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Militärdiplomatie Teil 1 Bilaterale militärische Beziehungen

Die Eckpunkte dieser Tätigkeit im militärdiplomatischen bilateralen Bereich beruhen auf einem umfassenden Verständnis sicherheitspolitischer Vorgänge, einem hohen Maß an Cross-Culture-Awareness, auf der Fähigkeit zur Bewältigung von kurzfristigen Krisen und der Möglichkeit, mit einer internationalen Gemeinschaft kommunizieren zu können.

Unter "bilateralen Beziehungen" versteht man ganz allgemein die Beziehung zwischen zwei Nationalstaaten. Diese können auf verschiedenster - etwa auf politischer, militärischer oder auch kultureller - Ebene erfolgen.

Derzeit unterhält Österreich zu etwa 60 Staaten, unter anderen zu allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, bilaterale militärische Beziehungen. Diese Beziehungen sind nicht mit allen Staaten von derselben Intensität. Das Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport/Österreichisches Bundesheer (BMLVS/ÖBH), in dessen Verantwortungsbereich die Unterhaltung der bilateralen militärischen Beziehungen liegt, unterscheidet zwischen Nutz-, Zukunfts-, Aufbau- und Sonderbeziehungen, die in ihren Zielsetzungen weiter unten genauer erläutert werden. Die Abteilung für Attachéwesen, der diese Aufgabe zugeordnet ist, kann über verschiedene Instrumente diese Zielsetzungen verfolgen und umsetzen.

Im Zuge der Veränderungen der sicherheitspolitischen Umwelt wurde vor allem der inhaltlichen Ausgestaltung der bilateralen Beziehungen und in diesem Zusammenhang insbesondere den Aktivitäten der Militärdiplomatie, die Teil der bilateralen Beziehungen ist, mehr Gewicht gegeben. Somit hat sich auch der Arbeitsaufwand in der Zentralstelle in den letzten Jahren in Richtung Ausbau und Vertiefung der Beziehungen verschoben. Die Unterhaltung bilateraler Beziehungen ist ein Mittel des BMLVS, um - einen Beitrag zur gesamtösterreichischen Sicherheitspolitik zu leisten, - andere Staaten von den Ideen des BMLVS/ÖBH zu überzeugen, - durch ausreichende Informationen und richtiges Agieren - trotz eingeschränkter Mittel - einen hohen Standard des ÖBH zu halten, - Aktivitäten, die nicht im Sinne Österreichs sind, abzuwehren, - die Suche nach Partnern, mit denen auch in schwierigen Situationen zusammengearbeitet werden kann, zu ermöglichen, - die Präsenz des ÖBH auf der internationalen Bühne sicherzustellen und - Wirkung zu erzielen.

Voraussetzungen für militärdiplomatisches Handeln

Um die bilateralen Beziehungen und die damit zu erreichenden Ziele für alle Dienststellen nachvollziehbar zu machen, wurde ein Grundsatzdokument entwickelt, das alle internationalen Aktivitäten des BMLVS festlegt. Diese "Leitlinie für internationale Aktivitäten des BMLVS" definiert sowohl multi- als auch bilaterale Absichten. Um eine Steuerung im bilateralen Sinne durchzuführen und durch die Länderbearbeitung in der Abteilung für Attachéwesen entsprechend zu verfolgen, wurden vier Beziehungsebenen - wie bereits eingangs erwähnt - festgelegt.

Dabei wird zwischen folgenden Formen von Beziehungen unterschieden:

Nutzbeziehungen

Dies sind Beziehungen, die einen wesentlichen Nutzen beziehungsweise Gewinn für das BMLVS in den Bereichen Einsatz, Rüstung, Ausbildung, Forschung und Entwicklung erwarten lassen.

Zukunftsbeziehungen

Beziehungen, die sich dadurch definieren, dass das BMLVS/ÖBH beim Aufbau und der Herstellung von "gleichen Standards" Unterstützung leistet, um dadurch mittelfristig Partner zu generieren.

Aufbaubeziehungen

Beziehungen, die eine Kooperationsbasis mit Nationen schaffen und halten sollen, um im Bedarfsfall darauf zurückgreifen zu können.

Sonderbeziehungen

Beziehungen, die einem klar abgrenzbaren Nutzen dienen und insofern durch eindeutige Zieldefinitionen und durch einen vorgegebenen Endzustand gekennzeichnet sind.

