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Innere Sicherheit als Aspekt des erweiterten Sicherheitsbegriffes

Ein neues Aufgabenfeld für Streitkräfte?

Von Jan-Phillipp Weisswange

Für die Sicherheitspolitik "ist von entscheidender Bedeutung, dass sie Risiken frühzeitig als solche erkennt und ihr Ausmaß und ihre weitere Entwicklung treffsicher beurteilt. Dies schafft die Voraussetzung für eine umfassende Vorsorge und die zeitgerechte Einleitung von Maßnahmen zu ihrer Beherrschung."(Fußnote 1/FN1) Auch mehr als zehn Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges befindet sich die Welt noch immer in einem sicherheitspolitischen Umorientierungsprozess von revolutionären Ausmaßen. Nach 40 Jahren von Bipolarität und militärbündnispolitischer Vorrangigkeit geprägtem Kalten Krieg ist das herausragende Merkmal der "postcoldwarera" die globale Instabilität. Während die wissenschaftliche Diskussion diesbezüglich schon sehr früh einsetzte, erfolgte wirklicher politischer Wandel in einigen Staaten nur langsam und zögerlich.(FN2) Vor dem Hintergrund der verheerenden Terroranschläge gegen die USA am 11. September 2001 gilt es nun, einem eher vernachlässigten Aspekt der sicherheitspolitischen Risikoanalyse Bedeutung zu schenken: der globalen Bedrohung durch den internationalen Terrorismus durch "nichtstaatliche Schurken" (Non-Governmental Knaves/NGKs)(FN3). In diesem Zusammenhang befasst sich der vorliegende Artikel mit einem Thema, das immer wieder zu kontroversen Diskussionen geführt hat: dem Einsatz von Streitkräften zur Wahrung der inneren Sicherheit.(FN4) Zwar ist die Bedrohung durch die weltweit operierende organisierte Kriminalität oder Terrorismus auch in der deutschen sicherheitspolitischen Diskussion nicht neu, aber erst der 11. September 2001 zeigte, dass international agierende Terroristen verdeckte Operationen bis dahin unvergleichlichen Ausmaßes ins eigene, sichere Hinterland tragen können. Klar ist: Innere und äußere Sicherheit lassen sich in der "postcoldwarera" immer weniger scharf voneinander trennen. Daher muss bezüglich der Umstrukturierung von Streitkräften besonders diesem Aspekt vermehrt Bedeutung zukommen.

Der vorliegende Artikel will am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Bundeswehr die damit verbundenen Problematiken erörtern und Lösungsansätze erarbeiten. In einem ersten Abschnitt wird die Bedeutung der inneren Sicherheit als Aspekt des erweiterten Sicherheitsbegriffs erläutert. Daran schließen sich Überlegungen an, inwieweit Streitkräfte bereits zur Wahrung der inneren Sicherheit beitragen. Es folgt dann eine Betrachtung der rechtlichen Grundlagen bezüglich eines Einsatzes der Bundeswehr im Inneren. Hieran schließen sich Überlegungen zur Akzeptanz solcher Einsätze bei der Bevölkerung an. Schließlich werden Vorschläge für die Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte hinsichtlich der Umstrukturierung der Bundeswehr unterbreitet.

Innere Sicherheit als Aspekt des erweiterten Sicherheitsbegriffes

Äußere und innere Sicherheit

Im Gegensatz zur äußeren Sicherheit, die sich "aus der Abwesenheit von (bzw. aus der Vorsorge gegen) Eingriffe(n) von außen (definiert)"(FN5), bezieht sich die innere Sicherheit "auf Gefahren, die von innen auf eine Gesellschaft oder einen Staat einwirken".(FN6) "Innere Sicherheit" gilt als "ein mehrdeutiger Begriff für Prozesse, Institutionen und Maßnahmen in der Innenpolitik, die dem Anspruch und/oder der Funktion nach hauptsächlich darauf gerichtet sind, Schutz, Gefahrlosigkeit, Verlässlichkeit und Abwehr von Gefahren für Individuen, aber auch für politische, soziale und wirtschaftliche Ordnungen sicherzustellen".(FN7) Das Verständnis von innerer Sicherheit wird durch die sicherheitspolitische Lage, durch die politische Kultur, die politischen Vorstellungen der jeweiligen Regierung und das Selbstverständnis der mit ihrer Gewährleistung beauftragten Staatsorgane geprägt(FN8). So definiert das deutsche "Polizei-Lexikon" die innere Sicherheit beispielsweise als "Beschreibung des Idealzustandes einer vollkommenen Verwirklichung des Rechtsstaates, in dem die Bevölkerung keinen kriminellen Beeinträchtigungen, schweren Unfällen und Katastrophen ausgesetzt ist. Da dieser Idealzustand in keiner Gesellschaftsform tatsächlich erreichbar ist, stellt I. S. (Innere Sicherheit, Anm. d. Verf.) eine Zielbeschreibung dar, mit Mitteln der Prävention wie der Repression ein Höchstmaß an I. S. zu erreichen."(FN9) Seit dem Zusammenbruch der bipolaren Weltordnung und den blutigen Konflikten auf dem Balkan traten die Zusammenhänge zwischen innerer und äußerer Sicherheit in vielschichtiger Weise zu Tage. In den politischen Diskussionen der "postcoldwarera" werden "nationale Sicherheit" und "nationale Verteidigung" voneinander getrennt. An die Stelle des in erster Linie als Militär- und Bündnispolitik ausgeprägten Verständnisses von Sicherheitspolitik tritt ein erweiterter Sicherheitsbegriff, der politische, ökonomische, ökologische, soziale, humanitäre, technologische und militärische Dimensionen umfasst(FN10). So heißt es beispielsweise im 1994 erschienenen Weißbuch zur Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und zur Lage und Zukunft der Bundeswehr: "In einer interdependenten Welt sind alle Staaten verwundbar - unterentwickelte Länder auf Grund ihrer Schwäche und hochentwickelte Industriestaaten auf Grund ihrer politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Strukturen. Zwischen innerer Stabilität in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft und der Stabilität im internationalen Rahmen besteht ein unauflöslicher Zusammenhang. Die Destabilisierung des internationalen Umfelds kann auch für Deutschland ein Sicherheitsrisiko werden."(FN11) Aus dieser Erkenntnis wird die Fähigkeit zum Stabilitätstransfer als wirksamste Maßnahme zur Sicherung der eigenen sicherheitspolitischen Interessen gesehen. Der Stabilitätstransfer erfolgt in erster Linie bereits vor dem Entstehen oder zumindest der Eskalation von Krisen, um deren Intensität möglichst gering zu halten. Diese "Krisenprävention" wird hauptsächlich rein politisch betrieben, z.B. durch Entwicklungspolitik und wirtschaftliche Hilfe. Militärisch erfolgt der Stabilitätstransfer zunächst durch eine aktive Bündnispolitik, besonders im unmittelbaren Umfeld des eigenen Territoriums. Die Bundesrepublik Deutschland beispielsweise setzte diesbezüglich auf die Einbindung fast ihrer gesamten Streitkräfte in multinationale Streitkräftestrukturen(FN12), um nur noch von Freunden und Partnern umgeben zu sein.

Ist ein präventiver nichtmilitärischer oder ein bündnispolitischer Stabilitätstransfer nicht möglich oder fruchtlos, müssen Krisen eingedämmt oder beendet werden. Das auch in der Bundeswehr umgesetzte strategische Konzept der NATO von 1991 sieht zu diesem Zweck "Krisenreaktionskräfte" (KRK) als militärisches Mittel vor. Dabei handelt es sich um Streitkräftepotenziale, die im gesamten Einsatzspektrum bis hin zur Landes- und Bündnisverteidigung eingesetzt werden können. Wahrscheinlichstes Einsatzszenario sind jedoch Aufträge im so genannten "erweiterten", also "nichttraditionellen" Aufgabenbereich, beispielsweise Peacekeeping-Einsätze. Im derzeit unwahrscheinlichen Fall der Abwehr eines groß angelegten Angriffs werden die Krisenreaktionskräfte durch aufwuchsfähige Hauptverteidigungskräfte (HVK) verstärkt. Eine Militärische Grundorganisation (MGO) stellt überdies die Funktionsfähigkeit der Streitkräfte sicher.(FN13) Streitkräfte tragen hauptsächlich durch gelebte Bündnispolitik und Krisenmanagement zur Stabilisierung des Umfeldes und damit zur Sicherheit ihres Staates insgesamt bei. Ein stabiles sicherheitspolitisches Umfeld hat aber unbestritten positive Auswirkungen auf die innere Sicherheit des eigenen Staatsgebietes.

