

Für Generaloberst von Seekt war er "wenig initiativ" und "schwarzseherisch", Generalfeldmarschall Mackensen hingegen sah in ihm "einen neuen Prinz Eugen". Kövess’ Truppen nahmen 1916 den Lovcen ein und eroberten 1917 Czernowitz sowie den Großteil der Bukowina. 1918 wurde er der letzte Armeeoberkommandant der Monarchie.

Kaiser Karl I. befahl Feldmarschall Hermann Baron Kövess von Kövessháza (1854 - 1924) im November 1918 in die Position des Armeeoberkommandanten. Von Kövess selbst ist dazu folgende Notiz aus den ersten Novembertagen 1918 erhalten: "… Am 5. November 1918 traf der Befehl des Armeeoberkommandos ein, dass ich mich zur Übernahme des Armeeoberkommandos schleunigst nach Wien zu begeben habe. Dieser Befehl war schon am 3. November 1918 an mich abgesendet worden, erreichte mich aber erst am 5. November 1918." Kövess schrieb dies vermutlich bereits im Wissen um die hereinbrechende Selbstauflösung der k.u.k. Armee.

Wie aber war es zu diesem augenscheinlich sehr überhasteten Befehl gekommen? Der Militärhistoriker Prof. Dr. Manfried Rauchensteiner beschreibt in seinem Standardwerk "Der Tod des Doppeladlers" die Vorgeschichte dieser Ernennung folgendermaßen: "Der Kaiser (Karl I. von Österreich, damals selbst Armeeoberkommandant; Anm.) glaubte allerdings doch einen Weg gefunden zu haben, wie er selbst der Verantwortung für den Abschluss des Waffenstillstandes entkommen konnte. Er wollte den Oberbefehl niederlegen. Er beschwor den Generalstabschef (Arthur Freiherr Arz von Straußenburg; Anm.), den Oberbefehl zu übernehmen und händigte ihm am 3. November um 0300 Uhr morgens ein liniertes Blatt mit den handgeschriebenen Worten aus. ‚Lieber Generaloberst Baron Arz. Ich ernenne Sie zu meinem Armeeoberkommandanten. Karl.‘ Arz weigerte sich ..." Daraufhin bestimmte Kaiser Karl I. den Kommandanten der Heeresgruppe in Belgrad, Feldmarschall Baron Kövess zu seinem Nachfolger. Zu diesem Zeitpunkt hatte Kövess das Kommando seiner Heeresgruppe an Erzherzog Joseph zu übergeben. Generaloberst Arz informierte danach die höheren Stäbe: "Seine Majestät hat gestern, am 2. November, den Feldmarschall Baron Kövess zum Armeeoberkommandanten ernannt." Bis zum Eintreffen von Feldmarschall Kövess hatte Generaloberst Arz diesen zu vertreten.

Tatsächlich war jedoch die Ernennung von Kövess nicht am 2. sondern erst am 3. November 1918 erfolgt. Das Datum wurde offenbar nachträglich korrigiert. Mit der Nennung des 2. November 1918 sollte anscheinend die Fiktion geschaffen werden, dass nicht der Kaiser, sondern der neue Armeeoberkommandant am 3. November in der Villa Giusti (bei Padua) den Waffenstillstand mit den Italienern geschlossen hätte. Durch diesen Waffenstillstand und die daraus entstandene Konfusion auf der österreichisch-ungarischen Frontseite um dessen Wirksamwerden geriet fast die Hälfte des an dieser Front eingesetzten Feldheeres in Gefangenschaft. Der Rest flutete in die Heimat zurück.

Gehorsam und loyal gegenüber der Krone - wie stets - bestieg Kövess am 7. November in Apatin (Serbien) ein Schiff, um die Fahrt über Budapest donauaufwärts nach Wien anzutreten. Nach Übergabe des Kommandos der Balkanstreitkräfte an Erzherzog Joseph in Budapest reiste er am 8. November 1918 nach Wien weiter, wo er am 9. November spätabends eintraf. Dort übernahm Kövess befehlsgemäß das von Baden nach Wien verlegte Armeeoberkommando und führte es bis zu dessen Liquidierung am 20. Dezember 1918.

