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Meilensteine des Österreichischen Bundesheeres

1956

Sicherungseinsatz an der Staatsgrenze zu Ungarn nach der sowjetischen Invasion - erster Einsatz von Soldaten des Bundesheeres im Inland.

Dem 1955 gegründeten Bundesheer war keine Aufbauphase gegönnt. Im Herbst 1956 - nur ein Jahr nach dem Abzug der Alliierten - gab es zwar noch keine Rekruten und keine Luftwaffe, wohl aber schon einen Schießbefehl auf "sowjetrussische Einheiten". Denn die junge Republik war durch die Ungarn-Krise bedroht.

Seit 1948 war Ungarn eine so genannte "Volksrepublik". Ab dem 23. Oktober 1956 rebellierten die Ungarn gegen die kommunistische Zwangsherrschaft. Nach anfänglichem Zögern entschied sich der russische KP-Chef Nikita Chruschtschow zur Niederschlagung des Aufstandes. Den Ausschlag dürfte gegeben haben, dass in jenen Tagen Briten, Franzosen und Israelis gemeinsam Ägypten angriffen.

Die österreichische Bundesregierung reagierte - ganz anders als bei der CSSR-Krise zwölf Jahre später - mit aller Entschlossenheit. Am 26. Oktober wurde ein offizieller Appell an die Sowjetunion gerichtet, die Kampfhandlungen einzustellen. Außenminister Leopold Figl überreichte den Appell an den neuen sowjetischen Botschafter Sergej J. Lapin gleichzeitig mit dem Beglaubigungsschreiben. Figl erklärte auch, dass Österreich alle Maßnahmen ergriffen hätte, um seine Neutralität und sein Territorium zu schützen. Außerdem, so Figl, hätte das Bundesheer einen Schießbefehl und würde beim Übergreifen von Kampfhandlungen auf österreichisches Gebiet von der Waffe Gebrauch machen. Zehn Minuten nach dem Abtritt des Sowjet-Botschafters im Außenamt waren auch die Botschafter der drei westlichen Staatsvertragssignatare angetreten.

Ab dem 27. Oktober häuften sich die Grenzübertritte. Deshalb wurde am Tag darauf eine "Sperrzone" verfügt und die Grenze mit rot-weiß-roten Fähnchen gekennzeichnet. Es war der erste, erfolgreiche Einsatz der "Nachrichtengruppe" des Heeres, dem späteren Heeresnachrichtenamt. Den Spähern gelang es trotz der noch mangelhaften Ausrüstung, ein exaktes Lagebild aus Ungarn zu liefern.

Sowjetpanzer an der Grenze

Dieses Lagebild war an Dramatik nicht zu überbieten. Am 27. Oktober titelte der "Kurier": "Seit heute früh: Panzerlärm an der österreichischen Grenze." Die sowjetischen Truppen waren durch Kräfte aus der CSSR und der Ukraine verstärkt worden. Den Sowjets war es unter schweren Verlusten gelungen, bis zur österreichischen Grenze vor zu dringen. Dort erwarteten ungarische Freiheitskämpfer die Entscheidungsschlacht. Dramatik verbreitete auch der ungarische Rundfunk: "Schießt nicht auf Ärzte und Krankenschwestern. Schießt nicht auf die Krankenwagen, schießt nicht auf die Feuerwehr!" Die größten Rundfunk- und Fernsehanstalten schickten ihre Korrespondenten nach Nickelsdorf, um einen Blick über die Staatsgrenze zu werfen. Ungarn bot sich "neblig und lichtlos wie eine riesige Totenkammer", berichteten sie. Denn in Ungarisch-Altenburg hatten ungarische Polizisten in einer Menge friedlicher Demonstranten mit Maschinenpistolen und Handgranaten ein Blutbad angerichtet. 80 Menschen starben, Hunderte wurden verletzt. Ungarische Sanitätsfahrzeuge kamen bei Nickelsdorf über die Grenze und wurden mit Blutkonserven und Medikamenten beladen. Ein Reporter berichtete: "Einen Meter weit auseinander stehen die schwer bewaffneten Soldaten Ungarns und Österreichs. Sie nicken sich freundlich zu." Am 26. Oktober waren nämlich die ersten Bundesheereinheiten alarmiert und in Marsch gesetzt worden. Bis zum 13. November wurde unmittelbar an der Staatsgrenze eine Stärke von 2 740 Soldaten erreicht. "Ich hatte damals im Cafe Forstig in Mattersburg meinen Gefechtsstand", erinnerte sich später Oberstleutnant Karl Wohlgemuth. Durch ihre Sehschlitze beobachteten die Aufklärer aus Hörsching die Bewegungen sowjetischer Panzer auf der anderen Seite. "Es war das erste Mal, dass wir den neuen T-54 zu Gesicht bekamen." Drei Gruppen wurden gebildet. Die Gruppe I hatte den Auftrag, im Falle eines Eindringens von Sowjeteinheiten einen hinhaltenden Kampf Richtung Wien zu führen und die Donaubrücken zu sprengen. Die Gruppe II sollte kämpfend auf den Raum Klagenfurt zurück gehen, die Gruppe III aus Salzburg an der Enns abriegeln.

Vorerst galt es aber zu verhindern, dass Kampfhandlungen auf Österreich übergriffen. So wie dies etwa bei Hatvan passiert war, wo sowjetische Truppen von ungarischen Freiheitskämpfern über die CSSR-Grenze abgedrängt wurden. Außerdem musste verhindert werden, dass sich bewaffnete Verbände der Ungarn in Österreich sammelten. Das hätte zweifellos einen sowjetischen Einmarsch provoziert.

Das Bundesheer unterstützte auch die Entladung von Hilfsgütern am Flughafen Wien-Schwechat und richtete Flüchtlingslager in Kleßheim sowie in der Stift-Kaserne in Wien ein.

180 000 Ungarn flüchten. Darunter auch Soldaten der Honved, die entwaffnet werden mussten. Für sie wurden Internierten-Sammelstellen gemäß der Haager Landkriegsordnung von 1907 errichtet.

Propaganda

Gegen Österreich führte die Sowjetunion einen Propagandakrieg. Laut Radio Moskau wären vom Flughafen Wien-Schwechat unter dem Deckmantel von Hilfslieferungen Waffen nach Ungarn gebracht worden. Wien sei der Herd und Salzburg das Zentrum der ungarischen Emigration, und Österreich hätte damit seine Neutralität verletzt. Als Zeugen wurden österreichische Journalisten genannt. Und zwar die von der kommunistischen Volksstimme. Dieses Zentralorgan der KPÖ löste mit seiner Sowjet-Propaganda Unruhe unter der Bevölkerung aus. Es kam zu Hamsterkäufen. Die Regierung ließ das Blatt beschlagnahmen. Die Staatsanwaltschaft Wien erhob Anklage wegen "Aufruhr und Hochverrat".

Die österreichischen Maßnahmen an der Grenze wurden von den Sowjets aber respektiert. Am 7. November 1956 berichtete eine große österreichische Tageszeitung: "Peinlich achten die russischen Soldaten die österreichische Grenze. Noch nirgends ist es zu Zwischenfällen gekommen, weil sich die Sowjets in der Regel nur auf einen Kilometer dem Grenzstreifen nähern." Es kam nur zu irrtümlichen Luftraumverletzungen durch sowjetische Maschinen. So wurden über Gleisdorf in der Oststeiermark - 70 Kilometer von der Grenze entfernt - Flugzettel abgeworfen. Sie waren für die ungarische Bevölkerung bestimmt. Am 13. Dezember überschritt ein sowjetischer Soldat bei Andau die österreichische Staatsgrenze, zog sich aber bald wieder zurück. Bei Szent Gotthard stellten die Kommunisten Lautsprecher an die Grenze, und forderten die nach Österreich geflüchteten Arbeiter einer Seidenfabrik zur Rückkehr auf. Die Grenze zu überschreiten wagten sie nicht.

