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EU-Verfassung - Folgen für unsere militärische LV

Vorbemerkungen der Redaktion

In der Zeitschrift "Miliz-Info, Nr. 1/2005" hat Mag. Christoph Moser, stvLtrFLeg, einen ersten Überblick über die militärischen Sonderbestimmungen in der neuen EU-Verfassung (Vertrag über eine Verfassung für Europa samt Protokollen und Schlussakte) gegeben.
Auf Grund der Rückmeldungen zu diesem Thema und in Zusammenschau mit dem Entwurf der österreichischen Teilstrategie Verteidigungspolitik (siehe Beitrag auf Seite 3) werden im Folgenden die einzelnen Artikel der neuen EU-Verfassung auszugsweise in ihrem vollen Wortlaut abgebildet.
Damit soll sich die sicherheitspolitisch interessierte Leserschaft einen Überblick über die in der neuen EU-Verfassung vorgesehenen Regelungen verschaffen können, da diese nachhaltige Auswirkungen auf unsere militärische Landesverteidigung haben werden.

Ratifikation der EU-Verfassung

Am 30. März 2005 wurde in der 85. Sitzung des Ministerrates der Republik Österreich die Ratifikation des Vertrages über eine Verfassung für Europa samt Protokollen und Schlussakte beschlossen.
Dabei hat die Bundesregierung folgende vier Beschlüsse gefasst:
* Genehmigung des Vertrages über eine Verfassung für Europa samt Protokollen und Schlussakte in allen seinen authentischen Sprachfassungen sowie den Erläuterungen hiezu;
* Zuleitung des Vertrages samt Protokollen und der Schlussakte unter Anschluss der Erläuterungen an dem Nationalrat zur Genehmigung gemäß dem Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrages über eine Verfassung für Europa;
* Vorschlag an den Nationalrat, anlässlich der Genehmigung des Vertrages samt Protokollen und Schlussakte zu beschließen, dass alle Sprachfassungen mit Ausnahme der deutschen gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG dadurch kundgemacht werden, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegen;
* Vorschlag an den Bundespräsidenten, nach erfolgter Genehmigung durch den Nationalrat und Zustimmung durch den Bundesrat den Vertrag zu ratifizieren.

Aus gegebenem Anlass wird nochmals in Kürze das Werden dieses europarechtlichen Vertragswerkes (Anmerkung: in weiterer Folge wird der Vertrag über eine Verfassung für Europa samt Protokollen und Schlussakte als "Vertrag" bezeichnet) in Erinnerung gerufen und darüber hinaus auch noch ein Ausblick auf die erforderlichen Veranlassungen zu seinem In-Kraft-Treten gegeben:

Vorgeschichte

Der Vertrag ist das Ergebnis der legislativen Vorarbeiten, welche der Europäische Konvent und die daran anschließende Regierungskonferenz geleistet haben. Das Verhandlungsergebnis dieser Regierungskonferenz wurde vom Europäischen Rat in Brüssel am 17./18. Juni 2004 angenommen.
Der österreichische Ministerrat hat die geplante Gesamtänderung des EU-Primärrechts in der Sitzung am 22. Juni 2004 zur Kenntnis genommen.
Nach einer Überarbeitung des Vertragstextes durch die Sprachjuristen des Rates der EU hat der österreichische Ministerrat am 21. Oktober 2004 dem Vertrag zugestimmt. Des Weiteren hat er dem Bundespräsidenten vorgeschlagen, den Bundeskanzler und die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten zur Unterzeichnung des Beitrittsvertrages samt Schlussakte zu bevollmächtigen.
Der Vertrag wurde am 29. Oktober 2004 in Rom durch die Staats- und Regierungschefs sowie die Außenminister der EU unterzeichnet und am 16. Dezember 2004 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht.
Als Termin für das In-Kraft-Treten sieht Art. IV-447 Abs. 2 des Vertrages den 1. November 2006 vor, sofern bis zu diesem Zeitpunkt alle Ratifikationsurkunden der EU-Mitgliedstaaten hinterlegt sind. Andernfalls tritt der Vertrag erst am ersten Tag des zweiten auf die Hinterlegung der letzten Ratifikationsurkunde folgenden Monats in Kraft (Anmerkung: die Österreichische EU-Präsidentschaft wird im 1. Halbjahr 2006 daher bestrebt sein, den Ratifikationsprozess des Vertrages entsprechend voranzutreiben).
Der Vertrag bedarf in Österreich der parlamentarischen Genehmigung gemäß dem Bundesverfassungsgesetz über den Abschluss des Vertrages über eine Verfassung für Europa (789 BlgNR XXII. GP). Dieses Bundesverfassungsgesetz wurde am 2. März 2005 vom Nationalrat und am 17. März 2005 vom Bundesrat jeweils einstimmig angenommen.
Die österreichische Bundesregierung hat den Vertrag dem Parlament so zeitgerecht zugeleitet, dass ihn der Nationalrat am 28. April 2005 (Verfassungsausschuss) und am 11. Mai 2005 (Plenum) beschließen konnte.