"Seine Exzellenz, den Herrn Feldmarschall von Kövess: Mit Beziehung auf die Rücksprache vom 17. Dezember beehre ich mich, Ihre Exzellenz davon in Kenntnis zu setzen, dass der Staatsrat in seiner Sitzung vom 16. Dezember festgestellt hat, dass nach deutsch-österreichischem Recht ein Armeeoberkommando nicht besteht und daher kein Funktionär den Titel eines Armeeoberkommandanten zu führen berechtigt ist. Die näheren Mitteilungen werden Eurer Exzellenz durch den Staatssekretär für Heerwesen zukommen. Der Staatskanzler, Dr. Karl Renner" Diese dürren Zeilen der deutsch-österreichischen Staatskanzlei vom 19. Dezember 1918 beendeten Kövess´ kurze Amtszeit als Armeeoberkommandant relativ unspektakulär.

Damit endete jedoch auch die Existenz eines Heeres, das seit den Tagen des Generalissimus Wallenstein (eigentlich Albrecht Wenzel Eusebius Graf von Waldstein; 1583 - 1634) als stehendes Heer für den Schutz und Zusammenhalt des Vielvölkerstaates gesorgt hatte. So führte beispielsweise das Dragonerregiment Nr. 8 seine Entstehung bis in das Jahr 1617 oder 1618 zurück. Von 1600 bis 1918 standen nicht weniger als 295 Feldmarschalle in den Ranglisten der kaiserlichen Armee. Und all das war nun mit einem Federstrich Geschichte.

Der Weg zum Feldmarschall

Die Familie Kövess war ursprünglich ein altes westungarisches Geschlecht, beheimatet im Komitat Zala, einer Region um den Plattensee (heute Balaton).

Der 1854 in Temesvár als Sohn eines Generals geborene Hermann Kövess bestand 1865 die Aufnahmeprüfung am k.k. Hainburger Kadetten-Institut (in der Funktion grob vergleichbar mit dem heutigen Militärrealgymnasium in Wiener Neustadt; Anm.). Von 1868 bis 1872 war er Zögling der Technischen Militärakademie in Wien-Neubau (in der Stiftskaserne, heute Amtsgebäude Stiftgasse).

Unter seinen Kameraden befanden sich die späteren Generäle Ernst Freiherr von Leithner und Oskar Potiorek, der vor allem rund um das Attentat auf den Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand und danach als Oberbefehlshaber der k.u.k. Streitkräfte während des Balkanfeldzuges gegen Serbien für unrühmliche Schlagzeilen sorgte. Kövess beendete seine Akademiezeit mit Klassenrang 12 und der persönlichen Charakterisierung "gelassen, sehr strebsam und anständig".

Nach Ablauf der vorgeschriebenen Truppendienstzeit wurde Kövess 1886 zum I. Korps nach Krakau versetzt. Während seiner dortigen Tätigkeit sollte er die Prüfung zum Stabsoffizier absolvieren, eine Voraussetzung zur Übernahme in den Generalstab. Er scheiterte allerdings 1888 bei dieser Prüfung ("Erzengelprüfung" genannt), wurde somit nicht in den Generalstab übernommen und musste zur Truppe zurückkehren, wo er als Regiments-, Brigade- und Divisionskommandant diente. Seine Laufbahn erreichte deshalb erst im Verlauf des Ersten Weltkrieges den von ihm angestrebten Ziel- und Höhepunkt.

Kövess bemühte sich ständig um eine Modernisierung der k.u.k. Streitkräfte in taktischer und operativer Hinsicht. Auch die Verbesserung der Ausbildung und Ausrüstung waren ihm stets ein großes Anliegen. Dennoch bekam er schon während der ersten Kampfhandlungen an der Ostfront als Kommandant des XII. Korps die Versäumnisse und Fehleinschätzungen der Armeeführung zu spüren und musste sich mehrmals mit weit unterlegenen Kräften der russischen Übermacht stellen.

