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Terror und Terrorismus

Ideengeschichte und philosophischethische Reflexionen (Fußnote 1/FN1)

von Hubert M. Mader / Edwin R. Micewski / Andreas B. Wieser

Ungeachtet der Ereignisse des 11.9.2001 ist es weder den Vereinten Nationen noch den internationalen Zirkeln von Wissenschaftern, Gelehrten und Politikern gelungen, sich auf eine gemeinsame Definition von Terror und Terrorismus zu einigen. Auch gibt es Schwierigkeiten, terroristische Aktivitäten ausschließlich als politisch oder extremistisch einzuordnen. Für den Zweck dieser Untersuchung wird unter Terrorismus eine Strategie verstanden, "die den Einsatz von Gewalt dazu benützt, gewisse Effekte bei einer Gruppe von Personen zu erzielen, um dadurch bestimmte politische Zwecke oder Ziele zu erreichen". In jedem Fall handelt es sich beim Terrorismus darum, dass eine Minderheit durch Einsatz von Gewalt ihre politischen und sozialen Vorstellungen gegen etablierte politische Strukturen durchzusetzen trachtet.

Begriffstheoretische Abklärung

In der Literatur wird von einigen Autoren zwischen den Begriffen "Terror" und "Terrorismus" differenziert, während andere beide Termini synonym setzen. Aus Gründen der besseren Verständlichkeit ist in der folgenden Darstellung von "Terror" dann die Rede, wenn es sich um staatlichen Terror als "Terrorismus von oben" handelt, während sich der Begriff "Terrorismus" auf politisch motivierte Gewalt "von unten" bezieht.

"Terror" (Staatsterrorismus) als Instrument der Gewaltherrschaft

Dieser Unterscheidung folgend, bezeichnet der Begriff Terror "die Verwendung des Herrschaftsinstrumentes der Einschüchterung durch die Mächtigen", während "Terrorismus" eine "Nachahmung und Praxis von Terrormethoden" umreißt, welche von (einstweilen noch) "Machtlosen, Verachteten und Verzweifelten" eingesetzt wird, die daran "glauben, auf keine andere Weise als durch Terrorismus ernst und für voll genommen zu werden". Terror (Staatsterrorismus) wie auch Terrorismus zeigen sich betont gleichgültig gegenüber menschlichem Leben. In ihren Methoden und Handlungsweisen ahmen sie einander nach und stehen (zumindest in den meisten Fällen) zueinander in wechselseitiger Abhängigkeit. Diktatorische Systeme haben in der Vergangenheit Verletzungen der Menschenrechte und der Freiheit des Individuums wiederholt als Maßnahmen zum Schutz der inneren nationalen Sicherheit getarnt.

Einen seiner frühen Höhepunkte erreichte der Terror als institutionalisiertes System unter der jakobinischen (Schreckens-)Herrschaft in Frankreich während des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Revolutionsführer Maximilien Robespierre bezeichnete den Terror der Staatsführung selbst als "Tugend" und betonte: "Terror ist nichts anderes als Gerechtigkeit, sofortige, unnachsichtige und unbeugsame Gerechtigkeit; er stellt daher eine Ausdrucksform der Tugend dar"(FN2). Am Ende von Revolutionen stand also oftmals der "Terror der Revolution" - eine Gewalt, die (um mit Leo Trotzki zu sprechen) "alle Gegensätze der Entwicklung auf die Alternative bringt: Leben oder Tod" (FN3). Von dieser Feststellung ausgehend, können in vielen Fällen die Begriffe "Terror" und "Terrorismus" zu Recht synonym verwendet werden. Nicht zuletzt bedeutete der nationalsozialistische Terrorismus in der Weimarer Republik einen "Vorgeschmack" und auch eine "Vorbereitung für den Terror des Dritten Reiches"(FN4).

Terrorismus als Einschüchterungsversuch "von unten"

Der Terminus "Terrorismus" bezieht sich auf eine "Form der politisch motivierten Gewaltandrohung und -anwendung"(FN5) und führte namentlich in der jüngeren Vergangenheit wiederholt zu einer Missachtung der grundlegenden Gebote der Menschlichkeit. Die Gewalt der Terroristen, zumindest wie sie heute in Erscheinung tritt, kennt keine geschützten Personen oder geächteten Kampfmittel. In der jüngeren Vergangenheit bezeichneten führende Politiker nicht zuletzt deshalb den Kampf gegen den Terrorismus wortwörtlich auch als "Krieg". Wissenschafter und Sicherheitsexperten (unterschiedlichster nationaler Herkunft) warnen seit einiger Zeit vor dem Aufflammen neuer, noch radikalerer Formen des Terrorismus. Terroristen wollen die breite Öffentlichkeit durch Erzeugung von Angst unter Druck setzen, bis sich diese (mittel- bzw. langfristig) der Ideologie und/oder den politischen Forderungen der Gewalttäter öffnet. Jedwede Rücksicht auf Alter, Geschlecht oder Herkunft der (wahllos) ausgesuchten Opfer sind vor allen Dingen dem gegenwärtigen Terrorismus fremd.

Dem Anarchismus/Terrorismus (wie auch dem staatlichen Terror) ist der Einsatz brutalster Gewalt hauptsächlich ein Instrument zur Furchterregung und Einschüchterung. Terroristen verfolgen in der Regel nationalistische und/oder revolutionäre Zielsetzungen. Dem so genannten "nationalen Terrorismus" geht es darum, eine Fremdherrschaft zu beseitigen bzw. nationale Unabhängigkeit (oder Autonomie) auf dem Weg der (illegalen) Gewaltanwendung zu erreichen. Der "revolutionäre Terrorismus" wiederum zielt auf den Sturz eines bestimmten Regimes bzw. strebt nach einer gewaltsamen, grundlegenden Veränderung der bestehenden gesellschaftlichpolitischen Ordnung(FN6). Dabei können terroristische Gruppierungen auch beide Ziele zugleich anstreben, wie sich am Beispiel der baskischen Terrororganisation "Euzkadi Ta Askatasuna"/ETA ("Baskisches Vaterland und Freiheit") zeigt, deren "politischen Arm" die linksextremistische Partei "Herri Batasuna" darstellt(FN7).

Terrorismus und Guerilla

Grundsätzlich ist zwischen "Terrorismus" und "Guerilla" zu unterscheiden, wenn auch die Grenze zwischen den beiden Begriffen verschwommen ist. Der Name "Guerilla" (spanisch "kleiner Krieg") bezeichnet einerseits den Kampf kleiner (irregulärer) Verbände gegen eine feindliche Armee, Besatzungsmacht oder gegen die eigene Regierung; zugleich dient er auch als Bezeichnung dieser Verbände selbst. Die Grenzen zwischen "Terrorismus" und "Guerilla" zeigen sich unscharf, namentlich bei terroristischen Gruppen mit nationalistischen Zielen, doch auch im Falle des revolutionären Terrorismus gibt es fließende Übergänge zur Guerilla. So bezeichnet beispielsweise die "Irish Republican Army"/IRA ("Irisch-Republikanische Armee") ihren Kampf gegen die britische Armee wortwörtlich als "Guerilla"(FN8).

Terrorismus und Publizität

Um überhaupt in die Lage zu kommen, ihre politischen Ziele oder Ideologien einer breiten Öffentlichkeit nahe zu bringen, benötigen die Aktivisten terroristischer Vereinigungen einen entsprechenden Bekanntheitsgrad. Um der Publizität willen scheuen sie daher keine Opfer und Mühen, da sie sich im Klaren darüber sind, in ihren terroristischen Absichten von der Wirkung auf die Öffentlichkeit abhängig zu sein.

