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Tschechien und Österreich

Tschechien und Österreich

Die Osterweiterung ist das beherrschende Thema in Europa, aber zwischen Tschechien und Österreich gibt es zwei Probleme: die Bene¹-Dekrete und Temelin. Mit den Bene¹-Dekreten wurde 1945 die Enteignung und Abschiebung der Sudetendeutschen aus der Tschechoslowakei verfügt. Als die 14 EU-Staaten im Februar 2002 Sanktionen gegen Österreich verhängten, schloss sich Tschechien als NATO-Mitglied diesen Maßnahmen an, weil die NATO die gleichen Werte wie die EU vertritt. Die damalige sozialistische Minderheitsregierung mit Ministerpräsident Milos Zeman wurde vom Chef der bürgerlichen Opposition Vaclav Klaus deshalb kritisiert, während die Sozialdemokraten und Grünen in Österreich die Sanktionen als "richtig und wichtig" beurteilten. In der Folge kam es zu harten Wortgefechten zwischen Zeman und österreichischen Politikern. Schließlich setzte die österreichische Regierung auf einen Machtwechsel in Tschechien - nach den für Juni d. J. angesetzten Wahlen. Meinungsforscher sagten bis wenige Wochen vor den Wahlen einen Sieg der Bürgerlichen mit Vaclav Klaus voraus. Sie hatten sich geirrt. Die Wahlen vom 14. Juni brachten folgende Mandatsverteilung: Sozialdemokraten 70 (-4), Bürgerliche 58 (-5), Christdemokraten und Freiheitsunion 31 (-8), Kommunisten 41 (+7). Da die Kommunisten weder von den Sozialdemokraten noch von den Bürgerlichen als koalitionsfähig beurteilt werden, ist rechnerisch nur eine Koalition der Sozialdemokraten mit dem Christdemokraten und der Freiheitsunion möglich. Präsident Vaclav Havel hat den Sozialdemokraten Dr. Vladimir Spidla zum Ministerpräsidenten ernannt, der diese Koalition führt. Seine Regierung verfügt im Parlament über 101, die Opposition über 100 Mandate. In seiner Regierungserklärung am 5. August stellte Dr. Spidla fest, man wolle gute Beziehungen zu Österreich, werde aber in den Fragen Temelin und Bene¹-Dekrete hart bleiben. Ich frage mich zunächst, wer kann über die Sicherheit eines Kraftwerkes urteilen? Dafür ist die "Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO)", mit Sitz in Wien, zuständig. Dort erfährt man, die IAEO habe auf Ersuchen Tschechiens vom 18. - 23. November 2001 eine Überprüfung des Atomkraftwerkes Temelin durchgeführt. Dem Überprüfungsteam gehörten Experten aus Bulgarien, Frankreich, Deutschland, Spanien und Großbritannien an sowie ein Beobachter aus Österreich. An festgestellten Mängeln wird gearbeitet. "Diese Mängel schließen aber nach Ansicht der Experten den sicheren Betrieb des Atomkraftwerkes Temelin nicht aus." (Presseaussendung der IAEO Nr. 2001/25 v. 27. November 2001). Der IAEO gehören gegenwärtig 134 Staaten an. Wenn man ihr Urteil in allen anderen Fällen akzeptiert, warum nicht im Falle Temelin? Inoffiziell spricht man von einem Atomtrauma Österreichs. Schließlich hatte die sozialistische Alleinregierung mit Bundeskanzler Dr. Kreisky das Atomkraftwerk Zwentendorf fertiggestellt, um erst danach eine Volksabstimmung darüber durchzuführen, ob es in Betrieb genommen werden dürfe. Das Resultat war negativ. Eine solche gigantische Fehlinvestition will sicher niemand wiederholen. Und nun zu den Bene¹-Dekreten.

Im Juli 1945 hat die Prager Regierung den drei Siegermächten der Potsdamer Konferenz den Plan vorgelegt, die große Mehrheit der Deutschen und Magyaren nach Deutschland zu transferieren. Im Artikel XIII des Potsdamer Abkommens vom 2. August 1945 wurde dieser Plan gebilligt. Bei der Durchführung der Abschiebung kam es zu schmerzlichen und schrecklichen Exzessen, worüber Fernsehen und Printmedien in jüngster Zeit ausführlich berichteten. Diese Berichterstattung ist nur möglich geworden, weil sich der Zeitgeist geändert hat. Das erhellt folgendes Faktum: 1993 ist Tschechien dem Europarat beigetreten. Vorbedingung des Beitrittes ist die Unterzeichnung der Europäischen Menschenrechtskonvention. Damals hat niemand festgestellt, dass die Bene¹-Dekrete ein Hindernis für die Unterzeichnung der Menschenrechtskonvention sein könnten.

Warum ist es zur Änderung des Zeitgeistes gekommen? Die ethnischen Säuberungen während der jüngsten Balkankriege, die Berichte über den Algerienkrieg von 1954 bis 1962 und das Schwarzbuch des Kommunismus haben das Mitgefühl für Flüchtlinge verstärkt erwachen lassen. Es war unvermeidlich, dass auch die Deutschen sagen wollten: "auch wir haben gelitten!" So meinte der Literaturnobelpreisträger Günther Grass, dessen Schaffen bisher der Anklage gegen die faschistischen Verbrechen gewidmet war, es sei jetzt an der Zeit auch der Leiden der Deutschen zu gedenken. Seine neueste Novelle "Im Krebsgang" schildert die Versenkung des Flüchtlingsschiffes "Wilhelm Gustloff" durch ein sowjetisches U-Boot im Jahre 1945, wobei etwa 9 000 Flüchtlinge ums Leben kamen. Die Zeitschrift "Spiegel" widmet die Spezialausgabe Nr. 2/2002 dem Thema "Die Flucht der Deutschen". Zwei Berichte behandeln die Abschiebung aus der Tschechoslowakei. Damit sollen nicht Ressentiments geweckt, sondern das Verständnis für unschuldiges Leiden - unabhängig von Grenzen - gefördert werden. Wenn man gemeinsam vergangenes Leid beklagen kann, wird man sich umso mehr über die friedliche Zukunft freuen können. Die hat schon begonnen. Die ABC-Abwehrschule des Bundesheeres verlegt dreimal jährlich Teileinheiten auf den tschechischen Truppenübungsplatz Vyskov. Dort übt man scharf mit chemischen Kampfstoffen, um den Mitbürgern notfalls helfen zu können.

General i. R. Prof. Siegbert Kreuter

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