Der Generalstabsoffizier im Armeeoberkommando und nachmalige Minister in der Regierung Schuschnigg, Edmund Glaise von Horstenau, beschrieb Kövess wie folgt: "Er fiel durch sein gegen alle Vorschriften glattrasiertes Gesicht auf, das von einem dichten Haarschopf gekrönt war. Als er - ehemals Genist (Angehöriger der Genietruppe, der Pioniere; Anm.) - zum Inspizierenden der Tiroler Befestigungen ernannt wurde, war das für ihn, der schon seinerzeit bei der ‚Erzengelprüfung‘ in den Generalstab durchgefallen war, ein Signum abeundi (lat.; ein Signal zu resignieren; Anm.). Er hielt aber tapfer durch und bekam schließlich das Hermannstädter Korps (XII. Korps; Anm.). Hier sollte er bei den schon berühmten Kaisermanövern 1912 ‚abgeschossen‘ werden, er kam aber mit einem blauen Auge davon. Im Sommer 1914 winkte neuerlich der ‚blaue Brief‘ mit der Pensionierung. Da brach der Krieg aus. Wohl wurde der rangjüngere General von Böhm-Ermolli sein Armeeführer. Aber er würgte den Groll hinunter und überstand alle Klippen der ersten Schlachten. Schließlich stieg er 1915 doch zum Armeeführer (der 3. und dann der 7. Armee; Anm.) auf, wurde Eroberer von Belgrad, behauptete sich auch weiter, während rechts und links von ihm jüngere Armeekommandanten vom Schicksal weggefegt wurden. ..." Ein Detail am Rande: Mehrsprachigkeit erwies sich bereits damals als wertvoll. Kövess sprach recht gut Englisch und Französisch, konnte sich aber auch auf Ungarisch sowie (notdürftig) auf Italienisch und Russisch verständigen.

Nach seinem großen Erfolg in Iwangorod, der Erstürmung der dortigen russischen Festung, und kurz nachdem Serbien besiegt worden war, übersiedelte Kövess im Jänner 1916 nach Sarajewo, um von dort den Feldzug gegen Montenegro zu leiten. Im Verlauf der Kämpfe der 3. Armee war seine erste Station auf dem Weg zum Feldherrenruhm die Einnahme des Lovcen (ein Berg östlich der Bucht von Cattaro, dem heutigen Kotor; Anm.). Diesen erstürmte am 11. Jänner 1916 die zur 3. Armee gehörige 47. Infanteriedivision.

Nach der Eroberung von Albanien wurde Kövess mittels "Allerhöchstem Handschreiben" zum Generaloberst ernannt. Er war damit neben Franz Conrad von Hötzendorf der einzige nicht erzherzogliche Armeekommandant, der in diese Charge vorgerückt war.

Kövess beteiligte sich im Mai 1916 an Conrads "Strafexpedition" in das venezianische Tiefland und die Po-Ebene, kehrte aber, als im Juni überraschend die russische Brussilow-Offensive an der Ostfront losbrach, an den ihm altbekannten Kriegschauplatz zurück.

Dort kam Kövess durch die Beurteilung der Lage in seinem Kampfabschnitt allerdings zu dem Ergebnis, dass er mit seinen schwachen Truppen nicht bestehen konnte und reichte deshalb seinen Rücktritt ein. Heeresgruppenkommandant Erzherzog Karl, damals noch Thronfolger, lehnte diesen jedoch ab.

Kövess führte nun die 7. Armee - diesmal hatte man ihn bei der Besetzung der Kommandantenstelle nicht brüskiert, sondern berücksichtigt, dass er rangälter war als Generaloberst Böhm-Ermolli. Anfang August 1917 gelang der 7. Armee unter Kövess die Rückeroberung des größten Teiles der Bukowina einschließlich der Hauptstadt Czernowitz.

Ab Mitte Jänner 1918 kommandierte Kövess eine nach ihm benannte Heeresfront in Siebenbürgen, doch wurde diese Anfang April - nach den Friedensschlüssen von Brest-Litowsk und Bukarest - wieder aufgelöst. Bis Ende September 1918 blieb Kövess ohne Kommando. Anfang Oktober 1918 übernahm er in Belgrad das Kommando über eine neu geschaffene Heeresgruppe, die dem Armeeoberkommando direkt unterstellt war.

Im Urteil des Bündnispartners

Interessant ist, wie unterschiedlich Feldmarschall Kövess von Spitzenrepräsentanten des Deutschen Bündnispartners, die mit ihm während des Krieges eng zusammengearbeitet hatten, beurteilt wird:

Nach der Beurteilung von Generaloberst Hans von Seekt war er "ein allgemein und militärisch sehr gebildeter Soldat von guten liebenswürdigen Formen; körperlich leidlich frisch. Wenig initiativ und leicht in schwierigen Lagen außer Fassung. Ausgesprochen schwarzseherisch und sehr besorgt um Erhaltung des leicht erworbenen Feldherrenruhmes (Serbien, Montenegro) und seiner Würde als Armeekommandant; daher nicht leicht zu behandeln und schnell verletzt." Weiters waren bei Kövess nach Seekt "... Erkenntnis für die Schäden der österreichischen Verhältnisse und volle Anerkennung der deutschen Leistungen vorhanden." Generalfeldmarschall August von Mackensen hingegen resümierte: "Kövess war für mich Österreichs neuer Prinz Eugen, Österreichs volkstümlichster General. Laudon, Erzherzog Karl und Radetzky mögen als Feldherren bedeutender gewesen sein. Kövess war jedenfalls von allen Generalen der k.u.k. Wehrmacht, über die ich im Weltkriege ein Urteil gewann, der tüchtigste und zugleich als Mensch mir höchst sympathisch. ..."