Ein Zwischenfall

Die Lage schien sich zu entspannen und am 23. November wurde der Befehl zur Reduzierung der Kräfte gegeben. Am gleichen Tag drangen aber bei Rechnitz drei sowjetische Soldaten auf österreichisches Staatsgebiet vor und versuchten, ein junges Mädchen zu berauben und zu vergewaltigen. Ein Russe wurde von Gendarmeriebeamten erschossen, einer festgenommen, der dritte konnte fliehen. Zur allgemeinen Beruhigung und zum Schutz der Bevölkerung wurde ein Zug des Infanteriebataillons 2 eingesetzt.

Der Grenzeinsatz geht weiter

Am 24. Dezember verlegte das Feldjägerbataillon 13 als letzter Verband zurück in die Heimatkaserne. Es kam aber am neuen "Eisernen Vorhang" ständig zu Zwischenfällen. Deshalb reiste im Jänner 1957 eine Delegation von Bürgermeistern nach Wien zu Verteidigungsminister Ferdinand Graf, um Soldaten für die Grenze zu fordern. Denn ungarische Grenzsoldaten hatten - mit Maschinenpistolen feuernd - bei Nikitsch auf österreichischem Gebiet eine Gruppe von Flüchtlingen verfolgt und nach Ungarn zurück verschleppt. Darauf hin wurden Soldaten zur Unterstützung der Zollwache abgestellt. Der Grenzeinsatz wurde erst am 23. April 1957 offiziell beendet.

1964 - …

Friedenserhaltender UN-Einsatz auf Zypern vor, während und nach der türkischen Invasion 1974 (drei Österreicher bei Jagdbomberangriff gefallen).

"Von der einen Seite feuern türkische Soldaten mit Sturmgewehren. Von der anderen Seite fliegen Stahlkugeln griechischer Demonstranten. Dazwischen stehen Österreicher mit Vollvisierhelm und Schlagstock." So fasste der "Kurier" die dramatischen Szenen von Zusammenstößen zwischen griechischen Zyprioten und der türkischen Armee 1996 beim "Observations Point 142" in Dherinia zusammen - von einer UNO-Mission (UNFICYP), die zu Unrecht als "Sunshine-Mission" verunglimpft war.

Die Mission begann im März 1964. Diesmal ging es nicht um die Bewahrung der staatlichen Souveränität wie 1956 an der ungarischen Grenze, sondern um die außenpolitische Positionierung Österreichs. Österreich wollte den Südtirol-Konflikt vor die UNO bringen. Um in New York bessere Chancen zu haben, wurde 1960 ein Feldspital in den Kongo geschickt, das den dortigen UNO-Einsatz unterstützte. 1964 erinnerte sich UNO-Generalsekretär U-Thant an die ausgezeichneten Erfahrungen, die man mit den Österreichern gemacht hatte, und ersuchte auch um die Entsendung eines Infanteriebataillons für die bürgerkriegsgeschüttelte Mittelmeerinsel Zypern. Das erschien der Regierung in Wien doch etwas zu kühn, nur sieben Jahre nach der Gründung des Bundesheeres wäre das schon der erste bewaffnete Auslandseinsatz gewesen. Man entsandte lieber wieder das bewährte Feldspital in der Stärke von 54 Mann. Dieses nahm in einem früheren Internierungslager für Kämpfer der EOKA (eine paramilitärische Organisation griechischer Zyprioten) 20 Kilometer westlich von Nikosia seinen Betrieb auf - und bestätigte erneut seinen international guten Namen.

Nachdem Irland seine Truppen reduzierte, wurde 1972 schließlich doch ein Infanteriebataillon mit 270 Mann in Marsch gesetzt. Immerhin hatte das Bundesheer schon Jahre lang ein "Stand-by Battalion" für Auslandseinsätze ausgebildet und ausgerüstet. Dessen Soldaten hätte eine Weigerung der Regierung tief enttäuscht. Außerdem war der UNO-Generalsekretär Kurt Waldheim ein Österreicher. Das Vorkommando wurde am 24. März 1972 nach Limassol in Marsch gesetzt. Ab 3. Mai kontrollierten die Österreicher den District Paphos.

Dramatische Monate

Der Ausbruch des Yom Kippur-Krieges 1973 erforderte die rasche Verlegung von Soldaten nach Ägypten. Quasi über Nacht, ohne besondere Vorbereitung und Spezialausrüstung verlegten 205 österreichische UNFICYP-Soldaten in den Sinai - und legten damit den Grundstein für die weltweit erfolgreichste UNO-Mission am Golan. Rasch wurde UNFICYP durch Freiwillige aus der Heimat wieder auf den vollen Stand gebracht. Den "Geckos", wie Neulinge bei der UNO genannt werden, standen aber dramatische Monate bevor. Während der türkischen Invasion 1974 gerieten sie zwischen die Fronten: Auf der einen Seite ein türkischer Bunker, auf der anderen die Stellungen der griechischen Nationalgarde. Die Österreicher brachten den Türken weiße Leintücher, damit diese die weiße Fahne hissen konnten. Es gelang ihnen auch, 830 "Turkish Fighters" zu entwaffnen und gegen Übergriffe der Griechen zu verteidigen.

Österreicher gerieten vorübergehend in türkische Gefangenschaft und wurden erst nach massiven Interventionen wieder frei gelassen. Tragisch endete aber ein Vermittlungsversuch in Goshi am 14. August 1974: Ein türkischer Jagdbomber griff eine österreichische Patrouille mit Napalm an. Oberleutnant Johann Izay, Oberwachtmeister Paul Decombe und Korporal August Isak starben, Gefreiter Franz Sattlecker überlebte knapp.

Demos und Provokationen

Die Überwachung der minenverseuchten Pufferzone war in den folgenden Jahren ein Knochenjob. Besonders gefürchtet waren die griechischen Motorrad-Demos, bei denen es immer zu massiven Provokationen gegen türkische Soldaten kam. Delikat war hingegen die Situation in der gemischten Ortschaft Pyla. Dort besetzten all die Jahre Österreicher einen Wachturm am Hauptplatz. Ihre Rolle war die des Schiedsrichters oder "Oberbürgermeisters", wenn sich der türkische und der griechische Bürgermeister nicht einigen konnten.

1995 wurde UNFICYP durch 107 ungarische Soldaten verstärkt, 1997 kamen auch slowenische Soldaten dazu. Das war nicht nur eine Entlastung für Österreich, sondern auch die erste Gelegenheit für Teile der Streitkräfte des ehemaligen Warschauer Paktes und der ehemaligen Jugoslawischen Volksarmee, Erfahrungen bei internationalen Einsätzen zu sammeln.

"Time to say good bye"

Am Montag, dem 18. Juni 2001 um 18 Uhr spielte die britische Militärmusik "Time to say good bye". So mancher hartgesottener "Krieger" hatte Tränen in den Augen. Nach 37 Jahren Friedensarbeit war die Zeit zum Abschied gekommen. Österreich wurde durch EU-, NATO- und UNO-Missionen am Balkan und in Afghanistan gefordert, das Truppenkontingent in Zypern musste aus budgetären Gründen eingespart werden. Die Zyprioten bedauerten es sehr: "Die Österreicher sind keine Raufer wie die Briten und geben viel Geld aus." Es kehrten dann auch nicht alle heim. Ein Unteroffizier blieb da, um einen Reptilienzoo zu betreiben. Ein Hauptmann bietet nun in seinem kleinen Privathotel den europäischen Computerführerschein an. Und ein Wachtmeister aus Ried/Innkreis hinterließ einer UNO-Polizstin aus Australien ein Flugticket nach Wien. Denn nach Einsatzende wollte sie nicht heimkehren, sondern in Ried eine neue Heimat finden.