Somit treten auch sämtliche (moralischen oder politischen) Beweggründe, die einen terroristischen Gewaltakt rechtfertigen sollen, hinter den Wirkung heischenden, publizistischästhetischen zurück. Man könnte auch sagen, dass sich unbeschadet der Folgen, Kosten und Opfer das Schauspiel um seiner selbst und seiner Schauwirkung willen rechtfertigt. Und es sind v.a. "Abscheu und Entrüstung", die - noch besser als (offene oder heimliche) Bewunderung - dafür sorgen, "dass sich die Kunde von terroristischen Taten und Gefahren möglichst rasch und weit verbreitet".(FN9) Daraus wird zugleich ein interessanter Unterschied zum Staatsterror erklärlich, der in der Regel kaum die Aufmerksamkeit der breiten (internationalen) Öffentlichkeit auf sich lenken will, vielmehr alles daran setzt, Menschenrechtsverletzungen zu vertuschen.

Durch die Verweigerung von Terrorregimes, eigenes Staatshandeln publik zu machen, belegen sie auf mittelbare Weise sehr eindrucksvoll die Unmoralität dessen, was sie tun. Wie Kant bereits im Anhang zu seinem Werk "Zum ewigen Frieden" eindrucksvoll dargelegt hatte, bleibt, wenn man von aller Materie des öffentlichen Rechts (nach den verschiedenen empirischgegebenen Verhältnissen der Menschen im Staat oder auch der Staaten untereinander) absieht, nur "noch die Form der Publizität übrig, deren Möglichkeit ein jeder Rechtsanspruch in sich enthält, weil ohne jene es keine Gerechtigkeit (die nur als öffentlich kundbar gedacht werden kann), mithin auch kein Recht, das nur von ihr erteilt wird, geben würde".(FN10) Diese "Einhelligkeit der Politik mit der Moral nach dem transzendentalen Begriffe des öffentlichen Rechts" ist also ein unweigerlicher Maßstab für den moralischen Wert sozialen oder politischen Handelns. Beim Terrorismus präsentiert sich das Phänomen der Publizität gleichsam von der anderen Seite. Da sich der Terrorismus nicht um Moral (moralisches Recht) und auf dieser beruhendem öffentlichem Recht schert, kümmert es ihn auch nicht, mit etwas, das jeglichen - moralischen wie gesatzten - Rechtsanspruches entbehrt, an die Öffentlichkeit zu treten, somit "publik" zu werden.

Freilich zeigen sich hinsichtlich des Ausmaßes ihrer Gewaltbereitschaft zwischen den Terroristen vergangener Epochen und jenen der jüngsten Vergangenheit bzw. der Gegenwart doch recht deutliche Unterschiede. Während die terroristischen Anarchisten der Vergangenheit sozusagen technisch limitiert waren - wenn sie sich nicht gewisse Einschränkungen selbst auferlegten -, fehlen den heutigen Aktivisten der Terrorszene offensichtlich alle ethischen Bedenken bezüglich jener Mittel und Methoden, die von ihnen angewandt werden. Dadurch und auf Grund einer wachsenden Vernichtungskapazität der zur Verfügung stehenden Kampf- und Zerstörungsmittel hat die Bedrohung durch den Terrorismus gewaltig zugenommen.

Erweiterungen des Begriffs "Terrorismus"

In den frühen 90er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde der Terminus "Terrorismus" um zwei neue Begriffe -"Drogenterrorismus" und "Grauzonenphänomen" - erweitert. Als "Drogenterrorismus" wird der gezielte Einsatz des Drogenhandels von Regierungen und terroristischen Organisationen zu politischen Zwecken bezeichnet(FN11). Der Begriff "Grauzonenphänomen" wiederum wird herangezogen, um Drohungen gegen die Stabilität von Nationalstaaten durch nichtstaatliche Akteure oder auch destabilisierende außerstaatliche Entwicklungen und Einflüsse von Nichtregierungsorganisationen zu beschreiben. Hier geht es also im Wesentlichen darum, den sich zunehmend dynamisierenden und veränderlichen Charakter subnationaler Konflikte in der Ära nach dem Kalten Krieg zu beleuchten(FN12). Die Auseinandersetzung mit dem Phänomen Terrorismus darf ferner einen weiteren, nicht unwesentlichen Aspekt nicht außer Acht lassen, nämlich den, dass es sich beim Terrorismus oftmals um ein psychopathologisches Phänomen handelt. In nicht wenigen Fällen steht bei Terrorakten ganz einfach die Lust am Töten als treibendes Motiv im Vordergrund. Walter Laqueur beschreibt in seinem Buch "Die globale Bedrohung: Neue Gefahren des Terrorismus" den lange ignorierten Sachverhalt, den Wordsworth in seinem berühmten Kommentar zu einem Shakespeare-Stück als "Motivjagd nach einer motivlosen Boshaftigkeit" bezeichnet hatte, mit den Worten: "Natürlich braucht sogar blinde Wut einen Konzentrationspunkt, aber wie häufig hätte wohl ein linksextremer Terrorist durch eine biographische Zufälligkeit - den Einfluss eines Freundes oder einer charismatischen Gestalt, der er begegnete - nicht auch in einer rechtsextremen oder sektiererischen Gruppe landen können (und umgekehrt)(FN13)?" Daraus wird ersichtlich, dass die ideologische Motivation für den Terrorismus nicht immer im Vordergrund stehen muss.(FN14)

Historischideengeschichtliche Anmerkungen zum Terrorismus

Bereits im Altertum gab es organisierte (terroristische) Gruppen, die systematisch Schrecken verbreiteten. Terrorismus als Versuch, durch verbrecherische Gewalt auf breiter Ebene Schrecken zu erzeugen, um politische Ziele durchzusetzen, kann also auf eine durchaus alte Tradition zurückblicken. In die Geschichte terroristischer Gewalttäter gingen beispielsweise die Angehörigen jenes (von den schiitischen Ismailiten abgespaltenen) islamischen Geheimbundes ein, die vom 11. bis zum 13. Jahrhundert im Nahen und Mittleren Osten ihre Terroranschläge verübten. Dieser Geheimbund der (später) so genannten "Assassinen" (französisch "assassin" = "Mörder") wurde von dem Perser Hasani Sabbah ins Leben gerufen. Nachdem sich dieser im Jahre 1090 der nordpersischen Bergfestung Alamut bemächtigt hatte, bedrohten er und seine Nachfolger von dort aus Kreuzfahrer und muslimische Fürsten gleichermaßen mit Mordanschlägen, die von seinen fanatisierten Assassinen verübt wurden. Die Assassinen lebten gewissermaßen "das Muster des eifernden Agenten" vor, der "eine Selbstmordmission unter Anwendung von Täuschung" zu erfüllen hat und sich "der Freuden des Paradieses gewiss sein kann", da er eine "gottgefällige Aufgabe" erfüllt. Darin besteht vermutlich das wichtigste Vermächtnis der Assassinen an ihre spätmodernen Nachfahren im beginnenden 21. Jahrhundert(FN15) (Ausführlicher dazu der Beitrag von Wolfgang Etschmann "Die Assassinen - eine radikale Sekte im Hochmittelalter" in diesem Heft ab S.171.).