Streitkräfte und innere Sicherheit in der Ära der "Low Intensity Conflicts"

In der letzten Dekade sind die "Low Intensity Conflicts (LICs)" oder "Low Intensity Wars (LIWs)" zu einer völlig neuen sicherheitspolitischen Bedeutung gelangt. Der israelische Militärhistoriker Martin van Creveld beschreibt die Hauptmerkmale dieser Konflikte folgendermaßen: "Als erstes brechen sie tendenziell in ‚weniger entwickelten‘ Teilen der Welt aus; die kleinen bewaffneten Konflikte, die sich in ‚entwickelten‘ Ländern abspielen, werden in der Regel unter einer ganzen Reihe anderer Namen geführt, z.B. als ‚Terrorismus‘, als ‚Polizeiarbeit‘ oder im Falle Nordirlands als ‚Unruhen‘. Zweitens sind in den wenigsten Fällen auf beiden Seiten reguläre Streitkräfte daran beteiligt, allerdings kämpfen häufig reguläre Truppen auf der einen Seite gegen Guerillas; Terroristen und sogar Zivilisten, auch Frauen und Kinder, auf der anderen. Drittens werden in den LICs nicht in erster Linie die hochentwickelten Kollektivwaffen eingesetzt, die der ganze Stolz jeder modernen Streitkraft sind."(FN14) Folgt man dieser Interpretation, ist der direkte Einsatz von Streitkräften zum Schutze der inneren Sicherheit also nicht wirklich neu(FN15). Streitkräfte können auf dreierlei Art durch LICs mit den Problemen von innerer Sicherheit konfrontiert sein: einerseits im Rahmen der Kriseneindämmung im Einsatzgebiet, andererseits durch die Auswirkungen dieser Krisen in der Heimat und schließlich - als "worstcasescenario" - durch das Ausbrechen von LICs auf eigenem Territorium.

LICs und Kriseneindämmung vor Ort: Nach dem Ende des Kalten Krieges sind Streitkräfte der westlichen Bündnisse weniger direkt als Konfliktpartei an LICs beteiligt, sondern eher mit deren Eindämmung beauftragt. Man kann diese Friedenssicherungseinsätze in ihrer Gesamtheit bereits als Polizeieinsätze ansehen, so wie dies Johannes Gross getan hat: "Das Ziel des Militärs ist Kampf und Sieg, das der Polizei Ruhe und Ordnung, Armeen können nur operieren gegen einen Feind (der muss kein Verbrecher sein). Die Polizei hat keinen Feind, nur den Gesetzesbrecher, der stillgelegt werden muss. Für Tyrannen wird jeder Konflikt zum Krieg, innen wie außen; den Unterschied von Polizei und Armee heben sie auf. Moralisch aufgepumpte Demokratien führen Strafaktionen statt Kriege und setzen ihre Armeen als Polizisten ein."(FN16) Für die Thematik dieses Artikels sind aber natürlich die realen Auswirkungen solcher Konflikte im Einsatzgebiet entscheidender. Instabilität, unklare politische Machtverhältnisse, unklare Rechtsverhältnisse, ethnische Spannungen, Banden- und Clanwirtschaft, persönliche Racheakte, Flüchtlingsströme, Massenmigrationen, Waffen- und Menschenschmuggel sowie Kriminalität aller Art sind nur wenige Beispiele, die sich negativ auf die innere Sicherheit eines Einsatzlandes auswirken.(FN17) Vor Ort wird diesen Risiken beispielsweise durch wirtschaftliche Hilfe, zivilmilitärische Zusammenarbeit, Wiederaufbaumaßnahmen bis hin zur Einrichtung von Defacto-Protektoraten (wenn ein ganzes System in Anarchie versunken ist und Hilfe anders nicht möglich ist) begegnet. Immer häufiger sind Streitkräfte also herausgefordert, "innere Sicherheit" im Einsatzgebiet herzustellen - zumindest so lange, bis zivile Organisationen diese Aufgaben übernehmen können und eine wirkungsvolle Aufbauhilfe entwickelt ist. Das Kosovo ist hierfür ein jüngeres Beispiel, hier übernahmen NATO-Einheiten nicht nur ihre eigentlichen Aufträge, sondern fungierten auch als Polizeigewalt, organisierten sogar Feuerwehr und Müllabfuhr.(FN18) LICs und die Auswirkungen in der Heimat: Wie bereits angesprochen, können sich nach dem Zusammenbruch der bipolaren Weltordnung auch räumlich weit entfernte Konflikte auf die Sicherheit des eigenen Staatsgebietes auswirken. Markanteste Beispiele sind Massenmigrationen und Flüchtlingsbewegungen. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, werden auch Streitkräfte eingesetzt, wie es beispielsweise am Assistenzeinsatz des Österreichischen Bundesheeres zur Grenzsicherung ersichtlich ist.(FN19) Doch auch nahezu alle anderen Bedrohungsszenarien der LICs sind nicht nur auf die Krisengebiete beschränkt. Schleuserkriminalität, Waffenhandel und politischer Extremismus florieren gerade in den Zeiten, in denen auf Grund von Krisen und Elend Geld zu verdienen ist. Die Grenzen zwischen Befreiungsbewegungen und grenzüberschreitender organisierter Kriminalität sind fließend. Die fortgesetzten Aktivitäten mafioser albanischer Strukturen während der Albanien- und auch der Kosovokrise in Europa mögen dies ebenso belegen wie die Tatsache, dass einzelne afghanische Konfliktparteien ihre Waffenlieferungen mit Drogengeldern bezahlen.(FN20) Auch hier tritt wieder die zunehmende Überschneidung von Aspekten "innerer" und "äußerer" Sicherheit zu Tage. Die Bekämpfung organisierter Kriminalität in der Heimat ist zunächst Sache der Polizei und der Strafverfolgungsbehörden. Sind einzelne Strukturen dieser organisierten Kriminalität Teil einer Konfliktpartei eines LICs, kann diese sehr wohl zur Sache von im Krisenreaktionseinsatz befindlichen Streitkräften werden, wenn auch zumeist als "Nebenprodukt". Durch die direkte Wahrung von innerer Sicherheit im Einsatzgebiet können Streitkräfte somit auch indirekt zur inneren Sicherheit ihres eigenen Heimatstaates beitragen.

"Worst-Case-Scenario": LICs auf eigenem Territorium: Gerade abseits der Hauptkonfrontationslinie des Kalten Krieges sahen sich auch zahlreiche westliche Streitkräfte als Konfliktpartei in LICs verwickelt und damit durch Probleme der inneren Sicherheit in engerem Sinne herausgefordert.(FN21) Aber auch im konventionell und atomar hoch gerüsteten Mitteleuropa des Kalten Krieges hatten z.B. "Heimatschutzverbände" des deutschen Territorialheeres den Auftrag, gegen terroristische Gruppierungen, aber auch gegen Spezialkräfte und ähnliche Gegner im Hinterland vorzugehen - Aufgaben, die im Friedensfall hauptsächlich der Polizei zufallen.(FN22) Abgesehen davon genießen fast alle Soldaten noch heute eine "Sicherungs- und Wachausbildung", die sie zum Schutz von militärischen Anlagen und Objekten auch in Friedenszeiten befähigt. Doch gerade in der "postcoldwarera" ist das Entstehen von LICs auch in stabilen westlichen Staaten nicht völlig auszuschließen. Der amerikanische Politikwissenschafter Samuel P. Huntington veröffentlichte vor einigen Jahren seinen Aufsatz über den "Zusammenprall der Kulturen", worin er den Grund für einen dritten Weltkrieg sieht.(FN23) Im Zeitalter der Globalisierung, Transnationalisierung und Internationalisierung (auch "GTI-Prozess" oder "Mondialisierung" genannt(FN24)) und bei dem Bedeutungsverlust von nationalstaatlichen Grenzen und Ordnungsmechanismen dürfte eine Kombination der Theorien Huntingtons und van Crevelds als "worstcasescenario" des aktuellen Bedrohungsspektrums angenommen werden.