1968

Bereitstellung nach Alarmierung während der Niederschlagung des "Prager Frühlings" durch Truppen des Warschauer Paktes.

Nachdem 1956 das Bundesheer ein Übergreifen von Kämpfen an der ungarischen Staatsgrenze verhindern musste, war es zwölf Jahre später schon wieder soweit: 1968 entschloss sich die Kreml-Führung, die "sanfte Revolution" des Alexander Dubcek in der Tschechoslowakei (CSSR) militärisch zu beenden.

Mit acht sowjetischen Divisionen aus Deutschland, fünf Divisionen aus dem Militärbezirk Karpaten, einer Luftlandedivision aus Leningrad und Teilen der vier Divisionen in Ungarn, sowie vier polnischen, zwei ungarischen und Teilen einer bulgarischen Division - insgesamt 460 000 Soldaten - drang der Oberkommandierende des Warschauer Paktes, Marschall Jakubovsk, in die CSSR ein. Als in der Nacht zum 21. August Grenzlandbewohner das Rasseln russischer Panzer von drüben hörten, reagierten sie entsetzt und überrascht. Weniger überrascht war man beim Österreichischen Bundesheer. Es war die einzige Armee der westlichen Hemisphäre, die Dank des Heeresnachrichtenamtes schon frühzeitig auf den Überfall vorbereitet war. Dem Heeresnachrichtenamt war nämlich nicht entgangen, dass die offiziell angekündigte Versorgungsübung "Memel/Njemen" vom 23. Juli bis 10. August und zwei ebenfalls angekündigte Luftverteidigungsübungen in der Ostsee und in der Sowjetunion zur Verschleierung des Aufmarsches für eine Invasion dienten. Diesmal gab es aber im Gegensatz zur Ungarn-Krise keine Sicherheitsgarantien der westlichen Allierten. Schon am 29. März 1968 holte sich Generaltruppeninspektor Erwin Fussenegger in einem Gespräch mit dem US-amerikanischen Unterstaatssekretär Fred Wyle bezüglich einer NATO-Unterstützung gegen einen sowjetischen Angriff eine klare Abfuhr. In Vietnam wären starke Kräfte gebunden, die NATO habe Strukturprobleme, und Österreich sei als neutraler Kleinstaat alleine für seine Sicherheit verantwortlich. Die NATO wäre für einen Einsatz auch nicht vorbereitet gewesen. Laut einer Analyse des Heeresnachrichtenamtes war zu Beginn der CSSR-Invasion bei den insgesamt 26 Divisionen vorerst überhaupt keine Reaktion feststellbar. Die militärische Aktivität beschränkte sich dann auf verstärkte Aufklärungstätigkeit der 7. (US) Armee in der BRD im Grenzbereich zur CSSR. Beim IV. italienischen Korps in Bozen wurden der Bereitschaftsgrad erhöht und Alarmübungen angeordnet. Aus den USA verlegte eine Staffel "Phantom"-Jagdbomber in die BRD und die Türkei und Griechenland verstärkten in einer historisch seltenen Einigkeit ihre Sicherungsmaßnamen gegenüber Bulgarien.

Das war´s. Für einen eventuellen Einsatz in Österreich waren keine Truppen vorgesehen.

Unter diesen Rahmenbedingungen wurde die Verteidigung der Staatsgrenzen geplant und vorbereitet. Tausende rot-weiß-rote Fähnchen zum Markieren der Staatsgrenze wurden gedruckt und schweres Gerät auf Truppenübungsplätze ausgelagert. Auch Sicherungsräume wurden detailliert erkundet. Am 24. Juli war der Operationsplan mit dem Decknamen "Urgestein" fertig.

An die Nacht zum 21. August erinnerte sich später die damals 57-jährige Hausschneiderin Maria Kunstmann aus Linz mit Schaudern. "In dieser Nacht war ich bei Freunden in Haslach im Mühlviertel - gegen sechs Uhr früh haben plötzlich die Feuerwehrsirenen geheult. Wir sind auf die Straße gelaufen, da hieß es: Jetzt kommen die Russen." Der Rest war nackte Angst: "Wir sind im Haus gesessen und haben auf das Bundesheer gewartet - aber es kam nicht." Es konnte nicht kommen, weil die Generäle mit der Suche nach den Ministern beschäftigt waren. Denn gerade als es los ging, war die Regierung auf Urlaub. Oder gerade deswegen? Brigadier Johann Freihsler im Verteidigungsministerium dauerte die Ministersuche zu lange. Er löste um 3 Uhr 30 die Operation "Urgestein" aus. Die 3. Panzergrenadierbrigade aus Mautern, die 4. Panzergrenadierbrigade aus Ebelsberg und die 1. Jägerbrigade machten sich auf den Marsch zur Staatsgrenze.

Wo waren die Politiker?

Innenminister Franz Soronics konnte inzwischen in einem Hotel in Tirol erreicht werden. Verteidigungsminister Georg Prader wurde von einem Gendarmen in seinem Sommerhaus am Erlaufsee aufgespürt. Bundeskanzler Josef Klaus wurde vom damaligen Sekretär Thomas Klestil aus seinem Sommerhäuschen in Wolfpassing im Tullnerfeld geholt. Der seinerseits fand den Bundespräsidenten Franz Jonas in seinem Sommersitz in Mürzzuschlag. Alle mussten nun rasch "einrücken". Nur Vizekanzler Hermann Withalm durfte für den Fall, dass die Regierung gewaltsam ausgeschaltet würde, als Personalreserve in seinem Domizil in Gösing bleiben. Wohl in der Annahme, dass die Russen Gösing nicht so rasch finden würden. Im Kommandoraum im Innenministerium wurde in den Vormittagsstunden eine Art Regierungssitz eingerichtet. Inzwischen marschierte aber auch der Sowjet-Botschafter Boris Bozderob bei Kanzler Klaus mit ein paar handfesten Drohungen auf.

Die "Prader-Linie"

Daraufhin wurde die Parole ausgegeben: "Den russischen Bären nicht reizen". Damit war der ausgefeilte Operationsplan "Urgestein" mit einem Schlag Altpapier. Prader legte seine berühmte "Prader-Linie" fest. Ein Streifen im Abstand von 30 Kilometern zur Staatsgrenze, die das Heer nicht überschreiten dürfe. Dadurch kam die 1. Jägerbrigade im Raum Großenzersdorf - Mistelbach - Hollabrunn zum Stehen. Die 3. Panzergrenadierbrigade lagerte in den Wäldern von Allentsteig, Zwettl und Horn. Die 4. Panzergrenadierbrigade ging zwischen Unterweissenbach, Freistadt, Hellmonsödt und Neufelden in Stellung. Damit war es auch wertlos, dass die Post schon die Telefonleitungen zu den vorgesehenen Gefechtsständen verlegt hatte. Denn da wären die Stäbe vor den eigenen Truppen gelegen. Auch die Grenzschutzkompanien wurden nicht einberufen. Scharenweise hatten sich die Reservisten bei ihren Kasernen eingefunden. Einige hatten den Italien-Urlaub abgebrochen und waren die ganze Nacht durchgefahren - um dann wieder weggeschickt zu werden.

Damit war der gesamte Grenzraum zwar wehrlos, doch wenigstens die Schlüsselstellen sollten gehalten werden. General Otto Seitz ordnete den Einsatz von Fliegerabwehreinheiten auf den wichtigsten Flugplätzen an. Denn die Sowjets hatten die Invasion der CSSR mit Luftlandeunternehmen begonnen.