Die Ursprünge des "modernen" Terrorismus

"Terrorismus" im engeren (neuzeitlichen) Verständnis findet seine Ursprünge v.a. in den Anschlägen und Gewaltaktionen der Anarchisten des 19. Jahrhunderts. Zu den Vorläufern des neuzeitlichen Terrorismus wird der italienische (republikanische) Extremist Carlo Pisacane gezählt. Ursprünglich ein Angehöriger der italienischen Hocharistokratie, wandte sich Pisacane von seinem Stand samt der damit verbundenen gesellschaftlichen Stellung ab und widmete sich einem jahrelangen Kampf gegen die Bourbonen, bis er im Jahre 1857 bei einer gescheiterten Revolte sein Leben ließ. Pisacane wird die Schöpfung des Begriffes der "Propaganda der Tat" zugeschrieben. Der italienische Extremist sprach sich dafür aus, durch Gewaltanschläge das Volk gewissermaßen aufzurütteln und gleichzeitig bei den Feinden der Revolution Angst zu erzeugen. Für Pisacane ist "die Propaganda der Tat ( ... ) ein Schreckgespenst"(FN16). Derartige Vorstellungen sollten besonders im zaristischen Russland auf fruchtbaren Boden fallen. Es war Michail Bakunin, der im Geiste dieser terroristischen Vorstellungen zu einem weiteren maßgeblichen Terrorismus-Theoretiker des 19. Jahrhunderts wurde. Bakunin war in Russland, aber auch in Deutschland (während der Revolution von 1848/49), in Frankreich und in der Schweiz aktiv. In seinen "Prinzipien der Revolution", 1869 erschienen, schrieb Bakunin, dass seine Freunde und er keine andere Methode als die der Zerstörung anerkennen würden. Ihr Endziel sei die Revolution, denn das Böse könne nur durch Gewalt ausgerottet und der russische Boden nur durch Feuer und Schwert gereinigt werden. Bakunin veröffentlichte ferner einen so genannten "Revolutionären Katechismus" und erstellte darin besondere Verhaltensregeln für Terroristen. Er beschrieb die Idee des "anonymen Terroristen", der keine individuellen Interessen, kein Eigentum, keine persönlichen Bindungen und nicht einmal einen Namen habe. Der "anonyme Terrorist" sollte mit der Gesellschaft, ihren Gesetzen und Konventionen auf radikale Weise brechen. Bakunin riet den Terroristen seiner Zeit, zuerst durch Anschläge die gefährlichsten ihrer Feinde (also alle, die durch besondere Intelligenz oder besondere Fähigkeiten auffielen) unschädlich zu machen und auf diese Weise zugleich bei der Regierung wie auch in der Gesellschaft Furcht hervorzurufen. Geradezu zukunftsweisend erscheinen aus heutiger Sicht seine Ratschläge, mit kriminellen Gruppen zu kooperieren(FN17).

Revolutionärer Terrorismus im zaristischen Russland

Es waren die russischen Terroristen, die sich vor dem Ersten Weltkrieg am aktivsten und erfolgreichsten in Szene setzten. Als erste Organisation, welche die Theorien von Männern wie Pisacane, Bakunin u.a. in die Praxis umsetzen wollte, gilt die russische "Narodnaja Wolja" ("Volkswille", manchmal auch als "Volksfreiheit" übersetzt). Dabei handelte es sich um eine 1878 ins Leben gerufene, kleine Gruppe von russischen Konstitutionalisten, die im Widerstand gegen die Zarenherrschaft standen. Angesichts der "Apathie und der Entfremdung der russischen Massen" wollten die Angehörigen der Gruppe mit (durchaus wagemutigen) Anschlägen die Aufmerksamkeit auf die Organisation und ihre Ziele lenken. Doch im Unterschied zu den vielen Terrororganisationen des späten 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts, die sich durch Blutvergießen in großem Stil sowie Verbrechen an willkürlich ausgewählten Opfern jedes Alters und Geschlechts die angestrebte Publizität sicherten, offenbarte die Narodnaja Wolja eine geradezu skrupulöse Haltung gegenüber der von ihr ausgeübten Gewalt. Die russischen Terroristen jener Tage verstanden unter ihrer "Propaganda der Gewalt" Anschläge, die sich ausschließlich gegen solche Persönlichkeiten richteten, welche die Gruppe für "Verkörperungen des autokratischen Unterdrückerstaates" hielt(FN18).

Nationalistischer Terrorismus auf dem Balkan und in Irland

Besonders geschichtsträchtig sollte der Terrorismus auf dem Balkan werden. Nach der österreichischen Machtübernahme hatten sich in Bosnien Gruppen von Nationalisten - bosnischserbische Intellektuelle, Universitätsstudenten und sogar Schüler - gegen die habsburgische Herrschaft formiert, die pauschal unter dem Namen "Mlada Bosna" oder "Jungbosnier" bekannt wurden. Eines ihrer Mitglieder, Gavrilo Princip, sollte schließlich mit seinem Attentat auf den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand am 28.6.1914 in Sarajevo zumindest vordergründig jene Kette von Ereignissen auslösen, die zum Ersten Weltkrieg und somit zur völligen politischen Neuordnung Europas führten. Hinter den Jungbosniern stand nicht zuletzt die 1908 gegründete großserbische Geheimgesellschaft "Narodna Odbrana" ("Verteidigung des Volkes"). Eine Vereinigung, die ursprünglich zur Förderung serbischer kultureller und nationaler Aktivitäten ins Leben gerufen worden war, aber bald eine stärkere subversive Ausrichtung annahm und (auch) für terroristische Aktivitäten verantwortlich zeichnete, die sich gegen die habsburgische Doppelmonarchie richteten. Vor allem unter den jungen Bosniern und Herzegowinern konnte die Narodna Odbrana entsprechendes "Fußvolk" rekrutieren. Zusätzliche Brutalität gewann der Terrorismus in der Balkanregion, als sich im Jahre 1911 von der Narodna Odbrana eine noch radikalere Gruppe, die "Crna Ruka" ("Schwarze Hand"), abspaltete.(FN19) Obgleich es offensichtlich enge Kontakte zwischen der serbischen Militärführung, der Schwarzen Hand und den Jungbosniern gab, darf man sich diese Beziehung nicht als eine von direkter Kontrolle oder sogar von völliger Manipulation geprägte vorstellen. Vielmehr ist wohl von einem Wechselspiel gegenseitiger Beeinflussung auszugehen. So gibt es z.B. einige Anzeichen für Versuche der Schwarzen Hand, "Österreich zu Maßnahmen gegen Serbien zu ‚zwingen‘ und dadurch beide Länder durch aktive Unterstützung einer Verschwörung der Jungbosnier mit dem Ziel der Ermordung des Erzherzogs in einen Krieg zu treiben".(FN20) Im Jahre 1919 kam es in Irland zur Gründung der "Irish Republican Army"/IRA als katholische Untergrundorganisation, die zugleich den "bewaffneten Arm" der nationalistischen irischen Partei Sinn Féin darstellte. Ging 1921 ein Teil der IRA in der Armee des neu gegründeten Freistaates Irland auf, so kämpfte deren militanter Flügel bis 1923 für die völlige Loslösung von Großbritannien und den Anschluss Nordirlands weiter. In den späten 20er Jahren bestand die IRA als kleine bewaffnete Gruppierung (die sowohl in Großbritannien wie in Irland verboten war) fort, um erst wieder in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts größere Bedeutung zu erlangen(FN21).

Der "Werwolf"

Guerilla und Terrorismus vereinten sich im Zweiten Weltkrieg nicht nur im (europaweiten) Kleinkrieg gegen die Truppen der deutschen Wehrmacht, vielmehr wurden terroristische Aktionen auch seitens der nationalsozialistischen Führung als adäquates Mittel der "Kriegführung" - namentlich in der Phase des militärischen und politischen Zusammenbruchs - angesehen. So kam es gegen Kriegsende unter der Bezeichnung "Werwolf"(FN22) zu einem Untergrundkampf gegen die Alliierten, der aus heutiger Sicht ohne weiteres als Terrorismus bezeichnet werden kann.