"Kein Denkmal, keine Straße, kein Platz …"

Untersucht man den umfangreichen Schriftverkehr der am Waffenstillstand mit Italien beteiligten Persönlichkeiten, so geht daraus klar hervor, dass Feldmarschall Kövess keineswegs die Verantwortung für den Inhalt und Abschluss dieses Vertrages aufgebürdet werden kann.

Nach dem Krieg erfolgten mehrere Versuche, Kövess in das politische Geschehen in Ungarn einzubinden. Doch weder der Versuch, ihm beim Sturz des Bela-Kun-Regimes im Sommer 1919 eine Funktion zu übertragen, noch der Versuch des Reichsverwesers Nikolaus von Horthy, Kövess zum Kommandanten einer ungarischen Armee zu machen, waren erfolgreich. Auch lehnte Kövess die Einladung von Oberst Anton von Lehár ab, sich an den beiden Restaurationsversuchen von Kaiser und König Karl (der Ungarn wieder als König regieren wollte; Anm.) zu beteiligen.

Kövess blieb in Wien und fungierte dort als Präses des Ordenskapitels des Militär-Maria-Theresien-Ordens, eine Funktion, die er 1919 vom ehemaligen Präses, Feldmarschall Erzherzog Friedrich, übernommen hatte.

Kövess übte dieses Amt bis zu seinem tödlichen Gehirnschlag am 22. September 1924 aus. Nach der feierlichen Aufbahrung im Militärkasino am Wiener Schwarzenbergplatz war es für das Königreich Ungarn (so lautete die offizielle Bezeichnung des Staates von 1920 bis 1944) eine Selbstverständlichkeit, dass die Beisetzung in Budapest (29. September 1924) als Staatsbegräbnis erfolgte.

Doch die Zeiten änderten sich. In einer ungedruckten Biographie über seinen Vater klagte Géza Kövess von Kövessháza im Jahr 1956: "Kein Denkmal, keine Straße, kein Platz, keine Gedenktafel erinnert in Österreich oder in Ungarn an den ruhmreichen Feldmarschall. Das Grab in Budapest ist im Verfalle. Die Geschichte, die gelehrt wird, und die Geschichtsbücher diesseits und jenseits der Leitha, erwähnen den Namen Kövess kaum."


Autor: Mag. phil. Georg Reichlin-Meldegg, Jahrgang 1948. 1969 Einjährig Freiwilligenausbildung in Zwölfaxing, danach u. a. Pressesprecher der Mobil Oil Austria AG. Seit 1998 Geschäftsführer einer PR-Agentur in der Hinterbrühl bei Wien. Mitglied des Malteser Hospitaldienstes und Malteser-Ritter. Publizist, Militärhistoriker und Verfasser mehrerer Fachbücher und zahlreicher Fachbeiträge.

Literatur und Quellen (Auszug):

Bardolff, Dr. Carl Freiherr von (Hg.) (1944) Der Militär-Maria-Theresien-Orden. Die Auszeichnungen im Weltkrieg 1914 - 1918. Wien Broucek, Peter (1980) Ein General im Zwielicht. Die Erinnerungen Edmund Glaises von Horstenau. Band 1, Wien-Köln-Graz Lehár, Anton (1973), Erinnerungen. Gegenrevolution und Restaurationsversuche in Ungarn 1918 - 1921. Wien Rauchensteiner, Manfried (1993) Der Tod des Doppeladlers. Österreich-Ungarn und der Erste Weltkrieg. Graz-Wien-Köln Reichlin-Meldegg, Georg (erscheint 2009 im Ares-Verlag, Graz) Ein Feldmarschall für alle Jahreszeiten. Hermann Baron Kövess von Kövessháza, der letzte Oberkommandant der k.u.k. Armee. Wien

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