Am zweiten Tag der Invasion herrschte im Krisenstab im Innenministerium ernsthafter Invasionsalarm. Als beunruhigend wurden schon sowjetische Frachtkähne mit Panzerersatzteilen gewertet, die auf der Donau vor Anker lagen. Außerdem hatte eine ungarische Staatsfirma fast 1 000 Tonnen Fleisch in Kühlhäusern in Wien, Linz und Salzburg gelagert. War es bereits die Truppenverpflegung für zwei Panzerdivisionen, die sich im Raum Pressburg bereit hielten? Nun hieß es aber auch noch in einem Bericht des Heeresnachrichtenamtes in typischem Beamtendeutsch: "Die Ereignisse des 23. und Zuführung weiterer Truppen des Warschauer Paktes, Truppenansammlungen in Ungarn und systematische Luftaufklärung über Österreich deuten darauf hin, dass es sich bei der Invasion in der CSSR nicht um einen Einzelvorgang handelt, sondern um einen Teil eines Ganzen, wobei darunter eine Gesamtlösung für Ost- und Südosteuropa im sowjetischen Sinne zu verstehen ist." Oder mit anderen Worten: Es wurden wesentlich mehr Truppen in Marsch gesetzt, als für eine Besetzung der CSSR erforderlich waren. Daher hätte mit einem Stoß durch Österreich das blockfreie Jugoslawien besetzt und gleichzeitig das stets widerwillige Rumänien diszipliniert werden können. Bundeskanzler Josef Klaus verhängte eine Informationssperre und ließ auch bei der 9. Panzergrenadierbrigade scharfe Munition ausgeben.

Im September beruhigte sich zwar die Lage. Bundeskanzler Klaus verfügte aber eine Verlängerung des Präsenzdienstes der abrüstenden Rekruten bis zum 21. Oktober.

Der Überfall auf die CSSR veränderte das geostrategische Weltbild. Nun standen auch in der CSSR starke Verbände der Roten Armee, was vorher nicht der Fall war. Gleichzeitig wurden die Truppen in Ungarn und Polen massiv aufgestockt. Dadurch reduzierte sich die militärische Vorwarnzeit für die NATO von sechs Tagen auf 48 Stunden.

Österreich blieb von einer Invasion nur verschont, weil sich die Tschechoslowakische Volksarmee (CVA) passiv verhielt. Wären CVA-Verbände auf österreichisches Gebiet ausgewichen, hätten die Sowjets ihre Einmarschvorbereitungen zweifellos umgesetzt.

Folgen für das Heer

In Österreich entlud sich der Frust der Bevölkerung über den zögerlichen Heereseinsatz nicht über die verantwortlichen Politiker, sondern über das Bundesheer. SPÖ-Chef Bruno Kreisky, der während der August-Krise gegen den Heereseinsatz opponiert hatte, meinte plötzlich zu wissen, dass das Bundesheer für die Verteidigung der Staatsgrenze gar nicht geeignet sei. Er ging 1970 mit dem Slogan "Sechs Monate sind genug" in den Nationalratswahlkampf und gewann.

1974 - …

Friedenserhaltender UN-Einsatz zur Überwachung des Waffenstillstandes zwischen Syrien und Israel.

"Was wir tragen konnten, haben wir ins Auto geschmissen, und dann ging es los." Mit diesen Worten beschreibt Vizeleutnant Werner Zofal den Beginn des bisher umfangreichsten Auslandseinsatzes des Österreichischen Bundesheeres. Und es war gleichzeitig der Beginn der längsten und erfolgreichsten Mission der UNO.

Begonnen hatte alles am 2. Juni 1974 auf der Halbinsel Sinai, als ein österreichisches Bataillon überraschend den Befehl bekam, die 650 Kilometer entfernten Golanhöhen "in Besitz" zu nehmen. "Operation Concorde" wurde das abenteuerliche Unternehmen genannt, in der die 179 Mann mit 53 Kraftfahrzeugen den langen Marsch durch die Wüste bewerkstelligten.

Es war der Höhepunkt des "Yom Kippur-Krieges". Zuvor hatten die Israelis einen Überraschungsangriff von Ägypten, Syrien und Jordanien erfolgreich abgewehrt. Nun standen sie 30 Kilometer vor Damaskus. Vor allem die USA hatten ein Interesse daran, dass nicht wegen Damaskus der gesamte Nahe Osten in Brand geriet. In zähen Verhandlungen gelang es dem US-Außenminister Henry Kissinger, die Israelis zu einem Waffenstillstandsvertrag und zum Rückzug auf die Positionen von 1967 zu bewegen. Die Österreicher sollten gemeinsam mit einem peruanischen Bataillon die israelische und die syrische Armee trennen.

Ein unwirtliches Hochplateau

Die Soldaten marschierten in ein brennendes und unwirtliches Hochplateau. Und hatten dort ohne besondere Zusatzausrüstung zu überleben. Sie hausten in Kriegsruinen der Ortschaft Khan Arnabe und freuten sich einige Wochen später, als sie die ersten Zelte bekamen.

Dann musste der Auftrag der Truppentrennung durchgeführt werden. Festgelegt wurden die Alpha-Line im Westen, hinter die sich die Israelis zurück ziehen sollten und die Bravo-Line im Osten für die syrische Armee. Dazwischen liegt die "Area of Separation" - die Truppentrennungszone - die von UNDOF zu überwachen ist. Klar war, dass die beiden Linien so weit voneinander entfernt sein mussten, dass die beiden Streitparteien keinen Sichtkontakt hatten. Nur so konnte auch die irrtümliche Auslösung eines neuerlichen Krieges zu verhindern sein.

Tödliche Minen

Die Österreicher fungierten als "Pfadfinder", und wiesen die Kampfverbände auf beiden Seiten in ihre Linien ein. Und da liegen sie heute - mehr als 30 Jahre danach - noch immer. Knapp vor Ende der Trennungs-Operation kam es zu einem tragischen Zwischenfall. Am 25. Juni 1974 fuhr eine österreichische Patrouille bei der Suche nach einem abgestürzten israelischen Piloten am Berg Hermon auf eine Mine. Zugsführer Hans Hofer, Korporal Helmut Sturm, der Gefreite Neuhauser und der Wehrmann Alija Voloder fanden den Tod. Es waren die ersten Toten bei einem Auslandseinsatz - und es sollten leider nicht die letzten sein.

Es gab verschiedene Partner der Österreicher. Erst die Finnen, die dann von Iranern abgelöst wurden. Die verschwanden während der iranischen Revolutionswirren 1979. Kanadier besorgten den Nachschub, Japaner kamen dazu. Dazwischen waren auch die Polen da. Die Österreicher wurden 1998 schließlich durch eine slowakische Kompanie verstärkt, die den Mittelabschnitt übernahm.

"Family Meetings"

Die Österreicher genießen aufgrund ihrer strikten Neutralität die Anerkennung beider Seiten. So war es etwa der damalige österreichische Force Commander, Generalmajor Hannes Philipp, der 1975 die "Familiy Meetings" ausverhandeln konnte. Seit damals treffen sich getrennte Drusen-Familien alle zwei Wochen am israelisch-syrischen Stacheldrahtverhau.

Unerwartete Zusammenhänge

Innerhalb von 30 Jahren versahen 24 000 Österreicher Dienst am Golan. Dass die Ursache für ihr Engagement indirekt in der Südtirol-Krise der sechziger Jahre zu suchen ist, wissen nur die wenigsten. Diesen überraschenden Schluss zog der Militärhistoriker Erwin A. Schmidl nach intensiven Forschungen.