Terrorismus für die nationale Unabhängigkeit nach 1945

Während der späten 40er und in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts trat der Terrorismus besonders in Zusammenhang mit den gewaltsamen Aufständen gegen die europäische Kolonialherrschaft in Erscheinung. Heute verdanken so unterschiedliche Staaten wie beispielsweise Algerien, Israel oder Kenia ihre Unabhängigkeit zumindest teilweise nationalistischen politischen Bewegungen, die den Terrorismus gegen die Kolonialmächte einsetzten. Vor dem Hintergrund des Prozesses einer gewaltsamen Entkolonialisierung verdrängte zugleich immer stärker die "politisch korrekte" Bezeichnung "Freiheitskämpfer" den Ausdruck "Terrorist". Dabei entsprach die neue Terminologie zugleich jener Anerkennung, welche den Befreiungsbewegungen der Dritten Welt seitens eines großen Teils der internationalen Gemeinschaft entgegengebracht wurde(FN23). In diese Phase fällt auch die Gründung der "Palestine Liberation Organization" (PLO), die 1964 unter ägyptischem Einfluss als eine Art loser Dachverband für palästinensische Widerstandsgruppen ins Leben gerufen wurde. Dieser ging es darum, einen unabhängigen arabischen Staat auf dem Boden des ehemaligen britischen Mandatsgebietes Palästina zu errichten und den Staat Israel zu beseitigen. Im Jahre 1974 brachte PLO-Präsident Yassir Arafat in seiner Rede vor der Vollversammlung der UNO zum Ausdruck, was seiner Meinung nach den "Freiheitskämpfer" beziehungsweise "Revolutionär" vom "Terroristen" unterscheide: "Der Unterschied zwischen dem Revolutionär und dem Terroristen ... liegt in dem Grund, warum er kämpft. Denn wer sich für eine gerechte Sache und für die Freiheit und Befreiung seines Landes von Eindringlingen, von Siedlern und Kolonisten einsetzt, kann unmöglich als Terrorist bezeichnet werden ..."(FN24). Was an dieser und ähnlichen Positionen aus Vergangenheit und Gegenwart(FN25) auffällt, ist die ausschließliche Fixierung auf die Frage nach dem "Warum", nach dem Ziel der revolutionären Gewalt. Ausgeklammert bleibt der komplexe Bereich des im weitesten Sinne "Ius in bello" als die Frage nach erlaubten oder verbotenen Mitteln und Methoden politisch motivierter Gewaltanwendung.

Linksextremer Terrorismus im späten 20. Jahrhundert

Im Verlauf der späten 60er und in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts griffen verstärkt ausschließlich ideologischrevolutionär motivierte, linksextremistische Organisationen zu den Mitteln und Methoden des Terrorismus. Auch diese Gruppierungen setzten terroristische Handlungen mit der Absicht, die Aufmerksamkeit (der Weltöffentlichkeit) auf ihre politischen Ziele zu lenken. So versuchten die italienischen "Brigate Rosse" ("Rote Brigaden"), durch Terrorakte (Anschläge, Entführungen, Attentate) die bestehende Gesellschaftsordnung zu zerstören. Anfang der 70er Jahre wollte in Deutschland die "Rote Armee Fraktion"/RAF (so die Selbstbezeichnung der "Baader-Meinhof-Gruppe") einen "Volkskrieg" gegen die bestehende Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland entfesseln. Nach der Verhaftung der führenden RAF-Mitglieder im Jahre 1972 verübten mehrere Nachfolge- und Parallelgruppen weitere Terroranschläge. Dass es Querverbindungen zwischen dem (links-)revolutionären und dem (arabisch-)nationalistischen Terrorismus gab, zeigte nicht zuletzt die Entführung einer Lufthansa-Maschine durch arabische Terroristen im Jahre 1977. Nachdem die Geiseln durch Angehörige der deutschen Spezialeinheit "GSG 9" (im somalischen Mogadischu) befreit worden waren, begingen inhaftierte (mutmaßliche) RAF-Terroristen im Gefängnis Stammheim Selbstmord.

"Religiöser" Terrorismus als neue Bedrohung

Spätestens seit den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts zeigt sich eine neue Generation von Terroristen, die namentlich aus "religiösen" Motiven immer gefährlichere Gewalttaten begeht. Islamische Extremisten, "bibelfeste" Rechtsextremisten(FN26) und "Endzeit"-Sektierer verfolgen irrationale Ziele auf irrationale Weise. Die japanische Sekte "Aum"(FN27) unter der (damaligen) Führung von "Guru" Shoko Asahara - einem Bewunderer Adolf Hitlers - brachte bei ihrem Giftgas-Anschlag 1995 auf die U-Bahn von Tokio mit zwölf Toten und 5.500 Verletzten C-Kampfstoffe als Mittel des Terrorismus zum Einsatz. Die Aum-Sekte huldigte zumindest damals einer "Theologie der Zerstörung", derzufolge aus den Überresten der postapokalyptischen Welt eine "Rasse von Übermenschen" (nämlich die Mitglieder ihrer Bewegung) die Weltherrschaft antreten sollte. Es ist für die Zukunft nicht auszuschließen, dass das Beispiel der Aum-Sekte entsprechende Nachahmer finden wird.(FN28) Die radikal islamistische (schiitische) Organisation "Hisbollah" ("Partei Gottes") wiederum kämpft für die Zerstörung des Staates Israel wie auch für die Errichtung eines islamischen Gottesstaates nach dem Vorbild des Iran.(FN29) Auch die 1987 ins Leben gerufene terroristische Organisation "Hamas" ("Hingabe") will den Staat Israel vernichten und einen islamistischen Staat Palästina gründen.(FN30) Den international operierenden islamistischen Terrororganisationen ist gemeinsam, dass sie ihre Bestimmung darin sehen, "dem großen Satan, nämlich den Vereinigten Staaten, ein entscheidendes Gefecht zu liefern".(FN31)

Überlegungen zu den geistigen Grundlagen und psychischen Ausformungen des Terrorismus

Dem Terrorismus in seinen verschiedenen Erscheinungsformen - wie jeder politischen, sozialen oder religiösen Organisationsform, die mit totalitärem Anspruch auftritt - liegt der (mit physischer wie auch psychischer Gewalt vorgetragene) Kampf gegen die Pluralität zu Grunde. Es erscheint essenziell, einen "Fundamentalismus im Denken" von einem "Fundamentalismus im Handeln" zu unterscheiden. In der permanenten geistigen Auseinandersetzung zwischen kulturell, religiös oder politisch motivierten Wertvorstellungen muss der von seinen Werthaltungen Überzeugte, welcher Andersdenkenden gegenüber Toleranz übt, von jenem unterschieden werden, der seine Werthaltungen mit Gewalt anderen aufzudrängen und in der politischsozialen Lebenswelt zu manifestieren trachtet. Aus diesem Grund haben verschiedene Denker die Unterscheidung von "Fundamentalismus" und "Integralismus" eingeführt bzw. verwenden diese, um auf eben diesen Unterschied im Denken und Handeln hinzuweisen. Im deutschsprachigen Raum ist es v.a. der Philosoph Robert Spaemann, der diese wichtige Unterscheidung hervorhebt. Für ihn verkörpert der Fundamentalismus eine Weltanschauung mit einem festen und hierarchischen Wertsystem, die zwar durchaus mit dialogischer Überzeugungsabsicht, aber grundsätzlicher Toleranz anderen Wertvorstellungen gegenüber auftritt. Der Integralismus hingegen umfasst all jene Weltanschauungen, die mit Hilfe von physischer Gewalt oder psychischem Druck versuchen, ihre Ideologie im Hier und Jetzt durchzusetzen. So zeigt sich, ganz allgemein gesprochen, dass alle kollektivistischtotalitären Systeme als Integralismen zu verstehen sind. Der französische Philosoph André Glucksmann vertritt die Auffassung, dass das, was im 20. Jahrhundert geschah und sich zur Zeit weiter fortsetzt, durch den permanenten Kampf der verschiedenen Formen des Integralismus - als gewaltvolle Manifestation fundamentalistischer Denkungsart - gegen die offene westliche Gesellschaft gekennzeichnet ist: "Das Ziel des Integralismus ist stets die Entwurzelung, er will die westliche Gesellschaft zerstören."(FN32) Glucksmann sieht also einen grundsätzlichen Kampf zwischen den verschiedenen Formen des Integralismus und den demokratischpluralistisch orientierten Gesellschaften des Westens. Konzepte der kollektivistischideologischen Gruppierungen und Parteien bilden demnach den Nährboden sowohl für den geistigen als auch physischen Terrorismus. Die radikale Linke des Westens, um ein Beispiel zu nennen, hat sich namentlich seit 1968 auf einen nivellierenden, marxistischen Dogmatismus eingeschworen, der auf eine Umwertung bestehender Werte abzielt und zugleich einem geistigen Totalitarismus den Weg bereitet. Die wertebeliebige Gesellschaft ist folglich nicht als offene, sondern als zutiefst inhumane Gesellschaft anzusehen, die sich im Grunde an der Macht des Stärkeren orientiert.