Gerade wohlhabende Länder mit hohen sozialen Standards und großzügigen Asylrechtsregelungen sind - verständlicherweise - für Migranten aus unterschiedlichsten Kulturkreisen attraktiv. Beim Versagen bzw. Nicht-Vorhandensein eines Integrationskonzeptes bzw. bei mangelnder Integrationsbereitschaft der Migranten kann dieser "Zusammenprall der Kulturen" zu Spannungen unterschiedlichster Ausprägung führen.(FN25) So können z.B. die Konflikte verschiedener Ethnien auch im Gastland fortgeführt werden. Hinzu kommt, dass Angehörige von in Krisen verwickelten Volksgruppen in freien demokratischen Staaten von ihrem legitimen Recht auf Demonstration Gebrauch machen können, um auf die Missstände in ihrer Heimat hinzuweisen. Dabei bleibt es aber leider nicht immer bei friedlichen Protesten, wie es u.a. in den 90er Jahren am Beispiel der Aktivitäten kurdischer Extremisten in der Bundesrepublik zu sehen war.(FN26) Der 11. September 2001 hat gezeigt, dass gewaltbereite Extremisten sich unauffällig und sehr gut integriert in einer Gesellschaft verbergen können, um im entscheidenden Moment mit äußerster Präzision und Gewaltbereitschaft zuzuschlagen. Die Perversion dieser Bedrohung durch sogenannte "Schläfer" liegt darin, dass nunmehr ein hohes Maß an Integration oder Integrationsbereitschaft schon als verdächtig gelten kann.

Unabhängig davon kann es weiterhin zu Spannungen zwischen einheimischer Bevölkerung und Angehörigen anderer Kulturkreise kommen. Hiervon ist auch die Bundesrepublik betroffen, wie dies an ausländerfeindlich motivierten Gewalttaten ersichtlich ist.(FN27) Konflikte entstehen aber nicht unbedingt nur zwischen unterschiedlichen Volksgruppen, sondern sind ebenfalls zwischen Einheimischen, Integrierten und Integrationswilligen auf der einen und Nicht-Integrationswilligen auf der anderen Seite denkbar.

Besonders alarmieren müssen zudem erste Anzeichen von soziologischen Veränderungen. So sind in den Ballungsgebieten zahlreicher westlicher Staaten immer mehr Verslummungserscheinungen, Ansteigen von Kriminalität und Gewaltbereitschaft, das Ausnutzen rechtsstaatlicher Errungenschaften bzw. des Rechtssystems (beispielsweise durch den gezielten Einsatz strafunmündiger Kinder als Drogenkuriere) festzustellen. Ebenso schwindet das Vertauen in den Rechtsstaat.(FN28) Destabilisierend wirken sich zudem Überlastungen der sozialen Systeme aus, besonders dann, wenn großzügige soziale Standards eingeschränkt werden müssen und dadurch Neidkomplexe und Konkurrenzsituationen entstehen.

Steht der LIC auch den wohlhabenderen und "höher entwickelten Ländern" der Welt bevor? Martin van Creveld zeichnete bereits 1990 ein düsteres Szenario: "Erste Pflicht jedes gesellschaftlichen Gebildes ist es, das Leben seiner Angehörigen zu schützen. Die modernen Staaten bewältigen entweder den low intensity conflict oder aber sie werden verschwinden. Allerdings wächst zusehends der Verdacht, dass sie gleichwie zum Untergang verurteilt sind. Der Krieg ist eine der menschlichen Tätigkeiten, bei der die Nachahmung eine wesentliche Rolle spielt, und so wird der low intensity conflict, wenn ihm nicht schnell ein Ende bereitet wird, von selbst dazu führen, dass sich beide Seiten einander angleichen. Ein ausgedehnter Konflikt dieser Art wird dazu beitragen, dass die bestehenden Unterscheidungen zwischen Regierungen, Streitkräften und Menschen zusammenbrechen. Schon jetzt wird die Souveränität der Nationalstaaten von Organisationen untergraben, die sich weigern, das staatliche Monopol auf bewaffnete Gewalt anzuerkennen. Die Armeen werden auf der einen Seite durch polizeiähnliche Sicherheitskräfte und auf der anderen durch Schlägerbanden ersetzt werden, was nicht besagen soll, dass heute schon die Unterscheidung dieser beiden immer leicht fiele. Nationale Grenzen, gegenwärtig vielleicht das größte Einzelhindernis für die Bekämpfung des low intensity conflict, werden niedergerissen oder aber bedeutungslos, wenn rivalisierende Organisationen kreuz und quer über diese Grenzen hinweg aufeinander Jagd machen."(FN29) Fazit

Gerade in der "postcoldwarera" sehen sich Streitkräfte einer Vielzahl von Aufgaben gegenüber, die nicht ihrem traditionellen Rollenspektrum während des Kalten Krieges entsprechen. Das macht sie jedoch keineswegs obsolet. Die Streitkräfte werden den neuen Bedrohungsszenarien angepasst, ihre neuen Funktionen "müssen nicht im Sinne einer Ersetzung, sondern im Sinne einer Ergänzung und Ausweitung des bisherigen Rollen-Sets verstanden werden".(FN30) Der Einsatz von Streitkräften im Zeitalter der LICs und des Krisenmanagements beinhaltet oftmals Einsätze zum Schutz von innerer Sicherheit. Dabei halten Streitkräfte erstens die innere Sicherheit des Krisengebietes aufrecht oder stellen sie sogar wieder her. Zweitens dämmen sie durch diese Maßnahmen negative Auswirkungen auf die innere Sicherheit des eigenen Staates ein. Es ist also zwischen direktem und indirektem Schutz der inneren Sicherheit durch Streitkräfte zu unterscheiden.

Inwieweit der Einsatz von Streitkräften zum Schutz der inneren Sicherheit direkt oder indirekt erfolgt, hängt in der Regel vom Intensitätsgrad der Bedrohung ab. In Krisengebieten erscheint ein solcher direkter Schutzeinsatz wahrscheinlicher. Auf eigenem Territorium dürfte er in der Regel nur bei einer extrem angespannten inneren Sicherheitslage erfolgen - oft auch dann, wenn es sich um Formationen handelt, die auch vom Willen des Gesetzgebers her Aufgaben der äußeren und der inneren Sicherheit wahrnehmen.(FN31) Mit Masse handelt es sich bei militärischen Einsätzen zum Schutz der inneren Sicherheit um Unterstützungsleistungen, wie sie auch geschlossene Polizeiformationen durchführen können, beispielsweise Objektschutzaufträge oder Patrouillentätigkeiten. Es sei an dieser Stelle daher nicht verschwiegen, dass einige Analytiker die neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen folgendermaßen beurteilen: "Innerhalb Europas können fast alle Sicherheitsprobleme durch Polizeikräfte gelöst werden. Auch außerhalb Europas ist nach dem Einsatz von Kampftruppen der Einsatz von Polizeitruppen effektiver als der von Kampftruppen in einer artfremden Rolle. Polizeikräfte haben den wesentlichen Vorteil, dass sie neben normalen Ordnungs- und Schutzaufgaben auch Ermittlungsaufgaben und bei Gefahr auch schnell infanteristische Aufgaben übernehmen können (...) Externe Polizeikräfte mit Kombattantenstatus sind deshalb für Friedensoperationen eine unverzichtbare und qualitativ neue Komponente zukünftiger Streitkräfte."(FN32) Dieser Lösungsansatz mag zwar eine Option darstellen, doch darf nicht in Vergessenheit geraten, dass auch zahlreiche Polizeikräfte im Zuge der veränderten Sicherheitslage nach dem Ende des Kalten Krieges umstrukturiert wurden. So verlor etwa der deutsche Bundesgrenzschutz zahlreiche seiner "geschlossenen Verbände". Einige deutsche Bundesländer führten die so genannte zweigeteilte Laufbahn ein, die nur noch gehobenen und höheren Dienst kennt. Dies hat zur Folge, dass hoch qualifizierte Beamte angesichts der angespannten Sicherheitslage mit Aufgaben betraut werden, die auch schneller und einfacher ausgebildete Kräfte übernehmen könnten. Abgesehen davon zeigt sich bei angespannter Sicherheitslage rasch eine Überlastung der vorhandenen Polizeikräfte.(FN33) So erscheint es sinnvoll, über eine Alternative nachzudenken, und Streitkräfte bieten nun einmal neben etlichen Spezialisten(FN34) auch schnell verfügbares, infanteristisch und zu Sicherungseinsätzen auch im zivilen Umfeld ausgebildetes und ausgerüstetes Personal.

Bundeswehr und innere Sicherheit

Die Bundeswehr trägt durch ihre Beteiligung an Krisenreaktionseinsätzen bereits indirekt zur Wahrung der inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland bei. Im weiteren Lauf der Untersuchung soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit die deutschen Streitkräfte direkt zu deren inneren Sicherheit beitragen sollen und können.

Die Diskussion um das erweiterte Aufgabenspektrum

Das Grundgesetz schließt den Einsatz von Streitkräften zur Wahrung der inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zwar nicht aus, schränkt ihn allerdings stark ein. Nach derzeit gültiger Rechtslage darf ein solcher Einsatz nur in den folgenden Fällen erfolgen: - Im Verteidigungsfall dürfen zivile Objekte bewacht und - erforderlichenfalls - auch der Straßenverkehr geregelt werden (87a III GG; 80a I GG; 115a GG).