Demnach wollte Österreich 1960 durch die Entsendung eines Feldspitals in den Kongo bei der UNO seine Position gegenüber Italien in der Südtirolfrage stärken. Was auch gelang, denn 1972 trat das "Südtirolpaket" in Kraft.

Dass dieses Feldspital von der UNO kurz darauf auch für Zypern angefordert wurde, dort zum Infanteriebataillon mutierte und über den Umweg Sinai gleich weiter auf den Golan marschierte, war so nicht geplant. Es hat aber den außenpolitischen Stellenwert Österreichs auch im Nahen Osten beträchtlich erhöht.

1976

Assistenzeinsatz nach dem Einsturz der Wiener Reichsbrücke: Pioniere helfen bei Bergungsarbeiten und errichten eine Behelfsbrücke über die Donau.

Am 1. August 1976 sah sich das Bundesheer urplötzlich mit einem neuen Gegner konfrontiert: Mit dem "Zahn der Zeit". Der war es nämlich, der die Reichsbrücke um 04 Uhr 43 in den Fluten der Donau versenkte.

Ein zweiundzwanzigjähriger Pkw-Lenker starb. Ein passagierloser Gelenksbus der Wiener Verkehrsbetrieb stürzte ebenfalls ab, doch der Lenker konnte unverletzt geborgen werden. Ein rumänisches Passagierschiff und das DDSG-Schiff "Passau" wurden durch herabstürzende Trümmer beschädigt.

Die Folgen waren gravierend. Kaisermühlen war mit einem Schlag abgeschnitten. Die Telephone waren gestört, es kam zu ersten Problemen, vor allem bei der medizinischen Versorgung. Außerdem war die Wasserstraße Donau blockiert. Bedingt durch Niedrigwasser war es auf der Donau schon vorher zu einem "Stau" von Frachtschiffen gekommen. Nun wurden sie angewiesen, bereits vor Budapest und vor Passau zu ankern.

Die Folgen waren vor allem für die VOEST gravierend. Denn sie war nun vom Nachschub mit Rohstoffen abgeschnitten. Die Produktion war gefährdet. Die Transporte von russischer Kohle und von Erz mussten auf die Bahn verladen werden. Auch die fertigen Produkte mussten nun auf der Straße transportiert werden.

Das Heer muss her

Also war klar: Das Heer muss her. Der Wiener Militärkommandant, Brigadier Karl Schrems, mutierte zum Brückenbauer. In ganz Europa wurden fertige Brückenbauteile gesucht. In drei Wochen sollten Pioniere ein erstes Provisorium fertig gestellt haben, über das zunächst die Straßenbahn eingleisig fahren könnte. Dann sollte die Brücke für das zweite Gleis geschlagen werden. Anschließend eine dritte für den Autoverkehr. Eine optimistische Prognose des Magistrats.

Mit Bergepanzern M-88 begannen Pioniere, die Brückenreste zu bergen. Große Teile wurden gesprengt. Ein Park musste gerodet, Dämme aufgeschüttet und Holzpfeiler errichtet werden. D-Brückengerät wurde aus der Pioniertruppenschule Klosterneuburg geholt. Auch aus Deutschland kamen 43 Tonnen D-Brückenteile. Das Verbindungsstück von der Auffahrt bis zum ersten Pfeiler hatte eine Länge von 103,7 Meter. Die Mittelteile wurden von Privatfirmen montiert. Knapp fünf Monate später, am 19. Dezember, konnte die Inbetriebnahme der Ersatzbrücke erfolgen.

Die Brückentragödie wurde auch von einem Spion ausgenutzt, der für den CSSR-Geheimdienst persönliche Umstände von wichtigen Persönlichkeiten auskundschaftete. Er schlich sich bei seinen Zielpersonen mit dem Vorwand ein, er käme im Rahmen des Reichsbrückeneinsturzes - wegen des gestörten Telefons. Der siebzigjährige, pensionierte Polizist wurde dafür zu einem Jahr Haft verurteilt.

Mehrfach verwendbare Brücken

Am 8. November 1980 wurde die neue Reichsbrücke eröffnet. Dennoch kam die Ersatzbrücke nicht zum alten Eisen. Beim Hochwasser des Jahres 2002 wurde sie in Niederösterreich gebraucht. Jetzt wartet das D-Brückengerät beim Militärkommando Niederösterreich auf seinen nächsten Einsatz. Möglicherweise als dringend benötigte Marchbrücke Richtung Bratislava. Aber darauf müssen sich die Behörden beider Seiten erst einigen.

1990 - …

Assistenzeinsatz an der Staatsgrenze zu Ungarn (und später zur Slowakischen Republik) zur Verhinderung illegaler Grenzübertritte nach Österreich.

Dass etwas in Bewegung war, merkten die Grenzlandbewohner im Burgenland, weil immer öfter Wäsche von der Wäscheleine im Garten verschwand. Weil nachts Menschen aus den Wäldern kamen, die nichts mehr anzuziehen hatten. Die lautlosen und unsichtbaren Bewegungen im Grenzgebiet waren der Beginn einer neuen Völkerwanderung. Außerdem wurde der Grenzstreifen nach dem Fall des "Eisernen Vorhanges" zunehmend zum Schmuggelpfad für kriminelle Ost-Banden. Wieder musste das Bundesheer - wie im Jahre 1956 während der Ungarnkrise - zum Einsatz an die burgenländisch-ungarische Staatsgrenze. Es ging nicht nur um die Bewahrung der inneren Sicherheit, sondern auch darum, außenpolitischen Schaden von der Republik abzuwenden. Denn ohne diesen Heereseinsatz wäre Österreich nie in den Schengen-Staatenbund aufgenommen worden.

Am 4. September 1990 brachte der damalige Innenminister Franz Löschnak (SPÖ) einen Antrag auf Assistenzleistung des Bundesheeres für den burgenländischen Abschnitt ein. Maximal zehn Wochen sollte der Einsatz dauern. Es begann ein Katz und Maus-Spiel mit den international agierenden Schlepper-Syndikaten. Die Menschenhändler suchten ständig neue Ausweichrouten und Schlupflöcher. Der Grenzeinsatz musste kontinuierlich ausgeweitet werden. Schlussendlich haben etwa 2 000 Soldaten die gesamte Staatsgrenze zur Slowakei und zu Ungarn zu verstärken.

Es kam zwar 1997 zum Aufbau einer eigenen Grenzgendarmerie. Den Bedarf an Soldaten entlang und hinter der Grenze verminderte das kaum, es ermöglichte aber eine zielführende Aufgabenteilung. Man kann von keinem Gendarmen verlangen, dass er sich zehn Stunden lang bei Schneeregen oder Gluthitze in eine Strohtriste oder in ein Gebüsch legt. Er soll ja seinen Dienst viele Jahre versehen. Wohl aber von Soldaten. Die haben es in der Ausbildung gelernt und werden nach sechs Wochen harten Dienstes wieder abgelöst. Gerade diese Methoden der Kleinkriegsführung haben sich am effektivsten gegen die slowakischen oder ungarischen Schleuserbanden erwiesen. Denn diese beobachten mit modernen Aufklärungsmitteln und einem Netz von Spionen jede Bewegung der Soldaten. Erst wenn sie sicher sind, dass sich "drüben" nichts rührt, schicken sie eine Autobusladung mit meist etwa 50 Personen los. Und geraten dann oft in einen gut getarnten Auffang-Hinterhalt. Ein Kompaniekommandant versuchte es einmal, so zu erklären: "Es ist jeden Abend wie bei einem Schachspiel mit einem unsichtbaren Gegner. Man weiß nie, welchen Zug er machen wird, man muss es erahnen." Man sieht nur die "Figuren" des unmenschlichen Spieles, die über die Weiten der ungarischen Puszta oder durch die March bewegt werden.