Bestimmungen des Vertrages

Der Vertrag weist neben einer Präambel im Teil I den in neun Titel mit insgesamt sechzig Artikeln gegliederten (eigentlichen) Verfassungsteil auf. Darin werden neben den Zielen und Werten vor allem auch die Kompetenzverteilung zwischen der Union und ihren Mitgliedern sowie die neuen Aufgaben der EU-Organe geregelt.
Die bislang rechtlich unverbindliche "EU-Charta der Grundrechte" bildet den Teil II des Vertragswerkes. Der militärisch besonders bedeutsame Teil III über die einzelnen Politiken der Union enthält im Titel V ("Auswärtiges Handeln der Union") ein Kapitel II ("Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik"), das aus den Abschnitten
1 ("Gemeinsame Bestimmungen"),
2 ("Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik") und
3 ("Finanzbestimmungen")
besteht.

Die näheren Ausführungen zu diesen Politikbereichen finden sich daher in den Artikeln III-294 bis 329. Teil IV umfasst die bei multilateralen Abkommen üblichen Schlussbestimmungen.
Von den insgesamt 448 Artikeln des Vertrages sind aus militärischer Sicht vor allem die folgenden Normierungen der Teile I und III erwähnenswert (Anmerkung: nach einer kurzen inhaltlichen Darstellung werden die einzelnen Bestimmungen – so wie bereits erwähnt - auszugsweise im Wortlaut wiedergegeben; Wiederholungen werden dabei aus Gründen der Verständlichkeit bewusst in Kauf genommen):

Teil I/Titel III/Art. I-16 legt die Zuständigkeit der Union in der GASP fest und zielt dabei unter anderem auch auf die "schrittweise Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik, die zu einer gemeinsamen Verteidigung führen kann", ab.

Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik

(1) Die Zuständigkeit der Union in der "Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik" erstreckt sich auf alle Bereiche der Außenpolitik sowie auf sämtliche Fragen im Zusammenhang mit der Sicherheit der Union, einschließlich der schrittweisen Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik, die zu einer gemeinsamen Verteidigung führen kann. …

Im Teil I/Titel IV/Kapitel I/Art. I-28 iVm Teil III/Titel V/Kapitel II/Abschnitt 1/Art. III-299 sind die Kompetenzen des Außenministers der Union ersichtlich. Es ist vorgesehen, dass dieser Außenminister nicht nur die GASP, sondern auch die "Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik" leitet. Zusätzlich führt er auch noch den Vorsitz im "Rat Auswärtige Angelegenheiten".

Außenminister der Union

(1) Der Europäische Rat ernennt mit qualifizierter Mehrheit mit Zustimmung des Präsidenten der Kommission den Außenminister der Union. Der Europäische Rat kann die Amtszeit des Außenministers nach dem gleichen Verfahren beenden.

(2) Der Außenminister der Union leitet die "Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik" der Union. Er trägt durch seine Vorschläge zur Festlegung dieser Politik bei und führt sie im Auftrag des Rates durch. Er handelt ebenso im Bereich der "Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik".

(3) Der Außenminister der Union führt den Vorsitz im Rat "Auswärtige Angelegenheiten". …

Im Teil I/Titel V/Kapitel II/Art. I-40 und 41 findet man die besonderen Bestimmungen über die Durchführung der "Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik" und der als "integraler Bestandteil" der GASP bezeichneten "Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik".
Dabei wird im Art. I-41 in den Abs. 2 und 7 (betreffend die gemeinsame Verteidigung und die Beistandsgarantie) ausdrücklich "auf den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten" Bezug genommen; diese Klausel trägt den spezifischen diesbezüglichen Verhältnissen der neutralen bzw. bündnisfreien EU-Staaten Rechnung.
Im Abs. 3 des Art. I-41 wird eine "Europäische Verteidigungsagentur" zur Entwicklung der (militärischen) Verteidigungsfähigkeiten sowie der diesbezüglichen Forschung, Beschaffung und Rüstung eingerichtet.
Abs. 6 des Art. I-41 sieht die Möglichkeit der Begründung einer "Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit" als intensivere militärische Zusammenarbeit einzelner Mitgliedstaaten im Bereich der "Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik" vor (vgl. zu diesen Angelegenheiten aber insbesondere auch Teil III/Titel V/Kapitel II/Abschnitt 2/Art. III-311 und 312).

Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik

(1) Die Europäische Union verfolgt eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die auf einer Entwicklung der gegenseitigen politischen Solidarität der Mitgliedstaaten, der Ermittlung der Fragen von allgemeiner Bedeutung und der Erreichung einer immer stärkeren Konvergenz des Handelns der Mitgliedstaaten beruht.

(2) Der Europäische Rat bestimmt die strategischen Interessen der Union und legt die Ziele ihrer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik fest. Der Rat gestaltet diese Politik im Rahmen der vom Europäischen Rat festgelegten strategischen Leitlinien in Übereinstimmung mit Teil III. …

(4) Die "Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik" wird vom Außenminister der Union und von den Mitgliedstaaten mit einzelstaatlichen Mitteln und den Mitteln der Union wahrgenommen.

(5) Die Mitgliedstaaten stimmen sich im Europäischen Rat und im Rat zu jeder außen- und sicherheitspolitischen Frage von allgemeiner Bedeutung ab, um ein gemeinsames Vorgehen festzulegen. Bevor ein Mitgliedstaat in einer Weise, die die Interessen der Union berühren könnte, auf internationaler Ebene tätig wird oder eine Verpflichtung eingeht, konsultiert er die anderen Mitgliedstaaten im Europäischen Rat oder im Rat.
Die Mitgliedstaaten gewährleisten durch konvergentes Handeln, dass die Union ihre Interessen und ihre Werte auf internationaler Ebene geltend machen kann. Die Mitgliedstaaten sind untereinander solidarisch.

(6) Im Bereich der "Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik" erlassen der Europäische Rat und der Rat außer in den in Teil III genannten Fällen europäische Beschlüsse einstimmig. Sie beschlie-ßen auf Initiative eines Mitgliedstaates, auf Vorschlag des Außenministers der Union oder auf Vorschlag des Außenministers mit Unterstützung der Kommission. Europäische Gesetze und Rahmengesetze sind ausgeschlossen.

(7) Der Europäische Rat kann einstimmig einen "Europäischen Beschluss" erlassen, wonach der Rat in anderen als den in Teil III genannten Fällen mit qualifizierter Mehrheit beschließt.

(8) Das Europäische Parlament wird zu den wichtigsten Aspekten und den grundlegenden Weichenstellungen der "Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik" regelmäßig gehört. Es wird über ihre Entwicklung auf dem Laufenden gehalten.

Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik

(1) Die "Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik" ist integraler Bestandteil der "Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik". Sie sichert der Union eine auf zivile und militärische Mittel gestützte Fähigkeit zu Operationen. Auf diese kann die Union bei Missionen außerhalb der Union zur Friedenssicherung, Konfliktverhütung und Stärkung der internationalen Sicherheit in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen zurückgreifen. Sie erfüllt diese Aufgaben mit Hilfe der Fähigkeiten, die von den Mitgliedstaaten bereitgestellt werden.

(2) Die "Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik" umfasst die schrittweise Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik der Union. Diese führt zu einer gemeinsamen Verteidigung, sobald der Europäische Rat dies einstimmig beschlossen hat. Er empfiehlt in diesem Fall den Mitgliedstaaten, einen Beschluss in diesem Sinne im Einklang mit ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften zu erlassen.

Die Politik der Union nach diesem Artikel berührt nicht den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten; sie achtet die Verpflichtungen bestimmter Mitgliedstaaten, die ihre gemeinsame Verteidigung in der Nordatlantikvertrags-Organisation verwirklicht sehen, auf Grund des Nordatlantikvertrags ist sie vereinbar mit der in jenem Rahmen festgelegten gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

(3) Die Mitgliedstaaten stellen der Union für die Umsetzung der "Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik" zivile und militärische Fähigkeiten als Beitrag zur Verwirklichung der vom Rat festgelegten Ziele zur Verfügung. Die Mitgliedstaaten, die gemeinsam multinationale Streitkräfte aufstellen, können diese auch für die "Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik" zur Verfügung stellen.

Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern. Es wird eine Agentur für die Bereiche Entwicklung der Verteidigungsfähigkeiten, Forschung, Beschaffung und Rüstung (Europäische Verteidigungsagentur) eingerichtet, deren Aufgabe es ist, den operativen Bedarf zu ermitteln und Maßnahmen zur Bedarfsdeckung zu fördern, zur Ermittlung von Maßnahmen zur Stärkung der industriellen und technologischen Basis des Verteidigungssektors beizutragen und diese Maßnahmen gegebenenfalls durchzuführen, sich an der Festlegung einer europäischen Politik im Bereich der Fähigkeiten und der Rüstung zu beteiligen sowie den Rat bei der Beurteilung der Verbesserung der militärischen Fähigkeiten zu unterstützen.

(4) Europäische Beschlüsse zur "Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik", einschließlich der Beschlüsse über die Einleitung einer Mission nach diesem Artikel, werden vom Rat einstimmig auf Vorschlag des Außenministers der Union oder auf Initiative eines Mitgliedstaats erlassen. Der Außenminister der Union kann gegebenenfalls gemeinsam mit der Kommission den Rückgriff auf einzelstaatliche Mittel sowie auf Instrumente der Union vorschlagen. …

(6) Die Mitgliedstaaten, die anspruchsvollere Kriterien in Bezug auf die militärischen Fähigkeiten erfüllen und die im Hinblick auf Missionen mit höchsten Anforderungen untereinander weiter gehende Verpflichtungen eingegangen sind, begründen eine "Ständige Strukturierte Zusammenarbeit" im Rahmen der Union. Diese Zusammenarbeit erfolgt nach Maßgabe von Artikel III-312. Sie berührt nicht die Bestimmungen des Artikels III-309.

(7) Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats müssen die anderen Mitgliedstaaten nach Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung leisten. Dies lässt den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten unberührt.
Die Verpflichtungen und die Zusammenarbeit in diesem Bereich bleiben im Einklang mit den im Rahmen der Nordatlantikvertrags-Organisation eingegangenen Verpflichtungen, die für die ihr angehörenden Staaten weiterhin das Fundament ihrer kollektiven Verteidigung und das Instrument für deren Verwirklichung ist.

(8) Das Europäische Parlament wird zu den wichtigsten Aspekten und den grundlegenden Weichenstellungen der "Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik" regelmäßig gehört. Es wird über ihre Entwicklung auf dem Laufenden gehalten.

Gemäß Teil I/Titel V/Kapitel II/Art. I-43 ist bei der Anwendung der so genannten "Solidaritätsklausel" in Fällen eines Terroranschlages, einer Naturkatastrophe oder einer von Menschen verursachten Katastrophe auch der Einsatz "der von den Mitgliedstaaten bereitgestellten militärischen Mittel" zulässig (siehe aber die näheren Ausführungen im Teil III/Titel V/Kapitel VIII/Art. III-329, der hinsichtlich der Beschlussfassung des Rates wiederum auf Teil III/Titel V/Kapitel II/Abschnitt 1/Art. III-300 verweist).

Solidaritätsklausel
(1) Die Union

und ihre Mitgliedstaaten handeln gemeinsam im Geiste der Solidarität, wenn ein Mitgliedstaat von einem Terroranschlag, einer Naturkatastrophe oder einer vom Menschen verursachten Katastrophe betroffen ist. Die Union mobilisiert alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel, einschließlich der ihr von den Mitgliedstaaten bereitgestellten militärischen Mittel, um
a)
- terroristische Bedrohungen im Hoheitsgebiet von Mitgliedstaaten abzuwenden;
- die demokratischen Institutionen und die Zivilbevölkerung vor etwaigen Terroranschlägen zu schützen;
- im Falle eines Terroranschlags einen Mitgliedstaat auf Ersuchen seiner politischen Organe innerhalb seines Hoheitsgebiets zu unterstützen;

b) im Falle einer Naturkatastrophe oder einer vom Menschen verursachten Katastrophe einen Mitgliedstaat auf Ersuchen seiner politischen Organe innerhalb seines Hoheitsgebiets zu unterstützen.

(2) Die Einzelheiten der Durchführung dieses Artikels sind in Artikel III-329 vorgesehen.