- Im Katastrophenfall oder bei schweren Unglücksfällen kann die Bundeswehr durch die Länder zu Hilfe gerufen werden oder, wenn mehrere Länder bedroht sind, durch die Bundesregierung zur Hilfeleistung beauftragt werden (35 II 2 GG; 35 III GG).

- Bei schweren inneren Notstandsfällen und der Gefahr für den Bestand der freiheitlich demokratischen Grundordnung des Bundes oder eines Bundeslandes kann der Einsatz der Bundeswehr erfolgen, wenn die Polizeikräfte der Länder und des Bundes nicht ausreichen, um diese Gefahr abzuwenden (87a IV GG, 91 II GG).

Eine Erweiterung ihres Aufgabenspektrums hinsichtlich des Einsatzes im Inneren setzt nach herrschender Meinung eine Grundgesetzänderung voraus.

Paradoxerweise sorgen Überlegungen bezüglich solcher Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr nach wie vor für Aufsehen oder sind tabuisiert,(FN35) während die Leistungen der deutschen Streitkräfte im Rahmen der friedensschaffenden Maßnahmen, die den Bewohnern in Krisengebieten wenigstens ein Mindestmaß an innerer Sicherheit gewähren, auch in der Bundesrepublik weit gehend auf Anerkennung stoßen.(FN36) Es drängt sich daher der Eindruck auf, dass althergebrachte Feindbilder vom Militär, Misstrauen in die bewaffnete Macht und schließlich Defizite hinsichtlich der Vermittlung des Gedankens vom "Staatsbürger in Uniform" eine neue, risikobezogene Lageorientierung hinsichtlich solcher Einsatzoptionen verhindern.

An vorderer Stelle der Gründe für die Tabuisierung des Themas ist zudem eine Perzeption des Rechtsstaatsbegriffes zu nennen, nach der der Bürger vor Eingriffen des Staates geschützt sein muss. Auch wenn diese Auffassung keineswegs veraltet ist und ihre unbestrittene Berechtigung hat, darf nicht vergessen werden, dass der Rechtsstaat auch seine Bürger schützen muss. Schon lange vor den Terroranschlägen des 11. September 2001 wiesen auch bundesdeutsche Politiker auf diese Schwerpunktverschiebung hin. So droht in Demokratien nach Ansicht des Bundesinnenministers Otto Schily "heute nicht eine Gefahr der Übermacht, sondern eher der Ohnmacht des Staates".(FN37) Auch der sächsische Staatsminister für Justiz, Steffen Heitmann, äußerte sich ähnlich: "Die Gefahr für den Rechtsstaat liegt heute weniger in einer Bedrohung der Rechte des Einzelnen seitens des Staates als vielmehr in dem unzureichenden Schutz dieser Rechte durch den Staat. Unter Beachtung der Grundrechte in ihrer Abwehrfunktion ist es dem Rechtsstaat aufgegeben, die ihm rechtlich wie tatsächlich verfügbaren Mittel so effektiv wie möglich einzusetzen, um die Sicherheit seiner Bürger zu gewährleisten, soweit dem Bürger nicht zugemutet werden kann, seine Rechte selbst zu verteidigen."(FN38) Interessanterweise stießen Überlegungen zur Erweiterung der Befugnisse der Bundeswehr in jüngerer Zeit nicht nur auf unbedingte Ablehnung in der Bevölkerung. Dies galt schon vor den verheerenden Terroranschlägen in den USA. In einer im Mai 1997 veröffentlichten Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr (SOWI) wurde gefragt, welche Organisation bevorzugt an der Lösung verschiedener sicherheitspolitischer Aufgaben beteiligt werden sollte. Vier Beispiele, die bisher noch keine Bundeswehraufträge, sondern eher Polizeiaufgaben waren, mögen den Bewusstseinswandel dokumentieren. Es gab folgende Ergebnisse:(FN39) Auch wenn - mit Ausnahme der Grenzsicherung - bevorzugt zivile Organisationen zur Lösung der genannten Aufgaben gefordert werden, werden die Einsatzbereiche jedoch als sicherheitspolitisch bedeutsam anerkannt. Dies verdeutlichen die geringen Prozentsätze in der Sparte "ganz raushalten". Eine im November 1998 veröffentlichte Studie belegt, dass die oben genannten Aufgaben inzwischen vermehrt als mögliche Aufträge der Bundeswehr akzeptiert werden. So sprachen sich von den Befragten beispielsweise 78,5% für die Grenzsicherung, 75,5% für den Schutz der demokratischen Ordnung in Deutschland, 71% für den Kampf gegen den internationalen Terrorismus und immerhin noch 63,1% für den Kampf gegen den internationalen Drogenhandel als weitere mögliche Aufgaben für die Bundeswehr aus.(FN40) Grundsätzlich gegen Einsätze solcher Art waren 4,9% hinsichtlich der Grenzsicherung, 4,8% hinsichtlich des Schutzes der demokratischen Ordnung, 6,5% bezüglich der Terrorismusabwehr und schließlich 9,7% bezüglich der Bekämpfung des Drogenhandels.(FN41) Interessant ist zudem ein Vergleich mit den Umfrageergebnissen hinsichtlich der Beteiligung der Bundeswehr an friedenserhaltenden und friedenserzwingenden Operationen. Befürworteten immerhin 76,8% die Beteiligung an friedenserhaltenden Maßnahmen, taten dies nur etwas über die Hälfte der Befragten (55,2%) hinsichtlich der Kampfeinsätze. Grundsätzlich dagegen waren 5,5% bzw. 13,2%.(FN42) Eine Umfrage aus der Zeit des Kosovo-Konfliktes ergab, dass sich 47% der Gesamtbevölkerung für ein Eingreifen der NATO und 36% dagegen aussprachen.(FN43) Vor dem Hintergrund dieser Zahlen wird deutlich, dass die Erweiterung des Auftragsspektrums der Bundeswehr durch Aspekte des Schutzes der inneren Sicherheit in der Bevölkerung auf einen breiten politischen Konsens stoßen könnte. Die Akzeptanz einer Erweiterung des Aufgabenspektrums wäre wahrscheinlich - und das ist ein weiteres Anzeichen für den zwar zögerlichen, aber fortgeschrittenen sicherheitspolitischen Lernprozess in Deutschland - relativ schnell vorhanden. Die Auswirkungen der Terroranschläge in den USA verstärken diesen Effekt offensichtlich noch. Elisabeth Noelle-Neumann spricht von diesem Tag bereits als "Zeitenwende", besonders für die jüngere Generation unter 30 Jahren.(FN44) Nach dieser Studie hielten vor und nach dem 11. September 73% der Westdeutschen die Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik für verteidigungswert, in Ostdeutschland stieg die Zustimmung von 42% auf 55%. Der Prozentsatz derjenigen, die daran zweifelten, fiel von 39 auf 29%.

Gerade in der neuen Perzeption des Bedrohungsspektrums seit dem 11. September liegt auch eine zukunftsträchtige Chance. Durch die Vermittlung der Notwendigkeit eines erweiterten Aufgabenspektrums, die natürlich mit einer weit reichenden Wehrstruktur- und Streitkräftereform einhergehen müsste, würde die Legitimation der deutschen Streitkräfte und damit auch die der Wehrpflicht deutlich erleichtert werden. Um diese These zu begründen, erfolgt zunächst ein kurzer Blick auf die derzeit laufende Umstrukturierung.(FN45) Die Umstrukturierung der Bundeswehr

Optionen für eine neue Bundeswehr: Nach der teilweise kritisierten Ära des CDU-Verteidigungsministers Volker Rühe(FN46) bot der Regierungswechsel die Gelegenheit zur Bestandsaufnahme.(FN47) Die damalige Struktur der deutschen Streitkräfte hatte sich vor dem Hintergrund des erweiterten Aufgabenspektrums und der weiteren Haushaltskürzungen als ungeeignet herausgestellt.(FN48) Angesichts dieser Zustände nahm es auch nicht wunder, dass die Papiere der "Kommission Gemeinsame Sicherheit und die Zukunft der Bundeswehr" (Vorsitz: Richard von Weizsäcker), die Vorstellungen des damaligen Generalinspekteurs Hans-Peter von Kirchbach und auch das Eckpfeiler-Papier des neuen Verteidigungsministers Rudolf Scharping (SPD) erstaunliche Ähnlichkeiten hinsichtlich des Anteils der Krisenreaktionskräfte (jetzt Einsatzkräfte/EK) und der Zeit- und Berufssoldaten aufwiesen.(FN49) Grundsätzlich bestehen aber nach wie vor folgende Optionen bezüglich einer weiteren Umstrukturierung:(FN50) a) Beibehaltung oder Verlängerung der Wehrpflicht, Fortbestand oder - bei einer deutlichen Erhöhung des Verteidigungshaushaltes und einer breiten gesellschaftspolitischen Akzeptanz des neuen Aufgabenspektrums - Wegfall der Ausdifferenzierung in EK und MGO/HVK.