Moralphilosophische Reflexionen und ethischrechtliche Implikationen terroristischer Gewaltanwendung

Zweifellos gehört die Rechtfertigung von Prinzipien und Handlungen politischer Gerechtigkeit zu den wohl kontroversiellsten Problemen der politischen Welt. Die Möglichkeit des Konfliktes - politisch gesprochen des Krieges - determiniert gleichzeitig die Problematik des Friedens, die darin besteht, die divergierenden Freiheitsansprüche von Individuen, Interessengruppierungen sozialer, politischer oder religiöser Natur, Staaten, Staatenbündnissen, ja letztendlich ganzer Kulturen und Kulturkreise miteinander auszusöhnen und auf möglichst friedliche Weise zu regeln. Terroristisches Handeln begründet sich ausnahmslos in einem "vorrechtlichen" oder, um mit Kant zu sprechen, "moralrechtlichen" Raum, weshalb nur eine moralphilosophische Reflexion über die vom Terrorismus als gut und (ge-)recht angesehenen Handlungsantriebe und Zielsetzungen die letztendlich entscheidende Frage zu beantworten befähigt: "Kann Terrorismus/terroristische Aktivität moralischethisch gerechtfertigt sein?" Das Instrument des Terrorismus, der Weg, der vom Terrorismus beschritten wird, um seine Ziele zu erreichen, ist derjenige der unbeschränkten Gewaltanwendung - eine direkte physische (auf mittelbare Weise oft auch psychische) Gewalt, der es tendenziell jeglicher selbstauferlegter Eingrenzungen und Limitationen mangelt (vgl. hiezu die Übersicht "Struktur der Gewalt"). Die Frage nach der moralischen Rechtfertigung terroristischen Handelns kann daher im Wesentlichen der Beantwortung der Frage nach dem legitimen Einsatz von Gewalt zur Erreichung oder Durchsetzung politischweltanschaulicher Zielvorstellungen gleichgesetzt werden.

Moral und Gewalt

Der Gewaltbegriff in der physischen Bedeutung von "violentia" ist explizit die Anwendung von physischer Kraft und Stärke auf ein Individuum bzw. auf dessen materiellen Besitz gegen dessen Willen. Zu dieser Form der Gewalt finden sich bereits Überlegungen bei Aristoteles, der Gewalt als eine von außen kommende Wirkung auf ein Opfer ansieht, ohne dass das betroffene Individuum zu dieser Wirkung unmittelbar beiträgt noch sich ihr entziehen kann. Derjenige, der die Gewalteinwirkung zu erleiden hat, kann sich auch nicht für oder gegen dieses Erleiden entscheiden, weshalb eine Gewalthandlung dieser Art eine Handlung verkörpert, die der Neigung und dem Wohlbefinden des Opfers zuwiderläuft.(FN33) Dieser Aspekt kommt beim Terrorismus besonders zum Tragen, da dieser nicht davor zurückschreckt, das Leben und leibliche Wohlergehen unschuldiger Menschen, die mit den Gründen und Ursachen der gegen sie ausgeübten Gewalt zumeist überhaupt nichts zu tun haben, aufs Spiel zu setzen bzw. bewusst zu gefährden.

Abstrakt ausgedrückt ist unter Gewalt das verletzende Eindringen in die Sphäre der Lebensentfaltung eines Individuums oder von Individuen zu verstehen, weshalb leicht erklärlich wird, dass sich die Frage von Recht und Unrecht aus der Sicht des Opfers bestimmt, welches eine einschränkende, schädigende Einwirkung auf seinen Organismus und dessen freie Selbstentfaltung erfährt.(FN34) Dieser direkte Gewaltbegriff schließt also eine eindeutige Beziehung zwischen einem Täter und seinem Opfer ein. Der Täter fügt seinem Opfer direkten Schaden zu, der primär in der physischen Beeinträchtigung der Integrität von dessen Organismus besteht.

Die physische Gewalt kommt mit besonderer Ausprägung in den Erscheinungsformen des bewaffneten Konfliktes, also im Kriege, zum Ausdruck. Ihm am nächsten kommt wohl die Gewaltkriminalität, allerdings ist terroristische Gewalt - nicht allein wegen des Selbstverständnisses von Terroristen, sich im "Krieg" zu befinden, sondern vielmehr wegen des Ausmaßes der Zerstörung - eher der kriegerischen Gewalt zuzuordnen. Ob daher Terrorismus bloß - wie es viele tun - als eine Form von Kriminalität betrachtet oder als kriegsähnliche Form von Gewalt angesehen wird, ist daher für diesen Teil der Analyse als unerheblich anzusehen.

Normativ ausgedrückt tritt Unrecht dann ein, wenn die Lebensentfaltung eines Individuums durch ein anderes beeinträchtigt wird, ohne dass dafür eine äußere Notwendigkeit - also ein moralisch vertretbarer Grund - vorhanden wäre.

In einem möglichen, ethischmoralischen Handlungsrahmen, in dem Gewalt ins Spiel kommt, sind ja vernunftgemäß nur Handlungen denkbar, in denen physische Gewalt entweder gepaart mit (moralischem) Unrecht auf der Seite (moralischen) Rechts oder als Sanktions-(Straf-)gewalt in Verbindung mit (positivem) staatlichem bzw. internationalem Recht auftritt.

Lassen wir den letztgenannten Punkt außer Acht, der für den Terroristen wegen seines außerhalb des Rechts angelegten und sittlich begründeten Handelns ohnehin nicht in Frage kommt, so bleibt nur zu prüfen, ob terroristische Gewaltanwendung moralisch legitim ist bzw. unter welchen Bedingungen und Kriterien sie allenfalls Moralität und moralische Rechtmäßigkeit für sich beanspruchen kann.

Gewalt und (politische) Gerechtigkeit

Um es nochmals zu verdeutlichen: Unrecht tritt dann ein, wenn die Lebensentfaltung eines Individuums oder einer Gruppe von Individuen durch ein anderes bzw. andere ohne moralisch vertretbare Notwendigkeit beeinträchtigt wird. Die Grenze, an der Recht in Unrecht übergeht, markiert genau jene Schnittstelle, an der sich normativ die Position der "Gerechtigkeit" manifestiert. Aus der Sicht rein rationaler Deduktion wird daher der Begriff der (individuellen, sozialen, politischen, innerstaatlichen, zwischenstaatlichen ...) Gerechtigkeit zum normativen Kardinalaspekt der Ethik, zum "unumgänglichen Kriterium für jeden Anspruch, der dem Gedanken der Moralität entsprechen will".(FN35) Die Kategorie der Gerechtigkeit verkörpert damit auch den einzigen Parameter, der sowohl mit den Rechten des Subjekts, der Vorrangstellung des Individuums und dessen Selbstbestimmungsanspruch, aber auch mit dem Leitbegriff der modernen Philosophie und Politik, der Freiheit, in Einklang gebracht werden kann.

Ein Verstoß gegen das moralische Leitprinzip der Gerechtigkeit - also das Begehen von Unrecht - muss daher einer übertriebenen egozentristischen Tendenz, einer übermäßigen Bejahung der eigenen Lebensentfaltung, die die Rechtssphäre eines anderen oder von anderen negiert, somit der Nichtbeachtung des Freiheitsanspruches des anderen, entspringen.

Dieser Darstellung zufolge, in der Recht und Unrecht als zunächst moralische Bestimmungen genommen werden, die sich auf den "Menschen als Menschen" beziehen, eröffnet sich eine kulturinvariante Perspektive, die eine von aller positiven Gesetzgebung und sozialgesellschaftlichen Überbauung unabhängige Zugangsmöglichkeit eröffnet.