Der oft erbärmliche Zustand der Geschleppten ist für Rekruten und Kadersoldaten sehr belastend. Sie kommen aus allen Erdteilen, oft sind ganze Familien dabei, und wurden auf ihren langen Weg ihrer gesamten Habe beraubt. Im Vordergrund steht daher neben der amtsmäßigen Erfassung die Versorgung dieser Menschen.

Der Erfolg bestätigt aber die militärische Strategie, wurden doch seit Beginn des Grenzeinsatzes im Jahre 1990 bereits mehr als 82 000 illegale Grenzgänger aufgegriffen.

Ein harter, fordernder Dienst

Im Laufe der Jahre verbesserte sich die Zusammenarbeit mit der slowakischen und der ungarischen Exekutive, weil diese Staaten ebenfalls in die EU drängten. Daraus entwickelte sich eine neue Abhaltestrategie: Nicht mehr die Festnahme auf österreichischem Boden, sondern die Verhinderung des Übertrittes direkt an der Grenzlinie. Dafür ist es notwendig, die Bewegungen frühzeitig zu erkennen und an der Grenze einen Schützenriegel aufzuziehen. Gleichzeitig wird die zuständige Grenzpolizeistation der Nachbarn verständigt, die dann die illegalen Grenzgänger abzuholen hat.

Der Dienst ist hart und fordernd. Die sechs Wochen Grenzeinsatz sind meist rund um die Uhr mit Dienst ausgefüllt. Bei jedem Wetter. Es ist eine besondere Forderung für die Kommandanten, von denen sehr viel psychologisches Einfühlungsvermögen gefordert wird.

Der Grenzeinsatz wuchs sich im Laufe der Jahre zum "Dauerprovisorium" aus. Moderne Nachtsichtgeräte wurden angeschafft. Seit Oktober 1997 fliegen auch "Eulen": speziell nachtflug- und nachtsichttaugliche Hubschrauber, die von Stützpunkten im Waldviertel und im Südburgenland aus operieren. Gerettet war damit Österreichs Teilnahme am Schengener Abkommen. Dieses sieht den Abbau der Binnengrenzkontrollen der Mitgliedstaaten vor.

Dadurch entstandene sicherheitspolizeiliche Fahndungsdefizite sollen durch grenzüberschreitendes Agieren der Polizei und durch den Schengen-Fahndungscomputer SIS ausgeglichen werden. Der Aufbau einer Grenzgendarmerie ähnlich dem deutschen Bundesgrenzschutz kam aber schon allein wegen der absehbaren zeitlichen Begrenzung nicht in Frage, weil ja die östlichen Nachbarstaaten auch in einigen Jahren Schengen-Mitglieder sein werden. Auf der anderen Seite wurde aber der österreichische Grenzschutz von den Schengen-Mitgliedern besonders genau evaluiert. Besonders von Deutschland. Dank des Bundesheeres erfüllt Österreich die geforderten Schengen-Standards hervorragend - und ersparte sich gleichzeitig die Aufstellung eines eigenen Exekutivwachkörpers.

Die Kosten beliefen sich in den ersten zehn Jahren für das Bundesheer auf zusätzliche 5,6 Milliarden Schilling (ca. 410 Millionen Euro), die im Heeresbudget nicht berücksichtigt wurden. Zu Beginn des Grenzeinsatzes wurde gewarnt, dass die sechs Wochen bei der Ausbildung fehlen würden. Jetzt heißt es "Sechs Monate sind genug!" - inklusive Grenzeinsatz.

1991

Sicherungseinsatz an der Staatsgrenze zum ehemaligen Jugoslawien, um ein Übergreifen der Kampfhandlungen auf österreichisches Gebiet zu verhindern.

Es war eine gespenstische Stimmung bei den abendlichen Stabsbesprechungen der Militärakadmie während der Gefechtsübung 1991 in Feldkirchen bei Klagenfurt. Denn es stand eine zweite Lagekarte im Raum, die durch ein Tuch verhängt war. Nach dem Lagevortrag zur Übung - das Thema war Grenzverteidigung - wurde das Tuch gehoben. Slowenien, Istrien und Teile Kärntens waren zu sehen. Dann war zu hören: "Luftlandung der Jugoslawischen Volksarme im Raum ..., mech-Vorstoß folgte nach." Alle wussten: Während wir hier in Kärnten zwischen zig-tausenden Touristen am Höhepunkt der Fremdenverkehrssaison die Grenzverteidigung üben, herrscht ein paar Kilometer weiter im Süden Krieg. Mit allen Konsequenzen.

Es war der seit langem befürchtete Zerfall Jugoslawiens. Nach den Unabhängigkeitserklärungen Kroatiens und Sloweniens versuchten Teile der Jugoslawischen Volksarmee (JVA), die Hauptstadt Laibach, den Flughafen und die Grenzübergänge zu Österreich unter Kontrolle zu bekommen. Die slowenische Territorialverteidigung leistete heftigen Widerstand.

"Wo bleiben die ‚Draken‘?"

Die Lage spitzte sich täglich zu. Erste Granatsplitter schlugen auf österreichischer Seite ein. Ungehindert donnerte ein Suchoi-Aufklärer über Graz. Der steirische Landeshauptmann Josef Krainer, überzeugter "Draken"-Gegner, war plötzlich mit ausgebreiteten Armen im Fernsehen zu sehen und fragte: "Wo bleiben die ‚Draken‘?" Jugoslawische Bomber zogen ihre Schleifen diesseits der Grenze, wenn sie slowenischen Grenzkontrollstellen bombardierten. Und die Stimmung in der Kärntner Bevölkerung kochte über. Es kamen unverhüllte Drohungen: "Wenn sie (die übenden Soldaten des Bundesheeres; Anm.) glauben, sie können mit ihren Waffen nach dem Manöver ungehindert nach Norden abziehen...".

In der zweiten Übungswoche wurde scharfe Munition ausgegeben, es kam der Marschbefehl in einen Verfügungsraum. Doch der damalige Verteidigungsminister Werner Fasslabend weigerte sich, einen Einsatz nach Paragraph 2 des Wehrgesetzes anzuordnen. Deshalb rüsteten die Milizionäre zu Übungsende ab. Was blieb, war eine zusammengewürfelte und schlecht ausgerüstete Kampfgruppe aus Militärakademikern und Berufssoldaten.

Der Hintergrund für die extreme Zurückhaltung in Wien war erst später zu erfahren. Die Kriegsherren in Belgrad wollten ihren Soldaten gegenüber verschleiern, dass sie in einen Bürgerkrieg geschickt würden. Die Belgrader Propaganda sprach von einem bevorstehenden Angriff Österreichs. Daher wollte man im Verteidigungsministerium alle nach außen erkennbaren militärischen Schritte - insbesondere eine Teilmobilmachung - vermeiden, und beschränkte sich auf die präsenten Teile. Am 27. Juni wurde den Garnisonen Villach, Klagenfurt, Bleiburg, Wolfsberg, Strass, Radkersburg, Fehring, Leibnitz und Feldbach die Bereitschaft angeordnet. Ein Assistenzbataillon des Korpskommandos I in der Stärke von 800 Mann wurde in südsteirischen Garnisonen formiert. Ein zweites Bataillon wurde aus Soldaten der 3. Panzergrenadierbrigade gebildet. In der Nacht zum 28. Juni wurde die 3. Panzergrenadierbrigade per Bahntransport in Marsch gesetzt. Nach jahrelangen Verzögerungen konnte nun auch die Landebahn in Zeltweg verlängert und eine Plattform für ein mobiles Radar errichtet werden. Gleichzeitig gingen Fliegerabwehrkräfte um die Flugplätze Graz, Klagenfurt und Zeltweg in Stellung. Die scharf geladenen 35-mm-Zwillingsfliegerabwehrkanonen zwischen Touristen und Urlaubern boten ein eigentümliches Bild.