b) Abschaffung bzw. Aussetzung der Wehrpflicht zu Gunsten einer Berufs- oder Freiwilligenarmee.

c) Weit reichende Kaderung der MGO/HVK; gleichzeitiger personeller Aufwuchs und starke Modernisierung der EK; Ersatz der allgemeinen Wehrpflicht durch eine selektive Dienstpflicht.

d) Beibehaltung bzw. Verstärkung und Modernisierung des aus Freiwilligen bestehenden EK-Dispositives bei gleichzeitiger weit gehender Überführung der MGO/HVK in eine Art "Miliz-" oder "Nationalgardesystem" mit verkürztem Wehrdienst und verstärkten Reserveübungen. Ähnlich wie bei Modell c) würden Krisenreaktionsfähigkeit und Modernisierung zunehmen. Allerdings bedeutet die Implementierung eines solchen Systems einen drastischeren Einschnitt als der Erhalt einer selektiven Dienstpflicht. Dafür wäre eine deutlich stärkere und kurzfristigere Aufwuchsfähigkeit gegeben. Die Bindung zwischen Staatsbürger und Staat würde ebenso wie bei a) und c) erhalten bleiben.

Natürlich bestehen weitere Möglichkeiten, Mischformen einzuführen. Aber wie auch immer das künftige Wehrsystem der Bundesrepublik und die Struktur der Bundeswehr aussehen werden: Bei den Umgestaltungsmaßnahmen sollte in vielen Bereichen den Aspekten der inneren Sicherheit Rechnung getragen werden. Als Beispiele seien hier Vorschläge zum Wehrsystem, zur Struktur und zur Ausbildung genannt.

Wehrsystem: Die Beibehaltung einer Wehr- oder Dienstpflicht erscheint nach wie vor sinnvoll. Leider hat sich nicht nur in der deutschen Diskussion die Stimmung unterschwellig gegen die allgemeine Wehrpflicht gewandelt. Auf der Kommandeurtagung der Bundeswehr 1995 stellte der damalige Bundespräsident Roman Herzog die Wehrpflicht zwar nicht in Frage, gab aber Folgendes zu bedenken: "Die Wehrpflicht ist ein so tiefer Einschnitt in die individuelle Freiheit des jungen Bürgers, dass ihn der demokratische Rechtsstaat nur fordern darf, wenn es die äußere Sicherheit des Staates wirklich gebietet. Sie ist kein allgemein gültiges ewiges Prinzip, sondern sie ist auch abhängig von der konkreten Sicherheitslage. Ihre Beibehaltung, Aussetzung oder Abschaffung und ebenso die Dauer des Grundwehrdienstes müssen sicherheitspolitisch begründet werden können."(FN51) Seit dieser viel beachteten Rede findet die Formulierung der Wehrpflicht als "tiefer Eingriff in die Freiheitsrechte" in der öffentlichwissenschaftlichen Diskussion inflationäre Verbreitung und hat auch Eingang in offizielle Dokumente gefunden.(FN52) Derzeit sind zwei Verfahren beim Bundesverfassungsgericht anhängig, in denen über eine Verfassungswidrigkeit der allgemeinen Wehrpflicht aus unterschiedlichen Gründen zu entscheiden ist. Wie ernst es damit um den Erhalt der allgemeinen Wehrpflicht bestellt ist, lässt sich schon aus zwei Gründen ersehen: Erstens bewies die deutsche politische Führung schon in der Vergangenheit mangelnden sicherheitspolitischen Gestaltungswillen und überließ dem Bundesverfassungsgericht die Rolle des Ersatzgesetzgebers. Zweitens darf auch die angespannte Lage des Verteidigungshaushaltes nicht vergessen werden. Angesichts der knappen Ressourcen und einer realistischen militärischen Beurteilung der Lage war es natürlich unabdingbar, die Priorität auf die Fähigkeit zu Auslandseinsätzen zu legen. Aber für einen schnellen und effizienten Krisenreaktionseinsatz erscheinen Grundwehrdienstleistende eher hinderlich: Sie dienen nur eine kurze Zeit, erreichen ihre volle Einsatzfähigkeit erst nach mehrmonatigen Krisenausbildungsprogrammen und dürfen nicht im erweiterten Aufgabenspektrum zum Einsatz kommen.

Für den Erhalt der Wehrpflicht sprechen dennoch nach wie vor zahlreiche Gründe. In aller Kürze seien hier nur die wichtigsten aufgeführt:(FN53) - Sicherheitspolitische Gründe: Streitkräfte sind schneller und leichter abzurüsten als neu aufzustellen. Die Herstellung von Verteidigungsfähigkeit durch Rekonstitution ist mühsam, langwierig, teuer und mit politischen Risiken verbunden. Durch die Wehrpflicht sind militärisch ausgebildete Reserven in höherem Maße verfügbar als in einem Freiwilligensystem. Eine schnelle und weit reichende Aufwuchsfähigkeit ist nur durch ein Wehrpflichtsystem sicherzustellen.

- Gesellschaftspolitische Gründe: Die Wehrpflicht bindet die Streitkräfte an den Staat und die Gemeinschaft ("Staatsbürger in Uniform"); sie verkommen nicht zu einer "Dienstleistungsagentur für Sicherheit". Die Öffentlichkeit ist sensibler hinsichtlich des Einsatzes von Streitkräften.

- Streitkräftespezifische Gründe: Durch die Wehrpflicht ist die Basis für den Führernachwuchs sichergestellt; die Rekrutierungsbasis ist größer als bei Freiwilligenarmeen. Auch die vermeintlich höhere Professionalität von Berufsarmeen ist nur eine Teilwahrheit. Gerade im Kalten Krieg erfüllten Wehrpflichtige dieselben Aufträge, die auch Zeit- und Berufssoldaten anderer Streitkräfte ausführten.

Der Schutz des eigenen Territoriums gilt nach wie vor als eine Hauptaufgabe der Bundeswehr(FN54) und legitimiert daher Streitkräfte und Wehrpflicht in höchstem Maße. Da sich die Bedrohungslage gewandelt hat, erscheint es sinnvoll, das Landesverteidigungs- und Heimatschutzkonzept neu zu überdenken. Eine schnell aufwuchsfähige Hauptverteidigungs-/Milizkomponente, die sich weit gehend aus Grundwehrdienstleistenden und Reservisten zusammensetzt, könnte beispielsweise auch entsprechende Schutz- und Sicherungsfunktionen im Rahmen der inneren Sicherheit übernehmen. So stieße nicht nur der Grundwehrdienst wieder auf höhere Akzeptanz; im Falle einer schweren inneren Krise wäre deren Abwehr weiterhin Sache der "Staatsbürger in Uniform".

Struktur: Während die ständig präsenten Einsatzkräfte bevorzugt an einigen wenigen Großstandorten zusammengefasst werden könnten, sollte die Hauptverteidigungs-/Milizkomponente gleichmäßig im gesamten Bundesgebiet disloziert sein. Auf diese Weise wäre eine heimatnahe Einberufung sichergestellt; organisatorische und ausbildungstechnische Maßnahmen würden erleichtert.(FN55) Die Streitkräfte wären zudem noch fester in der Bevölkerung verankert. Auch im Alarmfall brächte ein solches Konzept Vorteile: Das schnelle Erreichen des Standortes wäre sichergestellt, die Soldaten wären mit ihrer Umgebung und ihren Einsatzräumen vertraut. Abgesehen davon hätte die Bevölkerung zu einer Truppe "aus ihren Reihen" mehr Vertrauen.

Weiterhin erscheint es sinnvoll, die Truppenteile der Hauptverteidigungs-/Milizkomponente weit gehend gleichartig zu gliedern und mit einem grundsätzlich ähnlichen "Truppengattungsmix" auszustatten, der allerdings regionale geografische Besonderheiten (z.B. Gebirge, Küste) berücksichtigt. Das bietet den Vorteil, dass sich versetzte Soldaten sehr viel schneller in der neuen militärischen Umgebung zurechtfinden können.

Speziell für Polizeiunterstützende Aufträge oder sonstige Aufgaben zum Schutz der inneren Sicherheit sollten sowohl für die Einsatzkräfte als auch für die Hauptverteidigungs-/Milizkomponente entsprechende Alarmierungs- und Umgliederungspläne vorbereitet werden, die es erlauben, einen bedrohungsadäquaten Einsatzverband schnellstmöglich zur Verfügung zu stellen.(FN56) Um der umfangreicher gewordenen Sicherheitspolitik nach dem Kalten Krieg gerecht werden zu können, sollte zudem die Einrichtung einer "Sicherheitspolitischen Planungs- und Analyseeinheit" erfolgen, die sich aus Vertretern der betroffenen Ministerien zusammensetzt.