Auf dieser abstrakten Ebene lassen sich auch die Menschenrechte leicht bestimmen: Jeder hat das Recht, in seiner Willens-, (Leibes-, Lebens-) Bejahung nicht eingeschränkt zu werden; niemand hat das Recht, andere in ihrer Lebensbejahung zu behindern. Der Gedanke der Gerechtigkeit als der Schnittstelle zwischen Recht und Unrecht findet seine reinste Ausformung in der (moralischen) Rechtsdefinition von Immanuel Kant: "Das Recht ist also der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit zusammen vereinigt werden kann." (Kant, Metaphysik der Sitten [230].) Diese moralphilosophische Festschreibung des ethischen Kardinalmaßstabes definiert auch gleichzeitig jene Grenze, bis zu welcher ein Individuum (eine Gemeinschaft, eine Sozietät, ein Staat) seine Freiheit und Lebensgestaltung vorantreiben kann, ohne diejenige eines anderen (der anderen) zu verneinen. Damit werden gleichzeitig jene Handlungen festgelegt, die in Überschreitung dieser Grenze als unrechtmäßig (moralrechtlich illegitim) einzustufen wären und daher auch - ohne (moralisches) Unrecht zu begehen - abgewehrt und zurückgewiesen werden dürfen.

Da der Mensch in nahezu allem, was er tut, in einem sozialen, gesellschaftlichen oder politischen Beziehungsrahmen steht, hat jede ethisch relevante Einzelentscheidung mit einem äußerlichen Ergebnis zu tun und steht in einem interaktiven Zusammenhang, der unausweichlich mit dem Wohl oder Wehe von Mitmenschen oder der Gemeinschaft im engeren oder weiteren Sinne zu tun hat. Obgleich das Resultat einer Handlung - im Falle einer Unrechtshandlung das Erleiden von Unrecht - von Bedeutung ist, so steht doch im primären Blickpunkt der moralischethischen Bestimmung von Recht und Gerechtigkeit der innere Gesinnungsgehalt einer Handlung, also die Intention bzw. Motivation, die zur Handlung veranlasst.

Es ist auf dieser Ebene hoher Abstraktion leicht einzusehen, dass eine Gewalthandlung moralisch nur dann legitimiert werden kann, wenn sie reaktiv, also zur Abwehr einer Unrechtshandlung im Sinne der oben beschriebenen Beeinträchtigung der autonomen Lebensgestaltung erfolgt. Dass die Abwehr einer solchen Handlung - im Gegensatz zu dieser Handlung selbst - moralische Legitimität für sich beanspruchen kann, gibt uns eine einfache Vernunftüberlegung a priori an die Hand. Dieses Vernunftgesetz lautet: "Causa causae est causa effectus"(FN36). Das Prinzip besagt, dass alles, was der dem Unrecht Ausgesetzte notwendigerweise unternimmt, um den Unrechtsakt abzuwehren, der diesen Unrechtsakt Ausübende sich selbst zuzuschreiben hat.

In exakt diesem moralphilosophischen Beziehungsmuster zwischen Unrecht und legitimer Zurückweisung dieses Unrechts bewegt sich nun der Terrorismus, der üblicherweise den Einsatz von Gewalt damit legitimiert, dass er diesen als unumgängliche Notwendigkeit zur Veränderung von ihm empfundener Unrechtsverhältnisse ausgibt.(FN37) Wie bereits gezeigt wurde, ist ein Verhalten, welches durch einen Angreifer provoziert in Reaktion auf diesen Angriff im Dienste des eigenen Schutzes erfolgt, legitim, da es ja ohne diesen Angriff unterbleiben würde. Die Verteidigung oder Abwehr muss daher wohl eine andere moralische Qualität aufweisen als der Angriff, aus dem heraus sie ja erst erfolgt. Ein wesentliches Merkmal legitimer physischer Gewaltanwendung scheint also im Faktor der "Unvermeidbarkeit" bzw. "Unausweichlichkeit" zu bestehen. In diesem Kontext der Unvermeidbarkeit besteht naturgemäß die Gefahr, dass der zur Abwehr erforderliche Gewalteinsatz übertrieben wird, weshalb die moralische Legitimität des Gewalteinsatzes nur in engstem Zusammenhang mit einem weiteren Prinzip, dem der "Angemessenheit der Mittel", gesehen werden kann.

Abgesehen vom Faktor einer direkten und mehr oder weniger unmittelbaren Täter-Opfer-Beziehung steht der Grundsatz eines angemessenen, zur Zielerreichung der Wiederherstellung gerechter Zustände adäquaten Mitteleinsatzes im Vordergrund der moralischethischen Legitimierung von Gewalthandlungen.

Die ethische Illegitimierbarkeit terroristischer Gewalt

Nicht nur missachtet der Terrorist die für moralisch legitimierbaren Gewalteinsatz unerlässlichen Prinzipien von Täter-Opfer-Relation, Unausweichlichkeit und Angemessenheit der Mittel, er handelt überdies auf Grund eines kausalen Rechtfertigungsmusters von Anlass und Motiv, das ausnahmslos ethisch illegitim und daher moralisch in keinem Fall rechtfertigbar ist. Zur schlussendlichen Klärung der Frage, ab wann gegen vermeintliches oder tatsächliches Unrecht Gewalt eingesetzt werden darf - und warum terroristische Gewalt moralisches Unrecht verkörpert -, scheint es unerlässlich, die Sphäre des Unrechts einer weiterführenden analytischen Betrachtung zu unterwerfen. Bei handlungsrelevanten Entscheidungen ethischer Natur befindet sich der Mensch stets in einer Dilemmasituation, die darin besteht, einen Interessenkonflikt im Sinne einer nach moralischen Prinzipien erfolgenden Interessenabwägung zu lösen. In Bezug auf die Frage nach einer Bestimmung der Rangordnung, der Kriterien für eine Prioritätenreihung zwischen Gütern und Werten, weist F. Böckle(FN38) auf eine beachtenswerte Unterscheidung hin, indem er vom Prinzip der "Fundamentalität" das Prinzip der "Dignität" unterscheidet. Das Prinzip der Fundamentalität gibt demjenigen Gut den Vorzug, welches die notwendige Voraussetzung für die Verwirklichung eines anderen ist. Das Prinzip der Dignität wiederum ordnet die Werte nach ihrer jeweiligen Sinnfülle und bringt dadurch das Fundamentalgut in einen moralisch ethischen Sinnkontext. Diese Überlegungen zu einer "Fundamentalmoral" werden nun von Wolfgang Kersting in die politische Philosophie der internationalen Beziehungen, in deren Kontext sich Terrorismus bewegt, gebracht.

Kersting führt die sehr sinnvolle Unterscheidung zwischen programmatischen und transzendentalen Rechten Freiheitsansprüchen) ein. Transzendentalrechte - ganz im Sinne der Kantischen Bestimmung von transzendental als "Bedingung der Möglichkeit von Erfahrung überhaupt" - sind die unmittelbaren Menschenrechte wie das Recht auf Leben und physische Integrität als Ansprüche, welche die Bedingung der Möglichkeit sind, andere Rechte und Freiheiten überhaupt in Anspruch nehmen zu können. Neben diesen transzendentalen Primärrechten stehen daher die programmatischen Rechte als gleichsam sekundäre Rechte wie etwa politische Selbstbestimmung, demokratische Lebensumstände, gerechte Güterverteilung etc.(FN39) Genau diese normativen Prinzipien einer Ethik sind es aber, worauf der Terrorismus keine Rücksicht nimmt bzw. gegen welche er absichtlich oder unabsichtlich, bewusst oder unbewusst, verstößt. Er scheut nicht davor zurück, Sekundärrechte wie beispielsweise das Recht auf politische Selbstbestimmung oder die Implementierung einer gewünschten politischen Sozialordnung absolut zu setzen und diese unter Missachtung der primären (transzendentalen) Rechte durchzusetzen. Er stellt damit nicht nur das logische Prinzip des Vorranges der fundamentalen Transzendentalrechte auf den Kopf, indem er akzidentielle Rechts- und Freiheitsansprüche vorreiht, sondern er verneint auch jenen auf gezielte Weise das Fundamentalrecht auf Leben, die im Kontext der Gewalthandlung weder als physische Ursache noch als Motiv eine Rolle spielen. Es ist aber als Aussage allerhöchster moralischer Qualität anzusehen, der es im Sinne der hier vorgestellten ethischen Prinzipien nichts hinzuzufügen gibt, was der Generalsekretär der Vereinten Nationen zum Ausdruck brachte: "No just cause can be advanced by terrorism." Offensive staatliche Gewaltanwendungen zur Erreichung politisch weltanschaulicher Zielvorstellungen, revolutionärer Fanatismus oder die Rechtfertigung des Krieges zur Durchsetzung und Verbreitung religiöser Glaubenslehren im Sinne eines sittlichen Auftrages zum "Heiligen Krieg" können vor einer höheren normativen Philosophie der Moral niemals gerechtfertigt werden.(FN40) Letztendlich lassen sich diese nur unter Zuhilfenahme von Dogmatismen rechtfertigen, die vor einer von klarer Vernunft geprägten und auf einem adäquaten, humanistischen Menschenbild beruhenden Ethik niemals bestehen können. Die terroristische Aktivität verletzt alle essenziellen Normen ethischen Denkens und Handelns und kann mit Fug und Recht geradezu als Idealtypus der "Manifestation moralischen Unrechts" im Politisch-Sozialen angesehen werden.