Rekruten an der Grenze

Am Abend des 28. Juni waren 3 500 Soldaten im Einsatz. An der Grenze wurden Demonstrationsfahrten mit Panzern durchgeführt, auch die Luftraumüberwachung mit "Draken" wurde intensiviert. Der viel geschmähte "Draken" erwies sich als äußerst wertvoll. Man kann sich heute noch bei der Luftraumüberwachung die gespeicherten Daten der zahllosen jugoslawischen Überflüge anschauen: Letztere brechen mit dem ersten "Draken"-Alarmstart abrupt ab. Nach dem Einsatz wurden ohne größere öffentliche Diskussionen "Sidewinder"-Lenkwaffen gekauft. Denn gegen die jugoslawische Luftwaffe mussten die "Draken"-Piloten noch mit Maschinenkanonen fliegen.

Ab der Nacht zum 29. Juni wurden die Grenzkontrollstellen mit Panzern und Minenriegeln gesichert und intensive Gefechtsaufklärung durchgeführt. In der Nacht zum 30. Juni wurden drei fremde Soldaten aufgegriffen und interniert. Daraufhin gab es eine Urlaubssperre für alle Soldaten. Gleichzeitig wurden die für eine eventuelle Mobilmachung verantwortlichen Verbände alarmiert. Dass gleichzeitig das Armeekommando und das Kommando der 1. Panzergrenadierdivision aufgelöst wurden, bekam die Öffentlichkeit kaum mit.

Am Höhepunkt der Krise standen 7 700 Soldaten mit 150 Ketten- und 60 Luftfahrzeugen im Einsatz. 1 250 Tonnen Munition wurden an die Grenze gekarrt. Der Einsatz wurde am 31. Juli offiziell beendet. Nach außen wurde das Ziel erreicht: Abwehrmaßnahmen ohne aufsehenerregende Vorbereitungen. Im Inneren war die Stimmung getrübt. Während die gut ausgerüsteten und ausgebildeten Milizsoldaten der 7. Jägerbrigade untätig in den Gastgärten saßen, mussten draußen Rekruten, von denen einige erst drei Wochen Ausbildung hinter sich hatten, einen gefährlichen Auftrag erledigen. Diese Situation dient seither bei der Diskussion um eine allfällige Berufsarmee als Argument für die Milizgegner, weil die Miliz eben nicht aufbietbar sei.

1996 - …

Einsatz von Soldaten des Bundesheeres in den Missionen IFOR, SFOR und KFOR zur Stabilisierung der Lage am Balkan.

Dass die innere Sicherheit Österreichs schon weit vor der Staatsgrenze geschützt werden muss, beweisen am augenscheinlichsten die Geschehnisse im Kosovo. Österreichische Soldaten verhindern dort gemeinsam mit NATO-Truppen ein Wiederaufflammen der Kämpfe - und damit neuerliche Flüchtlingswellen. Außerdem tragen sie bei, die organisierte Kriminalität in einigermaßen erträglichen Grenzen zu halten.

Nach 79 Tagen Luftkrieg hatte der serbische Präsident Slobodan Milosevic aufgegeben. Am 20. Juni 1999 zog der letzte serbische Soldat aus dem Kosovo ab. Der britische NATO-General Michael Jackson rückte - legitimiert durch ein UN-Mandat - mit einer Streitmacht von etwa 60 000 Mann und vielen schweren Waffen in die zerstörte Provinz ein. Der erste Schritt der NATO war die Entwaffnung der albanischen Guerillaarmee UCK.

Der österreichische Ministerrat beschloss den Einsatz eines 540 Mann starken Kontingentes. Am 8. Oktober 1999 übernahm AUCON/KFOR als "Task Force Dulje" die Verantwortung über ein Gebiet von 360 km² mit 70 000 Einwohnern im Bereich der Multinationalen Brigade Süd unter deutschem Kommando.

Die Zusammenarbeit mit den Deutschen gestaltete sich von Anbeginn bestens, obwohl es sich bei dem damaligen Kontingent um ein "Ossi-Bataillon" handelte, also großteils um ehemalige Soldaten der Nationalen Volksarmee der DDR (NVA), die nach der Wiedervereinigung in die Bundeswehr übernommen worden waren.

Neben den militärischen Aufträgen war es die erste wesentliche Aufgabe, die Landbevölkerung über den nahenden Winter zu bringen. An eine Selbstversorgung der soeben zurückgekehrten Flüchtlinge in den zerstörten Bauernhäusern war nicht zu denken. Die "Pandur"-Mannschaftstransportpanzer bewährten sich als "Essen auf Rädern" im unwegsamen Gebirge. Im österreichischen Sektor ist in diesem Winter kein einziger Kosovare verhungert oder aufgrund ärztlicher Unterversorgung gestorben. Von Anbeginn an wurden auch die NGOs (Non Governmental Organisations) im Distrikt Suva Reka unterstützt.

Die NATO hatte den Personalstand inzwischen auf 40 000 Mann reduziert. Die Truppe wurde später nochmals halbiert. Die Österreicher hingegen expandierten ständig. Die Gebietserweiterung begann bereits im Mai 2002, weil die Russen aus dem nördlichen Nachbarbezirk Malisevo ohne jegliche Vorwarnung abgezogen waren. Die Österreicher übernahmen den Krisenbezirk nicht nur zur Freude der NATO-Führung, sondern auch der Bevölkerung - denn die konnte sich mit den russischen Tschetschenien-Veteranen ohnehin nie richtig anfreunden. Diese waren aus Tschetschenien quasi zur "Erholung" in den Kosovo geschickt worden. Den Österreichern wurden im Laufe der Jahre verschiedenste Kontingente unterstellt: Schweizer, Slowaken, Deutsche und andere. AUCON wird auch in den französischen und den US-amerikanischen Sektor um Hilfe gerufen, wenn dort Not am Mann ist. AUCON/KFOR ist nun schon für 750 km² und 110 000 Einwohner verantwortlich. Dazu gehören nun auch "Hot Spots" wie die Serben-Enklave Novaki bei Orahovac.

Menschlichkeit und Entschlossenheit

Die Österreicher agieren mit ihrer angeborenen Mischung aus Menschlichkeit und Entschlossenheit. So werden Hausdurchsuchungen durchgeführt, ohne die Ehre der Bewohner zu verletzen. Der schonungsvolle Umgang mit den Menschen trägt Früchte. Als bei den März-Unruhen 2004 in Orahovac eine Eskalation drohte, stellte der Kontingentskommandant, Oberstleutnant Anton Willmann, kurzerhand den Bürgermeister und einige Gemeinderäte in seine Reihen. Die Aufrührer gingen wieder nach Hause.

Entschlossenheit zeigten die Österreicher, als es darum ging, den Waffenschmuggel aus Albanien über den türkischen Sektor nach Tetovo in Mazedonien zu unterbinden. Die Türken waren mit den Tragtierkolonnen im Hochgebirge nicht zurecht gekommen. Auch eine britische Operation scheiterte. Im April 2001 riegelten die Österreicher die 2 500 Meter hohen Berge mit Mannschaftstransportpanzern "Pandur" ab. Schon Tage zuvor hatten Spezialisten des Jagdkommandos die Schmuggelwege aufgeklärt.