Ausbildungsinhalte: Jeder Spähtruppführer kann eine Patrouille führen, aber nicht jeder Patrouillenführer einen Spähtrupp. Jeder Fallschirmjäger kann als Sicherungssoldat eingesetzt werden, aber nicht jeder Sicherungssoldat Luftlandungen durchführen. Die Ausbildung der Soldaten aller Streitkräftedispositive muss daher weiterhin das gesamte Aufgabenspektrum umfassen. Das gilt auch für die in erster Linie zur Landes- und Bündnisverteidigung vorgesehene Hauptverteidigungs-/Milizkomponente. Die kann ihre volle Einsatzbereitschaft im gesamten Aufgabenspektrum zwar erst durch Krisenausbildungsprogramme erreichen, aber der Einsatz als Sicherungstruppe im Inneren muss kurzfristig erfolgen können. Denn während hinsichtlich eines groß angelegten militärischen Angriffs auf die Bundesrepublik oder ihre Bündnispartner lange Vorwarnzeiten angenommen werden können,(FN57) gilt das für plötzlich auftretende innere Notstandsfälle nur eingeschränkt. Daher müssen Ausbildungskonzepte erarbeitet werden, die den sicherheitspolitischen Unwägbarkeiten Rechnung tragen. Grundsätzlich erscheint eine Grundbefähigung aller Soldaten, im Rahmen der Eindämmung eines LIC eingesetzt werden zu können, erstrebenswert. Patrouillentätigkeiten, Zeigen von Präsenz, der Einsatz als Sicherungssoldat, die Durchführung von Personen- und Kraftfahrzeugkontrollen sind überdies nicht nur im Einsatzgebiet von hohem Nutzen, sondern auch bei Maßnahmen zum Schutz der inneren Sicherheit auf eigenem Territorium. Jeder Soldat sollte daher bereits während des Grundwehrdienstes eine fundierte Ausbildung zum Sicherungssoldaten erhalten, auf die dann bis zum Erreichen der vollen Ausbildungsreife aufgebaut werden kann. Im Ernstfall könnten Krisenreaktionskräfte dann zumindest teilweise entlastet bzw. ergänzt werden.

Ebenso müssen Konzepte hinsichtlich des "Einsatzes in bebautem Gelände" mehr Berücksichtigung finden, da Krisenpotenzial besonders in den Ballungsgebieten vorhanden ist. Auch für Landesverteidigung und Heimatschutz behalten solche Konzepte Gültigkeit, da der Großteil der Fläche der Bundesrepublik und Mitteleuropas bebaut ist.

Die vorstehenden Überlegungen stellen natürlich nur einen kleinen Ausschnitt dar, belegen jedoch, dass umfangreiche Aspekte bei der noch ausstehenden Umstrukturierung bedacht werden müssen. Fest steht jedoch schon jetzt: Handlungsbedarf ist ausreichend vorhanden.

Zusammenfassung: Die Chance zur Reform nutzen!

Sicherheit und Schutz des eigenen Territoriums und seiner Bürger sind nach wie vor eines der wichtigsten nationalen Interessen von Staaten.(FN58) Daher sollte eine Diskussion über die zukünftige deutsche Sicherheitspolitik und die Aufgaben der Bundeswehr ehrlich, offen und ideologiefrei geführt werden. Beiträge zur Wahrung der inneren Sicherheit der Bundesrepublik durch die Bundeswehr sollten daher kein Tabu mehr sein.

Ohnehin lassen sich innere und äußere Sicherheit nach dem Ende des Kalten Krieges immer schwerer voneinander trennen. Durch die direkte Sicherstellung innerer Sicherheit in Krisengebieten leistet die Bundeswehr als außen- und sicherheitspolitisches Mittel auch einen wichtigen Beitrag für die innere Sicherheit der Bundesrepublik. Sie schützt daher schon jetzt indirekt die innere Sicherheit des eigenen Territoriums. Das Grundgesetz schließt aber auch den direkten Einsatz zu diesem Zweck nicht aus.

Dringend geboten sind jetzt umfassende konzeptionelle Schritte zur Erweiterung des Aufgabenspektrums der Bundeswehr, eine fundierte Umgestaltung des Streitkräftedispositives, eine Neubewertung des Landesverteidigungs- und Heimatschutzkonzeptes und klare rechtliche Regelungen. Dies bietet folgende Vorteile: - Dem erweiterten Sicherheitsbegriff wird in noch stärkerem Maße Rechnung getragen; - eine ausreichende Flexibilität angesichts der sicherheitspolitischen Unwägbarkeiten bleibt gewahrt; - schon die bloße Präsenz einer Landesverteidigungs- und Heimatschutzstruktur unterstreicht die Entschlossenheit des Staates, seine Einwohner zu schützen; und - die Akzeptanz der Wehrpflicht und des Scharnhorst‘schen Gedankens des "Staatsbürgers in Uniform" bleibt erhalten bzw. wird sogar gestärkt.

Angesichts der veränderten Bedrohungslage sind Dienstherr und Gesetzgeber gefordert, die Chancen der ausstehenden Umstrukturierung der Bundeswehr zu einer wirklichen Reform zu nutzen. Diese Chancen dürfen angesichts des komplexeren sicherheitspolitischen Risikospektrums nicht vertan werden. Nur so kann eine der wichtigsten Grundfunktionen des Staates, die Gewährleistung von Schutz und Freiheit seiner Einwohner, sichergestellt werden.

ANMERKUNGEN:

Fußnote 1/FN1) Vgl. BMVg: Bestandsaufnahme. Die Bundeswehr an der Schwelle zum 21. Jahrhundert. Bonn, Mai 1999: Bundesministerium der Verteidigung, S.14.

(FN2) Das gilt beispielsweise für die Bundesrepublik Deutschland, wie sich an Hand des zögerlichen Umstrukturierungsprozesses der Bundeswehr nachweisen lässt. Die Bundeswehr hat sich dennoch im Rahmen ihrer Auslandseinsätze, die in ihrer Intensität eine kontinuierliche Steigerung bis hin zum Kampfeinsatz ohne Mandat des UNO-Sicherheitsrates erfuhren, bewährt. Und auch das Parlament hat, wie sich aus den entsprechenden Abstimmungen über die Bundeswehreinsätze im Rahmen von IFOR, SFOR, KFOR, Task Force Harvest (TFH)/Amber Fox und schließlich "Enduring Freedom" und "International Security Assistance Force" ergibt, die Erforderlichkeit des erweiterten sicherheitspolitischen Aufgabenspektrums anerkannt. Dies ist Gegenstand meines in Kürze abzuschließenden Dissertationsprojektes am Zentrum für Europäische Integrationsforschung der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn. Zum bisherigen Prozess siehe: Heydrich, Reinhard; Lemke, Hans-Dieter; Rohde, Joachim (Hg.): Die Bundeswehr am Beginn einer neuen Epoche. Anforderungen an die Streitkräfte und ihre rüstungsindustrielle Basis. In: Stiftung Wissenschaft und Politik (Hg.): Internationale Politik und Wissenschaft. Band 40 Baden-Baden1/1996: Nomos-Verlagsgesellschaft; Weisswange, Jan-Phillipp: Die Bundeswehr vor neuen Aufgaben. Zur Rolle der deutschen Streitkräfte nach dem Ende des Kalten Krieges und ihrer Umsetzung in Auftrag, Struktur, Ausrüstung und Ausbildung. Unveröffentlichte Magisterarbeit. Freiburg 1/1997.

(FN3) In Anlehnung an die Begriffe Non Governmental Organizations (NGO) und Knave States.

(FN4) Grundsätzlich zur Problematik: Haltiner, Karl W.: Polizisten oder Soldaten? Organisatorische Dilemmata bei der Konstabulisierung des Militärs. In: ÖMZ 3/2001, S.291-298. In der Bundesrepublik wurde der Einsatz der Streitkräfte im Inneren u.a. im Sommer 1999 diskutiert. Ausgelöst wurde dies durch Zeitungsberichte, die behaupteten, der Generalinspekteur der Bundeswehr, von Kirchbach, hätte das vorgeschlagen. Siehe N. N.: Kirchbach: Bundeswehr soll nicht im Inneren eingesetzt werden. In: FAZ 185/1999 vom 12.8.1999, S.2; N. N.: SPD streitet über neue Aufgaben der Bundeswehr. IN SZ 186/1999 vom 14./15.8.1999, S.5. Andere Anlässe waren die Diskussion um die logistischen Herausforderungen bei der Einführung des Euro und die unabsehbaren Folgen des 11.9.2001. Siehe auch Werner-Mang, Dorothée: Bundeswehr und innere Sicherheit. November 2001. Internet-Dokument: www.soldatundtechnik.de.