Zur weiteren Detaillierung dieser einzelnen Beziehungsebenen wurden strategische Handlungsstränge entwickelt, die der weiteren Verfeinerung der bilateralen Beziehungen dienen und deren Umsetzung durch die Abteilung für Attachéwesen erfolgt.

Das BMLVS/ÖBH unterscheidet zwischen folgenden Handlungssträngen in den bilateralen Beziehungen:

- der Informationsgenerierung und der internationalen Politik, - der Kapazitätsentwicklung für das ÖBH/BMLVS, - der Kapazitätsentwicklung für Partner, - dem Einsatz des ÖBH, - dem Einsatz von Experten oder - der Durchführung von High Level Visits.

Die Rolle der Abteilung für Attachéwesen als militärdiplomatische Steuerungs- und Führungsorganisation

Die Abteilung für Attachéwesen ist neben der Abteilung für Militärpolitik eine der Direktion für Sicherheitspolitik direkt unterstehende Abteilung und die zuständige Abteilung hinsichtlich der bilateralen militärischen Angelegenheiten. In den letzten Jahren hat die Abteilung einen starken Wandel durchlaufen und im Bereich ihrer zugewiesenen Aufgaben neue Schwergewichte gesetzt.

Wie eingangs erwähnt, wurde vor allem die inhaltliche Ausgestaltung der bilateralen Beziehungen und die Aktivitäten im Rahmen der "Militärdiplomatie" mit mehr Gewicht versehen. Dies hat sich sowohl in der federführenden Entwicklung der "Leitlinie für internationale Aktivitäten des BMLVS" niedergeschlagen als auch in der nunmehr viel aktiveren Rolle für das BMLVS, bei der Verfolgung von Zielsetzungen im Ausland. Dazu stehen verschiedene Wege und Mittel zur Verfügung, wie anhand der Grafik "Umsetzungswege bilateraler militärdiplomatischer Ziele" ersichtlich ist.

Um die Inhalte und Ziele entsprechend zu verfolgen, wird durch das Instrument der Länder- und Regionenexperten in den einzelnen Referaten ein "Initiierungs-, Überwachungs-, Überprüfungs- und Wieder- und Weiterbelebungsprozess" der einzelnen Aktivitäten durchgeführt. Voraussetzung dafür ist, dass alle Informationen zu bilateralen Aktivitäten sowohl außerhalb als auch innerhalb Österreichs bekannt sind und somit die Steuerungs- und Unterstützungsmöglichkeiten für andere Dienststellen aus diesem Bereich heraus erfolgen können. Um in der Bearbeitung eine übersichtliche Struktur zu etablieren wurden geografisch zusammengehörende Räume und Regionen festgelegt, die durch die einzelnen Länder- und Regionenexperten bearbeitet werden. Jeweils ein Experte behandelt eine Region beziehungsweise einen Raum. Zwischen den folgenden Regionen wird unterschieden (siehe Grafik Seite 322).

Diese Betrachtung und Bearbeitung hat den Vorteil, dass nicht nur länderspezifische Sichtweisen, sondern die Entwicklungen gesamter Regionen erfasst und mitbeurteilt werden. Natürlich ist beim "Aktivitäten- und Kooperationsmanagement" aufgrund der zugewiesenen Anzahl von Nationen nur eine bestimmte Eindring­tiefe möglich und machbar. Die übergreifende Einbeziehung aller Dienststellen des BMLVS, des BMEIA oder ausländischer Ressorts ist dabei obligatorisch. Für die Umsetzung werden die oben angesprochenen Wege genutzt und beruhen in vielen Fällen, vor allem wenn es sich um Auslandskontakte handelt, auf persönlichen Beziehungen mit den entsprechenden Pendants in den jeweiligen Ministerien.

Wichtige Instrumente der militärdiplomatischen Beziehungen in der Praxis

Als wichtigstes Instrument der Militärdiplomatie dienen die österreichischen Verteidigungsattachés und die in Österreich akkreditierten Attachés aus dem Ausland. Die österreichischen Verteidigungsattachés werden in der Umsetzung der bilateralen Zielsetzungen durch die Abteilung für Attachéwesen fachlich geführt. Dabei erbringen die Auslandsdienste wertvolle Arbeit mit folgenden Zielsetzungen:

- Beitrag zum strategischen Lagenbild und Entscheidungsprozess in Österreich; - Herstellung eines krisenresistenten sicherheitspolitischen und bilateralen Netzwerkes; - Wirkungserzielung im Empfangsland; - Herstellung und Pflege nutzbringender Kontakte und Beziehungen zum Empfangsstaat; - Beurteilung/Analyse entscheidungsrelevanter Informationen und Weisungsumsetzung; - Kooperationsmanagement mit Partnerländern (auch ad hoc zum Beispiel bei Katastrophenhilfe); - Projektmanagement bei der Umsetzung definierter Zusammenarbeitsaufgaben (z. B. Zusammenarbeitsprogramme, durchschnittlich 20 - 70 definierte Kooperationsvorhaben pro Jahr/Land); - Repräsentanz des Österreichischen Bundesheeres; - Unterstützung der Österreichischen Vertretung (Botschafter, Botschaften allgemein); - Aufrechterhaltung der Beziehungen zu den mitakkreditieren Ländern (zwei bis fünf Länder zusätzlich zum Hauptsitz); - Experte für landesspezifische Angelegenheiten.

Neben diesem Instrument laufen die Kommunikationslinien auch über das ausländische Militärattachékorps in Österreich. Vor allem komplexe schriftliche Anfragen zu Entwicklungen in Österreich werden mehrere hunderte Male im Jahr an das BMLVS über diesen Weg herangetragen. Grundsätzlich ist es möglich, dass die Abteilung für Attachéwesen innerhalb von drei Wochen eine qualifizierte Antwort unter Hinzuziehung der jeweiligen Fachabteilung an die ausländischen Nationen rückübermittelt. Hierbei liegt Österreich im europäischen Vergleich im Spitzenfeld. In den letzten Jahren wurde die direkte Kommunikation zwischen den einzelnen Ministerien immer relevanter. Diese Informationswege werden oft durch abgehaltene Stabs- und Fachgespräche bilateraler Natur begleitet und intensiviert. Der in den letzten Jahren durchgeführte Versuch, persönliche bilaterale Gespräche beziehungsweise die Arbeit der Militärattachés nur über die Möglichkeiten der modernen Kommunikationstechnologie abzuwickeln, muss revidiert werden. Von allen beteiligten Seiten wird der persönliche Kontakt als unabdingbare Voraussetzung für komplexe Aktivitäten oder bei krisenhaften Entwicklungen gesehen. Gründe hierfür sind folgende Faktoren:

- Die Beurteilung, welche Relevanz die vorliegenden Informationen im Kontext haben; - Die Wirkungskontrolle eigener Zielverfolgungen abseits der offiziellen Statements; - Die Beurteilung von "sekundären Indizien" durch direktes "Fühlung-Halten", d. h. welche inoffiziellen Meinungen, Gerüchte, Wünsche, Einstellungen usw. gibt es in den verschiedenen Gesellschaftsschichten.

Diese Faktoren können nur umfassend objektiv beurteilt werden, wenn dies vor Ort unter Berücksichtigung des gesamten sozialen und (militär-) kulturellen Umfeldes passiert - ansonsten wird ein wesentlicher Teil, vor allem jener, der das "Agieren" der Akteure bestimmt, negiert.

Das Instrumentarium der Militärattachénetze verändert sich je nach sicherheitspolitischer Lage und ist daher einem ständigen Evaluierungspro­zess unterlegen. Die Anpassung dieser militärdiplomatischen Netzwerke und Strukturen ist jedoch immer nur mittelfristig möglich, da damit große Änderungen in den bilateralen Beziehungen verbunden sind. Der Militärattaché als Instrument der bilateralen Beziehungen hat in seiner Bedeutung vor allem in einem sich integrierenden europäischen Raum einen wesentlichen Aufgabenbereich hinzubekommen - nämlich als Sprachrohr und aktiveres und offensives Umsetzungsmittel von eigenen Zielen zu wirken. Dies bedeutet, der Militärattaché agiert als Wirkungsinstrument eigener Ziele und Vorstellungen und diese vor allem in einem immer enger wirkenden bilateralen Umfeld.

Ergebnisse militärdiplomatischer Arbeit

Die bilateralen Beziehungen auf militärischer Ebene stützen sich auf Grundlagendokumente, die oftmals über mehrere Jahre hinweg verhandelt wurden, um die konkreten Beziehungen näher definieren und rechtlich zu bestimmen. So sind mit vielen Staaten Memoranda of Understandings (MoU) abgeschlossen worden, die jedes Jahr durch den Abschluss von Zusammenarbeitsprogrammen (ZAP) weiter präzisiert werden müssen. Aufgrund der ZAPs und der darin abgebildeten Aktivitäten lassen sich die Entwicklungen der bilateralen Aktivitäten sowohl qualitativ als auch quantitativ abbilden und steuern. Mit all jenen Staaten, die nicht in Form eines MoU oder ZAP an das BMLVS gebunden sind, werden anlassbezogene Kooperations­programme erstellt.