In der Nacht zum 17. Juli geriet eine Schmugglerkolonne in den österreichischen Hinterhalt. Es begann ein Feuergefecht. Beide Seiten feuerten aber vor oder über die Stellungen der jeweiligen Gegner. Auch die albanischen Guerillas wollten niemand verletzen. Auf österreichischer Seite kamen Maschinengewehre und Panzerabwehrrohre 66 mit Leuchtmunition zum Einsatz. Nach zweieinhalb Stunden schwenkten die Rebellen die weiße Fahne. Mit Panzern am Berggipfel hatten sie nicht gerechnet. Die Österreicher nahmen zehn UCK-Kämpfer fest. Auf elf Tragtieren wurden sieben Sturmgewehre AK-47, 13 Nachtsichtgeräte, Zielhilfen für Granatwerfer, 72 Werfergranaten und große Mengen Infanterie-Munition sichergestellt. Die NATO feierte den bis dahin größten Waffenfund im Kosovo. Und von diesem Tag an fiel keine Werfergranate mehr auf Tetovo.

Wie die März-Unruhen zeigten, ist an einen Abzug noch lange nicht zu denken. Ein Land, in dem es kaum legale Arbeitsplätze gibt, wo trotz der zahlreichen Kleinbauern die Lebensmittel importiert werden müssen, ist nicht zu befrieden. Die Hoffungen liegen bei der Wirtschaft. Erst vor kurzem reiste Mag. Erwin Hameseder, Generaldirektor der Raiffeisenholding NÖ-Wien, in den Kosovo, um eine Milchgenossenschaft zu initiieren. Nach dem Bau einer Molkerei können die Bauern ihre Milch endlich verwerten. Raiffeisen stützt sich bei der Umsetzung vor Ort auf die CIMIC-Zelle (Civil Military Cooperation) von AUCON ab. Denn CIMIC wird in Zukunft erhöhte Bedeutung zukommen.

2002 - …

Einsatz von Soldaten des Bundesheeres in der Mission ISAF zur Stabilisierung der Lage in Afghanistan.

Es gibt Gegenden auf dieser Welt, da fällt Schlamm vom Himmel. Zum Beispiel in Afghanistan, wenn sich Regen in den Sandsturm mischt. Mit diesen Rahmenbedingungen sahen sich 71 österreichische ISAF-Soldaten konfrontiert, als sie im Jänner 2002 in der afghanischen Hauptstadt Kabul landeten. Spätestens bei diesem Einsatz zeigte sich: Entfernungen spielen im Zeitalter der Globalisierung keine Rolle mehr. Die innere Sicherheit Österreichs machte auch am fernen Hindukusch einen Truppeneinsatz notwendig. Denn von dort kamen unzählige Flüchtlinge. Auch die Hauptlieferanten von Heroin sind dort zu finden.

Nach den Anschlägen auf das World Trade Center und der erwiesenen Verwicklung der Terrororganisation Al Quaida hatte die US Air Force das Al Quaida-freundliche Talibanregime in Kabul in Grund und Boden gebombt. Die UNO verfügte daher am 21. Dezember 2001 den Einsatz der "International Security Assistance Force" ISAF. Sie sollte zumindest die Hauptstadt Kabul stabilisieren und ein sicheres Umfeld für eine afghanische Regierung schaffen - während US-Streitkräfte in den ländlichen Regionen den Antiterrorkampf fortsetzten. Der österreichische Ministerrat beschloss deshalb am 8. Jänner 2002 die Entsendung von Elitesoldaten des Zentrums Jagdkampf in Wiener Neustadt und des Jägerbataillons 25 in Klagenfurt. Diese Profis waren innerhalb weniger Stunden abmarschbereit.

Die Truppe kam in eine traumatisierte Stadt und übernahm dort den 10. Bezirk. Ab dem Einbruch der Dunkelheit herrschte sprichwörtliche Totenstille in Kabul. Die Menschen versteckten sich in den Häusern und wagten nicht einmal, Licht zu machen. Sie hatten Angst vor rivalisierenden Polizeibanden, die von Terror, Kidnapping und Erpressung lebten. Eine ISAF-Aufgabe war es, aus diesen marodierenden Banden eine funktionierende Polizeieinheit zu formen. Es war nötig, den schlecht bezahlten Polizisten zu erklären, dass man Zivilisten nicht berauben und nicht ohne Grund schlagen darf. Und dass für jedes Einschreiten eine gesetzliche Grundlage vorhanden sein muss. Ganz wesentlich war auch der Schutz von Regierungsgebäuden. Es zeigte sich bald, dass diese Aufgabe ohne ausreichenden Panzerschutz nicht zu bewältigen ist. Über die Nachschuborganisation der deutschen Bundeswehr wurden deswegen Mannschaftstransportpanzer "Pandur" nachgebracht.

Der österreichische Jagdkommandozug wurde in eine deutsche Kompanie eingefügt. Die Zusammenarbeit mit der Bundeswehr funktionierte prächtig. Der deutsche Kompaniekommandant, Hauptmann Heiko Wömpener, dazu in einem Zeitungsinterview: "Wir haben sehr rasch gemerkt, dass die Österreicher da nicht irgendwen geschickt haben." Ein gefährliches Fußballspiel

Die Sicherheitslage blieb gespannt. Es gab vereinzelte Raketenangriffe gegen das ISAF-Camp, die aber keinen nennenswerten Schaden anrichteten. Das österreichische Kontingent wurde auch nie ein direktes Ziel von Attentaten. Die gefährlichste Situation für die österreichischen Soldaten war ein Fußballspiel einer afghanischen Mannschaft gegen eine ISAF-Auswahl. Gespielt wurde in einem Stadion, in dem die Taliban früher alle Spiele verboten hatten - und das während dieser düsteren Zeit in eine Hinrichtungsstätte umfunktioniert war. Das Match war daher eine landesweite Sensation. Es kamen mehr Menschen, als Plätze vorhanden waren. Um diese Plätze entstand eine Massenschlägerei, die von österreichischen Soldaten beendet werden musste.

Bedeutende Fortschritte

Einen der Gründe für die besondere Beliebtheit der Österreicher nannte anerkennend der britische General und ISAF-Kommandant McColl bei einem Besuch von Verteidigungsminister Herbert Scheibner: "Auf Soldaten, die Schulen bauen, schießt man nicht." Denn die Österreicher hatten mit ihrer CIMIC-Zelle (Zivil - militärische Kooperation) neben ihren militärischen Aufträgen auch noch eine Schule für Hunderte Kinder und einen Kindergarten instand gesetzt. Soldaten, die Schulbücher verteilen, werden auch von den Afghanen als Freunde gesehen.

Als Minister Herbert Scheibner seinen Besuch im Mai 2002 absolvierte, konnte er sich schon von bedeutenden Fortschritten in der Stadt überzeugen. In einer Umfrage bewerteten 90 Prozent der Kabuler den ISAF-Einsatz als "sehr positiv". Auch die Kriminalitätsrate hatte sich spürbar verbessert. Sie war zwar im europäischen Vergleich noch immer sehr hoch. "Sie liegt aber bereits unter der Kriminalitätsmarke Washingtons", bemerkten afghanische Politiker voller Stolz.

"First in, first out"

Da der Einsatz nach dem Motto "first in, first out" erfolgte, wäre er nun eigentlich zu Ende gewesen. Minister Scheibner verlängerte daher das Engagement, um nicht die Aufbauphase zu gefährden. Am 11. Dezember 2002 kam der Abschied. Österreich bleibt an den Geschehnissen in Afghanistan aber mit einigen Stabsoffizieren im Kommando der deutschen Brigade weiterhin beteiligt.

___________________________________ ___________________________________ Autor: Wilhelm Theuretsbacher, Redakteur der Tageszeitung "Kurier"

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