(FN5) Vgl. Lutz, Dieter S.: Artikel Sicherheit/Internationale Sicherheitspolitik. In: Nohlen, Dieter (Hg.): Wörterbuch Staat und Politik. Bonn 1998: Bundeszentrale für politische Bildung, S.670.

(FN6) Vgl. Lutz: Sicherheit, S.670.

(FN7) Vgl. Schmidt, Manfred G.: Artikel Innere Sicherheit. In: Nohlen, Dieter (Hg.): Wörterbuch Staat und Politik. Bonn 1998: Bundeszentrale für politische Bildung, S.285.

(FN8) Siehe Schmidt: Innere Sicherheit, S.286.

(FN9) Vgl. Rupprecht, Reinhard: Artikel Innere Sicherheit. In: ders. (Hg.): Polizei-Lexikon. Heidelberg 1995: Kriminalistik Verlag, S.275.

(FN10) Siehe nur NATO: Das strategische Konzept des Bündnisses. Brüssel 1999. RNr.25; Weisswange: Bundeswehr, S.7ff. m. w. Nw.

(FN11) Vgl. BMVg/Bundesregierung: Weißbuch 1994. Weißbuch zur Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und zur Lage und Zukunft der Bundeswehr. Bonn 1994: Bundesministerium der Verteidigung. RNr.236.

(FN12) Lediglich das IV. Korps in Potsdam ist noch rein national. Siehe BMVg: Bestandsaufnahme, S.49ff.

(FN13) Auch die Bundeswehr wurde zunächst in dieser Weise ausdifferenziert. Inzwischen gilt ein neuer, Teilstreitkräfte übergreifender Ansatz. Neben Heer, Luftwaffe und Marine gibt es die so genannte Streitkräftebasis (SKB) als weiteren Organisationsbereich. Die SKB soll besonders den Logistik- und Führungsbereich straffen. Da inzwischen nicht nur die Wahrscheinlichkeit, sondern auch die Zahl von Einsätzen im erweiterten Aufgabenspektrum zunahm, sollen die KRK verdreifacht werden und fortan den Namen "Einsatzkräfte" (EK) tragen, MGO und HVK fusionieren zur Militärischen Grundorganisation. Siehe BMVg: Neuausrichtung der Bundeswehr. Grobausplanung. Ergebnisse und Entscheidungen, September 2000, Internet-Dokument: www.bundeswehr.de; BMVg (Hg.): Die Bundeswehr der Zukunft. Sachstand der Reform, 1.6.2001, Internet-Dokument: www.bundeswehr.de.

(FN14) Vgl. van Creveld, Martin: Die Zukunft des Krieges. München 1/1998: Gerling Akademie Verlag. (= The Transformation of War, New York 1/1991: The Free Press), S.45.

(FN15) Auch Haltiner sieht diesen "Trend zur Konstabulisierung": Polizisten, S.291.

(FN16) Vgl. Gross, Johannes: Notizbuch Johannes Gross. Letzte Folge. Letztes Stück. In: Frankfurter Allgemeine Magazin. Heft 1008 vom 25.6.1999. S.43.

(FN17) Siehe nur von Horn, Alphart: Elemente eines zukünftigen Kriegsbildes und Folgerungen für die Streitkräfte. In: Soldat und Technik, 5/2001, S.8; Haltiner: Polizisten, S.294.

(FN18) Siehe Feldmeyer, Karl: In ihrem Sektor müssen die deutschen Soldaten jetzt mühsam Staat machen. In: FAZ 164/1999 vom 19.7.1999, S.3; v. Korff, Fritz: Noch ein langer Weg bis zur Normalität (Interview). In: Truppenpraxis/Wehrausbildung, Nr.9/1999, S.599ff.; von Horn: Elemente, S.8, Haltiner: Polizisten, S.291ff.

(FN19) Siehe hierzu Olt, Reinhard: In Österreich Wahlkampfpolemik über Grenzsicherung. In: FAZ 213/1999 vom 14.9.1999, S.15.

(FN20) Siehe zum Beispiele UCK/albanische Mafia nur Barth, Ariane u.a.: "Sprache der Morde." In: Der Spiegel 31/1999, S.42ff. Zu Afghanistan: N.N.: Rohopium als Lebenselixier Afghanistans. In: NZZ v. 11.11.2000, Internet-Dokument: www.nzz.ch.

(FN21) Die Einsätze der israelischen Zahal in den Palästinensergebieten, der britischen Streitkräfte in Nordirland oder der französischen Armee in Algerien können hierfür als Beispiele dienen. Dass dies mit großen Schwierigkeiten verbunden ist, analysiert Wesley K. Clark zutreffend am Beispiel Israels: Asymmetric War. In: Time vom 23.10.2000.

(FN22) Es würde zu weit führen, hier noch die Problematiken des Kriegsvölkerrechtes ("Kombattantenstatus") ausführlich zu berücksichtigen. Die Grenzen zwischen Sabotageakten durch Terroristen und/oder verdeckt operierende Spezialkräfte waren schon zu den Zeiten des Kalten Krieges fließend. Siehe z.B. Auerbach, Thomas: Einsatzkommandos an der unsichtbaren Front. Terror- und Sabotagevorbereitungen des MfS gegen die Bundesrepublik Deutschland. In: Analysen und Dokumente. Wissenschaftliche Reihe des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der Deutschen Demokratischen Republik. Band 17. Berlin 1999: Ch. Links Verlag.

(FN23) Siehe Huntington, Samuel P.: The Clash of Civilizations? In: Foreign Affairs. Summer 1993, S.22ff.

(FN24) Vgl. v. Bredow, Wilfried; Kümmel, Gerhard: Das Militär und die Herausforderung globaler Sicherheit. Der Spagat zwischen traditionalen und nichttraditionalen Rollen. Strausberg, September 1999: Sozialwissenschaftliches Institut der Bundeswehr (= SOWI-Arbeitspapier Nr.119), S.4f. m. w. Nw.

(FN25) Siehe hierzu: Schily, Otto: Das Asylrecht lässt sich nicht halten (Interview). In: Die Zeit 44/1999 vom 28.10.1999, S.3; Weidenfeld, Werner: Einwanderungspolitik braucht Sachkunde und Spürgefühl. In: FAZ 181/1998 v. 7.8.1998, S.8; Apel, Günter: Grundlage ist der demokratische Verfassungsstaat. In: FAZ 192/1998 v. 20.8.1998, S.11.

(FN26) Der Spiegel 8/1999 machte mit dem Titel "Kurden-Krieg in Deutschland" auf. Siehe weiterhin Emcke, Carolin u.a.: Blutrache für Apo. In: Der Spiegel 8/1999, S.22ff.

(FN27) Das Bundesamt für Verfassungsschutz weist auf seiner Homepage (www.verfassungsschutz.de) besonders auf die explosionsartig gesteigerte Zahl der Gewalttaten hin. Zwischen 1991 und Sommer 1999 starben 28 Menschen durch Anschläge mit rechtsextremistischem Hintergrund. Die gegenwärtig fallende Tendenz der Gewaltstatistik dürfe nicht als Ende der Gefahr angesehen werden.

(FN28) Siehe Heitmann, Steffen: Freiheit und Sicherheit. In: FAZ 227/1998 v. 30.9.1998, S.12.

(FN29) Vgl. van Creveld: Zukunft, S.328.

(FN30) Vgl. v. Bredow/Kümmel: Militär, S.24f. Als mögliche Lösungsansätze für das Konstabulisierungs-Dilemma gelten auch "Hybrid-Organisationen", der Rückzug des Militärs aus Peacekeeping und Polizeiarbeit oder der zeitlich versetzte Einsatz von Militär- und Polizeikräften. Siehe Haltiner: Polizisten, S.297f.

(FN31) Als Beispiele seien die italienische Carabinieri, die niederländische Marechaussee, die französische Gendarmerie oder die US-National Guard genannt.

(FN32) Vgl. von Horn: Elemente, S.8. Siehe auch Haltiner: Polizisten, S.297.

(FN33) Siehe Riebsamen, Hans: Warten und Wache schieben. Terrorabwehr, Castor-Transport, Euro-Einführung: Die Polizei ist überlastet. In: FAZ 257/2001 v. 5.11.2001, S.4.

(FN34) Hier seien als Beispiele nur Feuerwerker, ABC-Abwehrsoldaten oder Anti-Terror-Kämpfer genannt.