Die im Teil I/Titel V/Kapitel III/Art. I-44 verankerte "Verstärkte Zusammenarbeit" kann auch Fragen mit militärischen oder verteidigungspolitischen Bezügen umfassen; sie wird allerdings in der Praxis vermutlich hinter die "Ständige Strukturierte Zusammenarbeit" zurücktreten (vgl. hiezu insbesondere die näheren Präzisierungen im Teil III/Titel VI/Art. III-416 bis 423).

Verstärkte Zusammenarbeit

(1) Die Mitgliedstaaten, die untereinander eine "Verstärkte Zusammenarbeit" im Rahmen der nicht ausschließlichen Zuständigkeiten der Union begründen wollen, können in den Grenzen und nach Maßgabe dieses Artikels und der Artikel III-416 bis III-423 die Organe der Union in Anspruch nehmen und diese Zuständigkeiten unter Anwendung der einschlägigen Verfassungsbestimmungen ausüben.
Eine "Verstärkte Zusammenarbeit" ist darauf ausgerichtet, die Verwirklichung der Ziele der Union zu fördern, ihre Interessen zu schützen und ihren Integrationsprozess zu stärken. Sie steht allen Mitgliedstaaten nach Artikel III-418 jederzeit offen.

(2) Der Europäische Beschluss über die Ermächtigung zu einer "Verstärkten Zusammenarbeit" wird vom Rat als letztes Mittel erlassen, wenn dieser feststellt, dass die mit dieser Zusammenarbeit angestrebten Ziele von der Union in ihrer Gesamtheit nicht innerhalb eines vertretbaren Zeitraums verwirklicht werden können, und sofern an der Zusammenarbeit mindestens ein Drittel der Mitgliedstaaten beteiligt ist. Der Rat beschließt nach dem in Artikel III-419 vorgesehene Verfahren.

(3) Alle Mitglieder des Rates können an dessen Beratungen teilnehmen, aber nur die Mitglieder des Rates, welche die an der "Verstärkten Zusammenarbeit" beteiligten Mitgliedstaaten vertreten, nehmen an der Abstimmung teil.
Die Einstimmigkeit bezieht sich allein auf die Stimmen der Vertreter der an der "Verstärkten Zusammenarbeit" beteiligten Mitgliedstaaten.
Als qualifizierte Mehrheit gilt eine Mehrheit von mindestens fünfundfünfzig Promille derjenigen Mitglieder des Rates, die die beteiligten Mitgliedstaaten vertreten, sofern die betreffenden Mitgliedstaaten zusammen mindestens fünfundsechzig Promille der Bevölkerung der beteiligten Mitgliedstaaten ausmachen.
Für eine Sperrminorität ist mindestens die Mindestzahl der Mitglieder des Rates, die zusammen mehr als fünfunddreißig Promille der Bevölkerung der beteiligten Mitgliedstaaten vertreten, zuzüglich eines Mitglieds erforderlich; andernfalls gilt die qualifizierte Mehrheit als erreicht.
Beschließt der Rat nicht auf Vorschlag der Kommission oder des Außenministers der Union, so gilt abweichend von den Unterabsätzen 3 und 4 als die erforderliche qualifizierte Mehrheit eine Mehrheit von mindestens zweiundsiebzig Promille derjenigen Mitglieder des Rates, die die beteiligten Mitgliedstaaten vertreten, sofern die betreffenden Mitgliedstaaten mindestens fünfundsechzig Promille der Bevölkerung der beteiligten Mitgliedstaaten ausmachen.

(4) An die im Rahmen einer "Verstärkten Zusammenarbeit" erlassenen Rechtsakte sind nur die an dieser Zusammenarbeit beteiligten Mitgliedstaaten gebunden. Sie gelten nicht als Besitzstand, der von beitrittswilligen Staaten angenommen werden muss.

Zum EU-Verfassungsvertrag soll aber auch nicht unerwähnt bleiben, dass aus den im Teil II enthaltenen Grundrechten unter anderem auch ein "Recht auf Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen" ableitbar ist (Teil II/Titel II/Art.II-70).

Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit

(1) Jede Person hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Dieses Recht umfasst die Freiheit, die Religion oder Weltanschauung zu wechseln, und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht, Bräuche und Riten zu bekennen.

(2) Das Recht auf Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen wird nach den einzelstaatlichen Gesetzen anerkannt, welche die Ausübung dieses Rechts regeln.