Ein weiterer Aspekt zur Steuerung von bilateralen Aktivitäten ist in Form der Truppenkontakte möglich, die als ergänzendes und unterstützendes Element die bilateralen Aktivitäten weiter verfeinern können. Ein zusätzlicher Aspekt der bilateralen Aktivitäten liegt in der inhaltlichen und formalen Bearbeitung von Anträgen ausländischer Truppen zum kurz- oder mittelfristigen Aufent­halt in Österreich, beim Transit durch oder Überflug über Österreich. Diese in mehrere tausend gehenden Vorgänge müssen administrativ und technisch möglichst schnell und präzise durchgeführt werden, um keine Zeitverzüge zu produzieren.

Resümee

In den letzten Jahren ist die Beratung und Unterstützung der obersten Führung über Möglichkeiten und Chancen, besonders zur Erzielung von Synergieeffekten durch verstärkte bilaterale Zusammenarbeit, immer wichtiger geworden. Damit verbunden ist die intensivere Rolle als "Policy Maker", die auch größere Verantwortung mit sich bringt. Qualitativ ist es daher unabdingbar, entsprechend sicherheitspolitisch und militärdiplomatisch gebildetes Personal zum Einsatz zu bringen.

Bilaterale militärische Beziehungen sind immer stark an sicherheitspolitische ressourcenabhängige und außenpolitische Vorgänge gebunden. Die Beschäftigung damit zählt zu den interessantesten Aufgabengebieten innerhalb der Zentralstelle des BMLVS. Ein umfassendes Verständ­nis sicherheitspolitischer Vorgänge, ein hohes Maß an Cross-Culture-Awareness, die Eigenschaft zur Bewältigung von kurzfristigen Krisen und die Möglichkeit mit einer internationalen Community kommunizieren zu können, stellen die interessanten Eckpunkte der Arbeit im militärdiplomatischen bilateralen Bereich dar. Eigene Ausbildungslehrgänge, die zum Teil über ein Jahr dauern, unterstützen die Heranbildung entsprechender Experten. Damit kann der Absicht, wie sie in der "Österreichischen Sicherheits­strategie" angeführt ist, nämlich auch zukünftig die "Kooperation" als sicherheitspolitisches Grundelement zu sehen, entsprochen werden. (wird fortgesetzt)


Autoren: Bgdr MMag. Dr. Peter Vorhofer, Jahrgang 1967, 1993-1987 HTL-Maschinenbau Innsbruck, 1987-1991 TherMilAk Jahrgang "Montenuovo"; 1991-1997 Kdo LRÜ/TO Salzburg; 1991-1996 Studium Politik- und Kommunikationswissenschaft, Universität Salzburg; 1997-2000 Absolvent 15. Generalstabslehrgang Wien, 2000-2002 Leiter Fachbereich Taktik und Führung TherMilAk; 1999-2002 Doktoratsstudium Internationale Politik, Universität Wien; 2003 Leiter Referat Sicherheitspolitik KBM, 2003 stellvertretender Leiter Öffentlichkeitsarbeit KBM, 2004-2006 sicherheitspolitischer Berater des HBM, 2009 NCC AUTCON EUFOR ALTHEA und Chief Joint Military Affairs HQ EUFOR Bosnien, seit 2009 bis dato Leiter Attachéwesen und Militärdiplomatie, 2011-2012 Kdt Heerestruppenschule.

Nike Pulda, BA, Jahrgang 1987, 2008-2012 Bachelorstudium Politikwissenschaften (SW: Osteuropastudien sowie Österreichische Politik), Universität Wien; seit 2012 Masterstudium Politikwissenschaften (SW: Internationale Politik), Universität Wien; seit 2012 Bundeskanzleramt (Medienbeobachtung), bisherige Tätigkeiten:

OIIP (2012/2013) sowie BMEIA/ständige Vertretung bei der OSZE (2008); längere Auslandsaufenthalte in Irland (2006) und Kanada (2003-2004); außeruniversi­täres Engagement (u. a.): Erasmus Intensiv Programm zu Nuklearpolitik (2014), Belgrade Security Forum (2014), ODIHR/OSZE-Wahlbeobachtungsmission in Aserbaidschan (2008). Seit März 2014 Verwaltungspraktikum Abteilung für Attachéwesen.

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