(FN35) Siehe N. N.: Innern, S.2; N. N.: Aufgaben, S.5; Werner-Mang: Bundeswehr, S.1f.; N. N. (psi): Innere Sicherheit. Zwiespalt - der Streit um die Bundeswehr. Datei vom 12.10.2001: Tagesspiegel Online Dienste Verlag GmbH. S.1.

(FN36) Diese Tendenz ist schon seit einigen Jahren ersichtlich. Siehe Spangenberg, Stefan; Klein, Paul: Heimat und Verteidigung. Der Einfluss räumlicher Identität und individueller Sicherheitskonzepte auf die Bewertung von Verteidigungspolitik und Bundeswehr. Strausberg, Mai 1997 (=SOWI-Arbeitspapier Nr.102), S.49ff.; Spangenberg, Stefan: Bundeswehr und öffentliche Meinung. Betrachtungen zum aktuellen Verhältnis zwischen Gesellschaft und Streitkräften. Strausberg, November 1998: Sozialwissenschaftliches Institut der Bundeswehr (= SOWI-Arbeitspapier Nr.114), S.17ff.

(FN37) Vgl. Schily: Interview Zeit 44/1999, S.3.

(FN38) Vgl. Heitmann: Freiheit, S.12.

(FN39) Vgl. Spangenberg/Klein: Heimat, S.50.

(FN40) Siehe Spangenberg: Meinung, S.17ff., bes. S.18.

(FN41) Siehe Spangenberg: Meinung, S.18.

(FN42) Siehe Spangenberg: Meinung, S.18.

(FN43) Deutlich belegt wurde allerdings eine Spaltung der Bundesrepublik in Ost und West: 52% der Westdeutschen, aber nur 26% der Ostdeutschen befürworteten das Eingreifen; 31% der West-, aber 55% der Ostdeutschen waren dagegen. Siehe Köcher, Renate: Das Kosovo spaltet Deutschland in Ost und West. In: FAZ 136/1999 v. 16.6.1999, S.5.

(FN44) Noelle-Neumann-Elisabeth: Nach der Zeitenwende. Ist der 11.9. das prägende Erlebnis der Jüngeren geworden? In: FAZ 265/2001 v. 14.11.2001, S.5.

(FN45) Siehe zum aktuellen Stand: BMVg (Hg.): Bundeswehr der Zukunft.

(FN46) Siehe Graf v. Kielmannsegg, Hanno: Die Not der Truppe wird als Fortschritt bezeichnet. In: "Die Welt" Nr.20/1997 v. 24.1.1997, S.4. Der Führungsstil Rühes wurde besonders im Zuge der "Rechtsradikalismusaffäre" kritisiert. Siehe hierzu Bertram, Christoph: Die Nazis im Nacken. In: Die Zeit Nr.51/1997 v. 12.12.1997, S.1; Feldmeyer, Karl: Führen ist nicht gleich Verwalten. In: FAZ 15/1998 v. 19.1.1998, S.12.

(FN47) Siehe BMVg: Bestandsaufnahme. Hier werden zahlreiche Mängel offen angesprochen.

(FN48) Die vom Bundesministerium der Verteidigung am 7.6.1995 herausgegebene "Anpassung der Streitkräftestrukturen, der territorialen Wehrverwaltung und der Stationierung" sah zunächst nur 53.600 KRK bei einem Präsenzumfang von 340.000 Soldaten vor. Der Präsenzumfang der Bundeswehr sank mit der Zeit aber noch. Die Verbände im Einsatzgebiet wurden zusammengestückelt, die Soldaten - besonders Spezialisten - wurden uneinheitlich mit Auslandseinsätzen belastet, Einsparungen im Verteidigungshaushalt gingen zu Lasten der Modernisierung. Die Kluft zwischen Hauptverteidigungskräften (HVK) und Krisenreaktionskräften (KRK) wuchs stetig. Die Gefahr der "Zweiklassenarmee" drohte aber nicht nur in Bezug auf die Ausrüstung. Grundwehrdienstleistende werden nicht im erweiterten Aufgabenspektrum eingesetzt; bei den "freiwillig länger Wehrdienstleistenden" handelt es sich im Prinzip schon um verkappte Zeitsoldaten. Die Bundeswehr ist, zumindest was die Krisenreaktionskräfte betrifft, bereits eine Freiwilligenarmee. Darüber hinaus verstärkt eine faktische Wahlfreiheit zwischen Wehr- und Zivildienst diese Perzeption der Bundeswehr als "Freiwilligenarmee". Siehe hierzu: Feldmeyer, Karl: Weniger Soldaten sollen mit weniger Geld mehr kämpfen. In: FAZ 263/1995 v. 11.11.1995, S.3.; Kielmannsegg: Not, S.4; Meiers, Franz-Josef: Obsolet, überdimensioniert, unterfinanziert. In: FAZ 187/1999 v. 14.8.1998, S.7; Weisswange, Jan-Phillipp: Die Bundeswehr an der Schwelle zum 21. Jahrhundert: Bloße Anpassung oder doch Reform? In: Der Panzerspähtrupp Nr.25/Sommer 1999, S.15; detailliert auch BMVg: Bestandsaufnahme. Wilhelms, Thomas: Erfahrungen im Einsatz. In: Europäische Sicherheit 1/1999, S.30. Dieser Artikel berücksichtigt im Übrigen noch nicht die personalintensiven KFOR-Mission und die "Enduring Freedom"- und "ISAF"-Mandate.

(FN49) Die Kommission empfahl bei einem Friedensumfang von 240.000 Soldaten 140.000 Einsatzkräfte, der Generalinspekteur 290.300 Soldaten insgesamt, davon 87.000 "Reaktions-" und 70.000 "Verstärkungskräfte". Dem schloss sich das Eckpfeilerpapier weit gehend an, allerdings nur mit 80.000 Reaktionskräften bei einer Friedensstärke von 255.000 Soldaten Präsenzumfang und 22.000 Ausbildungsstellen. Siehe Kommission Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr: Bericht der Kommission an die Bundesregierung. Berlin, 23.5.2000; Generalinspekteur der Bundeswehr: Eckwerte für die konzeptionelle und planerische Weiterentwicklung der Streitkräfte. Bonn, 23.5.2000; BMVg: Die Bundeswehr - sicher ins 21. Jahrhundert. Eckpfeiler für eine Erneuerung von Grund auf. Berlin, Juni 2000. Internet-Dokument: www.bundeswehr.de.

(FN50) Siehe Weisswange: Schwelle, S.15. Siehe weiterhin Jackwerth, Christoph: Ökonomische Aspekte eines Vergleiches unterschiedlicher Wehrsysteme. In: ÖMZ 4/1998, S.375ff.

(FN51) Zitiert aus: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.): Wehrpflicht oder Berufsarmee. Bonn, März 1996, S.5.

(FN52) Siehe Kommission: Bericht, RNr.93; BMVg: Eckpfeiler, RNr.60.

(FN53) Siehe hierzu und im Folgenden: Weisswange: Bundeswehr, S.81ff., bes.84ff. m. w. Nw.

(FN54) Siehe z.B. Spangenberg/Klein: Heimat, S.50; Spangenberg: Meinung, S.17ff. Nach einer jüngeren Umfrage wünschen sich immerhin 61% der Ost- und 41% der Westdeutschen eine Bundeswehr mit reinem Verteidigungsauftrag. Siehe Köcher: Kosovo, S.5.

(FN55) Diesbezüglich bietet sich geradezu eine Kooperation mit dem bundesweit organisierten "Verband der Reservisten der Deutschen Bundeswehr" an.

(FN56) Das österreichische Bundesheer hält Umgliederungspläne für den Assistenzeinsatz bereit, die es erlauben, Bataillone unterschiedlicher Truppengattungen mit kurzer Vorbereitungszeit in einen entsprechenden wirkungsvollen Verband umzugliedern.

(FN57) Siehe nur: BMVg: Bestandsaufnahme, S.20.

(FN58) Siehe zum deutschen Standpunkt BMVg: Weißbuch 1994, RNr.308; wohl auch BMVg: Bestandsaufnahme, S.12.

Jan-Phillipp Weisswange, M.A.

Geb. 1972; Oberleutnant der Reserve; 1993-1997 Studium der Politikwissenschaften, Neueren und Neuesten Geschichte und Rechtswissenschaften (Öffentliches Recht) an der Albert-Ludwigs-Universität/Freiburg, Abschluss als Magister Artium (M.A.); seit Oktober 1997 Promotion am Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI) der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn; seit März 2000 Volontariat bei der Zeitschrift "Visier"; Praktika bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Politische Nachrichtenredaktion) und bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (Forschungsgruppe III).



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