Das Addendum 1 (CIG 87/04 ADD 1 REV 1) enthält unter anderem das Protokoll 23 ("Protokoll über die "Ständige Strukturierte Zusammenarbeit" gemäß Artikel I-41 Absatz 6 und Artikel III-312 der Verfassung").

Ständige strukturierte Zusammenarbeit

Artikel 1
An der "Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit" nach Artikel I-41 Absatz 6 der Verfassung kann jeder Mitgliedstaat teilnehmen, der sich ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vertrags über eine Verfassung für Europa verpflichtet,
a) seine Verteidigungsfähigkeiten durch Ausbau seiner nationalen Beiträge und gegebenenfalls durch Beteiligung an multinationalen Streitkräften, an den wichtigsten europäischen Ausrüstungsprogrammen und an der Tätigkeit der Agentur für die Bereiche Entwicklung der Verteidigungsfähigkeiten, Forschung, Beschaffung und Rüstung (Europäische Verteidigungsagentur) intensiver zu entwickeln und
b) spätestens 2007 über die Fähigkeit zu verfügen, entweder als nationales Kontingent oder als Teil von multinationalen Truppenverbänden bewaffnete Einheiten bereitzustellen, die auf die in Aussicht genommenen Missionen ausgerichtet sind, taktisch als Gefechtsverband konzipiert sind, über Unterstützung unter anderem für Transport und Logistik verfügen und fähig sind, innerhalb von fünf bis dreißig Tagen Missionen nach Artikel III-309 aufzunehmen, um insbesondere Ersuchen der Organisation der Vereinten Nationen nachzukommen, und diese Missionen für eine Dauer von zunächst dreißig Tagen, die bis auf hundertzwanzig Tage ausgedehnt werden kann, aufrecht zu erhalten.

Artikel 2
Die an der "Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit" teilnehmenden Mitgliedstaaten verpflichten sich zwecks Erreichung der in Artikel 1 genannten Ziele zu
a) einer Zusammenarbeit ab dem Inkrafttreten des Vertrags über eine Verfassung für Europa zur Verwirklichung der vereinbarten Ziele für die Höhe der Investitionsausgaben für Verteidigungsgüter und zur regelmäßigen Überprüfung dieser Ziele im Lichte des Sicherheitsumfeldes und der internationalen Verantwortung der Union;
b) einer möglichst weit gehenden Angleichung ihres Verteidigungsinstrumentariums, indem sie insbesondere die Ermittlung des militärischen Bedarfs harmonisieren, ihre Verteidigungsmittel und -fähigkeiten gemeinsam nutzen und gegebenenfalls spezialisieren sowie die Zusammenarbeit auf den Gebieten Ausbildung und Logistik stärken;
c) konkreten Maßnahmen zur Stärkung der Verfügbarkeit, der Interoperabilität, der Flexibilität und der Verlegefähigkeit ihrer Truppen insbesondere, indem sie gemeinsame Ziele für die Entsendung von Streitkräften aufstellen und gegebenenfalls ihre nationalen Beschlussfassungsverfahren überprüfen;
d) einer Zusammenarbeit mit dem Ziel, dass sie die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um unter anderem durch multinationale Konzepte und unbeschadet der sie betreffenden Verpflichtungen im Rahmen der Nordatlantikvertrags-Organisation die im Rahmen des "Mechanismus zur Entwicklung der Fähigkeiten" festgestellten Lücken zu schließen;
e) einer eventuellen Mitwirkung an der Entwicklung gemeinsamer oder europäischer Programme für wichtige Güter im Rahmen der Europäischen Verteidigungsagentur.

Artikel 3
Die Europäische Verteidigungsagentur trägt zur regelmäßigen Beurteilung der Beiträge der teilnehmenden Mitgliedstaaten zu den Fähigkeiten bei, insbesondere der Beiträge nach den unter anderem auf der Grundlage von Artikel 2 aufgestellten Kriterien, und erstattet hierüber mindestens einmal jährlich Bericht. Die Beurteilung kann als Grundlage für die Empfehlungen sowie für die Europäischen Beschlüsse des Rates dienen, die nach Artikel III-312 der Verfassung erlassen werden.

Mag. Christoph Moser,
Stellvertretender Leiter der Abteilung
Fremdlegislative und Internationales
Recht, Telefon: 5200/21 510 DW
E-Mail: fleg@bmlv.gv.at

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