Universalmoral in Weltreligionen und Völkerrecht

Religionswissenschafter gelangen zur Ansicht, dass die ethischen Lehren aller großen Religionen in ihren wesentlichen Punkten übereinstimmen. "Sie verbieten alle, wie der mosaische Dekalog, zu töten, zu lügen, zu stehlen und die Ehe zu brechen. Denn diese vier Vorschriften sind die Voraussetzungen eines geordneten sozialen Lebens"(FN41). Es ist ein Kennzeichen der Ethik aller Hochreligionen, dass sie moralische Forderungen mit religiösen Glaubenslehren und rituellen Vorschriften verbindet. Kant sah in den moralischen Forderungen die wichtigste von diesen drei Komponenten und führte alle Religionen auf die Moral als ihr wahres Fundament zurück: "Die Hauptsache ist immer die Moralität; dieses ist das Heilige und Unverletzliche, was wir beschützen müssen ... und wenn die Begriffe von Gott und von der Welt nicht mit Moralität zusammenhingen, so wären sie nichts nütze"(FN42). Auf dem Gebiet der Humanität - besonders in ihrer konkreten Ausprägung als humanitäres Völkerrecht und Menschenrechtskodex - zeigen sich fundamentale Gemeinsamkeiten, zumindest zwischen den drei monotheistischen Religionen. In der Frage der Menschenrechte, um diese Problematik anzureißen, gibt es (zumindest auf dem Papier) einen überraschenden Konsens. Am 15.9.1994 wurde z.B. durch eine Resolution des Rates der Arabischen Liga die Arabische Charta der Menschenrechte angenommen. Dieser - allerdings noch nicht in Kraft getretene - Normenkatalog enthält im Wesentlichen alle Grundrechte, wie sie etwa auch in der UNO-Charta oder in der Menschenrechtskonvention des Europarates zu finden sind. Darunter fallen das Diskriminierungsverbot, das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit, das Folterverbot, den Schutz vor Freiheitsentzug, das Recht auf Glaubens- und Meinungsfreiheit sowie auf Religionsfreiheit etc. Die Arabische Charta der Menschenrechte zeigt somit die grundsätzliche Bereitschaft der arabischen Welt, all jene Grundfreiheiten und Werte als Basis des gemeinschaftlichen Zusammenlebens zu akzeptieren, die sich namentlich seit der Aufklärung im 18. Jahrhundert im westeuropäischen Raum herauskristallisiert haben. Diese formalrechtliche Übereinstimmung kann freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass die diesen Rechtsübereinkünften zu Grunde liegende christlichabendländische Ethik mit ihrem spezifischen Menschenbild und Menschenrechtsverständnis in der sozialen und politischen Praxis der islamischen Welt ihrer Verwirklichung harrt.

Ausblick

Es deutet alles darauf hin, dass der Terrorismus sowie dessen Bekämpfung unter den Sicherheitsdimensionen des angebrochenen neuen Jahrhunderts eine vorrangige Rolle spielen wird. Eine besondere Herausforderung wird für den demokratischen Rechtsstaat darin bestehen, das Inhumane wirksam zu bekämpfen, ohne die humanistischen Prinzipien seiner eigenen sozialen Ordnung preiszugeben. Die über Jahrhunderte (und oftmals unter größten Opfern) entfaltete Leitidee westlichen philosophischen wie politischen Denkens, der individuale Person-Begriff und die auf ihm beruhende Menschenrechtsidee dürfen nicht in einer von diversen Verschwörungsideologen ausgelösten Hysterie aufgegeben werden. Allerdings muss dieses Postulat gleichrangig neben der Forderung nach einem durchschlagskräftigen Kampf gegen den internationalen Terrorismus stehen.

Dabei wird es nicht ohne Einigkeit im Denken und Handeln der internationalen Gemeinschaft abgehen. Im Zentrum der wirksamen Terrorismusbekämpfung wird die Überwindung des interkulturellen Werterelativismus in grundsätzlichen Fragen zu stehen haben, ohne dabei die intrakulturelle Vielfalt und Eigenständigkeit zu zerstören. Letztendlich ist ein solcher Werterelativismus nicht nur intellektuell und moralisch unhaltbar, sondern auch politisch in einem Ausmaß problematisch, dass es für die Menschheit untragbar, wenn nicht unmöglich sein wird, mit seinen Konsequenzen auf Dauer zu existieren.

Der wesentliche Ansatz für die Überwindung dieses "ethischen Relativismus" wird wohl in jenem fundamentalen Wertekonsens zu finden sein, der von den Leitwerten der europäischabendländischen Kultur ausgeht. Dieser Prozess könnte in einen moralischen, supranationalen (suprakulturellen, suprareligiösen) "Sozialvertrag" münden, der gewissermaßen ein international akzeptiertes Minimalinstrumentarium für ethische Orientierung darstellen würde. In dieser Hinsicht wird eine globale ethische Grundnorm vor allem die moralischen Kriterien für den Einsatz staatlicher und nichtstaatlicher Gewaltpotenziale festzuschreiben haben. Es ließe sich daher durchaus festhalten, dass eine "Globalisierung" der wesentlichen ethischen Normen - die für die Menschheit als Ganzes über alle Grenzen und Schranken von Kultur, Politik und Religion hinweg Geltung haben -unerlässlich scheint.

ANMERKUNGEN:

Fußnote 1/FN1) Der vorliegende Artikel ist eine Kurzfassung der im Rahmen der Schriftenreihe der Landesverteidigungsakademie erschienenen Publikation: Mader, Hubert M./Micewski, Edwin R./Wieser, Andreas B.: Terror und Terrorismus. Grundsätzliches, Geschichtliches, Reflexionen und Perspektiven. Wien 2001.

2) Zit. nach Hoffman, Bruce: Terrorismus - der unerklärte Krieg. Neue Gefahren politischer Gewalt. Frankfurt am Main 1999, S.16.

3) Zit. nach Vossenkuhl, Wilhelm: Herrschaft. In: Lexikon der Ethik. Hrsg. v. Höffe, Otfried. München 1992, S.95.

4) Hacker, a.a.O., S.27.

5) Bertelsmann Discovery 2000. Bertelsmann Electronic Publishing im Bertelsmann Lexikon Verlag GmbH. Gütersloh; München 1999.

6) Ebenda.

7) Ebenda.

8) Bezeichnend der Titel eines Handbuches für IRA-Freiwillige: Handbook for Volunteers of the Irish Republican Army. Notes on Guerilla Warfare. Boulder/Colorado 1985. In dieser Publikation werden die wesentlichen Elemente des Kleinkrieges zusammengefasst.

9) Hacker 1973, S.26.

10) I. Kant, Zum ewigen Frieden, Anhang II. S.49.

11) Hoffman, a.a.O., S.33.

12) Ebenda, S.33.

13) Laqueur, Walter: Die globale Bedrohung. Neue Gefahren des Terrorismus. München 2001, S.338.

14) Als Diskussionsgrundlage siehe z.B.: Enzensberger, Hans Magnus: Aussichten auf den Bürgerkrieg. Frankfurt a. M., 1996.

15) Laqueur, a.a.O., S.17.

16) Zit. nach Hoffman, a.a.O., S.19.

17) Laqueur, a.a.O., S.21.

18) Hoffman, a.a.O., S.19. Das Prinzip, bei den Anschlägen nur gegen "Schuldige" vorzugehen, wurde auch noch von Terroristen des frühen 20. Jahrhunderts hochgehalten. Dies zeigt beispielsweise der gescheiterte Attentatsversuch gegen den russischen Großfürsten Sergej Alexandrowitsch durch eine Nachfolgeorganisation der Narodnaja Wolja im Jahre 1905. Als der mit der Durchführung des Attentats beauftragte Terrorist bemerkte, dass sich neben dem Großfürsten auch dessen Kinder in der Kutsche aufhielten, brach er das Vorhaben ab, um nicht zu riskieren, "den Familienangehörigen des ausgewählten Opfers Schaden zuzufügen". Ebenda, S.20.

19) Ein Historiker charakterisierte einmal diese Splittergruppe folgendermaßen: Sie verbindet "die besonders abstoßenden Züge anarchistischer Zellen früherer Jahre - die für eine ganze Reihe von Attentaten in Europa verantwortlich gewesen sind und deren Methoden durch die Schriften russischer Anarchisten eine Menge Einfluss auf die serbische Jugend hatten - mit denen des (amerikanischen) Ku-Klux-Klan. Es gab blutrünstige Rituale und Treueide, und es gab auch Morde an abtrünnig gewordenen Mitgliedern. Die Mitglieder wurden durch eine Erkennungsnummer identifiziert, es wurden Gewehre und Bomben unter ihnen verteilt, und es gab einen stetigen Verkehr zwischen Bosnien und Serbien." Zit. nach Hoffman, a.a.O., S.25.

20) Ebenda, S.26.

21) Seit 1967 kam es in Nordirland zu bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen, wobei die bewaffnete Konfrontation mit London schließlich zu einer Spaltung innerhalb der IRA führte. Während die marxistischen "Officials" eine politische Lösung der nordirischen Frage anstrebten, setzten die nationalistischen "Provisionals" weiterhin auf Terrorismus. Nachdem sich 1993 Sinn Féin und gemäßigte nordirische Katholiken sowie Großbritannien und Irland auf einen Friedensprozess für Nordirland geeinigt hatten, erklärte auch die IRA im August 1994 einen Waffenstillstand. Dessen ungeachtet kam es bereits 1996 wieder zu neuen Terroranschlägen. Auch nachdem es 1998 zu einem Abkommen (gefolgt von Wahlen) zwischen London und Sinn Féin gekommen war, blieb der Terrorismus seitens IRA-Extremisten eine virulente Bedrohung.

22) Der Name dürfte eine Entlehnung aus dem Roman "Der Werwolf" von Hermann Löns (1910) gewesen sein, der den (Partisanen-)Kampf niedersächsischer Bauern gegen die Soldateska des Dreißigjährigen Krieges schildert.

23) Eine Geisteshaltung, die nicht zuletzt 1977 auch im humanitären Völkerrecht ihren Niederschlag im Rahmen des ersten Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen des Jahres 1949 finden sollte.

24) Zit. nach Hoffman, a.a.O., S.30f.

25) Vgl. dazu die Definition von "Terrorismus" durch den Führer des Islamischen Dschihad in Gaza, Abdalla Allshemi, in einem Interview für die Zeitschrift profil: "Terror ist die Gewalt gegen Zivilisten, ohne dafür eine Rechtfertigung zu haben. Wir aber haben eine Rechtfertigung ..." - Zit. nach profil 44 (29.10.2001), S.139.

26) Dazu der ehemalige israelische Ministerpräsident Netanyahu: "Besonders auffällig unter den national operierenden Gruppen sind die außer Kontrolle geratenen amerikanischen Milizen der ‚Patrioten-Bewegung‘, deren erklärtes Ziel es ist, mit einer ‚satanischen Bundesregierung‘ den ‚Endkampf‘ auszutragen." - Netanyahu, Benjamin: Der neue Terror. Wie die demokratischen Staaten den Terrorismus bekämpfen können. München 1996, S.12.

27) Der Name "Aum" (sprich: Om) bedeutet ein Hindu-Mantra.

28) Laqueur, a.a.O., S.304.

29) Jordan, Bernd; Lenz, Alexander (Hrsg.): Weltpolitik im 20. Jahrhundert. Lexikon der Ereignisse und Begriffe. Reinbek bei Hamburg 1996, S.184.

30) Ebenda, S.182.

31) Netanyahu, a.a.O., S.12.

32) Glucksmann, Andrè, in: Bayer, Karl Ludwig: Wer Freiheit und Leistung sichern will, muss die Ungleichheit der Menschen bejahen. Internet-Dokument: www.epoche/139/home.htm.

33) Aristoteles, Nikomachische Ethik, 1109b-1110b 34) Micewski 1998, S.104ff.

35) Micewski 1998, S.103.

36) Die Ursache einer Ursache ist auch die Ursache von deren Wirkung 37) Aus diesem moralphilosophischen Kontext klammern sich nur jene terroristischen Kräfte von vornherein aus, die von einer Motivation völlig isolierter Zerstörung um der Zerstörung willen bzw. von Endzeitvisionen eines totalen Untergangs der Menschheit getrieben werden. Da ihre Handlungsantriebe einem Willen entspringen, der außerhalb des humanistischen Rahmens moralischen Denkens angesiedelt ist und sich sozusagen "jenseits von Gut und Böse" begeben hat, kann ihre Vorgehensweise niemals ethisch legitimiert werden und ist daher für die weiteren Betrachtungen an dieser Stelle von keiner weiteren Relevanz.

38) Böckle, Franz: Fundamentalmoral, München 1978.

39) Kersting, Wolfgang: Einleitung: Probleme der politischen Philosophie der internationalen Beziehungen, in: Christine Chwaszcza/Wolfgang Kersting (Hrsg.), Politische Philosophie der internationalen Beziehungen, Frankfurt a.M. 1998, S.36ff.

40) A.a.O., S.165.

41) Von Glasenapp, Helmuth: Glaube und Ritus der Hochreligionen in vergleichender Übersicht, Frankfurt a. M.; Hamburg 1960, S.120.

42) Zit. nach Glasenapp, a.a.O., S.121.

Dr. Hubert M. Mader

Geb. 1955; Studium der Wirtschafts- und Sozialgeschichte/Österreichische Geschichte, seit 1991 an der Landesverteidigungsakademie, seit 1993 am Institut für Militärsoziologie und Militärpädagogik; Forschungsschwerpunkte Soldatenethos, Humanitäres Völkerrecht und Menschenrechte; Mitarbeiter der Evangelischen Seelsorge; zahlreiche Publikationen zu diversen kulturwissenschaftlichen Themenstellungen.

Mag. Dr. Edwin R. Micewski

Geb. 1953; Oberst des höheren militärfachlichen Dienstes; Studium der Philosophie und Politikwissenschaften; seit 1993 Forscher und Lehroffizier an der Landesverteidigungsakademie, Leiter des Fachbereiches Streitkräfte und Gesellschaft; seit Februar 2001 Leiter des Instituts für Militärsoziologie und Militärpädagogik; besondere Forschungs- und Lehrschwergewichte im Bereich Sozialphilosophie, Militärische Ethik und Civil-Military Relations; zahlreiche Publikationen zu kulturwissenschaftlichen Themenstellungen in Deutsch und Englisch; internationale Kooperationen und Programme zur politischmilitärischen Zusammenarbeit; Assistenzprofessor im Departement of National Security Affairs der Naval Postgradual School, Monterey, Kalifornien; Lektor an den Universitäten Wien und Linz.

Mag. Andreas B. Wieser

Geb. 1967; Major des höheren militärtechnischen Dienstes; Studium der Philosophie, Rechtswissenschaften und Afrikanistik; seit 1995 an der Landesverteidigungsakademie im Institut für Militärsoziologie und Militärpädagogik; Forschungsschwergewichte im Bereich Christliche Philosophie, Postmoderne und Werteforschung sowie Wissenschafts- und Erkenntnistheorie.



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